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Weißech-MW Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Die 71. Jahrgang. Dienstag, den 27. Juni 1905. Ar. 72. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr Mit achtMtgSN „N!nM-rÄ^r AntechattMgüLlatL'«. Druck und Verlag von Carl Jehne in Dlxxoldiswaldö. MU land- und haWMrrWMUäM WsKArs-Briikge. Jnkerate, welche bet d« bedeutenden Auflage de« Blattes 'ine sehr wirb' same Verbleiung finden^ werden mit 12 P^a., solche aus unserer Amtshaupt" niannschaft mit 1v Pfg die Spaltzeile oder deren „Weiberitz-Zeltung" «scheint wöchentlichdrei mal: Dienstag, Donners- ii«g und Sonnabend und >>oird an den vorhergehen- ÄenLlbcnden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. Lü Pfg., zweimonatlich Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Numniern W Pfg. — Alle Postan- ^alten, Postboten, sowie unsere Austräger nehmen Bestellungen an. Amtsvkatt für die Königliche Umtshauptmamschast, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde bellarische und kompli zierte Inserate mit ent' sprechendem Ausschlag. — Eingesandt, im redaktio- nellen Teile, die Spalterx zeile 20 Pfg. Die Jnteressengemeinsamkeit zwischen Industrie nnd Landwirtschaft. Es ist ein weitverbreiteter, viel Schaden verursachender Irrtum, daß auf handelspolitischem Gebiete nur wenig gemeinsame Interessen zwischen Industrie und Landwirt- schast vorhanden seien. Zu dieser falschen Annahme ist ein großer Teil des Volkes nur deshalb gelangt, weil jahrein und jahraus in der Presse und in Versammlungen verkündet wird, die Agrarzölle ließen sich, weil sie den Abschluß günstiger Handelsverträge für die Industrie er schwerten, mit den industriellen Interessen kaum in Ein klang bringen. In Wirklichkeit zeigen aber die Verhält nisse ein ganz anderes Gesicht. Die Interessen von In dustrie und Landwirtschaft sind nicht entgegengesetzt, sondern so eng mit einander verflochten, daß der eine Produktionszweig gefährdet erscheint, wenn der andere be droht ist. Die Landwirtschaft kann nicht bestehen, wenn sie in der Industrie keinen zahlungsfähigen Käufer für ihre Produktionsüberschüsse findet, und die Industrie würde ganz ernstlichen Erschütterungen ausgesetzt sein, wenn die heimische Landwirtschaft der billiger produzierenden amerikanischen und russischen Konkurrenz schutzlos ausge liefert und infolgedessen ihre Kaufkraft einbüßen würde; denn die deutsche Landwirtschaft verbraucht heute tatsäch lich noch viel mehr Jndustrieprodukte, als wir Erzeugnisse unseres Eewerbesleißes an das Ausland abgeben. Diese Tatsache ist leider den Wenigsten bekannt, und aus diesem Grunde entstehen die irrigen Vorstellungen von der volkswirtschaftlichen Bedeutung unserer Landwirtschaft und von ihren Wechselbeziehungen zur Industrie. Die Landwirtschaft umfaßt heute noch einen sehr großen Bruchteil der deutschen Gesamtbevölkerung. Bei der letzten Berufs- und Gewerbezählung wurden in ihr über I8V2 Millionen Erwerbstätige gezählt. Das ist eine Ziffer, welche die Zahl der Beschäftigten in den Fabrikbetrieben noch übertrifft. Der Wert der deutschen land- und forst wirtschaftlichen Jahresproduktion beläuft sich nach Berech nungen von vr. Paul Voigt-Berlin, die in einer von den bekannten Gelehrten Gustav Schmöller, Mar Sering und Adolf Wagner herausgegebenen Sammlung von Aufsätzen und Reden über Handele- und Machtpolitik erschienen sind, auf rund 7 Milliarden M. Zu fast den gleichen Er gebnissen ist l)r. Ballod in Schmöllers Jahrbuch N. F. XXII, S. 903 ff. gelangt, so daß die vorstehend ange führte Riesenziffer als ziemlich zuverlässig angesehen werden kann. Es beträgt in runden Zahlen der Gesamtwert der Jahreserzeugnisse des Ackerbaues 2500 Millionen Mark und die gleichen Jahresziffern für Viehzucht und Forst wirtschaft belaufen sich auf 4000 und 500 Millionen M. Dieser heimischen Produktion steht eine Einfuhr landwirt- wirtschaftlicher Produkte von ungefähr 21/2 Milliarden M. gegenüber. Der Gesamteigenhandel Deutschlands betrug ini Jahre 1903 l 1451,4 Mill. Mark (die Gesamtausfuhr bezifferte sich auf 5130,3 Mill. Mark und die Gesamtein fuhr auf 6321,1 Mill. Mark). Aus diesen Zahlen kann man ermessen, welch großen und unersetzlichen Absatzmarkt die deutsche Landwirtschaft für unsere Industrie bildet. „Würde unsere Landwirt schaft", meint l)r. Voigt, „ebenso stiefmütterlich behandelt, wie die englische, würde ihre Jahresproduktion vielleicht auf den vierten Teil reduziert, so hätte Deutschland eine landwirtschaftliche Einfuhr von 7 Milliarden Mark, eine Gesamteinfuhr von mehr als 10 Milliarden — also weit mehr, als jetzt Großbritannien im Generalhandel einführt —, zur Erhaltung seiner heutigen Bevölkerung notwendig. Man braucht diese Zahl nur auszusprechen und an die Absatzschwierigkeilen jeder Erportindustrie zu denken, um zu begreifen, welches ungeheuere Glück es für Deutschland ist, daß immer noch der überwiegende Teil seiner Güter innerhalb der Landesgrenzen produziert und ausgetauscht wird." Aus diesen Angaben über die Größe der landwirt schaftlichen Produktion kann man ermessen, daß die In dustrie an dem Gedeihen der Landwirtschaft lebhaft inter essiert ist und deshalb einem ausreichenden Agrarschutz schon aus geschäftlicher Klugheit keinen Wiederstand ent gegensetzen darf. Ist die Kenntnis der Wertsumnic der landwirtschaftlichen Eütererzeugung zur Beurteilung dieser Frage schon sehr wertvoll, so wird das Bild noch klarer, wenn man sich vergegenwärtigt, weich' bedeutenden Teil des deutschen Nationalvermögens die deutsche Landwirt- ,schäft umschließt. In Preußen betrug nach einer im Jahre 1902 vorgenommenen amtlichen Schätzung das in Land- und Forstwirtschaft angelegte Vermögen 40 Milliarden Mark. Im Königreich Sachsen beträgt das land- und forstwirtschaftliche Gesamtvermögen schätzungsweise unge fähr 4 Milliarden Mark. Etwas mehr, wie die Liberalen und Sozialdemokraten glauben, fällt die sächsische Land- und Forstwirtschaft denn doch noch ins Gewicht. Diese kolossalen Werte und das daraus aufgebaute Kreditsystem hätten unrettbar zusammenbrechen müssen, wenn die Neichsregierung nichts unternommen hätte gegen den Einbruch des russischen und amerikanischen Wett bewerbs, die beide ruinös auf unseren Ackerbau wirken. Ruinös, weil die armen russischen Bauern durch die Ver hältnisse gezwungen werden, ihre Produkte unter dem Selbstkostenpreise auf den Mark zu werfen, und weil die amerikanischen Farmer, die ungeheure Gebiete fruchtbaren, jungfräulichen Bodens vom Staate geschenkt bekommen haben, unter ungleich günstigeren Voraussetzungen produ zieren können, wie unsere Landwirte. Ohne einen Aus gleich der Produktionsbedingungen durch Zölle, darüber sind alle Urteilsfähigen einig, wäre ein völliger Preiszu sammenbruch der Produkte unseres Ackerbaues unvermeid lich gewesen. Darüber war man sich aber auch klar, daß die Zollsätze des caprivischen Tarifes unzureichend waren und eine allmähliche Verarmung der deutschen Landwirte nicht aufzuhalten vermochten. Geschehen mußte also etwas, um unser Nationalvermögen vor unermeßlichem Schaden und unsere gesamte Volkswirtschaft vor gefährlichen Schwankungen zu bewahren; denn jede ernstliche Erschütte rung der Landwirtschaft würde alle Schichten des Volkes in Mitleidenschaft ziehen: die in der Landwirtschaft be schäftigten Millionen Arbeitskräfte, die Industrie mit ihrem Beamten- und Arbeiterheere, die Kapitalisten, die Grund stücke und industrielle Unternehmungen beliehcn haben, zahllose Handwerker und Kaufleute usw. usw. Agrarzölle, welche dazu bestimmt sind, die deutsche Landwirtschaft auf ihrer heutigen Höhe zu erhalten, liegen, darüber besteht wohl kein Zweifel mehr, im wohlver standenen Interesse unserer Gesamtvolkswirtschaft, ebenso wie Jndustriezölls, welche unserem Gewerbe den heimischen Markt so viel als möglich sichern. Würde durch eine ver kehrte Handelspolitik die Aufnahmefähigkeit des landwirt schaftlichen Marktes stark vermindert, so würde die In dustrie gar nicht in der Lage sein, diesen Verlust durch die Steigerung des Exports, der so wie so immer größere Hemmnisse zu überwinden hat, wieder auszugleichen. Ver löre aber die deutsche Industrie durch den Untergang der deutschen Landwirtschaft ihren größten Abnehmer, dann würde sie selbst an Lebenskraft ganz bedeutend einbüßen, zumal die Zahl jener Staaten stark in der Abnahme be griffen ist, die auf die Entwickelung einer eigenen In dustrie vezichten und geneigt sind, gegen Herabsetzung der deutschen landwirtschaftlichen Zölle ihre eigenen Jndustrie- zölle zu ermäßigen. Wir sehen also, daß die einzig richtige, die Interessen der Gesamtvolkswirtschaft am besten wahrende Handels politik die ist, welche über der unbedingt notwendigen So?ge der Sicherung und Erweiterung des Auslands marktes den Inlandsmarkt nicht vernachlässigt und kauf kräftig erhält. Industrie und Agrarschutz bedingen und ergänzen sich gegenseitig. Diese Jnteressengemeinsamkeit muß mit Naturnotwendigkeit schließlich zu der Erkenntnis führen, daß wirkliche Gegensätze, die ein friedliches Zu sammenwirken von Industrie und Landwirtschaft zu ver hindern geeignet wären, nicht vorhanden sind. Lokales unv Sächsischer. Dippoldiswalde. AmJohannisfeste prangte dies Jahr die Natur im vollem Bltttenschmuck der Rosen, und liebende Hände hatten auch den Gräbern ihren Tribut an Blumen gespendet: „Aber mitten in diese Welt der blühenden Rosen ruft, wie in der Festpredigt des Gottesdienstes aus geführt wurde, Gottes Stimme erschütternd: „Tut Buße," aber auch tröstend: „Das Himmelreich ist nahe herbeige kommen." Weint nicht nur um die Toten, sondern übet Liebe an den Lebenden, schmückt nicht nur die Gräber mit Blumen, sondern auch euer Herz mit Werken der Gerechtig keit. Wendet euern Blick von der Erde gen Himmel, in den die Verstorbenen gelanget, und der auch für euch Lebende offen steht." — Glück zu. Eine für den Verkehr hochwichtige Einrichtung, das atlantische Kabel, hatte sich am 17. d. M. Herr Bohlig zum Vortragsthema gewählt, in dem er die Schwierigkeit der Kabellegung, die Ausbreitung des Netzes und die große Bedeutung desselben besprach. Durch das Kabel erlangten wir auch 1900 schnell Nachrichten über die Wirren in China, die die Absendung eines Expeditionskorps zur Folge hatten. Von seinen Erlebnissen bei demselben von der Ausreise aus der Heimat vorläufig bis Schanghai erzählte am 24. d. M. Herr Hemrich. Durch beide Vor träge wurde manch Bekanntes wieder aufgesrischt, aber auch manch neuer Gesichtspunkt aufgestellt. — Gewerbe-Verein. Der heute Montag abend in „Stadt Dresden" stattfindende Vortrag über Papier fabrikation verspricht sehr interessant zu werden, als eine aus der kürzlich besichtigten Fabrik stammende umfang reiche Kollektion der verschiedenen Rohmaterialien, Zwischen- und Endprodukte der modernen Papierfabrikation zur Vor führung gelangt, an deren Hand sich die Entstehung des Papiers bequem verfolgen läßt. — Gäste können eingeführt werden. — Für das diesjährige Vogelschießen ist das Schützen zelt Herrn Oswald Lotze gegen 60 Mk. und die Halle Herrn Ratskellerpächter Däumer gegen 155 Mk. zur Be wirtschaftung überlassen worden. — Das hier gestohlene Fahrrad hat sich wiederge funden und zwar auf eine ganz merkwürdige Weise. Kehren da in Mügeln sechs Radfahrer ein, vorsichtig wie sie sind, stellen sie aber des Hauses wackeren Hüter zu ihren Rädern vor dem Hause, und pflegen in demselben der angenehmen Ruhe. Währenddem aber radelt ein siebenter Sportsgenosse heran, steigt ab, weiß den Wächter durch ein Trinkgeld seiner Pflicht untreu zu machen, schwingt ,ich auf ein anderes Rad und heidi Roß und Reiter sah man niemals wieder; das zurückgelassene Rad aber war das in Dippoldiswalde gestohlene. Ja, Glück muß ein junger Mann haben! Dippoldiswalde. Vom 29. zum 30. Juni d. I. werden hier 2l Offiziere, I Unteroffizier und die dazu gehörigen Osfiziersburschen und Pferde der Militärreit anstalt zu Dresden, die einen Übungsritt unternehmen, verquartiert werden. — Das Fest der Fahnenweihe, verbunden mit dem 25 jährigen Bestandsjubiläum des König!. Sächs. Militäroereins zu Schellerhau und Umgegend (Bären burg, Bärenfels, Kipsdorf) am 25. d. M. hatte eine so große Schar von Menschen nach dem freundlich gelegenen Gebirgsdörfchen Schellerhau gelockt, wie sie dieser Ort bisher in solcher Anzahl noch nicht gesehen hatte. Es waren nicht allein vertreten fast sämtliche Militärvereine des Bezirks Dippoldiswalde, sondern auch eine stattliche Anzahl von Mitgliedern der Militärvereine aus öster reichischen Ortschaften des Grenzbezirks und Hunderte von Besuchern von nah und fern waren erschienen. Be günstigt von schönem Wetter nahm das Fest einen wohl- gelungenen Verlauf. Der Weihegesang „Gott grüße dich" erösfnete die Feier, worauf der Vereinsvorsteher Kamerad Wagner die Festoersammlung begrüßte. Alsdann ent hüllte Fräulein Wagner unter sinnigen Worten die neu beschaffte Fahne. Herr Pfarrer Kropp vollzog die Weihe derselben als eines Symboles aller soldatischen Tugenden, woran sich der Weihegesang „Brüder, weihet Herz und Hand" usw. schloß. Herr Bezirksvorsteher Sieber über reichte das in Nagel und Schleife bestehende königliche, und dessen Stellvertreter, Herr Lindig, das in gleichen Gaben bestehende kaiserliche Fahnengejchenk. Herr Amts richter Ranft-Altenberg spendete im Auftrage des Bczirks- kommandos zu Pirna einen Fahnennagel. Außerdem wurden noch Fahnengeschenke in reicher Anzahl von Vrudervereinen, Korporationen und Freunden des Jubel- vereins gestiftet. Ein slundenlang währender Festzug durch den weit sich ausdehnenden Ort beschloß die schöne Feier. Dresden. Boni 22. bis 28. September d. I. wird hier in Verbindung der Hauptversammlung des Sächsischen Lehrcrvereins eine Schulausstellung statlfindcn. Königsbrück. Die von hier gebürtige und in Groß röhrsdorf bei Pulsnitz bedienste 20jährige Helene Nierling wurde von ihrem Geliebten, dem in einem Emaillierwerk in Königsbrück beschäftigten Oswin Anders aus Nieder- stcina bei Pulsnitz, erschossen. Der Mörder, der sich ebenfalls zu erschießen versuchte, wurde verhaftet. Er sollte im Herbst zum Militär cingezogen werden. Oelsnitz. In übermäßig schnellem Tempo durchraste vor einigen Tagen der bekannte BerussrennfahrerThaddäus Robl die Straßen unserer Stadt mit seinem Automobil.