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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.03.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110320020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911032002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911032002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-20
-
Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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Bezugs-PreiS »r r'echtzi» »«ich M«»m Träger »nd Lvkdnn-r- S»»l tilatt» in» pau« >edrachl: Och H nonnll., ».70 viertrliLdri Bet »nt«r» Filiale, «. »u. ,a!»m«fteücn »dgehetu 7» »MMlU, L^LÜ viertel,Lhet. Durch dt« Ps«r ni«h«U> reuitchtanv« unv der dmichhen Holenien «iert«l,it>rt. US» monatl. I2i0 autlchl. Poftdeftellgcld. ferner n Belgie», Dänemark, den ronaullaaren. Italien, Lureindurg, Niederlande, N»r- meae», Oesierreutz Ungar», Rußland, ^ch eben, Schweiz». Spante». In allen übrigen Staaten nur direkt d»rch di« iSejchästltteüe de» «kalter «rhL-Utch. Dar Leipziger Tageblatt erscheint 2«al läglich, Sona. u. Feicriag« a«r morgen«, ildonn«. enl»Lnnadme : ttuguftu-platz 8, bei umeren Trägern, Ailiakea, Spediteuren und Annahmestellen, iowie Loslämlern und Brieiträgern. Linzelverkaustpret« der Moyen- »utgade 10 der r.bead ntgabe Sch. Abend-Ausgabe. rWMrTagMM Handelszeitttng. Amtsökatt des Nates und des Notizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeige«-Preis 1 iietpaig und Uwgeduni » »» dicht, Vetttzeil. W, «mo»rr« «chlama» U» We »ch>Mt» « d«, «Wipäl»», Aperate —a «e»«rd«» i» «mMchmi Teil dch 7« »» drei», «etitzetle «0 Gchchäkranzeigen acht PlagnorlchrM«» »ad 1» der »denda»«aad« ,m Ureis« erhöbt, chadair »ach Tarik, «eilagegedüdr 5 aA p. Lautend «gü. «ollgebühr. gastmrtchU» «»fvchae kd»aen Nicht zarcktk^ gezo^» ««de». Mk da« «trschetne» an bemmnrten Ta^» »ad Plätzen »ich keine ätarantie übernommen. «käsige»». Lanabmr: A»guft»4pl«tz 8, »« sämtliche» glklake» n. allen tkanonceu. «xpeintioaen de« I». and «»»lande«. «rdaktt»» n»d »eschtstt-ele- Jobannirgasie «. Aarnlprecher: t««L k«W3, 14604 pa»pt.Stlt»lr vreade« «aeftra»« 4, T (Telephon 4621). Nr. 7S. t05. Jahrgang Momsy, Len 20. Mar; 19ll Vie SsblnettskrMs i« Italien. Mitten in die Zubiläumsstimmung der Italiener fällt eine Regierungskrisis durch die vom Kabinett Luzzatti angekündigte Demission. Das Kabinett ist nicht etwa einem Mißtrauensvotum der Kammer, sondern dem MangelaninnererHomogeni- tät zum Opfer gefallen, denn die Regierung selbst hatte sich der Tagesordnung aus Beschleunigung der Wahlreform durch die mit deren Vorberatung beauf tragte Kommission gar nicht angeschlossen, und die dann von der Mehrheit beschlossene gegenteilige Tagesordnung hätte den Bestand des Kabinetts nicht zu gefährden brauchen, wenn sich nicht zwei radi kale Mitglieder der Regierung durch den Kammer beschluß verletzt gefühlt hätten. Man könnte durch die Ankündigung der Demission des gesamten Kabinetts überrascht sein, wenn man nicht wüßte, daß die Lage Luzzattis anfing, schwierig zu werden. »Der bisherige Ministerpräsident befand sich in derselben Situation, wie sein Vorgänger Sonnino, als dieser im März 1910 zurücktrat, weil er die Unmöglichkeit einsah, ohne sichere Parla ment s m eh r h eit an die Ausführung seines Programms heranzugehen. Luzzatti übernahm da mals die Kabinettsbildung keineswegs leichten Herzens, da er schon soundsoviel Ministerien ange hört hatte — sein Ressort war meistens dasjenige des Schatzes —, so kannte er die Kämpfe, die seiner harrten. Aber er brachte das Opfer und versuchte, was freilich vor ihm auch schon andere zur Regierung berufene Männer getan hatten, alle Parteien zur Mitarbeit heranzuziehen. Er berücksichtigte bei der Bildung seines Kabinetts auch die Opposition und rechnete auf eine sichere Mehrheit in der Kammer. Seine Einsührungsrede am 28. April v. I. fand Bei fall im Parlament, sein Programm, in dem sich auch ein Stück sozialer Fürsorge hervorhob, wurde gut geheißen, und mit seinen Ausführungen über die internationale Politik Italiens konnte das Ausland zufrieden sein. Die Wahlrechtsreformfrage bildete auch auf der apenninischen Halbinsel einen wunden Punkt. Luzzatti persönlich schwärmte nicht für ein allgemeines und gleiches Stimmrecht, seine Neigungen gingen mehr auf ein Pluralwahlrecht, aber er hätte Konzessionen gemacht. Nun ist er doch über diese Wahlrechtsreform gestolpert. Er wurde übrigens von vornherein nur als Platzhalter Eio- littis angesehen, welch letzterer allein über eine Majorität in der Kammer verfügt und wohl schon im vorigen Jahre Sonnino abgelöst haben würde, wenn er es nicht vorgezogen hätte, die Lösung der Schwierigkeiten anderen zu überlassen. Es wird nun an Eiolittis Willen liegen, die Erbschaft Luzzattis anzutreten. Das Kabinett Luzzatti hat die freundschaft lichen Beziehungen Italiens zum Deutschen Reiche weiter gepflegt. Der Minister des Aeußern San Giuliano hatte alsbald nach Uebernahme seines Annes eine Zusammenkunft mit dem damals in Italien weilenden deutschen Reichskanzler und machte auch in Berlin seinen Besuch. Auf ein gutes Verhältnis zu Oesterreich-Ungarn legte er gleichfalls großen Wert. An den internationalen Beziehungen Italiens dürste ein Kabinettswechsel schwertich etwas ändern. Oie Hauptversammlung ües Lanües- verdsnües üer Gvangelilchen Arbeiter vereine im Könl^reitlr Sachsen fand am 18. und 19. März unter überaus zahlreicher Beteiligung aus allen Landesteilen in Lug au im Erzgebirge statt. Von den 110 Vereinen des Ver bandes waren 90 durch etwa 200 Delegierte vertreten. Die benachbarten Vereine hatten außerdem zahlreich« Gäste entiandt. Am Sonnabendabend wurden nach kurzer Begrüßung eine Anzahl Anträge erledigt, die zum großen Teil organisatorischer Natur waren. Nach einem gemeinsamen Kirchgänge am Sonntag fand die Hauptversammlung der «ter belasse statt, wäh rend die Krankenkasse Les Verbandes diese vor der Sonnabendsitzung abgehalten hatte. Das Mit tagsmahl vereinigte die meisten Teilnehmer der Tagung, worauf der Landesoerdandsvorsitzcnde Pfarrer Drechsler- Klcinschachwitz die eigentliche Hauptversammlung eröffnete. Zuerst er stattete der Vorsitzende den Jahresbericht. Daraus ist hervorzüheben, daß infolge der rührigen Tätigkeit des Agitanonsausschusses unter Vorsitz des Pastors Richter-Königswalde den bisherigen zwei Verbandssekretären zwei neue im Hauptamts zu gesellt werden konnten, denen ein fünfter am 1. April in Zwickau folgen wird. Der Landesverband zählt 110 Vereine mit fast genau 18 000 Mitgliedern; er ist im Berichtsjahre um 14 Vereine gewachsen. Oft werden auch Erfolge bei den verschiedensten Wahlen gemeldet. Der Bildung von Jugendgruppen und Ar- beiterinnenoereinen soll künftig besondere Aufmerk samkeit zugewendet werden. Der Kassenbericht des Landesverbandes balanciert mit etwa 27 000 Den Höhepunkt der Tagung bildete der Vortrag des Ehrenbeisitzers Pastor Winter-Dresden über: „Haben wir Ursache, uns des neuen Deutschen Reiches zu freuen." Zur Reichstagswahl wurde folgende Reso lution angenommen: „Die Hauptversammlung lenkt die Aufmerk samkeit der Vereine auf die bevorstehenden Rcichstagswahlen. Sie ist der Meinung, Laß die Evangelischen Arbeitervereine bei diesen keine andere Stellung als die bisherige einnchmen können und weist die von verschiedener Seite daran geübte Kritik zurück. Unsere Vereine stehen auf vaterländischem und christ lichem, aber nicht parteipolitischem Boden. Mit glieder aller bürgerlichen Parteien haben in ihnen stets friedlich und freundschaftlich zusammen gewirkt. Sie werden deshalb iür die Hauptwahlen keine andere Losung haben als diese: Unsere Mitglieder wählen unter keinen Umständen sozialdemo kratisch. Die Abstimmung für einen sozialdemo kratischen Kandidaten, den wrr als solchen für einen Christentumsgegner und für national unzuverlässig halten müssen, würde für sie eine Verleugnung un serer Bestrebungen bedeuten. Dagegen bleibt es ihnen überlassen, zü entscheiden, welcher von den nationalen Kandidaten den gerechten Wünschen der Arbeiter am meisten entaegenkommt, und dann diesem ihre Stimme zu geben. Die Vereine als solche können zunächst für keinen Kandidaten eine agitatorische Tätigkeit entfalten. Dagegen ist von ihnen zu er warten, daß sie in einer etwaigen Stichwahl mit voller Kraft für den nationalen Kandidaten wirken." Ebenso einstimmig wurde folgender Zusatz zu der Resolution angenommen: Hinsichtlich der Kandidatur des Landesverbandsschriftführers Pastor Richter- Königswalde im Reichstagswahlkreise Franken berg-Mittweida erachtet es der Landesver» band als selbstverständlich, daß seine Mit glieder mit aller Kraft für dieselbe eintreten, um da durch einen tatkräftigen und zielbewußten Vertreter unserer Anschauungen in den Reickstag zu entsenden. Falls die Kandidatur des ehemaligen Schriftleiters unseres Verbandsblattes, des Pastors Kruspe- Meißen zur Tatsache wird, gilt dieser Beschluß auch für dieses hervorragende Vereinsmitglied." Eine weitere Resolution beschäftigte sich mit der Stellung des Landesverbandes zu den gelben Ge werkschaften. Den Schluß der Tagung bildete die weitere Behandlung von Anträgen organisatori scher Natur und Neuwahlen für den Vorstand. Am Abend gab der Arbeiterverein Lugau den Vertreten» ein prächtig verlaufenes Fest. pvlitiMe Nachrichten. Der Reichstag und der Reichsetat. Die rechtzeitige Fertigstellung des Reichsetats vor dem 1. April wird, wie man in parlamentarischen Kreisen annimmt, sich nicht mehr ermöglichen lassen, nachdem die Debatten beim Etat des Reichsamtes des Innern sich mehr in die Länge gezogen haben als beabsichtigt war. Für die Etatsberatung stehen dem Reichstage bis zum 31. März noch 10 «itzungsiage zur Ver fügung. In dieser Zett sind in zweiter Lesung noch zu beraten: Der Etat für das Auswärtige Amt, der Kolonialetat, der Etat für das Reichsschatzamt, der Etat für die Reichseisenbahnen, der Etat für die Zölle und kleinere Etats. Da namentlich bei der Be ratung des Etats des Auswärtigen Amtes längere Debatten über die Abrüstungsfrage angekündigt sind und ein ganzer Sitzungstag durch die Kalidebatten in Anspruch genommen werden wird, so nimmt man an, daß die zweite Lesung des Etats erst kurz vor Monatsschluß beendet werden kann und die dritte Etatslesung noch einen Teil der ersten Aprilwoche in Anspruch nehmen wird. Im Reichstage wie im Land tage wird der Etat also um etwa 7 Tage später ver abschiedet werden. Die Verzögerung in der recht zeitigen Fertigstellung des Etats ist im Reiche be dauerlicher als in Preußen, weil dadurch di« am 1. April in Aussicht genommene Auszahlung der er höhten Bctcranenbeihilfen nicht erfolgen kann, da die Summe von 5 Millionen, die den Veteranen vom 1. April ab als Beihilfen gewährt werden soll, in den Etat eingestellt ist und erst nach Verabschiedung des Etats Verwendung finden kann. Der „Frauentag" in Oesterreich. Wien, 20. März. (Tel.) In ganz Oester reich fanden gestern Versammlungen von Frauen zugunsten des Frauenwahlrechtes statt. An der Wiener Versammlung nahmen etwa viertausend Frauen teil, die nachher in voll ständiger Ruhe die Ringstraße entlang zum Rathause zogen und dort ein Frauenrechtslied sangen. China lenkt ein. London. 20. März. (Tel.) Die „Times" melden ous Peking: China überreichte die Aittwort auf die russische Note vom 14. März, die infreundschaft- lichsten und versöhnlichsten Ausdrücken gehalten ist und Rußland das Recht gewährt, einen Konsul in Kobdo zu ernennen. Die Note räumt den russischen Untertanen das Recht auf Freihandel in der Mongolei und den anderen Gegenden außerhalb der Großen Mauer im Norden und Süden des Tienschangebirges für Erzeugnisse jeder Art und jeden Ursprungs ein. Was die Wiedereinfuhr chinesischen Tees aus Rußland betrifft, so erklären die Chinesen, daß dieser Handel nach wie vor dem im Jahre 1907 in Tschugutschak von dem russischen Konsul und dem chinesischen Toatai unterzeichneten Ab kommen unterliegt, dessen Artikel 3 die Bestimmung trifft, daß der Tee ureigenes Erzeugnis Chinas sei und zum Zwecke des Verkaufs nicht nach China wiedercingeführt werden dürfe. Zur Aufstandsbewegung in Paraguay. London, 20. März. (Tel.) Die Morgenblätter melden aus Buenos Aires: Die Aufstandsbewegung in Paraguay wurde nach einem heftigen Kampfe bei Villa Rosario zu Boden geworfen. Der Diktator Oberst Jara befehligte persönlich die Truppen und errang einen vollständigen Sieg. Die Aufständischen wurden zersprengt, der Führer Dr. Biqueline getötet und die übrigen Leiter der Bewegung meist gefangen genommen. Oberst Jara gibt zu, daß 100 M a n n und vier höhere Offiziere getötet wurden. Bier Bluttaten in Berlin. Das dunkelste Berlin offenbart sich dem Leser aus den nachstehenden Berichten von nicht weniger als vier grausigen Bluttaten, die in einer Nacht in dem Kaschemmenviertel der Reichshauptstadt verübt wurden. Ein über aus trauriges Sittenbild enthüllt sich uns, wenn wir von dem jüngsten Mord in Ber lin. von dem schaurigen Familiendrama und der Bluttat in der Animierkneipe lesen. Es ist das Milieu des Lasters und Lotterlebens, wie es die von mancher Seite darum übel verschrienen Dichter des krassesten Naturalismus auch nicht annähernd in ihren Schilderungen erreicht haben. Der tiefste Sumpf der Großstadt tut sich auf, seine Opfer zu verschlingen. Ein Frauenmord. In der Frühe des Sonntags wurde (wie wir schon kurz berichtet haben) di« in der Boyenstraße wohnende 31 Jahre alte Näherin Frau Martha Schramm, eine unter Sittenlontrolle stehende Person, von dem zu ihr in Beziehungen stehenden Klavierspieler Karl Lehmann ermordet au (gefunden. Sie ist nach anscheinend voraufgegangencm heftigen Kampf von dem noch nicht ermittelten Mörder durch drei zehn Messerstiche getötet worden. Einige Schritte von der Leiche entfernt lag der ebenfalls ge tötete Hundder Ermordeten. Di« von ihrem Mann getrennte Schramm wohnte in einer Mi« tkaserne mit zwei Höfen, Quergebäuden und Seitenflügeln, zu denen allein sechs Aufgänge führen. Die Schramm gab sich einem ausschweifenden Lebenswandel hin, wobei sie bald mit der Sittenpolizei in Konflikt geriet. In ihren Kreisen wurde sie dadurch unbeliebt, daß sie ihre Zuhälter, wenn sie ihr unbequem wurden, der Polizei denuzierte. Vor einigen Monaten lernte sie den verheirateten 28 Jahre alten Klavierspieler Karl Lehmann gen. Rosenmeier, kennen, der in Zuhälterkreisen den Spitz namen Klaoierkarl führt. Bald lebte er mit seiner Frau, bald mit der Schramm zusammen. Am Sonnabendabend gegen 11 Uhr kam die Schramm in ein Lokal in der Schwartzkopfstraßc, wo Lehmann Klavier spielte, und trank mit ihm ein Glas Bier. Dann entfernte sie sich mit dem Be merken, daß sie gegen 3 Uhr nachts wiederkommen wolle. Als sich Lehmann nach 4 Uhr nach der gemeinsamen Wohnung in der Boyenstraße begab und die Korridortür öffnen wollte, bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß die Tür nicht verschlossen war. Als er in die Stube trat, prallte er entsetzt zurück. Der Fußboden war über und über mit Blut bedeckt, das Mobiliar, di« Wände, die Tür trugen Blutspritzer, während die Schramm tot in einer Blutlache am Boden lag. Sie war völlig angekleidet: ihr Hut, der ihr anscheinend mit Gewalt vom Kopfe gerissen war, lag neben ihr. Einige Schritte von der Leiche entfernt lag der Kadaver des Hundes. Lehmann eilte nach der Reoierwache, wo er Anzeige erstattete. In kurzen Zwischenräumen trafen denn auch bald die einzelnen Mitglieder der Mord- Die Dame in Grau. Itzs Roman von Anny v. Pannhuys. (Nachdruck verboten.) Nun wartete das Mädchen schon den ganzen gestri gen Tag auf eine Depesche, auch ihre Herrin ließ nichts von sich hören. Zudem fing das böse Gewissen an, sich in ihr zu regen, und das quälte und plagte sie und raunte ihr zu: „Diebin, Diebin!" Sie scheute davor zurück, sich nach Fräulein von Predewitz zu erkundigen, sie meinte, man müsse ihr, was sie getan, schon von der Stirne lesen, und lang sam stiegen ihr Zweifel auf, ob ihre Herrin sie über haupt hierher in dies halboergessene Gasthaus ge sandt habe. Wer aber sollte .oohl sonst ein Interesse daran besitzen? Soweit war das Mädchen in ihrer Erzählung ge kommen, als sie der Kommissar unterbrach: „Wer ein Interesse daran hätte? Ihr Bräutigam, derselbe Mann, der Sie denunzierte!" ,Za, aber warum?" rief sie und blickte ihn voll Spannung an. „Weil er, um seine Spur zu verwischen, sich doch zunächst einen gehörigen Vorsprung sichern mußte, und dazu war es nötig, seinen eventuellen Verfolgern Steine in den Weg zu rollen, über di« sie erst mal ordentlich stolpern oder gar fallen sollten. Sie waren in diesem Falle der Stein, den der schlaue Herr der Polizei in den Weg legte, um sich inzwischen in Sicherheit zu bringen!" ,F)H, mein Gott, mein Gott, diese Schlechtigkeit", stöhnte das Mädchen leise. „Es ist mir nun vollends klar, wie die Sache zu- sammenhängt", sprach Langenau weiter, „derweil Sie das Kreuz herschafsten, gab Körner dem Dienstmann Auftrag, den dieser Ihnen ausrichtete. Gr mutzte sich erkundigt baden, oder es sonst irgendwo her wissen, daß das „Rote Männchen" ein abgelegener, wenig besuchter Gasthof ist, wo man Sie nicht so bald fin den würde. Er brachte Sie schnell zu einem Wagen, damit Sie nicht etwa noch Fräulein von Predewitz in di« Arme fielen, denn dann wäre sein feingesponne nes Planchen mißglückt, er kalkulierte auch ganz rich tig daß die Dame sie sicher suchen lassen würde — bis man Sie gefunden und soweit gekommen, den Diebstahl das Kreuzes mit Ihrer Person in Verbindung zu bringen, und bis man dann weiter von Ihnen heraus gebracht, wo das Schmuckstück geblieben, da war er schon viele wette, weite Meilen fort." In sich zusammengesunken saß das Mädchen unter der Wucht des auf sie Einstürmenden. „Bitte, beschreiben Sie mir den Dienstmann, der Ihnen angeblich die Nachricht von Ihrer Herrin brachte." „Es war «in alter Mann, klein und dürr, mit auffallend langem weißen Schnurrbart", ent gegnete sie. „Der alte Herrmann, ich kenne ihn und werde ihn später befragen. Doch nun sagen Sie, Fräulein Wieg- ler, haben Sie vielleicht ein Bild von diesem Fritz Körner ?" forschte er weiter. Meta Wiegler brachte eine Phorographie im Visitformat zum Vorschein. Langenau lächelte so eigentümlich, als er sie zurück gab, doch sagte er kein Wort darüber, sondern erhob sich und einen Schritt näher an das Mädchen heran tretend, legte er ihm sacht die Hand auf die Schulter: „Eigentlich, Fräulein Wiegler, müßte ich Sie jetzt verhaften", — ein entsetztes Augenpaar starrte ihn an — er machte eine beruhigende Bewegung, „aber ich will vorläufig davon abseyen, wenn Sie mir ver- sxrechen, keinen Fluchtversuch zu macken und keine Selbstmordgedanken zu hegen. Ich bemerke Ihnen nebenbei, dah Sie beobachtet werden. Sie bleiben dann vorläufig hier, bis ich Sie benachrichtige. Dem Wirt werd« ich sagen, daß ich mich in Ihrer Person geirrt hätte, damit er gegen Ikr weiteres Wohnen hier nichts einwendet. Die Tasche nehme ich mit und werde sie Fräulein von Predewitz überbringen. Uebrigens noch eine Frage. Wie war dieser Herr Körner gekleidet?" „Er trug einen hellgrauen Anzug und einen etwas dunkleren Paletot darüber", erfolgte schnell die Antwort. „Na, also, nun findet auch die arauc Gestalt des Herrn Schmitt ihre Erklärung", flüsterte Langenau halblaut dem Freunde zu, und wieder zu dem Mädchen gewandt, sprach er freundlich: „Und nun, Kopf hoch! Glauben Sie mir, Sie haben bei allem Unglück noch Glück gehabt. Der Sinn dieser Worte wird Ihnen schon einmal klar werden. Jetzt gehen Sie auf Ihr Zimmer und keine Dummhei ten machen, lieber hübsch abwarien. ich glaube, die Sache steht lange nicht so schlimm, wi« sic aussieht." Vierzehntes Kapitel. „Hm, ich finde doch, die Sache steht verflucht un günstig für die arme Person", jagte Stetten, als er sich mit dem Kommissar wieder auf der Straße be fand. „Gewiß, aber ich mußte ihr doch ein bißchen Mut machen." „Za, freilich", und nachdenklich fügte er hinzu: „Aber weißt du, deine Milde ist mir völlig unbe greiflich; meiner Ansicht nach mußtest du doch oas Mädchen auf der Stelle verhaften. Die ganze Dieb- stahlsgeschichte ist doch nun klar, außerdem bezichtigt die bisher nur Verdächtige sich selbst." „Alles richtig, und dennoch ist sie vielleicht weniger schuldig, als sie ahnt." „Sprich, bitte, deutlicher." „Nun. irgendein Zufall konnte sie davor bewahren, den Diebstahl zu begehen." „Sie erzählte doch selbst, daß sie das Kreuz nahm." „Das Etui, bitte." „Das ist genau dasselbe, denn in dem Etui befand sich doch das Kreuz." „Weißt du das bestimmt?" ,.Bestimmt? Nun, ich nehme an, es befand sich darin." „Du nimmst an! Vielleicht erging es der Wiegler ebenso, sie glaubte, ihrem Geliebten ein wertvolles Schmuckstück zu übergeben, und" — „Uebergao ihm em leeres Etui, willst du sagen?" „Das will ich sagen." „Ja, aber?" „Za, aber?" lächelte der Kommissar, „was ich da eben äußerte, ist ja schließlich nur 'ne kühne Kombination von mir, die jedoch möglicherweise stimmt, und nun will ich dir meine Gründe ent wickeln, die mich auf diese Idee brachten. Also paß mal auf, du Kriminalanwärter. Der anonyme Brief des Herrn Fritz Körner entspringt irgendeinem Racheaefühl, nicht wahr?" „Vermutlich", stimmte Stetten bei. „Ja, das steht also fest. Doch warum sollte sich der Mann an einer Person rächen wollen, die ihm ein so wertvolles Schmuckstück verschafft hat? Daß er sie durch List veranlaßte, hierzubleiben, ist begreiflich, erstens aus dem Grunde, den ich vorhin der Wiegler erklärte, und zweitens wollte er das Mädel los sein, in Berlin hätte es sich an feine Fersen geheftet; an «in vorläufiges Versetzen des Kreuzes dachle er ja gar nicht. Sowas verkauft man doch viel besser! Mit solchen Sachen weiß er -Bescheid, der Herr Fritz Körner, der aber in den Polizeiakten Fritz Meier heißt, und dessen Konterfei schon seit einigen Jahren das Verbrecheralbum ziert. Die Geschichte, er sei Bankbeamter und habe aus Mitleid, um einem Freund zu helfen, Geld unterschlagen, ist natürlich Schwindel! Sein Beruf umfaßt andere Gebiete: Hochstapler, Heiratsschwindler, Buchmacher, Falsch spieler; je nachdem sich die Gelegenheit bietet, übt er eine dieser Tätigkeiten aus. Nach dem Bilde das mir die Wiegler zeigte, erkannte ich den feinen Herrn sofort, da ich außerdem schon persönlich die Ehre hatte, mich mit ihm zu befassen. Vor mehreren Jahren gab er hier in Barmenstädt mal 'ne hübsche Talentprobe seines Könnens, dessen Schauplatz das „Rote Männchen" war, daher datiert wohl auch seine Kenntnis dieses Gasthofes." ,^a, aber " „Bitte, wenn du mich unterbrichst, sage wenigstens etwas Gescheiteres." „Ja, weißt du, lieber Freund, mit deinem Geist Schritt zu halten, ist verdamgit schwer", lackte Stetten, „doch sprich, bitte, weiter, ich werde dich nicht mehr unterbrechen." „Also kurz und gut, ich denke mir, die Wiegler brachte dem Körner ulia» Meier das Etui, das aber leer war — sie hatte keine Ahnung davon, der Kerl öffnete dasselbe erst im CoupS, allerdings gleich, nachdem sich der Zug in Bewegung gesetzt, er fand >as Etui leer und warf es, dem ersten Impulse ölgend, zum Fenster hinaus. Das war nun an und ür sich schon sehr unüberlegt, aber von noch größerer Unüberlegtbeil zeugte der anonyme Brief. In dem Glauben, da» Mädchen hätte sich da» Schmuckstück selbst angeeignet und wollte ihn mit dem leeren Kästchen foppen, geriet der Mensch in solche Wut, daß er den Brief an di« Polizei schrieb und die Aufmerk samkeit auf die Wiegler lenkte. Wenn er ruhig nach, gedacht hätte, mußt« er sich doch sagen, daß seine quasi Braut sich sicher nicht mit der Absicht trug, ihn zu prellen oder zu necken, denn sie glaubte ihm ja blindlings und opferte ihm ohne viele Worte ihre kleinen Ersparnisse, und außerdem muht« er sich klar machen, daß er dadurch, dah er die Polizei auf die Wiegler hetzte, sehr leicht sich selbst mit hineinreihen konnte. Das schien ihm im Augenblick ganz egal ge wesen zu sein, die Hauptsache war ihm di« Befriedi gung seiner Rachegelüste, schloß der Kommissar. LAortsetzung folgt.)
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