Volltext Seite (XML)
G M Feierabend W O M N Antevhaltrrngs-Veilage dev Sächsischen Volkszeitung Nr. s2 Sonntag den 20. März >9W Palmsonntag. Evangelium: Der feierliche Einzug Jesu in Jerusalem. Sechs Tage vor seinem blutigen Tode zog Jesus feier lich in Jerusalem ein. Tie näheren Umstände dieses Ein zuges erzählen uns die Evangelisten sehr ausführlich. Seine letzten Tage vor der Leidenswoche hatte der Gott mensch in stiller Zurückgezogenheit verlebt, wie Johannes sagt, zunächst in Ephraim, das an der nördlichen Grenze des Stammes Benjamin lag und eine der unbekanntesten und einsamsten Städte des Landes war. Aber auch dort kann Jesus nicht lange verweilt, vielmehr scheint er nach kurzen! Aufenthalte sich in die Wüste begeben zu haben, wo er sich verborgen gehalten oder er hat sich nordöst lich an des Jordans stille Ufer gewendet, von wo wir ihn auf seiner letzten Reise nach Jerusalem über Jericho kom men sehen (vergl. Lukas 19, 1). In der Nähe von Beth- phage, das Bethanien gegenüber am Oelberge lag, sandte er zwei seiner Jünger in den Flecken hinein, daß sie ihm ein Eselsfüllen brächten, auf welchem noch nie ein Mensch gesessen hatte: und nachdem sein Befehl vollzogen war, setzte er sich auf das Füllen und nahte sich also Jerusalem. Ohne begleitende Volkshaufen zog Jesus nie, diesmal aber strö men in ungewöhnlicher Menge die Menschen von nah und lern herbei. Das Osterfest ist nahe und hat viele Menschen in Jerusalem versammelt, der Ruf von des Lazarus Auf erweckung ist durch ganz Judäa gedrungen und hat Freunde und Feinde in Bewegung gesetzt: alle wollen den großen Propheten von Nazareth sehen und da sie seiner ansichtig werden, geht die Bewunderung in laute Begeisterung über, die selbst die Gleichgültigen mit fortreißt. Sie breiten ihre Kleider auf deu Weg, sic hauen Zweige von den Bäumen und streuen sie vor ihm her, ja es bricht die Menschen menge, die ihm vorangeht und nachfolgt, in den freudigen Ruf aus: Hosanna dem Sohne Davids! Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe! So umjubelt zieht Jesus ein. Und er selbst, was ist es, das in seinem Bilde uns vor allem entgegenleuchtet? Es ist der freie Gehorsam, es ist die erhabene Seelenruhe, es ist die heilige Demut, es ist die unendliche Liebe, mit der der Heiland in den Tod zieht. Jesus weiß, was seiner bei dem Osterfeste wartet, zu dem wir ihn ziehen sehen. Mit den Worten: Sehet, wir gehen hinauf nach Jerusalem und es wird alles in Erfüllung gehen, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrieben worden ist. Denn er wird den Heiden überliefert, verspottet, gegeißelt und ange- spicn werden und nachdem sie ihn gegeißelt haben, werven sie ihn töten, mit diesen Worten kündigt der Erlöser den Jüngern in Galiläa seine Reise an. Diese faßten damals seine Worte nicht, selbst eine Gefahr für den geliebten Mei ster sahen sie erst zu Bethanien, als seine Feinde nach der Auferweckung des Lazarus ihm nach dem Leben trachten. Als er danach dennoch seine Schritte nach Jerusalem richtet, rufen die Jünger bekümmert: Herr, jenes Mal wollten die Juden dich steinigen und du willst doch wieder dahin ziehen? Ja. Thomas sagte in einer Anwandlung von wehmütigem Unmut und wieder von leidender Ergebung: So lasset unS mit ihm ziehen, daß wir mit ihm sterben! Auf dem Wege sodann was anderes sind seine Gespräche als Abschiedsreden, als rührende Ermahnungen zu Mut und Standhaftigkeit, als liebreiche Tröstungen, die sein Scheiden den Getreuen erleichtern sollen. Bei solcher Gewißheit konnten sein feler- licher Einzug, die Freudenbezeugungen des Volkes, das Triumphgeschrei der wankelmütigen Menge den Gottmen schen nicht irre machen. Kaum im Tempel angekommen, trägt er den Priestern und Schriftgelehrten das treffende Gleichnis von den Weingärtnern vor, die die Knechte ihres Herrn mißhandelten und töteten und am Ende gar seinen eigenen Sohn, der zu ihnen gesendet war, nicht verschonren, sondern umbrachten. So zweifellos stand vor Jesu Christi, was ihm bevorstand, so bestimmt kannte sein Herz keinen anderen Entschluß, als das große Opfer zu vollenden. Las ihm der Vater aufgetragen, so fest verlangte sein Wille nach keinem anderen Ziele, als das ihm auf Golgatha gesetzt war. Welch ein Tod ist cs, dem Jesus entgegengeht? Ist es der ruhige Tod in Freundesarmen? Ist es der sanfte Tod unter der wohlbekannten Pflege zärtlicher Liebe? Ist cs der Tod des Ruhmes und der Ehre? Ach. es ist der schmachvollste und schmerzlichste Tod, den man im Altertum kannte. Es ist der Tod der Missetäter. Es ist der Tod, den man nur über jene Elende verhängte, deren Unmensch lichkeit durch Grausamkeit vergolten werden sollte. Und wann ging Jesus diesem Tode entgegen? Sollte erst am Abend seine Lebenssonne sich neigen? Sollte erst im Spät herbste sein Erdendasein verbleichen? Sollte er erst ein Greis, satt und lebensmüde, des Todes Beute werden? Sehet, vor ihrer Mittagshöhe senkte sich seine Sonne nie- der. Im Beginne des Sommers entblätterte der eben noch grünende Baum. In der Kräfte reichstem Vollgenusse starb der 33jährige Mann. Und war es etwa Vorwitz, der ihn in diesen Tod führte? Oder war es etwa Schwärmerei, die in diesem Martyrium sich selbst gefiel? Oder war es Lebensüber druß, der dieses Erdendaseins sich entledigen wollte? Der Reinste, der Weiseste, der Heiligste, der am Oelberg so rührend flehte: Vater, ist es möglich, so lasse diesen Kelch an mir vorübergehen, er hatte keinen anderen Willen als den Willen dessen, der ihn gesendet, sein freier Gehorsam war es, der ihn in den Tod geführt. Betrachte, wenn du kannst, diesen Tod in seiner ganzen Schmach, in seiner gan zen Gcistcsqual, in seinem ganzen Körperschmerze, und er- wäge dann das Wort in seiner Höhe und Tiefe: Christus ist gehorsam erfunden worden bis in den Tod, ja bis in den Tod am Kreuze. Um das Bild dieses freien Gehorsams, darin uns ein Vorbild gegeben ist, wie auch wir gehorsam sein sollen, stellt uns das heutige Evangelium, daß wir damit unseren Ungehorsam gegen den Willen des Vaters vergleichen. Ach, es ist so wenig, das unserer Schwachheit angemutet wird. Wir sollen nur dem Hochmute entsagen, der unserer Sünd haftigkeit nicht geziemt, und im Gefühle unserer Abhängig, kcit mit Kindcssinn an Gottes Vaterhand uns festhalten. Wir sollen nur au des Eitle unser Herz nicht hängen, das der Wind verweht wie Spreu in die Lüste und auf den Grund unser Heil bauen, der ewigen Bestand hat.