Volltext Seite (XML)
FreiEag. 35. 5. U^ai 1871. KWeißerih-Zettung.H Postanstalten. ' P'g- Amts- und Anztige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und KMräthe zu Dippoldiswalde und /rauensteiu. Vermüwortlicher Nedacteur: Larl Zehne in VippoldiswslLe. Tag es geseichte. Dippoldiswalde. In mehreren Orten Sachsens sinkst— in Chemnitz bereits seit einem Jahre, in Leipzig seit den letzten Wochen — die Blattern epidemisch aufgetreten, und in dieser Woche ist auch in Dippol diswalde ein Todesfall durch dieselben vorgekommen. Die Medicinalbehörden empfehlen daher eindringlich die Impfung der Schutzpocken als sicherstes Mittel gegen diese schreckliche Krankheit, und auch Seiten unseres Bezirksarztes, des Herrn Dr. Mahnert in Tharandt, wird in heutiger Nr. unseres Blattes auf den Nutzen der Impfung, bezüglich der Wiederimpfung bei Erwachsenen, hingewiesen. — Die Ergebnisse der, in Dresden, Leipzig, Chemnitz rc. angestellten, auf sorgfältigen tabellarischen Zusammenstellungen beruhen den Erörterungen über den Nutzen der Impfung lassen sich in folgenden kurzen Sätzen znsammenfassen. „Die mit Erfolg ausgeführte Kuhpockenimpfung gewährt dem Einzelnen einen, wenn auch nicht absoluten, doch sehr bedeutenden Schutz gegen das Ergriffenwerden von Blattern. Bei dem epidemischen Auftreten der Pocken werden vorzugsweise die Ungeimpften von der Seuche befallen und daher diejenigen Altersklassen am stärksten heimgesucht, die die meisten Ungeimpften auf zuweisen haben. In einer großen Anzahl von Blattern, die Geimpfte befallen, zeigt die Krankheit einen sehr milden Verlauf. Die Sterblichkeit an den Pocken ist für Ungeimpfte eine wesentlich höhere, als für Geimpfte, am stärksten in den Altersklassen, welche die meisten Ungeimpften aufzuweisen haben, d. h. unter den Kindern in den ersten Lebensjahren. Je größer in einer Be völkerung, einem Hause, einer Straße rc. die Anzahl der Ungeimpften ist, desto sicherer ist auf ein stärkeres Ergriffenwerden von der Epidemie zu rechnen, und mit der größeren Zahl der Ungeimpften steigt auch die Sterblichkeit unter den Erkrankten. Der Schutz, den die Impfung gewährt, erlischt in einer Anzahl von Fällen nach einer Reihe von Jahren, und es nimmt daher in den höheren Altersklassen bei den nur einmal Geimpften die Empfänglichkeit für die Blattern wieder zu." — (In oben erwähnter Veröffentlichung des königl. Bezirksarztes Hrn. vr. Mahnert werden die für den Gerichtsamtsbezirk Dippoldiswalde bestimmten Jmpfärzte aufgeführt; doch bemerken wir hier, daß auch Hr. moä. xrnot. Pollack hier, der zur Zeit keinen Jmpfdistrict vertritt, jeder Zeit zur Impfung bereit ist.) — Für die hiesigen Abgebrannten sind neuer- lichst ans Dresden von dortiger Hauptsammelstelle 80 Thlr. und aus Wilsdruff 45 Thlr. hier einge gangen. — Die Feststellungender neuen Baulinien sind jetzt im Gange, und werden wir Näheres darüber mitthellen, sobald definitive Entscheidungen getroffen. Waldheim. Im hiesigen Zuchthaus ist der Typhus epidemisch aufgetreten und an 200Züchtlinge sind an demselben erkrankt. Berlin. Der Reichstag beschäftigte sich in den letzten Tagen mit der Berathung über das Haftpflicht gesetz, welches durch einen Antrag des Abg. Lasker da durch erweitert wurde, daß einzelne Theile des Ver sicherungswesens mit ausgenommen wurden, um Ber- sicherungskassen zu gründen und vorhandene zu erweitern, welche den Arbeitern auch für die Unglücksfälle, die nicht unter das Haftpflichtgesetz fallen, Entschädigung gewähren sollen. — Ueber den baldigst zur Berathung gelangenden Gesetzentwurf betreffs der Wiedervereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem deutschen Reiche fanden Vorbesprechungen im Reichstage statt; über die ersten Debatten und die dabei vom Fürsten Bismarck gegebenen Erklärungen berichten wir weiter unten. — Vom 4. Mai ab, als dem Tage, an welchem die deutsche Reichsverfassung in Kraft tritt, wird auch ein „Deut scher Reichsanzeiger" erscheinen, der bestimmt ist, auf dem Gebiete der Tagespresse als Publikationsorgan für die Reichsbehörden zu dienen. — In den Ausschuß für das neu zu erbauende Parlamentsgebäude sind Bevollmächtigte aus Preußen, Bayern, Sachsen, Wür- temberg und Baden gewählt, welche weitere Vorschläge machen werden. — Das Bundespräsidium will dem Beschlüsse des Reichstages bezüglich der Gewährung von Reisekosten und Diäten insoweit nachkommen, als den Abgeordneten freie Fahrt zweiter Klasse auf den Eisenbahnen bewilligt werden soll. — Bei der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betr. die Vereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem deutschen Reiche, welche am 2. Mai im Reichs tage begann, sprach Fürst Bismarck und lieferte in seiner Rede, wie immer, wieder einen Lichtstrahl zur Beurtheilung der polnischen Verhältnisse und seiner Handlungsweise. Einen solchen haben wir wieder in der von ihm hervorgehobenen Thatsache, daß am 6. August 1866 Frankreich die Abtretung von Mainz unter Androhung einer „sofortigen Kriegserklärung" verlangt hatte! Bismarck erklärte, daß er nicht eine Secunde zweifelhaft gewesen sei über die Antwort: „Gut, dann haben wir Krieg!" Mit dieser Antwort sei der französische Botschafter nach Paris gereift. Dort habe man sich bald anders besonnen und Bismarck zu verstehen gegeben: die Instruction sei dem Kaiser Napoleon während einer Krankheit entrissen worden! Es zeigt dies recht deutlich, wie schwer Diejenigen