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Paraden u. s. >v., die zu Ehren des Kaisers ver- onstaltet wurden, schenkt sie der Fahrt des Monarchen zum Pelikan und seiner Zusammenkunft mit dem ehrwürdigen Haupte der katholischen Kirche noch immer größere Be achtung. Her I). Meyer hat. wie es für den Doc-tor Iwwu'ch emwa, der Los von Rom-Bewegung ganz natürlich ist, ein ganzes Heft der „Wartburg" diesem Besuche ge widmet, und bearbeitet darin die Bedeutung derselben nach dem im Evangelischen Bunde maßgebenden Gesichtspunkten; das war nicht anders zu erwarten, und so bilden die ver ärgerten Bnndesbrüder ein gottvolles Schauspiel für das schadenfrohe deutsche Publikum. Man stelle sich doch einmal die Frage, warum der Kaiser das Oberhaupt der katholischen Kirche im Vatikan mit einem Besuch beehrte. Trotz gller Sophistik wird man kein anderes Motiv heransfinden können, als jenes, damit die steimdschaftlichen Beziehungen zwischen dem Träger der deutschen Kaiserkrone und dem Träger der Tiara knndzn- tun. Ter Besuch ist eine Gewähr für die Erhaltung des Friedens zwischen Staat und Kirche. Man kann ancli nicht mit dem geringsten Scheine von Berechtigung dem Pesnche eine politische Bedeutung beimessen. Es wurde mich das Verhältnis zwischen dem deutschen Reiche und Italien nicht im geringsten alteriert. Man scheint im biegenteil im Onirinal den Besuch von gekrönten Häuptern gern zu sehen; es wird damit nach außen hin der Schein erhalten, daß der Papst volle Bewegungsfreiheit genießt. Keinen Pessimisten kommt auch nur im entferntesten der Verdacht in den Sinn, daß der Lfaiser sich in den streit zwischen dem heil. Stuhl und das Hans Zavoyen einmengen werde. Wir wünschen im Gegenteil die Fortdauer des ungetrübtesten Freundschaftsverhältnisses zwischen beiden Staaten. Wenn der deutsche Kaiser den Papst ehrt, ein neues Zeugnis für die hohe Bedeutung des Papsttums abgibt und damit das friedliche Verhältnis zwischen den beiden christlichen Konfessionen im deutschen Reiche sortzupflegen die Garantie biete, so erfüllt das uns Katholiken mit hoher Freude und mir die Gegner des kon fessionellen Friedens sehen mit Aerger und Mißgunst ans diese kaiserliche Handlung hin. Tie ..antiultramontane" Gesellschaft wird vom Kaiser tilgen gestraft. Die katholische Kirche soll ihrem Zerfall entgegen gehen, weil sie nicht mehr in unsere Zeit hinein - passe, sie sott mit ihrem herrschenden Iesnitismns die Völker verderben, Papst Leo XIII. — und das wird am meisten ino Feld geführt — soll im Verfolgen und Beleidigen des Protestantismus wie keiner seiner Vorgänger sein: und nnn zollt der Kaiser als Beherrscher von 20 Millionen Sonnabend, den 9. Mai 1903. Protestanten: Hiob. Ä. deutscher Katholiken ihrem Oberhaupt seine Hochachtung, anerkennt damit die Bedeutung des Papsttums und der katholischen Kirche für das deutsche Volk, kommt als Pro testant, um dem greisen Papste in Freundschaft die Hand zu drücken! Tie ,,Wartburg" erhebt darob warnend den Finger, um den Kaiser auf die Folgen seiner Tat aufmerksam zu machen. Sie schreibt: Er (der Kaiser» stärkt das Ansehen des- Papstes gerade unter den Katholiken nnd befestigt sic in der Meinung, daß es ein hohes Anliegen der Machthaber lei, um die Gunst deo Ponlifcr zu werben. Und daß gerade dieser Papst, der nie mit den bittersten Wollen gegen das evangelische Christentum znrückhielt. dessen Politik dem deutschen Reiche schwere Steine in den Weg zu werfen versuchte, den Träger der schönsten Krone in der Welt, den Kaiser eines vom protestantischen Geiste erbauten und gehaltenen Reiches als seinen Gast in seinen Gemächern begrüßen darf, das schneidet tief in das p r c> t e st a n t i s ch c S c l b stb e w n ß t s e i n unseres Volkes und trägt dazu bei, es innerlich kühler z u e i u e ui F ü r st e u z u st e l l c n, dein cs am liebsten mit voller Seele zujubeln mochte. Solch kleinlicher Mittel der Verdächtigung nnd unbegrün deter Herabsetzung des Papstes bedient sich nur ein erregter Fanatismus, der zwischen Neckt und Unrecht nicht mehr zu unterscheiden vermag. Herr I). Meyer steht auch schon deshalb dein deutschen Kaiser kühler gegenüber, weil zwischen letzterem als gläubigen Eyristcn und dem Leugner der Gottheit Ehristi ein tiefer Abgrund besteht. Als solchen hat sich z. B. IX Meyer in seinem Vortrage zu erkennen gegeben, den er am 1K. Febr. in der Bezirkslehrerkonferenz in Zwickau abhielt. Wir führen hier znm Schluß eine sarkastische Notiz der ...Köln. Volks-Ztg." an, die wir Herrn I). Meyer ins Stammbuch schreiben: beider werden die „Leipz. Neuest. Nachr." und ihr theologischer Klient auch bei den Nachfolgern Wilhelms l>. cS erleben müssen, daß sie den Papst besuchen werden, wie ebenfalls Kronprinz Friedrich Wilhelm das getan hat. Wenn der Herr Pastor das ver hindern will, so macht er vielleicht noch den Vorschlag, das alle deutsche W a h l k a i s e r t n m ivieoer einzuführen, wozu freilich die Reichsverfassung die Klausel enthalten mußte, daß nur protestan tische Pastoren das passive Wahlrecht genossen. Bei der nächsten Wahl würde dann voraussichtlich Superintendent Meyer «Zwickau» gewählt, und »venu er als „Meier der Erste" den Thron be stiege, so hätte das „protestantische Selbstbewusstsein" allerdings einen Kaiserbesnch im Vatikan nicht mehr zu fürchten. ^V. TaS Machtbewusztseiii der Sozialdemokratie. Die sozialdemokratische Idee hat bereits ganz bedeu tende Wandlungen dnrchgemacht. Es gab eine Zeit, wo die Zukunftsstaats-Hosfnung die Seele des „Genossen" er füllte. ihn glücklich machte nnd an die Sozialdemokratie fesselte. In Verbindung mit dieser Znkunstsstaats Hoff nung stand die lleberzeugnng, daß für das materielle Wohl des Arbeiters innerhalb dieser Staats- nnd Wirt schaftsordnung nichts geschehen könne. Erst müsse dieier Staat vernichtet werden, beziehungsweise in sich selbst zu sannnenbrechen — dann beginnt für den Proletarier das Glück auf dieser Welt. Man wartete also, war im Hoffen glücklich und stärkte seinen Haß gegen die bestehende Ord nung für den großen Augenblick des Zusammenbruchs. Das Proletariat hatte — der sozialdemokratischen Meinung nach — an diesem Staate kein ^nleresse. Staat sei verftncht" — das etwa war die Losung dieses politischen Nihilismus, der für die Sozialdemokratie bis in die achtziger Jahre hinein charakteristisch gewesen ist. Dock es kam anders. Arbeiterschntzgeseize wurden ge schaffen nnd zeigten mit großer Deutlichkeit, daß auch innerhalb der bestehenden Ordnung die Lage des Arbeiter standes sich zu heben vermag. Also stemmte sich die Sozialdemokratie mit Ingrimm dagegen. Die Gesetze kamen daher etwas langsam zustande und die Wohltat derselben wurde den Arbeitern später erst zuteil. Tie Schuld daran trägt die Sozialdemokratie. Der Arbeiter begann sich trotz der Machination behaglicher zu fühlen, er stellte sich den nebelhaften Znknnftsträmnen kühler gegenüber; das Glück seiner Seele bestand nicht inehr in ausschweifenden Hoffnungen. Dieser geänderten Sachlage mit dem veränderten Seelenznstande des Arbeiters trug die Sozialdemokratie Rechnung. Man sagte den Arbeitern: „Gewiß braucht Ihr nicht mehr in diesem Staate zu verzweifeln. Aber wißt, daß alles, was Ihr jetzt habt, der Sozialdemokratie zu ver danken ist. Ihr seid eine Macht im Staate -- mit Hilfe der Sozialdemokratie. Und Ihr werdet, bleibt Ihr der Sozialdemokratie treu, die Macht, die alleinherrschende Macht im Staate sein." „Der Staat sind wir" — zu dieser Empfindung ist das Proletariat durch die sozial demokratische Klassenpolitik jetzt erzogen worden; in dem Zustand solchen politischen Größenwahns befindet sich augenblicklich die sozialdemokratische Armee, ans diesem Gedanken schöpft sie die siegessichere BegeisterungV Auf diesem politischen Größenwahn beruht das persönliche Glücksgefühl des „Genossen", das ihn an die Sozial demokratie kettet. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, daß durch eine schwere Niederlage der Sozialdemokraten ihre Besiegbai teil nnd Machtlosigkeit bewiesen wird. Es muß eine Situation geschaffen werden, in der es auch dem Dummen nnd Blinden klar wird: Wenn die Parteien geschlossen zmammen- stehen. wenn es darauf ankonmit, hat die Sozialdemokratie schließlich noch garnichts zu bedeuten. Größenwahn muß zu Ohnmachtsgefühl gewandelt werden. Das wäre auch nach den Gesetzen der Psychologie ein ganz natürlicher nnd keineswegs unmöglicher Sprung. (Kegen das Zentrum stehen die Parteien geeint da. Wenn sie ebenso gegen die Sozialdemokratie Schulter an Schulter in den Kamps ziehen würden, so wäre ihre Niederlage besiegelt. Das Zentrum muß seine Siege allein anssechten, die Sozialdemokratie tut dies mit Hilfe der Parteien. Wäre das deutsche Volk sich über das Wesen der Sozialdemokratie im klaren, und wüßte es die Größe der sozialdemokratischen Gefahr richtig abznschäbe», so müßte es Der australische Lrbe. Roman von Edgar Pickering. Deutsch von Franz Paul. <->!>. Foriletzuiia.» (Nachdnilk verbolrii.» Alleilt gelassen, blieb Madge einige Augenblicke voll- kommen außer Stande, einen klaren Gedanken zu fassen. Tie Erinnerung an die Art, wie sie verlockt worden war »nd die unglaubliche Falschheit dieser Madame Dnval. die Hilflosigkeit ihrer gegenwärtigen Lage und die Unmöglichkeit, der Falle zu entkommen, in die sie geraten war, alles dies schien sie zu überwältigen. Allmählich aber bekam die Vernunft wieder die Oberhand, nnd sie war im Stande, ihre Lage ruhig zu überdenken. Die Annonce war durch Tormann zu ihrer Kenntnis gelangt, denn zweifellos war er es, der ihr die Zeitung zngcsandt hatte; er hatte den ganzen Plan entworfen. Mit seinem Gelde war Madame Tnval so verschwenderisch tungegangen. Das Kleid, das Madge am Leibe trug, war von diesem Gelde gekauft, von dem Gelde dieses Mannes bezahlt, den sie ans tiefstem Herzen haßte nnd verachtete. Lo erniedrigend und verletzend die ganze Lage war, m der sie sich befand, so erschien sie ihr doch viel zu melodrainatisch und zu unmöglich, um irgend eine Aussicht ans Erfolg für Iarvis Tormann bieten zu können. Nichts destoweniger überwältigte -sie das Gefühl, daß sie einer ernsten Gefahr entgegengehe. Iarvis Tormann war zweifelsohne ein Mensch, den man fürchten mußte, nnd sie konnte sich die Art nicht verstellen, in der diese Reise enden würde. Auch ein Appell an den Kapitän der Aacht um Hilfe nnd Schutz würde ihr nichts nützen, denn Tor- mann hatte Recht, sie war nur eine Bedienstete seines Gastes, der Madame Dnval, und Kapitän Brown würde gewiß sie nur für verrückt halten nnd ihrer unwahrschein lichen Erzählung keinen Glauben schenken. Dorumim war gegenwärtig sein Herr, unter dessen Befehl er handelte, und es lag garnicht in seiner Macht, ans MadgeS Klage einzngehen. All dies überlegte sic sich ohne einen Weg ans dem Wechsel ihrer Gedanken zu finden. Sie würde ja vielleicht in dem ersten Hasen, den die jßacht anlief, diese verlassen können, aber was sollte sie an einem fremden Orte fast ohne Geld ai.fangen? Da ertönte mitten in ihre Verzweiflung hinein von der gegenüberliegenden Seite des Salons ein tiefer Seufzer nnd dann wurde Madames Stimme laut, die nach Brand» jaminerte. Madge war zu zornig nnd zu empört, um dieser Bitte Folge zu geben. Sic konnte es sich aber nicht versagen, in die Ecke hinüberznsehen, in der Madame jammernd lag. „Sie haben Ihre Rolle gut gespielt." sagte sie. „Mr. Dormann war so freundlich, mich über Ihren Eharakler auf- znklären." „Mon Dien!" seufzte Madame. „Ich sterbe noch auf diesem Tenfelsschisf. ich höre nichts, ick» setze mir Itzre zornigen Blicke, so zornig, daß ich zittere. Wo ist Brandy?" „Sie schändliches Weib!" rief Madge ans. „Wenn ich daran denke, wie Sie mich betrogen tzaben. Jetzt verstehe ich alles. Wohin führt man mich?" „Mein süßes Kätzchen." erwiderte Madame mit schwacher Stimme. „Wenn ich am Leben bleibe, will ich Ihnen alles sagen. Ich bin nabe dem Tode, nicht wahr? Ich bin auch betrogen worden!" Dann schien sie Plötzlich in Bewußt losigkeit zu versinken und verweigerte jede weitere Antwort. Oder war sie wirklich nicht imstande weiter zu sprechen? So gab Madge jeden Versuch auf, mehr ans ihr heraus- znbekonmien nnd wandte ihr verächtlich den Rücken zu. Dormann ließ sich am selben Tage nicht mehr blicken nnd Madge verließ den Salon nicht, ihre Zeit mit Lesen verbringend. Ihr erster Zorn war verflogen nnd die tteberzcngnng hatte sich bei ihr festgesetzt, daß sie nicht lange iit der unangenehmen Lage, in der sie sich befand, gegen ihren Willen festgehalten werden könne. Erst als es sehr dunkel wurde und sie nicht mehr imstande war, zu lesen, verließ sie den Salon nnd suchte ihre Kabine auf, in der sie durch die sanfte Bewegung des Schiffes ein- gelnllt, bald in den festen Schlaf der Jugend verfiel. Die Sonne schien hell herein, als sie am nächsten Morgen ans- wachte und einige Augenblicke ruhig dalag. um sich erst in ihrer neuen Umgebung znrechtznfinden, die eine der lnrnriöseslen war, die man sich vorstellen konnte. Tann brachte ihr die Frau des Stewart das Frühstück und bot ihr ihre Dienste an. ihr gleichzeitig milteilend, daß Madame Dnval bereits nach ihrer Gesellschafterin gefragt habe. „Wissen Sie, wohin wir fahren?" „Ins Mittelmeer." erwiderte die Fra». „Tie Bacht hat Lebensmittel für eine lange Fahrt anfgenoimnen, und mein Gatte sagte mir, daß »vir vor Algier keinen Haien anlanfen würden." „Algier?" Madge begann von neuem das Herz heftig zu schlagen. Sollte sie sich dieser Frau anvertranen? Würde diese Fremde ihrer Geschichte Glanhen schenken? Sie zögerte: dann überlegte sie sich, daß sie hierzu noch genügend Zeit haben würde, und so schwieg sie denn. „Madame Dnval ist fast tot" — sagte die Frau lachend. „Sie sieht um 20 Jahre älter ans. als wie sie an Bord kam. Lo gehts immer mit den Französinnen. Sie läßt Sie bitten, zu ihr zu kommen." Nichts war damit gewonnen, sich selbst einznschließen. nnd Madge überlegte, daß sie klüger daran handelte, sich um die ;')acht nnd deren Reise zu kümmern nnd ihren Widerwillen gegen die Verräter zu überwinden, die sie von Marlhonrst fortgeschleppt hatten. Sie fürchtete sich nicht im geringsten vor Mr. Dormann »nd vertrante vollkommen ihrem eigenen Mut, der ihn selbst in Algier verhindern würde. Macht über sie zu gewinnen. So zog sie sich dann rasch an. ein für allemal das ?)acht-Koslüm beiseite werfend, das ihr Madame in Win chester gekauft hatte nnd ging hinüber in deren Kabine. „Ach, mein Schätzchen," rief Madame ans, die einen jammervollen Anblick bot. „das Elend, das ich leide und Sie können noch lächeln?" (Fortsetzung folgt.)