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Dresdner Journal : 20.06.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189606201
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960620
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960620
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-06
- Tag 1896-06-20
-
Monat
1896-06
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 20.06.1896
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verlieret»: Für Dresden vlerletjährllch « Mark bO Ps, bei den Kaiser- Uch deulschen Poftanstalten v,erteljährlich3Mark, außer halb des Deutschen Reiches Poft- und Stempelzusch-ag. Einzelne Nummern: 10 Pf. Erscheinen: Tüglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends. Fernfpr -Anschluß: Nr 1SS.» Vres-aer Journal. Ankündigungügebühre«: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift 2" Ps Unter „Eingesandt" die Zeile üt) Ps. Bei Labellen- und Zisfernsatz entsprechender Ausschlag Herausgeber: Königliche Expedition des Dresdner Journals Dresden, Zwingerstr 2V. Fernspr Anschluß: Nr 12S5. 188« Soimcibcnd, den 20. Juni, abends. Amtlicher Teil. TrcSdcu, 20. Juni. Se. Königl. Hoheit der Prinz Friedrich August, Herzog zu Sachsen, ist heute früh 12 Uhr 41 Min. vom Kyffhäuser hierher zurückgekehrt. Nichtamtlicher Teil. Tie zweite Beratung Leö Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstage hat gestern begonnen, und wenn die der alsbaldigen Erledigung der großen gesetzgeberischen Aufgabe geneigten Parteien es an Pflichteifer nicht fehlen lassen, so erscheint es in der That nicht aus geschlossen, daß im Laufe der übernächsten Woche die Durchberatung des Gesetzbuches und seine endgiltige Genehmigung erfolgt sein wird Mit aller Schärfe sind gestern noch einmal die Anschauungen der Freunde einer alsbaldigen Er ledigung des Gesetzbuches und die der Feinde dieses Gedankens auf einander gestoßen. Auf wessen Seite die Auten Gründe in diesem Redekampfe waren, kann freilich im Ernste nicht einen Moment zweifelhaft er scheinen. Was der Abg. Richter, im Namen der Minderheit, vorbrachte, jener Mann, dem überhaupt jede positive Thätigkeit des Reichstags in der Seele verhaßt ist, dessen ganze Kunst lediglich darin besteht, das Räderwerk der „Reichsmaschine" in Verwirrung und zum Stocken zu bringen, das entbehrte in jeder Weise des Gewichts sach licher Gründe. Daß die große Hitze und die späte Jahreszeit der außerordentlichen Bedeutung einer That, wie es die Verabschiedung des einheit liches Recht für Deutschland schaffenden Gesetzbuches eine ist, nun und nimmermehr entgegcngestellt werden darf, darüber ist überhaupt kein Wort zu verlieren. Daß über verschiedene Bestimmungen der Gesetzbuches unter den Parteien noch Meinungsverschiedenheiten bestehen, ist sicher. Aber von einer Begründung fiir die Hinausschiebung der Beratung des Gesetzbuches enthält diese Thatsache auch nicht einen Deut. Den Tag, an dem eine Regierungsvorlage in Deutschland nicht so und so viele feindliche Heerlager schaffen würde, wird keiner von uns allen aufgehen sehen, die wir uns jetzt unseres Daseins erfreuen, und daß im Herbst dieses Jahres die Zahl der Streitpunkte auch nur um einen einzigen vermindert sein würde, das auzunehmen ist keiner der Opponenten von gestern naiv genug. Im Gegenteil würden, wenn es zu einer Einzelberatung jedes der zweitausend Para graphen käme, nur hunderttausend neue Streitfragen auftauchen. Genau so unbegründet ist die Be hauptung, daß die „Allgemeinheit" das Gesetzbuch noch nicht genügend kennen gelernt hätte. Wer sich für das neue bürgerliche Recht interessiert, der hat seit einer ganzen Reihe von Jahren Gelegenheit ge habt, cs kennen zu lernen. Daß es nicht jedem Laien gestattet sein kann, in ein Werk hineinzureden und dort seine eigenen Reformgedanken anzubringen, welches von den berufensten Männern und erleuchtetsten Geistern in jahrzehntelanger ernster und mühevoller Arbeit geschaffen worden ist, ist nur ein großes Glück. Was jene Männer sertiggestellt haben, ist ganze Arbeit. Es stellt ein kunstvolles Gewebe von Gedanken dar, von denen jeder einzelne an Hunderten von Stellen wieder zum Vorschein kommt. Ein einziger Faden, von unkundiger Hand an sol cher Stelle gezogen oder an falscher Stelle eingefügt, kann das Gebilde verunstalten, es womöglich zur Anflöiung bringen. Wie wundersame Anträge kommen heute nicht auf dem beliebten Wege des Schachers von Partei zu Partei zu staude! Wenn daher bei jedem einzelnen Paragraphen das Handeln und Verhandeln wieder losgehen würde, so wäre der einheitliche nnd wissenschaftliche Charakter des großen Werkes aufs äußerste gefährdet. Eine erhebliche Mehrheit des Reichstags ist, wie die gestrigen Verhandlungen ergeben haben, bereit, unter Zurückstellung aller Souderwünsche den vor liegenden Entwurf einfach zu aeeeptieren als das ent schieden Beste, was überhaupt unter den heutigen Verhältnissen für unser bürgerliches Recht zu er langen ist Wenn eine Minderheit des Reichstags, die sich und anderen vorreden will, damit der Meinung des „Volkes" entgrgenzukommen — während doch die gewichtigsten Thatsachen für das Gegenteil sprechen — den Versuch unternimmt, den Willen der Mehrheit zu ignorieren und ihn ihrer eigenen Ob struktionsthätigkeit unterthan zu machen, so verdient dies die schärfste Mißbilligung, und cs ist nur zu hoffen, daß solchem Unterfangen der Erfolg versagt bleiben wird Ter Auöstaud in Lk. Petersburg. Bei jedem Kenner russischer Verhältnisse haben die in den letzten Tagen aus St. Petersburg und anderen Städten Rußlands gemeldeten Ausstände der dortigen Fabrikarbeiter nicht geringes Aufsehen erregt Akan erlebt hier zum ersten Male ein Schauspiel, das bisher nur in den westlichen Kulturstaaten Europas sich abzuspielen pflegte. Lohnstreitigkeiten und Ar- beiterausstände haben in dem Umfange bisher nur in den westlichen Provinzen Rußlands stattgefunden, in welchen das polnische und deutsche Volkselement bei weitem überwiegt. Anders liegen die Verhältnisse in St Petersburg. Wenn auch daselbst das deutsche Volksel-ment einen nicht geringen Bruchteil der Be völkerung darstellt, so überwiegen doch die Russen bei weitem, ganz besonders in der Arbeiterbevölkerung. Nach allem, was über den Ausstand und seine Vorgeschichte allmälig bekannt wird, kann an der That sache nicht mehr gezweifelt werden, daß gewisse Lehren der Sozialdemokratie in einem Bruchteil der spezifisch russischen Arbeiterbevölkerung seit längerer Zeit schon Eingang gefunden, und daß dieser unter geschickter Benutzung der Organisation der Arbeiterbevölkerung den Ausstand in Scene gesetzt hat. Deutsche und englische Einflüsse sind hierbei maßgebend gewesen. Die Maifeier, welche in Rußland im vorigen Jahre wenig beachtet wurde, ist diesmal von breiten Schichten der russischen Arbeiterschaft in den großen Städten abgehaltcn worden. Eine russische Maifest- zestung, 12 Ouartseiten groß, wurde hierbei in vielen Tausenden von Exemplaren verbreitet. Beiträge hatten hierzu deutscherseits W. Liebknecht, Kautski, Eleonore Marx-Aveling u. a. geliefert. Auch erfährt man jetzt, daß kleinere Ausstände in verschiedenen, selbst kleineren Städten Rußlands, der jetzigen großen Bewegung vorausgcgangeu sind. So sind seiner Zeit in Odessa an einem Tage 15, Bäckergesellen und 11 Tabakarbeitcr wegen Eintretens fiir Verkürzung der Arbeitszeit und für Lohnerhöhung verhaftet worden. In Smorgon, einer kleineren Stadt im Departement Wilna, haben einmal die Strumpfwirkeriunen die Arbeit niedergelegt, weil sie angeblich für ihre Arbeit nur 80 Kopeken bis 1 Rubel pro Woche erhielten. Ob sie durch ihren Ausstand Erfolge erzielt haben, ist nicht bekannt geworden. Was den jetzigen Petersburger Ausstand anbetrifft, so begann derselbe vor der Moskauer Krönung in der großen Spinnerei von König, am 15>. Juni folgten die Arbeiter sämtlicher Fabriken der Wioorger Seite (dcs Petersburger Fabrikviertels). Ihre Forderungen richten sich hauptsächlich auf Herabsetzung der bis herigen 13- bis 14stündigen Arbeitszeit auf eiue 0- bis lOstündige. Die Frage der Lohnerhöhung kommt bei den Arbeitern erst in zweiter Linie in Betracht. Wie schon angedeutet, in der Ausstand von langer Hand vorbearbeitet und besitzt eine vollständige Orga nisation, welcher die Behörden indessen bisher nicht auf die Spur gekommen sind. Denn obgleich die Polizei gl ich im Anfang des Ausstandes mehrere Arbeiter, die sie fiir die Leiter und Rädelsführer des Ausstandes hielt, verhaftete, dauert der Ausstand un verändert fort. Auch die Ei Mahnung der Polizei, die Arbeit wieder aufzunehmcu oder der Ausweisung aus der Residenz bez. des Abschubs iu die Heimat gewärtig zu sein, hat nichts gefruchtet Dabei scheinen die Führer des Ausstandes für den durch den Aus stand bedingten Lohnausfall in reichlicher Weise vor gesorgt zu haben. Eine gefüllte Ausstandskasse, aus der angeblich Familien 5, Rubel wöchentlich erhalten sollen, soll vorhanden sein Aus dem letzteren Umstande glaubt man schließen zu müssen, daß die Arbeiter vom Auslande unter stützt werden. Bezeichnend ist hierbei die in St. Petersburg sich geltend machende Vermutung, daß die Geldunterstützungen aus England stammen. Man sucht eben, unbekannt mit den etwaigen der Beweg ung zu Grunde liegenden sozialen Mißständen, nach politischen Motiven. Und es läßt sich nicht verkennen, daß der gehegte Verdacht nicht ganz unbegründet er scheint. Denn England kann man sehr wohl ein Interesse daran unterschieben, die in den letzten Jahr zehnten rasch aufgeblühte russische Industrie, welche nicht nur im Jnlande, sondern auch namentlich im fernen Asien, der britischen Konkurrenz das Feld streitig macht, durch Aussiandsbewegungen lahm zu legen Mögen nun die dem jetzigen Ausstande zu Grunde liegenden Motive soziale oder politische sein, so läßt sich doch nicht verkennen, daß er auch in vielfachen Mißständen, die das Aufblühen jeder Industrie leider zur Folge hat, begründet ist. Wie schon erwähnt, beträgt die tägliche Arbeitszeit in den Fabriken 13 bis 14 Stunden. Der tägliche Arbeitslohn soll in vielen Fabriken nicht mehr als 30 bis 40 Kopeken betragen. Auch sollen, wie selbst die russische Pnsse vielfach gerügt hat, die gesundheitlichen Verhältnisse der Fabrikarbeiter viel zu wünschen übrig lassen Wenn die Negierung auf Beseitigung dieser Miß stände ihr Augenmerk richten wird, woran wir nicht zweifeln, so erscheint die Hoffnung nicht unberechtigt, daß die revolutionären Keime, die in der Ausstands bewegung etwa vorhanden sein sollten, von vornherein erstickt werden Der russische Arbeiter ist streng monarchisch und national gesinnt und ist es bisher allen Bemühungen der Nihilisten zum Trotz geblieben. Bezeichnend ist auch, daß er seinem Natioualcharakter getreu, sich zu keinerlei aktiven Ausschreitungen hat verleiten lassen, sondern bei passivem Widerstande be harrt. Wie der „Köln. Ztg" berichtet wird, kam es, abgesehen von einigen eingedrückten Fensterscheiben, nirgends zu Ausschreitungen. Tic Arbeiter verhielten sich vielmehr überall ruhig. Am lebhaftesten ging's noch bei den Fabriken vor der Narwaschen Pforte zu; als dort ein größerer Haufe nicht schnell genug aus einandergehen wollte, entsandte die Feuerwehr aus Befehl der Polizei kalte Wasserstrahlen gegen ihn; die erwartete Wirkung, ein fluchtartiges Auseinanderstiedcn, blieb aus, lachend genossen die Arbeiter das bei der Herr sehenden Hitze angenehme kühle Bad eine ganze Weile; dann erst gingen sic vergnügt auseinander. Dieser charakteristische Vorgang berechtigt zu der Hoffnung, daß das Gift der sozialdemokratischen Irrlehren in dem gesunden russischen Volkstum nicht Wurzel fassen werde. Vielmehr ist die Annahme berechtigt, daß die breiten Arbeiterschichten von einzelnen gewissenlosen Agitatoren verführt worden sind. Nirgends als in Rußland ist die Gelegenheit zur Volksversührung günstiger. Die Hauskommunen (Mir), die Artele, jnc wunderbar gefügten Genossenschaften bestimmter Berufe, wo ein Mitglied für das andere einsteht, wo ein Auftraggeber nur mit dem Artelschtschik (dcm Vorsteher) zu verhandeln braucht, um jeden Auftrag erfüllt zu sehen, haben den russischen Arbeiter zum Heldeumenschen gemacht, der, an eine Leitung von Jugend auf gewöhnt, blindlings einem Führer folgt. Jedenfalls haben wenige sozialistische Agitatoren sich diesen Umstand zu nutze gemacht und den jetzigen Ausstand dadurch ermöglicht, daß sie die Leitung der einzelnen Arbeitergenossenschaften an sich gerissen haben. Tie erste Aufgabe der Polizeibehörden bleibt es daher, diese Agitatoren ausfindig zu machen und zu entfernen. Tages geschützte. TresLcu, 20. Juni. Ihre Majestäten der König und die Königin geruhten heute vormittag um Ui Uhr der Feier der Eröffnung der Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes im hiesigen Ausstellungs palaste beizuwohnen. Im Allerhöchsten Gefolge, dem sich auch die zum Besuche hier anwesende Frau Gräfin Fünfkircheu angeschlossen hatte, befanden sich: Ihre Excellenz Frau Oberhofmeisterin v. Pflugk, die Hof damen Gräfin Einsiedel und Gräfin Neuttner v. Weyl, Hoffräulein v. Oppell, Ihre Excellenzen Oberstall meister v. Ehrenstein, Generaladjutant Gcnerallicutenant v. Treitschke und Kämmerer Wirkl. Geh Rat v Metzsch, ferner Obcrhofmcister v. Malortie, Hosmarschall von Carlowitz-Hartitzsch, Kammerherr v. Minckwitz und Flügeladjutant Major Frhr. v. d. BuSsche-Streithorst Nach einem Rundgangc durch die Ausstellung und die „Alte Stadt" kehrten Ihre Majestäten nach H12 Uhr nach Villa Strehlen zurück. Ihre König!. Hoheiten die Prinzen und Prin zessinnen des König!. Hauses hatten mit den Damen und Herren Höchstihrer Hofstaaten der Er öffnungsfeier ebenfalls beigewohnt. Zur heutigen König! Tafel, welche nachmittags um 6 Uhr in V.lla Strehlen stattsindet, find Se. Ex- ccllenz der Staatsminister v. Seydewitz und der Kammerherr Geh Legationsrat Frhr. v. Friesen mit Einladungen ausgezeichnet worden. Deutsches Reich. * Berlin. Se Majestät der Kaiser sind gestern morgen 8 Uhr in Kiel eingctroffen und mit Sr. Königl Hoheit dem Prinzen Heinrich alsbald zu Wagen nach Holtenau gefahren, um Sich auf der Jacht „Meteor" ein zuschiffen — Ihre Majestät die Kaiserin trafen gestern morgen um ^9 Uhr in Kiel ein und begaben Sich mit dem Gefolge mittels Tampsboots von der Jensenbrücke aus unter dem Salut des anwesenden Geschwaders an Bord der Kaiserlichen Jacht „Hohenzollcrn" — In Holtenau trafen Se. Majestät der Kaiser früh ^9 Uhr an der Schleuse ein Se. Majestät bestiegen sofort die in der südlichen Schleuse liegende Jacht „Meteor", welche alsdann, geschleppt von Lord Lonsdales Dampfjacht „Evangeline" zur Abnahme der Jachtparade hinausfuhr Tie Segel wurden unterwegs gesetzt Se. Majestät der Kaiser fuhren an Bord der Jacht die lange Reihe der Sportjachtcn und der im Hafen liegenden Kriegsschiffe ab und wurden überall von den parade- mäßig ausgestellten Mannschaften mit Hurrarufen begrüßt Um 10 Uhr begann die Seeregatta, an welcher sich 70 Jachten beteiligten. Ihre Majestät die Kaiserin be gleiteten an Bord des Aviso „Grille" die Segler Die Jacht „Meteor" mit Sr. Majestät dem Kaiser an Bord startete als drittes Boot, hatte bei Bülk bereits die anderen überholt und passierte nach dreistündiger Fahrt um 1 Uhr als erste das Ziel. — Nach der Rückkehr dcS Kunst und Wissenschaft. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 19 Juni: „Hamlet, Prinz von Dänemark". Trauerspiel in fünf Akten von Shakespeare. Nach A W. Schlegels Ueberfitzung. Mit dem gestrigen Abend sind die Schauspielvorstell ungen des K. HoftheaterS auf die üblichen Sommerferien wochen geschlossen worden. Bildet die Aufführung der Shakespeareschen Tragödie unzweifelhaft einen würdigen Abschluß der verflossenen Spielzeit, so dürfen wir in der Frische und Vorzüglichkeit der Darstellung dieses Meister werkes eine gute Bürgschaft für die im August wicder- betzinnende künftige Thätigkeit unseres Schauspiels erblicken Die stärkste und eine fast enthusiastische Teilnahme des nicht zahlreichen, aber angeregten und gefesselten Publi kums errang Hr Wiecke als Vertreter der Titelrolle. Getragen von der jugendlichen Energie und der innerlichen Überzeugungskraft diese« Künstler«, die eine einheitliche Gestalt lebendig schaut und immer da« Ganze im Auge behält, bewährt seine Auffassung und Wiedergabe de« melancholischen Dänenprinzen in der einzelnen Rolle, wa« nach Schlegel« Wort von der Tragödie im ganzen gilt Äußerst volk«mäßig, unmittelbar ergreifend „bei versteckten Absichten und einer in unerforschte Tiefen hinabgebauten Grundlage", tritt un« die Gestalt gegenüber; die tief sinnigen Grübeleien de« Prinzen erscheinen in Wiecke« Hamletfigur nicht zerfasert und vom Zusammenhang losgelöst, sondern durchaus al« Wiederscheine der Grundstimmungen eine« in« Innerste hinein erschütterten Menschen Über viele« Einzelne in der Mimik und den Accenten der Rede de« problematischen Prinzen wird bei jeder Verkörperung Hamlet« zu zweifeln und zu streiten sein; die Hauptsache bleibt doch, daß der Darsteller ein sympathisches, beseeltes und überzeugendes Menschen bild hinstellt, wie Hr. Wiecke mit Glück thut Und was das Beste ist, seine Anlage und Durchführung der Gestalt läßt jeder wünschenswerten weiteren Vertiefung Raum Charakteristische Gestalten gaben auch die Herren Wiene (König Claudius), Erdmann (Polonius), Winds (erster Schauspieler); bedeutend wirkte die Darstellung de« Geistes von Hamlet« Vater durch Hrn Holthau«. Die Jnscenierung verdiente manche« Lob, aber der Zwischenvorhang zerschnitt, namentlich im ersten Akte, de« öfteren geradezu unbarmherzig die Illusion und die Stimmung, die an den Fortgang der Handlung gebunden sind Die Frage, ob es denn wirklich nicht möglich sei, durch eine andere dekorative Anordnung wenigsten« einige Male den Zwischenvorhang entbehrlich zu machen, ist noch unbeantwortet Auf alle Fälle verdient sie erwogen zu werden. Ad Stern * Zu Georg Neumayer» 70. Geburtstag. Morgen vollendet Prof. Or. Neumayer, der Direktor der deut schen Seewarte in Hamburg, seinen 70. Geburtstag; seit längerer Zeit schon bereitet Deutschland« Gelehrten- welt sich darauf vor, diesen Tag den Verdiensten de« Jubilar« entsprechend zu feiern Neumayer ist am 2l. Juni 1826 in Kirchheimbolanden in der bayerischen Pfalz geboren und besuchte zuerst die polytechnische Hoch schule in München, später die dortige Universität Im Jahre 1850 ging Neumayer von Hollgnd zunächst al« Volontär auf einem Schiff nach Südamerika Nach seiner Rückkehr wirkte er al« Lehrer der Navigation in Triest und dann in Hamburg, woselbst er im Jahre 1851 über dies ^noch da« Schifferexamen ablegte 1852 trat Neu mayer al« Matrose in den Dienst eine« Handeltschiffe«, um die großen Verkehrswege kennen zu lernen, zugleich aber auch mit dem praktischen Eeedienst sich noch näher vertraut zu machen Von 1852 bi« 1854 unternahm Neumayer große Reisen, auf denen er so ziemlich die ganze Erde umsegelte und die ihm hauptsächlich Gelegenheit gaben, Australien und die Küste der Südsee näher kennen zu lernen. Im Jahre 1856 wurde er auf besondere Ver anlassung König Maximilians l! von Bayern nach Australien gesendet, um dort eine Reihe wissenschaftlicher Beobachtungen sowie hydrographische Arbeiten auszuführen 1857 gründete der junge Forscher, nachdem cr auf aus gedehnten Forschungsreisen in das Innere des Kontinents die Verhältnisse Australiens näher kennen gelernt hatte, in Melbourne ein Observatorium für Physik der Erde, das 1859 von der Kolonialregierung übernommen wurde, wobei Neumayer aber die Leitung des Instituts behielt Sobald er jedoch alle seine Missionen dort für erfüllt er achtete, gab der Forscher seine gute Stellung in Melbourne auf, um 1864 nach Europa zurückzukehren Er wendete sich zunächst seinem engeren Heimatslande, der bayeri schen Pfalz zu, um die Ergebnisse seiner, namentlich das Gebiet der Geophysik in hohen» Grade fördernden Thätigkeit in Australien im Verlause mehrerer Jahre niederzulegcn Nach Beendigung dieser Arbeiten konnte Neumayer seine hydrographischen, meteorologischen und navigatorischen Kenntnisse immer unmittelbarer in den Dienst der Entwickelung der deutschen Marine, sowohl der Handelt- al« der Kriegsmarine, stellen, und von ihm rührt au« dieser Zeit der erste Gedanke zur Schaffung einer den genannten Zwecken dienenden deutschen Seewarte her, deren Verwirklichung allerdings nicht zuerst ihm, sondern dem in dieser Beziehung auch hochverdienten Geologen v Freeden gelang Auch aus astronomischem Gebiete hat Neumayer manche fruchtbare Anregung gegeben So wies er in einem im Jahre 1869 in Innsbruck gehaltenen Vor trage über den Venusdurchgang auf die Notwendigkeit hin, eine Voruntersuchung dieser interessanten HimmelSerscheinung einzuleiten Im Jahre 1871 trat Neumayer al» Hydro graph in da« Bureau der Berliner Admiralität ein Al« im Jahre 1875 die deutsche Seewartc voin Reich über nommen und in» großen Stije organisiert wurde, übernahm Neumayer ihre Leitung. Ihm ist es zu danken, daß die deutsche Seewarte in Hamburg zu einer Zentralstelle für Hydrographie, maritime Meteorologie und Verwendung des Erdmagnetismus wurde Indem Neumayer dem Ham burger Institute noch eine Reihe von besonderen prakti schen Aufgaben für die Sicherung der Schiffahrt zuwies, ist cs ihm in unablässiger Arbeit gelungen, der 21 Jahre hindurch von ihm geleiteten Anstalt eine hervorragende Stellung zu schaffen Schon vor längerer Zeit hat sich unter der Leitung des Geologen Professor Freiherrn v Richthosen ein aus 16 Personen bestehendes Komitee gebildet, das eine Feier von Neumayers 70 Geburtstag vorbereitete Es wurde beschloßen, dem Jubilar eine Büste auS kararischem Marmor zu schenken Diese ist von Pro fessor Schaper modelliert Die Überschüße der Samm lungen sollen später im Einverständnis mit dcm Jubilar einem weiteren, der Ehrung seines Namens dienenden Zweck zugewandt werden Und zwar beabsichtigt man die Begründung einer Neumayer-Medaille, die in gewißen Zcitperioden von der Gesellschaft für Erdkunde für näher zu bezeichnende Dienste zur Verjeihung gelangen soll. * Von der Görlitzer Schuhmacherinnung ging die An regung au«, dem Theosophen Jacob Böhme in der Stadt seine« Wirken« ein würdiges Denkmal zu er richten Professor Pfuhl in Charlottenburg, dem Görlitz bereit« da« Denkmal des Kaiser« Wilhelm I verdankt, hat nunmehr ein vortreffliches Modell zu einem Böhme-Denkmal ent worfen * Vorgestern wurde da» Denkmal für Fritz Har kort, da» au» Gaben von Freunden de» Verewigten, namentlich Lehrern, in Hombruch bei Dortmund errichtet worden feierlich enthüllt Harkott, ^er sein ganzes
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