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Sonnabend Nr. 162. s September 1843 SM? Deutsche ««gemeine Zeitung. MM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!* Zur Nachricht. Auf das am I. Ott. I84S beginnende neue vierteljährige Abonnement der Deutschen Allgemeinen Zeitung werden bei allen Postämtern und ZeitunaseMditionen de« In- und Auslandes Bestellungen angenommen. Der Preis beträgt in Sachsen vierteljährlich 2 Thlr., in den übrigen Staaten aber wird derselbe nach Maßgabe der Entfernung von Leipzig erhöht. Leipzig, im September 1843. F. Hk. BkStkhUUS. «eb--rri«k. Deutschland. * Vom Neckar. Kirche und Freisinn. * Dresden. Die Ergebnisse des Landtags im Justizfache. Vaden. Ein Duell- -s Al tenburg. Versammlung der deutschen Land - und Forstwirthe. Be stimmung der Orte für die nächsten Jahre. * * Braunschweig. Ge gen eitlen hannoverschen Antagonisten des Zollvereins. ^deuFeu. S Berlin. Jahrestag der Schlacht von Dennewitz. ^Ber lin. Ein großes Cavaleriemanoeuvre^ * Posen. Die Altlutheraner. Sin Prediger ihrer Gemeinde in Posen. Die Garnison. Die Festungs bauten. Witterung. Nachrichten aus Polen. Spant««. Das Morning Ehronicle über General Alava und die spa nische Partei. Vrotzvkitannien. * Dublin. O'Connell über die Thronrede und über Lord Brougham. Seine Eonsequenz. Gein Katholicismus. Er gibt in einem Streite nach. Die irländische Eisenbahn. ' Mranlretch. Die Vorbereitungen zum Empfange der Königin Victo ria. Der Communistenproceß. Schwede»! und Norwegen. ' * Stockholm. Die Papiere Gu- Vegypten. * Alerandrien. Ibrahim - Pascha. Geschenke des Pap stes an den Bicektm'g. LürVei. * Von der bosnischen Gren;e. Unruhen in Bosnien. Handel- «Nd- lJnduftriec " Frankfurt a. M. Frankfurt-Hanauer und Frankfurt-Kasseler Eisenbahn. Herbstmesse. Bairische Main dampfschiffahrt. * Dansig. Getreide. — Berlin. Nnkündigungeer. Neckar, 1. Sept. Als im Mittelälter die Kirche ihre Grenzen überschritt^ trat der Freisinn auf die Seite des Staats. Die jenigen, welche von dem Gedanken des Recht« bewegt waren, schlossen sich dem Heldengeschlecht der Hohenstaufen an, das mit seinem Kampfe gegen die Uebergrtffe der geistlichen Gewalt so ergreifende Erinnerun gen schuf, daß immer noch das Herz der Anhänger des Fortschritts rascher zu schlagen beginnt, sobald dieser große, unglückliche Name er tönt. Aber die Verhältnisse änderten sich, ein völliger Umschwung trat ein. Die Kirche, wir sprechen von der evangelischen, ist nicht im Besitze der Ucbermacht. Ein württembergischer Abgeordneter hat sie eine pvrsonu misersbM« genannt, und gestehen wir es uns, das harte Wort des scharfen ManneS ist richtig, Der Staat dagegen, wie erhob er sich! Ist er nicht gegenwärtig die Alles bestimmende Macht? Kai ser Paul hat einmal gesagt, in seinem Reiche sei nur Derjenige bedeu tend, der mit ihm spreche, und zwar nicht länger, als er mit ihm sprecht. So gilt in unserer Zeit nur das Wort deS Staats und sein Echo. Indem Hegel Alles in den politischen Schoos versenkte, hat er gegebene Zustände gezeichnet, nicht daS erreichbare Urbild. Der Staat hat in unsern Tagen die Stellung, welche im Mittelalter die Kirche hatte. Die Kirch, hat in unsern Tagen die Stellung, welche im Mit telalter der Staat hatte. Darum tritt auch gegenwärtig der Freisinn auf ihre Seit«, weil sie gegenwärtig die tragische, hohenstausische Rolle hat. DaS ist ja eben seine Natur, daß er gegen alle Uebergriffe, mö gen sie nun von dieser oder jener Seite ausgehen, ankämpst, daß er für das Maß Herz und Hand erhebt, mag eS nun von der weltlichen oder geistlichen Macht verletzt werden. Der Freisinn muß sich der Kirche anschließen, weil ihre Entwickelung so sehr durch fremdartige Einflüsse gehemmt wird, daß die Einen mit Binet den verzweistltrn Entschluß fassen, dir Brücke zwischen ihr «nd dem Staate abzubrrchen, di« Andern, die Besonnener«, die Formen der Vertretung immer lau ter in Anspruch nehmen. Denn daö liegt ja in seinem Wesrn, daß er für jede der großen Gestalten ungestörte Bewegung verlangt, Hemm nisse von oben herab und von unten hinauf gleicherweise befehdet. Der » Freisinn verbindet sich mit der Kirche, weil die Gebrechen, an denen das Zeitalter krankt, vorzugsweise durch sic gehoben werden können. Seine Art bringt es ja mit sich, das Schlechte in allen seinen For men zu bekämpfen. Diese Gebrechen, wer kennt sie nicht? Wer un ter den Edlen, welche für die idealen Güter erglühen, beklagt sie nicht? Der zersetzende Weltverstand ist in den Vordergrund getreten, daö einigende, die Selbstsucht niederhaltende Gemüth trat zurück. Jener schlangcnkluge Geist der Gesetzlichkeit, welcher die Formen des Rechts achtet, um das Wesen des Rechts mit Füßen zu treten, verbreitet weit hin seinen Gifthauch. Gerad zu sein, ehrlich, wahrhaft, gilt für ärm liche Schwäche, für Mangel an geselliger, moderner Bildung. Die Ehe, meist geschlossen aus schlechter Berechnung, entbehrt der sittlichen Grundlagen, führt die häßlichsten Bilder der Auflösung und des Ver falls herauf. Uebcr die Vergnügungssucht, welche so sehr zerstreut, abschwächt, dem stärkenden Dienste ewiger Ideen entzieht, hört man überall klagen, nicht blos an der Donau, sondern auch am Rhein, am Neckar, wie an der Spree. Das Verhältniß zwischen dem Be sitz und der Arbeit, zwischen Rcichthum und Armuth wird immer schrof fer, nächtlicher, drohender. Dem Staate mögen manche Mittel zu Gebote stehen, um gegen diese schweren Leiden der Gesellschaft cinzu- schreiten; aber bis zu ihrer Wurzel hinab reichen nur die Geisteswaf fen der Kirche. Freilich Diele, und namentlich Solche, welche, lächerlich genug, sich geberden, als wären sie die mannhaftesten Träger des Freisinns, wollen durchaus Nichts von ihr hören. Kaum nennt man diesen Namen, so tauchen in ihrem rückwärts gewendeten Geiste jam mervolle Bilder auf. Sie sehen alle unseligen Folgen der priesterli chen Vorherrschaft, alle zerstörenden Wirkungen des Bannes, geschlos sene Gotteshäuser, Begräbnisse ohne gebührende Feierlichkeiten. Dor ihrem Auge entrollen sich die furchtbarsten Geheimnisse der Glaubens gerichte. Vor ihrem Blicke liegt die Leiche der Wissenschaft, bedeckt mit Striemen, blutig entstellt. Das ist die ödeste, langweiligste Ge spensterfurcht. Alle diese Besorgnisse sind leer, haltlos, zeugen von der gründlichsten Unkenntniß des Geistes am sausenden Webstuhle der Zeit. Mit den alten Kräften schafft er immer neue Werke. Er ist kein Schauspieler, den Huld oder Gewalt zu Wiederholung seiner Rol len zu bringen vermöchte. Er wird die Kirche des Mittelalters aus ihrem Grabe nicht mehr heraufsühren, und würden auch dafür alle Wechsler mit ihrem Golde und alle Heere mit ihrem Eisen in die Schranken treten. *Wresden, 5. Sept. Die Ergebnisse des kürzlich beendeten L a n dl- tags sind in Bezug auf unsere Eriminal- und Civilgesetzgebung min der bedeutend, als von dem vierten constitutionellcn Landtage hätte er wartet werden können. Der wichtigste Berathungsgegenstand gehörte der Erimi nalgesetzgebung an; der von der Regierung vorgelcgte Entwurf einer Criminalproceßordnung, an dem Principe des jetzt gültigen JnquisitionSprocesseS festhaltend, genügte allen Denen nicht, in wel chen die Ucberzeugung, daß nur durch mündliches öffentliches Verfah ren eben so das Recht des Staats, jedes Verbrechen zu strafen, als das Recht deS Angeschuldigten gesichert werden könne, festgewurzelt ist. Einige durch die Verhandlungen der II. Kammer und durch die Presse zur allgemeinen Kenntniß gebrachte Thatsachen trugen nicht we nig dazu bei, gegen ein Verfahren Bedenken zu erregen, wo cs dem Richter freisteht, ohne Befolgung einer festen Beweistheorie den An- geschuldigtcn auf den Befund der Acten hin nach seiner moralischen Ueberzeugung („nach richterlicher Ueberzeugung") zu verurtheilen. Ein Gewinn ist e« jedenfalls, daß jetzt die Regierung wenigstens ein münd liches Schlußverfahren vor der Spruchbehörde, ein« Verhandlung vor dem erkennenden Richter, woran der Angcschuldigte, der Vertheidiger und die Zeugen Theil nehmen, zuzugcstehen geneigt ist.