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Aiiktthal -Zeitung. Lokalblatt für Aue, Auerhammer, Zelle «Klösterlein, Nieder- u. Oberpfannenstiel, Lauter, Bockau, Bernsbach, Beyerfeld, Tachfenfeld, Zschorlau und die umliegenden Ortschaften. Erscheint «ttttv-»», Kreitag« u «-««tag». AdvunementSpret» Incl. der 3 werthoollen Beilagen vierteljährlich mit Bringerlohn 1 Mk. ES Pf. durch di« Post 1 M. 2K Pf. Mit 3 issustrirten Aeivtättern: Deutsches JamMenSlatt, Kute Keister, der Zeitspiegek. Verantwortlicher Redakteur: «mil Hegemeister in « ue (Erzgebirge). Redaktion u. Expedition: Al», Marktstraße. Inserate die einspaltige EorpuSzeile Ist Pf«, die volle Seite 30, >/s S. 20, >/. St. 6 Mk. bei Wiederholungen hoher Rabat. Alle Postanstalten und Landbriesträge» nehmen Bestellungen an. No. 149. Freitag, den 16. December 1892. 5. Jahrgang. Bestellungen auf di« WM^AuerLHoC-IeiLung (No. 685 der Zeitung-Preisliste) für das 1. Onartal 18SS werden in der Expedition (Aue, Marktstraße), von den Aus trägern des Blattes, sowie den Lendbriefträgern jederzeit gern angenommen. Expedition der „ Auerthal-Zeitung," LZ» 11 Politische Nachrichten. Drntschl«»». Berlin, den 14. Dezember. — Ein neuer Fall, der die Notwendigkeit der dieser Tage im Reichstage beantragten Entschädigung für un schuldig Verurteilte beleuchtet, wird von den Münch. N. Nachr. mitgeteilt: In diesem Frühjahre wurde vom Land gericht« München auf Grund der Anzeige und der Aus sagen eines Wirte« ein Mann wegen eines Diebstahls von drei Uhren trotz seiner Unschuld-beteverungen zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Bor langer Zeit traf der Verurteilte in einem Gasthause zufälligerweise mit der früheren Kellnerin de« Gastwirt« zusammen. Al» diese auf ihr Befragen, warum er sich so lang« nicht mehr habe sehen lassen, erfahren hatte, daß er im Gefängnis war, erbrachte sie ihm den Beweis, daß der Wirt selbst die Uh ren seiner Frau genommen und versetzt habe. Aus er stattete Anzeige hin wurde der Wirt vor kurzem selbst ver haftet, sein Gesuch um Haftentlassung gegen Kaution ab gelehnt und er wegen Meineid» vor da» Schwurgericht verwiesen. — Die Unfallberufsgenossenschaften zahlten im Jahre 1891 2ü Millionen Mark an verletzte Arbeiter oder an die Angehörigen Verstorbener. — Großes Aussehen erregt in Hamburg die Zahlungs einstellung der Bank- und Wcchselstrma Caro u. Bartels, nachdem sie am Donnerstag noch Accepte in Höhe von 400000 Alk. von drei Banken abgrnonimen hatte, ohne sNachdruck verboten.) Jeu Moton. Die Armen der Millionenstadt. Ein Berliner Roman aus der Gegenwart von M. Palfy. (Fortsetzung.) Wilhelm Hurt, besten ehrliches, frische- Gesicht mit den blauen Augen vor Stolz und Wonne strahlte, war der Letzte, der auf dem Al<randerplatz zögerte. Er hatte seine blond« Frau dreimal in schlankem Trabe um den Platz -»fahren, »gerade wir wenn Du Eklipasche hättest I* belehrte er sie lachend, «ährend er herausfordernd mit der Peitsche knallte. Die neue Tracht, der weit« dunkelblaue Keagenmantel und der lackirte Hut standen thm gar nicht übel zu Gesicht. Die beiden Glücklichen näherten sich jetzt zum dritten Male der AuSsahrtShalle unter dem Stadtbahnbogen. Oben war eben ein Nordringzug von der Friedrichstraße her durch den Bahnhof gebraust. Eine schlanke, tirfverschleierte, schwarzgekleidete Dame, — die Gräfin Irma, — stieg die Stufen hinab und trat au- dem Portal und unter dem Stadtbahnbogen hinaus auf »en Alexanderplatz. Zögernd blieb st« dann stehen, ihr Blick durchforscht« suchend di« weite, belebte Fläche. Da gewahrte sie Wilhelm, der stolz auf dem Kutschbock« thronte und glückselig auf sie zugefahren kam. Sein ehr liche-, frische», gute- Gesicht that ihr wohl, ohne sich weiter zu besinnen, winkt« st« ihm, mit d«r Hand. Zahlung zu leisten. Car» ist flüchtig, Bartels hat sich jelbst der Polizei gestellt. Unter den unterschlagenen Effekten befindet sich rin großer Teil Hamburgischer Staatsrente, deren Amortisation bereit» beantragt ist. Die Höhe der Schulden wird auf 1'/, Million geschätzt. -- Zm Nickelfluß-Eisen ist da» Metall gefunden, da» den Riesen-Geschossen zu widerstehen vermag. Der Pan- zer der neuen Kriegsschiffe „Wörth", „Weißenburg", „Brandenburg" und „Kurfürst Friedrich Wilhelm" ist be reit« au» Nickelflußeisen hergestellt worden. — In Schlesien und Ostpreußen «erden dem landwirt schaftlichen Gesinde so niedere Löhne gezahlt, daß diese Leute auSwanbern. Biele ziehen nach Sachsen und Thü- ringen. In Schlesien giebt es infolgedessen Dörfer, die kei.'t Knechte und Mägde mehr haben. Die Bauern be sorgen mit Frau und Kindern selbst Feld und Stall. Die Not ist groß. Bereits legten sich die Behörden in- Mittel und warnten vor der Auswanderung. Da die Warnung aber unberechtigt ist, so nützt sie nicht». Im mer mehr der männlichen und weiblichen Feldarbeiter wandern fort. Jetzt hat die Wanderlust bereit- bis hin ter an die russische Grenze begriffen. Aus der Gegend von Gumbinnen kommen Klagen, daß das Gesinde fort ziehe. — 92956 Personen sind in den ersten 9 Monaten diese« Jahre- aus Deutschland nach Amerika auSgewan- dert. Diese Auswanderung wiegt aber bet ««item d«n natürlichen deutschen Bevölkerungszuwachs nicht aus. Deutschland» Bevölkerung nimmt trotz der Auswanderung jährlich noch um rund 250000 Menschen zu. — Der Lloyddaiypfer „Spree" war dem Untergange nahe. Einer der Reisenden schreibt: „Der Dampfer er litt am 16. November ein Leck, sodaß in wenig Minuten das Hinterdeck unter Wasser stand, die Gefahr war somit die denkbar größte; Passagiergut wurde teilweise über Bord gewvrfrn; 1 RettungSbvt und ein Passagier gingen ver loren; 3 Tage tr'ebcn wir hilflos, bereit- jede Hilfe auf gebend unter Sturm und Nebel außer Kur- kommend, nach Norden. Da meldete sich Montag Nacht halb 3 Uhr auf unsere Not-Raketen-Signale ein englischer Dam pfer als Retter von 1000 Menschen! Freute und Jubel waren unbeschreiblich denn Rettungsbote und Schwimm gürtel lagen schon längst „klar', 4 Damen wurden gei- „Fanny, Fanny!" rief Wilhelm aufgeregt, „Neck mal dal Meine erste Kundin. Ach, Haseken, haben wir Jlickl Nun noch jleich'n orndlichet Drinkjeld dazu verdient und den ersten Dhaler hätten wir. Hurrahl Frau Droschken kutschern, so soll det Jeschäft immer blühen!" Er sprang vom Bock, riß den Wagenschlag auf und half ihr heraus, und «ährend er sie umfaßte und in der Schwebe hielt, gab er ihr lachend einen herzhaften Kuß. Fanny wehrt« ihn verschSmt ab, aber er knallte unter nehmend mit der Peitsche und ries mit scherzhafter Drohung: „Wenn Du Dir zierst, jeb' ick Dir jleich noch einen!" Nu» lachte auch die blonde Frau, und unter Scherzen und Neckereien nahmen sie, wie zwei Kinder, von einander Abschied. Wilhelm fuhr der Gräfin noch ein paar Schritte ent- gegen; um in ihre glückdurchwärmte junge HäuSlichkeit'zurückzu- kehren. Dabei ging sie an der Dame vorüber, welche langsam, ihr Schleppgewand hebend dem Wagen zuschritt. Deren eigenartige Grazie, die Anmuth ihrer Bewegungen srappirten dir junge Frau. Wo hatte sie doch diese schlanke Gestalt mit der vornehmen Biegung de» Nacken», mit dem stolz getragenen Köpfchen schon gesehen? Ihr Herz begann zu klopfen, vor ihre Seele trat ein Abend in der Alexan- derstraße, der durch Wilhelm'« Dazwischenkunft über ihr ganze« ferne«», jetzt so glückliche« Geschick entschied. Heute pocht« ihr Herz gerade wie damals, al« sie die schlank« Dame, deren feine« Gesicht da« schwarze Spitzentuch über schattet«, mit dem verhüllten Kinde auf »em Arm« in den Wagen steigen sah. Fanny runzelte di« Stirn, die Erinnerung begann st« zu peinigen. Vergeblich versuchte sie unter dem dichten Schleier die Züge »er Fremden zu durchdring««. Sie vermocht« nicht, sich Gewißheit zu »erschaffen, nur ihre Ahnung rrdete laut. steskrank; kurz eine traurige Situation. Seit s Tagen im Schlepptau, hoffen wir mit Gottes Hilfe morgen in OueeuS-Tvwn, Irland, zu landen und in einigen Ta ge» mit nächstem Dampfer nach New-Aork zu reisen." — Die Amerikaner bauen Eisenbahnen in unbesiedel ten Gegenden,' nm diese bevölkert zu machen. Mit der Eisenbahn kommen die Einwanderer, und wo heute weit« grüne Prai ie ist, erheben sich 10 Jahre später Farmen und Städte. Diese- amerikanische Rezept soll jetzt in Deutsch-Südwestafrika angewendet werden. Die Kolonial- gesellschaft bemüht sich, eine deutsche Gesellschaft zustande zu bringen, welche die Mittel liefert, eine Eisenbahn von ver Suakin-Mündung bi- Windhoek zu bauen. Da« Land hat Waster, ist fruchtbar und töanle Millionen Menschen ernähren. Jetzt wird es nur von einigen Hor den Negern und einigen weißen Viehzüchtern bewohnt. — Bei der Halbinsel Hela ist in ter Sonntag-nacht ein Rostocker Dreimaster-Schooner mit der ganzen Besa tzung untergegangen, vülleicht infolge Zusammenstöße» mit einem unbekannten Dampfer, in welchem Falle auch dieser untergegungen sein mußte. — Ein Stimmungsbild des erste» TagcS der Militär debatte. „Vier Kriegsminister am BundcSratStisch und da zu noch ein kleines Bataillon militärischer Bevollmächtig ter und Kommissarien aller Grade, daß «ar ein seltener Anblick für den Reichstag. Halb in Gefccht-stellung, halb in Parade marschierten sie zur ersten Lesung der Militär vorlage dem recht spärlich besetzten Reichstage gegenüber auf, und es ist ein Glück für die deutschen Steuerzahler, daß nur mit Worten und Gründen und nicht mit bewehr ter Faust um die Entscheidung gekämpft wir». Am lin ken Flügel aus gewohntem Platze saß der General-ReichS- kanzler und nach rechts schloß sich da« krieg-ministerielle Quartett aus Bayern, Preußen, Sachsen, Schwaben an, malerisch umsäumt von dem militärischen Gefolge zur Seiten al» Repräsentanten des zahlenden Civil» einig« kummervolle Finanzminister. Groß war die Spannung, mit welcher der Rede de« Frhrn. von Huene, al« de« Führers der ausschlaggebenden Partei, entgegengesehen wurde. „Der Fink hat wieder Samen" — hieß eS viel fach, als der CentrumSrcdner gesprochen hatte, und mit vielsagendem Schweigen nahm er die ironischen Kompli mente entgegen, die ihm als würdigen Schüler des großen Und so gingen die beiden Frauen, deren wirre Schick salsfäden sich einmal so seltsam gekreuzt hatten, auseinan der, um sich niemals wiederzusehen. Fanny stieg grübelnd, verstimmt und nachdenklich die Treppe zum Fahrsteige der Stadtbahn empor; die Gräfin warf sich in das Innere der Droschke, zog den Schlag hinter sich zu und versank in müdes, schmerzliche» Sinnen. Erst die Stimme Wilhelm's schreckte sie wieder auf. Respektvoll seinen Kopf dem offenen Fenster nährend, fragte er, „Wohin?" Die Gräfin fuhr auf, ein schmerzliche-, zerstreute» Lächeln umspielte ihren Mund. „Nach dem chemischen Labora torium," erwiderte sie zögernd, und der Wagen rollte davon. 22. An der Themse. An einem Abend, — es war der letzte der Woche — suchte sich durch die wirren, engen Gassen London» ein Mann au» der Richtung von Waterloo Station her nach der Eisenbahnbrücke von Charing Croß seinen Weg. Unter seinen Füßen rollten dumpfbrausend di« Züge der Metropolitan Railway hin; die ganze Weite de« Birtoria Embankmcnt lag bis Waterloo Bridge halbhell erleuchtet unter ihm, Starr und ernst hob sich die Nadel der Cleopatra in die Höhe. Karl Bittmann, der mit dem Gelde der Aristokratin di« weite, gefährliche Flucht bi» in'S Herz der andern Millionenstadt gewagt hatte, stand jetzt in dumpfen Brü ten still. Di« tausend und abertausend hingewirrten Lichter zuckten über sein starre«, wie aus Stein gemeißelte» Gesicht, seine finstern Augen hoben sich uud schauten nach dem schim mernden Zifferblatt von Parliament Hause. E« «ar acht Uhr.