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HllMbniW (UtbMM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 236. Mittwoch, den 12. October 1881. ^Waldenburg, 11. October 1881. Wider die Fortschrittspartei» Der liberale Verein des Wahlkreises Nürnberg- Altdorf hat einen Ausruf erlassen, der wegen seines warmen nationalen Tones von der „Nordd. Allg. Ztg." umständlicher mitgetheilt wird. In demselben wird die geistige Unfähigkeit der Fortschrittspartei scharf kritisirl. Die markantesten Stellen des Auf rufes lauten: „Statt die Ehre und Sicherheit des Reiches zu wahren, appellirt die „deutsche Fortschrittspartei" beständig an den gemeinsten Egoismus, um die Ver- theidigungskraft des Reiches zu schwächen und ihre Klientel unter den Unzufriedenen zu vermehren." „Gefährden die Fortschrittler doch jetzt schon durch ihr frivoles Rütteln an dem festen Bestand unseres Heeres, durch ihre Unfriedenssaat die Sicherheit des Vaterlandes. Die fortschrittliche Agitation findet im Ansland ein tausendfaches Echo, und ihr ist es zu verdanken, daß allenthalben der Glaube an die in nere Einigkeit unserer Nation und an die nachhaltige Widerstandskraft des Reimes schwindet." „Die „deutsche Fortschrittspartei" hat stets und überall nicht das nationale Interesse, sondern die Erstarkung des Partikularismus zu fördern gesucht. Sie hat sich zum Anwalt des deutschen Sonder geistes gegen das Reich gemacht, so in der Ham burger Freihasenfrage, so in der Frage der Reichs finanzen, so bei allen Maßnahmen, mit welchen eine Stärkung der deutschen Reichsgewalt verbun den war." „Wir verwerfen den öden, herzlosen und un- christlichen Begriff der Fortschrittspartei: daß der Staat nur die Nolle des Gendarm und Nachtwäch ters zu spielen habe." „Wir behaupten, daß der Staat allgemein mensch liche Pflichten zu erfüllen habe. Nicht in der Ueber- nahme von Verpflichtungen für die Allgemeinheit durch den Staat liegt die Gefahr, sondern in der einseitigen Förderung der kapitalistischen Interessen." „Wir weisen die Aufstellung der Fortschrittspartei zurück, daß der Freihandel eine unerläßliche Forde rung jedes liberalen Programms sein müsse." „Deutschland hat in den Jahren, in welchen es seine Grenzen dem einseitigen Freihandel geöffnet hat, Milliarden an Volksvermögen verloren, während in den Ländern, welche ihre Industrie durch hohe Zölle schützen, wie Frankreich und die Vereinigten Staaten, trotz einer ungeheuren Schuldenlast und der Verluste, die ihnen au« ihren Kriegen erwachsen sind, der Volkswohlstand in großem Maßstabe zu nimmt und ungeheure Summen für gemeinnützige Anlagen wie für die Vervollkommnung der KriegS- tüchligkeil mit Leichligkeit aufgebracht werden." *Waldenbnrg, 11. October 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der deutsche Bundesrath ist für den 20. Octo ber einberusen worden. Fürst Bismarck nimmt so lebhaftes Interesse an den Berliner Vorgängen, daß er sich über die verschiedenen Wählerversammlungen direkt vom Poli zei-Präsidium regelmäßige Berichte einsenden läßt. Gambetta soll, so vermuthen die „Dr. N.", bevor er nach Dresden kam, in Varzin gewesen sein, wo er mit dem Fürsten Reichskanzler conferirt habe. Aber was dort gesprochen worden ist, weiß das Blatt selbstverständlich anch nichtanzugeben. Gam betta ist inzwischen unter angenommenem Namen mit seinem Steffen in Frankfurt eingetroffen, von wo er am 10. d. mittags nach Paris weiter gereist sein soll. Ein neues Reichsamt liegt in der Lust, für welches wahrscheinlich Professor Reuleaux in Aus sicht genommen ist. In den Geschäftskreis dieses Reichsministeriums sollen hineingezogen werden: das Patent-, Marken- und Musterschutzwesen, das Aich- wesen, die Fabrikinspection, das Dampfkessel-Revi sionswesen, das Ausstellungswesen, zum Theil auch die Ertheilung von Bau-Consensen in besonderen technischen Anlagen. Ferner gehören in dieses Res sort die technischen Versuchsanstalten, sowohl die für Festigkeitsversuche, wie die bereits an der technischen Hochschule in Berlin bestehende, als die neu zu schaffende Versuchsstation für Brennmaterial; außer dem würde es die Aufgabe dieser Behörde sein, die Förderung technisch-wissenschaftlicher Bestrebungen, welche bisher der nur mit relativ geringen Mitteln arbeitenden Vereinsthätigkeit oblag, zu organisiren. Zur Vertheidigung der Socialpolitik des Fürsten Bismarck hat Professor Alagner in Berlin vor Wählern eine Rede gehalten. Er tadelte namentlich die Angriffe der Gegner und deren Methode, die Socialreform durch Uebertreibung in's Lächerliche zu ziehen. Geheimrath Engel habe ein mal die Verstaatlichung der Eisenbahnen persiflirt und gesagt: Nächstens komme es noch so weit, daß man jeden Morgen vom Thurm bläst: „Heute giebl's Knödelsuppe." So absurd und lächerlich das erscheine und so unwahrscheinlich das sei, so dürfte man doch nicht verkennen, daß vieles, was früher ebenso unmöglich und lächerlich war, jetzt zur allgemeinen Geltung gekommen sei. Hätte man früher vor Einführung der Gasbeleuchtung wohl glauben können, daß sich der Magistrat um die Be leuchtung der Privaträume kümmern und dieselbe besorgen würde? In Amerika beschäftige man sich mit dem Project einer Centralheizung für ganze Städte. Es komme dabei viel mehr auf die tech nische Möglichkeit und die größere Bequemlichkeit und Billigkeit an, als auf vorgefaßte Meinungen und Redner würde sich auch gar nicht schämen, dieselbe Suppe zu essen wie alle anderen, wenn sie von der Commune besser und billiger hergestellt werden könnte als von den einzelnen. Der Kanzler will principiell für die Ausführung neuer Gesetze Staatsmittel bewilligt wissen und Redner steht ganz auf dem Standpunkt des Kanzlers. Herr Wagner setzte sodann auseinander, daß man nicht wisse, ob die ganzen Kosten des Staatszuschusses zur Arbeiter versicherung vom Tabakmonopol gedeckt werden sollten, gewiß sei nur, daß die Tabaksteuer nach den Plänen des Kanzlers mit dazu verwendet werden sollen. Köln wird Seestadt. Von zuverlässiger Seite erfährt die „Elberfelder Zeitung", daß in der Sitzung der Nheinschifffahrts-Commission, welche am 4. d. in Koblenz stattgefunden hat, einstimmig für nothwendig erklärt worden ist, dem Rhein min destens von Köln ab bis zur See eine Tiefe zu geben, welche genügend ist, um ihn für Seeschiffe fahrbar zu machen. Das Blatt bemerkt dazu: Wir beglückwünschen die Industrie der westlichen Pro vinzen zu diesem wichtigen Beschlusse, wodurch wenigstens dieser Theil Deutschlands befähigt wird, hinsichtlich seines Exports und Imports mit den jenigen Nationen zu concurriren, welche bezüglich einer unmittelbaren Verbindung mit der offenen See mehr begünstigt sind. Wir wissen sehr wohl, daß die Ausführung dieses Planes von dem guten Willen unserer holländischen Nachbarn, die betref fenden Theile der Waal oder des Lecks in Ordnung zu halten, abhängt. Dies kann aber nicht länger zweifelhaft sein, nachdem das holländische Abgeord netenhaus beschlossen hat, den Schifffahrtskanal von Amsterdam nach Gorkum an der Waal zu bauen. Vor der Strafkammer von Stolp wurden verurtheilt: der Arbeiter Ludwig Bombke zu 6 Wochen Haft wegen groben Unfugs; er hatte aus dem Markt platz Hepp! Hepp! R>us mit den verfluchten Juden! geschrieen; der Arbeiter Franz Zimmer, der eine Schaufensterscheibe bei einem jüdischen Kaufmann eingeworfen hatte, wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung zu vier Monaten Gefängniß; der Arbeiter Friedrich Goschke, der auf den Bürgermeister, die Polizeidiener und das Militär mit Steinen geworfen hatte, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu elf Mo naten Gefängniß. Gegen Letzteren als Rädelsführer bei den Excessen in den ersten Tagen des Septem ber, hatte der Staatsanwalt 2 Jahre Gefängniß be antragt. Oesterreich. Ganz plötzlich ist in Wien der Minister des Aeußeren, Baron Haymerle, am 10. d. nachmittags 3'/r Uhr an einem Herzschläge gestorben. Haymerle ist am 7. December 1828 in Wien geboren und entstammt einer alten deutsch-böhmischen Adelsfamilie, welche im Jahre 1560 aus Steiermark nach Böhmen kam. Schweiz. Die Verhandlungen das in Chur stattgefundenen socialistischen Weltcong resses scheinen ohne besondere Leidenschaftlichkeit geführt worden zu sein. Die Delegirten haben sich begnügt, über den Stand der Socialdemokralie in den von ihnen vertretenen Ländern zu referiren; sie befleißigten sich dabei offenbar einer maßvollen Sprache und suchten mit wenigen Ausnahmen Alles zu vermeiden, was sie als Anhänger der Socialrevolutionäre oder Anarchi sten hätte kennzeichnen können. Man hat selbst vermieden, den Sitzungssaal mit der Lieblingsfarbe der Socialisten, dem dunklen Roth, zu schmücken. Der Vorschlag Rackow's, der Congreß solle die Bil dung einer schlagfertigen Nevolutionsarmee be schließen, um eventuell die errungene Macht be haupten zu können, wurde allseitig als lächerlich und verderblich bezeichnet. In der am 5. d. abgehalte nen Schlußsitzung wurde die Frage bezüglich eines gemeinsamen Manifestes an die Arbeiter aller Län der mangels Vorarbeiten verschoben, dagegen eine ausführliche Resolution angenommen, worin es heißt: „Die Arbeiterparteien befinden sich gegen wärtig in voller Krisis, die einen, wie Frankreichs, Belgiens, der Schweiz, Hollands und Dänemarks, sind daran, sich zu organisiren, die anderen, wie Deutschland, Oesterreich, Italien, sind im Kampfe gegen die Repressalien ihrer Regierungen, während die Bewegung in Rußland Angesichts der Aus nahmestellung, in der sich unsere Brüder befinden, noch nicht aus der Phase der Verschwörung hat hinauskommen können. Die Verschiedenheit der Verhältnisse bringt uns in die Lage, alle Kampf mittel je nach Umständen anzunehmen, wie Stimm zettel, Strike, Reformen, Revolution und im Falle der Nothwehr sogar Verschwörung, wie z. B. in Rußland." Im Anschluß an den Congreß sand eine Volksversammlung statt; die einzelnen Redner er gingen sich in fürchterlichen Schilderungen voller Lügen und Prahlereien über die Lage der Partei genossen in den einzelnen Ländern. Für Deutsch land that dies in besonders gehässiger Weise Herr Braun. Frankreich. Jeder Tag bringt traurigere Nachrichten über die Lage der Franzosen und ihrer Freunde in Nord afrika. Von allen Seiten gehen Meldungen ein über das Auftauchen starker Banden und über hef tige Gefechte. Die officiösen und officiellen Ver-