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MönlniMr LaaMatt und und Der Abonnementspreis beträgt Vierteljahr- Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. lich L Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für dw «achster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uh des vorhergehenden Tages. Politische Rundschau. »Waldenburg, 15. Januar 1880. Deutsches Reich. Als der Kaiser am Sonntag Mittag nach dem Palais zurückfuhr, wurde von einem Fräulein H. ein Brief in den Wagen geworfen. Das Fräulein H., sowie deren Begleiterin eure Frau Lieutenant S., wurden von einem in der Nähe poftirten Schutz mann sofort angehalten und zur Wache geführt, wo Erstere augab/ daß das dem Monarchen zugewor fene Schreiben ein Unterstützungsgesuch sei- Die habe zur Beorderung desselben an die kaiserliche Adresse jenen ungewöhnlichen Weg wählen müßen, weil ihre zeuderigen Bemühungen, eine Audienz vom Kauer zu erlangen, um demselben ihre unglückliche Luge zu schildern, fruchilos gewesen. Bezüglich der Verhandlungen mit dem Vati- can hebt die „Prov.-Corr." gegenüber einem Ar tikel d s päpstlichen Blattes „Aurora", der ausge führt hatte, daß der Abschluß der kirchenpolitischen Fragen lediglich von Bismarck abhänge, hervor, daß sich in dieser Meinung eine auffällige Unkennt- niß oder absichtliche Verkennung der preußischen Staaisverhältnisse ausspreche. Bismarck sei nur für tue Reichspolüik verantwortlich; die kirchen-politischen Fragen gingen nur Preußen an; Bismarck sei nur Vorsitzender im preußischen Staatsministerium und theile die Verantwortlichkeit seiner Ministercoliegen. Abänderungen der preußischen Maigesctze müßte der CuUusmiulster beantragen, der König gutheißen und der Landtag beschließen. Von der Commission des preußischen Abgeord netenhauses wurde am 14. d. der H 1 des Wan derlagergesetzes, welcher das Princip der Vor lage enthält, mit allen gegen eine Stimme an genommen. Beim Bundesrath soll die Einbringung eines Viehseuchengesetzes unmittelbarbevorstehen, nach dem der früher bereits ausgearbeitete Entwurf mitt lerweile der Begutachtung von landwirthschaftlichen Sachverständigen unterzogen worden. Das Vertragsverhältniß zwischen der Admiralität und Herrn Leutner bezüglich der Hebung des „Großen Kurfürst" ist noch keineswegs aufge hoben. Allerdings soll eine Verlängerung auf „län ere Zeit" noch nicht stattgefunden haben. Die kaiserliche Admiralität beabsichtigt, diesen Contract nur von 4 zu 4 Wochen zu verlängern und diese Verlängerung von den jedesmaligen Nachrichten über die Zahlungsfähigkeit Leutner's abhängig zu machen. Für den Staatssecretär des Auswärtigen Amtes ist eine Gehaltszulage von 24,000 Mk."be antragt worden. Der bisherige Inhaber der Stelle gehörte zur gut situirten Minderheit der Menschen, und wenn schon er bei seinen geringen Ansprüchen an das Leben mit seinem Gehalt nicht ausgeko.nmen ist — er gab nur selten kleinere Gesellschaften —, so erklärt sich die Unzulänglichkeit eines Gehaltes von 36,000 Mk. für den Staatssekretär des Aus wärtigen ohne Weiteres. Wenn der Neichskanzer durchsetzt, daß v. Bülow's Nachfolger 60,000 Mk. erhält, fo steht sich finanziell der Staatssekretär des Auswärtigen um 6000 Mk. besser als der Neichs- Die beantragte Gehaltserhöhung macht we gen ihrer Höhe Aussehen, und doch ist sie erklärlich genug, denn gerade das Staatssekretariat gebührt einem der Tüchtigsten. Allseitige Zustimmung findet in der deutschen Presse zweiten Kammer einstimmig Beschluß, die Regierung zu ersuchen, beim "ns eme Abänderung desGerichts- ivucngesetzes hinzuwirken. Man kann daraus ermessen, wie schwerwiegend die Bedenken gegen die starke Belastung des rechtsuchenden Publikums sind. Ungarn. Der auswärtige Ausschuß der ungarischen Dele gation votirte einen Nachtragscredit für die Unter stützung der bosnischen Flüchtlinge unter den Bedingungen, daß der Minister des Aeußern im Plenum im Namen der Regierung verspreche, die gemeinsame Negierung werde in dieser Angelegen heit keine weiteren Summen beanspruchen und daß durch die im Berichte ausgeworfene Sumnie die Re- patriirung der Flüchtlinge factisch und definitiv beendet werde. Die ersten Ruhestörungen in Pest wegen der Duellaffaire fanden am Sonntag Abend statt. Der dichteste Knäuel von Menschen ballte sich vor dem Nationalcasino zusammen, wo der wüste Lärm am größten war. Zischen, Pfeifen und Schreien wech selten mit den immer wieder sich erneuernden Rufen: „Eljen Verhovay! Abzug Casino!" Die Thorflttgel des Casinos standen weit offen, doch be trat Keiner aus der demonstrirenden Menge die Schwelle des Gebäudes; es erschollen lediglich Rufe zu den Fenstern empor. Der Oberstadthauptmann forderte die Menge zum Verlassen der Gaffe auf. „Abzug Thaisz!" und „Eljen Verhovay!" war die Erwiderung. Die 10—15 Constabler standen der colossalen Masse rathlos gegenüber. Da erscholl plötzlich der Ruf: „Das Militär kommt!" In der That hatte der Oberstadthauptmann aus der Karlskaserne eine Compagnie Militär requirirt, die in raschen Schritten aus der Grenadiergasse Heran rückle. Es war Mannschaft des 33. Infanterie regiments „Baron Kussevics", unter Commando eines Hauptmanns. Der früher tumultuöse Lärm wurde jetzt wahrhaft betäubend; nun forderte der commandirende Offizier die Menge zum Auseinander gehen auf, ohne daß jedoch seine Aufforderung auch nur das geringste Resultat gefunden hätte; „wir bleiben hier," rief es aus Hunderten von Kehlen, und „wir wollen sehen, ob man es wagen wird, uns mit Waffengewalt zu vertreiben." „Fällt das Bayonne!!" commandirte nun der Offizier, und trotzdem wich Niemand vom Platze. Die Situation wurde bedenklich, ein ernster Zusammenstoß schien nahezu unauswcichbar, da hier und dort abfällige Bemerkungen über das Einschreiten der Militärge walt laut wurden und eine directe Verhöhnung des Offiziers oder der Mannschaft zu befürchten stand. „Das Militär soll gegen die Russen ausmarschiren und nicht gegen uns!" so rief eine Stimme unter donnerndem Beifall der Menge. Da legten sich die Reichstagsabgeordueten Emerich Szalay und Otto Hermann ins Mittel. Ersterer forderte mit lauter Stimme in seiner Eigenschaft als Abgeord neter den Oberstadthauptmann auf, zu veranlassen, daß das Militär wieder abziehe. Um turbulenten Straßenscenen — so sagt er — ein Ende zu machen, dazu bedürfe es keiner Militärgewalt, hier zu genüge Polizei und müsse dieselbe genügen. „Ich bin für die öffentliche Ruhe verantwortlich," ent gegnete Thaisz, „wer wird die gestörte Ruhe Her stellen, wenn das Militär abzieht?" „Ich," er widerte Szalay, „ich bürge Ihnen dafür, vaß die Ruhe auch ohne Militär wieder hergestellt wird." „In diesem Falle", bemerkte nun der Oberstadt hauptmann, „will ich behufs Vermeidung eines Un glücks Ihrem Wunsche nachkommen, aber ich mache Sie für alles Weitere verantwortlich." Einige Minuten darauf zog sich das Militär zurück, der Tumult währte indessen, wenn auch in geringem Maße fort. Schon begannen sich die Straßen zu lichten, und einzelne Gruppen entfernten sich, als wieder Rufe laut wurden: Thaisz habe sein Wort gebrochen, das Militär sei nicht in die Caserne zu rückgekehrt, sondern befinde sich mit aufgepslanzten Bayonneten in der Grenadiergaffe. Und wieder ging der Höllenlärm los und es schien, als sollte der Crawall sich mit doppelter Kraft erneuern. Da parlamentirten die genannten Abgeordneten aber mals mit dem Oberstadthauptmann, und kurz da rauf rückte das Militär in die Caserne ein und auch die Demonstration hatte ein Ende. Unter stürmischen Rufen: „Eljen Verhovay!" „Abzug Majthenyi!" entfernte sich die Menge, und um i/r11 Uhr war die Hatvanergasse wieder still und ruhig. Am 13. d. sammelten sich größere Volks mengen vor dem Nationalcasino an und war fen die Fenster des Casinos ein. Das Militär säuberte die Straße; einige Excedenten und Poli zisten sollen verwundet sein, etwa 30 Excedenten wurden verhaftet. Frankreich. Bei der Präsidentenwahl ist Gambetta nicht etwa mit einer glänzenden Majorität gewählt wor den, wie es den Anschein hatte. Bekanntlich ist er mit 259 von 308 Stimmen gewählt worden. Die Kammer hat im Ganzen 532 Abgeordnete. Von diesen gehörten nach der gewöhnlichen Schätzung etwa 360 der republikanischen Partei an. Gam betta hat nicht einmal diese 360 Stimmen auf sich zu vereinigen vermocht; nicht einmal alle republika nischen Abgeordneten hielten es für nöthig, am Wahlacte theilzunehmen. Die 259 Abgeordneten, auf die er sich stützen kann, sind ihm allerdings blind ergeben und bilden gewissermaßen seine par lamentarische Leibgarde, aber ihre Zahl genügt nicht, ihm die Herrschaft zu sichern und es war daher sehr klng von ihm gehandelt, daß er bisher allen Auf forderungen, selbst die Leitung der Geschäfte zu übernehmen, vorsichtig aus dem Wege ging. Die 224 Abgeordneten, welche sich der Stimmenabgabe ganz enthielten, rekrutirlen sich offenbar aus den Conservativen und den Ultra-Radicalen. Die 40 Deputirten, welche mit weißen Zetteln stimmten, also auch nicht direct für Gambetta eintreten moch ten, dürften wahrscheinlich aus Männern des linken Centrums bestehen, welche Gambetta den Sturz des Cabinets Leon Say und Waddington nicht zu ver zeihen vermögen. Spanien. Nach einer Meldung der „Agence Havas" aus Madrid bleiben die Oppositionsmitglieder den andauernden Cortesberathungen fern. Canovas versuchte einen Ausgleich herzustellen. Es verlautet, falls derselbe erfolglos bleiben dürste, würde Canovas der Majorität vorschlagen, die Man date der fernbleibenden Deputirten erloschen zu erklären, nach der Ansicht anderer beabsichtigt Cano vas die Auflösung der Cortes vorzuschlagen. Mar schall Martinez Campos soll Sagasta die Unter stützung zugesagt haben, wenn der König die Libe ralen in die Negierung beruft. England. Die Königin Victoria wird, wie englische Blät ter melden, das Parlament nicht persönlich eröffnen. Ueber die Motive zu diesem Entschluß schreibt man den Hamburger Nachrichten, daß dies derselben Ur sache zuzuschreiben sei, die sie veranlaßt hat, einen Polizei-Jnspector in ihrer Nähe zu haben. Es sol len nämlich viele Drohbriefe eingelaufen sein, die der Polizeibehörde übergeben wurden, und ihre Nach forschungen sollen festgestellt haben, daß diese Droh ungen ernstlich zu nehmen sind.