Volltext Seite (XML)
BeMIyeiqer und TagMM. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg nnd BraO. Lerautwortlicher Redakteur Iuliu» Brau» i» Freiberg. > 33. — - Erjchnnt jeden Wochentag Abends ö llyr für dur , Inserate werden bi» BonniNag« 11 Uhr anamom- 88. Sonata,, den 17. Apnl. 1881. Wetter-Prognase sür S»ut«ß, den 17. AprU: Seme weseutliche Aeuderuug i« bm befteheube« WitteruugsverhSltutssen zu erwarte«. Ostern. Auferstehen! jubeln uns die Osterglocken entgegen. Auferstehen! predigt uns die aus dem Winterschlafc erwachende Natur. Auferstehen! jauchzt das nach langem Druck wieder froh aufathmende Menschenherz und er schließt sich froh und ganz der beglückenden, stärkenden, tröstenden Gewißheit, die uns das gesegnete Fest verkündet. Ob wir uns gläubig versenken in die frohe Botschaft, „die einst in Grabesnacht von Engelslippen klang, Gewißheit einem neuen Bunde", ob wir hinaustreten in die Natur, das aussprossende neue Leben zu begrüßen — überall aus Orgelton und Glockenklang, aus dem Gesang der Vögel und dem Rauschen der vom Eise befreiten Bäche tönt der Fcstruf: Auferstehn! Du beseligendes Ostcrwort, dringe hinaus in alle Lande, klopfe an alle Menschenherzen, die zerknirschten wie die verstockten, die verzagten wie die gleichgiltigen, die schwachen wie die übermüthigen; wecke überall die Lebens kraft und den Lebensmuth, die Lebenslust und die Lebens pflicht, auf daß alle Welt einen rechten und echten Auf erstehungstag feiere! Auferstehen sollst auch du verhärtetes, glcichgiltigcs, längst für alle edelen Regungen abgestumpftes Herz, das da sich selbst glaubt genügen zu können, das nichts nach des Anderen Wohl und Wehe fragt, dem nur Freude macht, was dem eigenen Vorthcil dient. Du glaubst zu leben — cs ist nur ein Scheinleben ohne Kraft und Saft, ein trauriges Vertrocknen und Verkümmern. Unempfindlich sein heißt abgestorben sein. Frisches Empfinden ist frisch pulsirendes Leben- Hänge dich immerhin an deiner Selbstsucht Truggcbilde, klammere dich ängstlich an deinen erträumten eigenen Vorthcil — du sührst ein jammervolles Dasein, kein eigentliches Leben. Lerne beim Anblick der erwa chenden Natur, daß die Eiskruste geschmolzen sein muß, daß Licht und Wärme walten und alle Kräfte sich voll auslebcn müssen, wo von wahrem Leben die Rede sein soll. Beim Anblick der Blume, die für Alle blüht, beim Gesang des Vogels, der für Alle ertönt, erkenne doch endlich, wie nur das Leben für Andere und in Anderen der Menschheit Glück ausmacht und daß es kein köstlicheres Gefühl giebt, als die Empfindung, „wie Alles sich zum Ganzen webt, eins in dem anderen wirkt und strebt." Auferstehen sollst du leichtfertiges, ewig an der Ober fläche bleibendes, nie in des Lebens Tiefen dringendes Herz. Du hast stets nur die Blumen gesucht, die an deinem Pfade blühten, den freudigen Erscheinungen nach gejagt, die du erhaschen konntest, in des Lebens Genüssen den Reiz des Daseins gesucht. Meinst du wirklich, daß dies volles, wahres Leben sei? Tritt in der Stille dieses Ostertagcs hinaus ins Freie, erschließe dich dem geheim aißvollen Wehen des Lenzes! Ist das, was du von der sprossenden Pflanze gewahrst, das herrliche Krün, in welches sie sich kleidet, die Blüthe, mit der sic sich schmückt, ihr Leben? Nimmermehr! Was du nicht gewahrst, die Wurzeln, die sie tief in die Erde senkt, das macht ihre Lebenskraft aus, daraus zieht sie ihre Nahrung, damit klammert sie sich fest in der. Stürmen, die da kommen. Je weniger sie an der Oberfläche geblieben, je tiefer sic eingedlungcn ist, um so sicherer steht sie, um so herrlicher kann sic blühen und Frucht tragen. So lerne auch du die Wurzeln deiner Kraft kennen; suche in den Tiefen unserer christlichen Religion und nicht an ihrer Oberfläche den Halt zu finden, der dich in den Stürmen des Lebens zu sichern vermag — und du wirst damit zu einem neuen, chönen und reichern Dasein erstehen. Du aber träge dahin träumendes, im Guten wie im Bösen gleich unthätiges Herz, dem im ewigen Einerlei die Zeit dahinschleicht, das nie die Freudigkeit des Schaffens gekannt und nie die Gelegenheit dazu gesucht — hier mitten in diesem Ahnen einer neuen frohen Zeit, in diesem Keimen und Werden lerne fühlen, welch herrliches Ge schenk der Schaffenstrieb ist! Wie geht das Herz auf, wie durchströmt uns bei diesem allenthalben sich regenden Entstehen ein Hauch des Göttlichen! Ucbcrall Thätigkcit, Bewegung, Lcbcnsdrang, nirgends eine Erinnerung an das pessimistische Wort: „es nützt ja zu nichts, es wird doch wieder vergehen." Daß all dies Blühen und Keimen einst ein Ende haben wird — wen kümmert's heute? Ob das aufkcimende Leben auch einst wieder versinkt, schon um dieser Freude am Entstehen willen ist es werth geliebt zu werden. So treibe denn auch du Blüthen, du Menschenherz, wecke die Kräfte, die in dir schlafen und es werden dich die Wonnen eines unvergänglichen Früh lings durchschauern! Soll ich nun auch dich, du armes schwer beladenes Menschenherz, das da vergehen will unter der auferlegtcn Last, auf die frohe Osterkunde verweisen? Du stehst klagend an einem Grabe; sei cs am Grabe dessen, der dir über Alles theucr war, sei cs am Grabe getäuschter Hoffnungen, gescheiterter Pläne und Entwürfe. Blicke >in auf das Grab am Oelberge. Während die Seinen noch um ihn klagen, ist der Herr schon auferstanden in aller Herrlichkeit. Jndeß die Lehre Christi vernichtet zu ein scheint am Kreuz von Golgatha, schöpft sie gerade aus diesem Kreuze die Kraft zu einem Sicgeszugc ohne Gleichen. Das verachtete und geschmähte Holz wird zum Zeichen des herrlichsten Triumphes. Giebt cs ein schöneres, erhabeneres Glcichniß, wie aus tiefstem Leid höchste Selig keit erblühen kann, als den Blick auf den nach schmach vollem Tod im himmlischen Glanze wieder erstandenen Heiland? Und nun noch einmal in die Natur zurück. Was er storben und versunken schien, siehe cs kehrt zum Leben zurück. Nichts um dich ist verloren, Alles ersteht zu neuem Leben. Wovon du im Herbste trauernd Abschied genom men, es grüßt dich wieder in neuer und schönerer Form. Und gerade das, was Dir lieb und theucr geworden, sollte dir ewig entrissen sein? Nein, cs lebt und wird leben unvergänglich — das lehrt dich dieses Osterfest aus tausend Stimmen. Schon heute kannst du es auferwccken, wenn du nur willst. Trenne nur das Vergängliche von dem Unvergänglichen, gieb die Form auf und halte dich an das Wesen, verzichte auf das Aeußerliche und Wan delbare und mache dir das Innerliche und Dauernde ganz zu eigen von dem, was du geliebt. Du hast es nicht verloren, es lebt in und mit dir fort, schöner und reiner noch als vordem, weil geläutert von allem Irdischen. Das scheinbare Versinken in ewige Nacht war nur der Uebergang zu einem neuen herrlichen Dasein! So redet das Osterfest zu einem Jeden unter uns in seiner eigenen Sprache. Mahnung und Anklage, Trost und Hoffnung können wir von ihm mit in unser Alltags leben hinwegnehmen. Sei denn das Fest auch in diesem Sinne ein Fest der Auferstehung und der Erneuerung für uns Alle, damit aus dem Knospen und Sprießen unseres Ostertages einst köstliche Frucht erwache! Die Woche. Die Osterstimmung beherrschte in vergangener Woche das häusliche wie das politische Leben. Ucbcrall Auf räumen und große Reinigung, den Winterstaub zu ent ¬ fernen, damit dem Frühling gastliche Einkehr bereitet werde. Nur der deutsche Reichstag nahm sich dieses Beispiel wenig zu Herzen. Für ihn war das Aufräumen keineswegs die Parole des Tages Vorzeitig mußten die Sitzungen wegen Beschlußunfähigkcit unterbrochen werden und es ist ein tüchtiges Stück Arbeit liegen gcbliebm. Inzwischen sind die Abgeordneten in die heimischen Kreise zurückgekehrt und entwickeln an verschiedenen Stellen des Reiches eine Thätigkcit, die nichts zu wünschen übrig läßt. Sie halten Versammlungen ab, gründen Vereine und rufen neue Preßorgane in's Leben, welche die spe zielle Ausgabe haben, für die bevorstehenden ReichstagS- wahlen Propaganda zu machen. So ist beispielswnse in Mannheim ein provisorisches Komitee zur Gründung eines „deutsch-volkswirthschastlichcn Resormvereins" zu- sammengetrctcn, welcher den Zweck haben soll, derjenigen Politik und denjenigen Maßnahmen Vorschub zu leisten, die geeignet sind, thatsächlichc Besserungen in unseren sozialen und Volks - wirthschastlichen Verhältnissen hcrbeizuführen. Das Programm setzt sich aus 20 Punkten zusammen und macht den Eindruck, als hätte den Verfertigern daS Göthe'sche Wort vorgeschwebt: „Wer vieles bringt, wird Manchem etwas bringen." Die Herren bringen vieles und werfen cs durcheinander wie Kraut und Rüben. Wir heben nur Punkt 1L'Hervor, welcher lautet: „Mög lichste Sparsamkeit im Rcichshaushalte mit besonderer Rücksicht auf den Militär-Etat, unter eventuller Zugrunde- ' legung einer zweijährigen Dienstzeit." Giebt's wohl eine Menschcnsecle im deutschen Reiche, der nicht seit Jahr und Tag diese Forderung als Lockspeise zugerusen wurde? Wird das Volk nach den Erfahrungen, die es mit derartigen Versprechungen gemacht, den Programm fabrikanten nicht mißtrauisch zurufen: „Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich auch endlich Thatcn sehn!" Und dennoch wagt man, diesen Punkt als etwas Neues aufzustellen Uebcrhaupt begegnet das Osterfest bei uns keiner sonderlich gehobenen Stimmung. Die völlige Zer fahrenheit unserer innerpolitischen Zustände, das systemlose Experimentircn, womit die Reichsregicrung sehr unklaren Zielen zustrcbt, haben im Volke eine Unsicherheit erzeugt, welche die Resultate der nächsten Wahlcu fast als ein Spiel des Zufalls erscheinen lassen. Die durch Ostem unterbrochene Session des Reichstags ist mit ihren erfolg losen Arbeiten auch nicht dazu angethan, die Zufriedenheit in der Wählerschaft zu vermehren, und so kann cs kommen, daß lediglich die extremen Richtungen einen Gewinn zu verzeichnen haben und die positiv schaffenden, praktisch thätigen Mittclpartcien in die Minderheit gedrängt werden. In Oesterreich gewinnt der Nationalitätenkampf von Tag zu Tag an Schärfe und erinnert unwillkürlich an den genialen Josef ll., welcher ein dauernd kräftiges, österreichisches Staatswesen nur durch die Germanisirung des ganzen Länderbesitzcs gewährleistet glaubte. Es be darf kaum des Hinweises, daß das Kabinet Taaffe das pure Gegentheil von dem erstrebt, was Oesterreichs größter Herrscher als eine Lcbensbcdingung des Reiches erkannte. Die französische Regierung hat den Protest des Bey von Tunis gegen die beabsichtigte Grenzüber- schrcitung durch französische Soldaten beantwortet und dem Bey notifiziren lassen, daß sie nichts an den von ihr getroffenen Dispositionen ändern könne und der tunesischen Regierung die Verantwortlichkeit für alle Konsequenzen überlasse. Darauf ist Seitens des Bey eine neue Replik erfolgt, die unter Wiederholung des früheren Protestes erklärt, daß die tunesischen Truppen allerdings die französischen nicht angreifen würden, jedoch vermöge der Bey nicht, die arabischen Slämmc zu verhindern, sich gegen Angriffe zu vcrthcidigen und somit für eventuelle Komplikationen gut zu sagen. Die tunesische Armee hat sich unter Sidi Ali, dem Bruder des Bey, unter Ver meidung der Benutzung der Eisenbahn, zu Fuß nach dem Gebiete des Krumirs in Bewegung gesetzt Welche Hal tung dieselbe schließlich cinnchmen wird, dürfte erst klar werden, wenn die tunesischen Schaaren sich mit französischen Kolonnen begegnen. Sämmtliche Konsuln in Tunis haben unter Vorsitz des französischen eine Konferenz abgehalten zur Berathung der für den Schutz ihrer Landsleute da selbst erforderlichen Maßregeln. Aus den Verhandlungen der Konferenz erhellt, daß bis jetzt keinerlei Befürchtung