Volltext Seite (XML)
Wemmer Anzeiger und Zeitung für Seifersdorf, Erscheint Dienstag, Donnerstag in Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" n. „Zeitbilder" sowie des illnstr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Mk. Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Klemölsa, Obernamtdorf, Hainsberg, Eckersdorf, Coßmannsdorf, Lübau, Borlas, Spechtritz re. Nummer 150. Mit verbindlicher Pnblikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Dienstag, den 28. December 1897. 10. Jahrgang. /ilWII8«l8-kin!kckng. Indem wir hierdurch zu recht regeln Abonnement auf das 1. Vierteljahr 1898 unserer Zeitung höflichst einladen, bitten wir alle neu hinzutrctenden Leser, sowie Diejenigen, welche die Zeitung durch die Post zu beziehen wünschen, um gefl. rechtzeitige Aufgabe ihrer Bestellung. Es wird nach wie vor unser eifrigstes Bemühen sein, durch zuverlässige und übersichtliche Berichterstattung über alle Vorkommnisse des politischen und wirthschaftlichen Lebens und durch einen möglichst vielseitigen reichhaltigen Inhalt allen gerechten Ansprüchen der geehrten Leser nach- zukvmmen. Unsere Zeitung erfreut sich fortgesetzt einer stetig steigernden Abonnenteuzahl und werden wir daher Alles aufbieteu, uns dieses Vertrauens würdig zu zeige». Vorwiegend werden wir bestrebt sein, dem lokale» lind sächsischen Theile eine noch immer sorgfältigere Pflege angedeihe» zu lasse». Bestellungen nehme» alle Pvstanstalten und Brief träger, sowie die Unterzeichnete entgegen. Die Expedition. Ans Nah und Fern. — Der am erste» Weihnachtsfeiertag vom Turn verein I. im Amtshof veranstaltete Unterhaltungs-Abend hatte ein zahlreiches Publikum heraugezogen, den» weit über 400 Personen füllte» de» geräumige» Saal. Die Vorträge bewiesen auch de» rühmlichen Eifer, mit welchem die Bethciligte» sich ihrer Aufgabe bewußt waren. Die turnerischen Leistlingen am Neck und Barren gingen glatt von Statten, obwohl die Kälte der eisernen Reckstange de» Ausführungen wesentliche Schwierigkeit entgegensetzte. Da gegen waren die gestellten Gruppen bei bengalischer Be- lNochbnwl veil'Men ) Verwegenes Spiel. Roman von F. Siemers von Ostermann. „Du sprichst wie ei» Verliebter," spottete Herr von Schwarz; „man könnte nicht glauben, daß Du Liebe zu einem anderen Frauenzimmer gehegt hast." „Du treibst mich noch zum Wahnsinn!" rief Rudolf mit Plötzlich erstickter Stimme aus. „Wie kannst Du mich nur so verhöhne»? Ich habe Liesche» geliebt, u»d ich liebe sie, Gott weiß es, »och; aber Du hast uus getrennt. Hätte ich Lieschen we gesehen, dann hätte ich die Baro nesse Engelbert angebetet; da aber Lieschen nicht mehr die Meine sein kann, so klammere ich mich an die Baro- nesse Engelbert, wie ei» Ertrinkender sich an irgend einen Gegenstand klammert. Ich — ich habe sie gern; ich könnte sogar sagen, daß ich sie liebe!" „Beiieidenswerthe Elastizität einer jugendlichen Liebe!" seufzte Herr von Schwarz in demselben spöttischen Tone. „Du kommst mir wie ein Kind vor, Rudolf, dessen Puppe heute zerbrochen ist und welches morgen mit einer neuen ebenso zufrieden ist. Und so denke ich, eine Frau ist für Dich wie jede andere. An dem einen Tag ist es Lieschen Vogel und am nächsten die Baronesse Engelbert, — welche Extreme!" Rudolf wurde sehr ärgerlich über diese Worte. „Du sprichst, als ob Du unzufrieden mit mir wärest," rief er dann. „Ist das der Lohn dafür, daß ich Deinem Gebote, mich der Baronesse Engelbert angenehm zu machen, Folge geleistet habe? Du willst sie jetzt wohl lieber selber haben?" Herr von Schwarz beeilte sich, Rudolf einen solchen Glauben zu benehmen. „Ich will nicht länger von Dir abhängen," sagte Rudolf mit großer Entschiedenheit. „Ich will die Baro nesse Engelbert nnd ihr Vermögen gewinnen, oder ich schieße mir eine Kugel durch de» Kopf. Ich bi» i» Ver- zweiflnng, aber keineswegs hilf- und hoffnnngslos!" Herr von Schwarz verhielt sich die übrige Zeit ganz schweigsam. Auf der Treppe des Gasthauses sagte er seinem Sohn sehr kühl „Gute Nacht!" schloß sich dann in sein Zimmer ein und murmelte: , „Das Mädchen hat drei Verehrer, denn mein wankel- müihigcr Sohn liebt sie in der That. Ich muß vorsichtig sein nnd Ottilie nicht eher loslassen, als bis ich Marie leuchtung höchst wirkungsvoll. Von den gesanglichen Vor trägen war es besonders die Soloscene „Wäber mit de Käber", welche drastisch dargestellt, durch ihre versteckten Witze außerordentlich belustigend wirkte. Auch mit dem Beilfall, de» die übrigen Stücke fanden, konnten die Dar steller sehr zufrieden sei», ebenso der Verein selbst mit der reichen Einnahme, die ihn seinem Ziele — Erbauung einer Turnhalle — wieder um einen kleinen Schritt näher geführt hat. — Wir machen tviederholt auf das heute Abend im „Amtshof" stattfindende Militär-Concert aufmerksam. Der Billet-Vorverkauf war bis jetzt ein sehr reger nnd dürfte denmach ein zahlreicher Besuch zu erwarten sein. — Beim Herannahen des Jahreswechsels ist wieder um darauf aufmerksam zu machen, wie es sich dringend empfiehlt, den Einkauf der Freimarken für Neujahrsbriefe nicht bis zum 31. Dezember zu verschieben, sondern schon früher zu bewirken, damit der Schalterverkehr an dem ge nannten Tage sich ordnungsgemäß abwickeln kann. Ebenso liegt es im eigene» Interesse des Publikums, daß die Neu jahrsbriefe frühzeitig zur Auflieferung gelangen. — Nach anher ergangener Mittheilung seitens des Bahnwärters Herr» Zimmermann in Potschappel beruht die Notiz in Nr. 147 d. Bl. auf uuwahren An gabe». Die betr. Notiz war u»s aus zweiter Hand zu- gegaugen und glaubte» wir daher an deren Richtigkeit nicht zweifeln zn dürfen. - — In Possendorf vernnglttckte am Mittwoch Abend der in dem dortigen Gasthofe bedienstete Hausknecht Richard Löbel lödtlich. Derselbe wollte den Kutscher eines zum Uebernachteu einfahrenden Geschirres aus Steinbrück mühle begrüßen, wobei er zwischen den Wage» nnd den stcineren Thorschast gericth nnd mit eingedrückten: Brust korb sofort todt zu Boden sank. Dem Kutscher, Paul sicher habe. Ich wollte, ich hätte alles vorausgesehen und meinen Namen statt den »reines Sohnes in den Brief gesetzt!" 15. Rudolf stellt eine wichtige Frage. Herr von Schwarz und sein Sohu frühstückten am späten Morgen zusammen. Der Vater tvar wieder, wie gewöhnlich, kalt nnd chuisch, der Sohn verdrießlich und reizbar, mit sich und der ganzen Welt unzufrieden. Seine Gedanken hatten sich in der vergangenen Nacht nnr mit Lieschen beschäftigt. I» seinen Träumen tvar er noch dem liebenden Herzen Iren, das er gebrochen. Vater nnd Sohn nippen soeben von ihrem Kaffee, als der Kellner die Zeitung brachte. Herr von Schwarz überblickte den Inhalt derselben in aller Gemüthsrnhe. „Was gicbts Neues?" fragte Rudolf. „Nichts Besonderes," antwortete der Vater. „Ah, was ist das?" rief er plötzlich aus. Herr von Schwarz fuhr zusammen nnd wechselte die Farbe, als sein Auge ans einen Rainen in einem längeren Artikel ruhte. Seine Aufregung stieg, als seine Angen über den Be richt schweiften. „Was giebt cs denn?" fragte Rudolf. „Ist jemand von Deinen Bekannten gestorben?" „O, cs ist schrecklich!" sagte Herr von Schwarz schaudernd, indem er mit entsetzten Blicken auf die Zeitung stierte. „Wie konnte sie denn so albern und unklug sein! Ich habe sie nicht getödtet!" „Wen getödtet?" „Armes Mädchen!" murmelte Herr von Schwarz, während er noch immer auf daS Blatt stierte, als ob er darin des vorsätzlichen Mordes bezichtigt werde. „Das arme Lieschen —" „Wer?!" Mit diesem Schrei sprang Rudolf auf, stürzte zu seinem Vater hin und entriß ihm mit zitternden Händen die Zeitung. „Ich — ich sehe nichts!" rief er. „Du hast mich grausam erschreckt. Ich — ich dachte, daß Lieschen — o mein Gott!" Er stand da, als wäre er von Eis, nnd starrte wie sein Vater auf eine Stelle nuten in der Zeitung, auf einen Artikel, der die Ueberschrift trug: „Ein trauriger Selbstmord." In der Mitte dieses Berichtes stand mit erschreckender Pretzsch mit Namen, soll eine Schuld nicht beizumessen sein. — Eine Königin als Samariterin. Die Königin von Portugal, die, wie bekannt, als Aerztin ausgebildet ist, bethätigt sich als solche, wo irgend eine Gelegenheit dazu vorhanden. So befand sich die Königin mit einer Hofdame anf einem Spaziergange, der sich bis zu einem Walde in der Nähe Lissabons ansdehnte. Man wollte bereits umkehren, als ein Schrei an das Ohr der Damen tönte, die sofort nach der Gegend eilten, aus welcher die menschliche Stimme kam. Hier fanden sie einen armen Holzfäller, der durch einen zu früh umgestürzten Baum schwere Verletzungen erlitten hatte. Nachdem die Königin mit geschickter Hand die Wunde des Mannes verbunden, ließ sie den Verletzten nach seiner Hütte bringen. Die edle Frau begnügte sich nicht nur, das materielle Elend ihres Patienten zu mildern, sondern behandelt dessen Wunde auch weiterhin, so lange es nöthig ist. — Die verstorbene Fürstin zu Hohenlohe war eine eifrige Jägerin. Eine schöne Jagdbeute verdankt ihr der Thiergarten in Königsberg i. Pr- Es sind zwei kleine Bären, Pummel und Schummel genannt, welche die dahin geschiedene fürstliche Jägerin zum Geschenk gemacht hat. Als die Fürstin im vergangenen Winter auf ihrer russi schen Besitzung der Bärenjagd oblag, erlegte sie ein von zwei Jungen gefolgtes Mutterthier. Beim Herantreten an ihre Bente zeigten sich die kleine», possirlichcir Thiere so zutraulich, daß die Fürstin beschloß, sich ihrer persönlich anzunehmen und für ihre Pflege zu sorgen. Auf der Rückreise nach Berlin brachte sie die jungen Bären bis nach Königsberg und übergab sie auf dem dortige» Bahn hofe den Beauftragten des Thiergartens, welcher vorher von der Schenkung benachrichticht worden war. Die beiden kleinen Petze waren bisher ein beliebter Gegenstand der Unterhaltung für die Kinderwelt. Deutlichkeit der Name „Lieschen Vogel." Ganz mechanisch las Rudolf mit heiserer Stimme de» kurzen Bericht laut, und sein Vater hörte mit vorgebeugtem Kopfe nnd dem Ausdrucke des Entsetzens zu- Die Nachricht lautete: „Berlin. Gestern Abend, als der Polizeibeamte Neiß seine gewöhnliche Runde machte, stürzte ein junges Mäd chen ohne Hut, mit fliegenden Haaren an ihm vorbei und nach der Brücke zu. Sie sprach aufgeregt zu sich uud sah aus, als ob sie von Sinnen wäre. Der Polizeibeamte lief ihr eiligst nach, als er ihre Absicht merkte, doch er kam zu spät, um sie von ihrem schrecklichen Vorhaben zurück zuhalten. Sie sah sich noch nach ihm um, sprang dann auf das Brückengeländer, und mit dem Ausrufe eines Namens, de» der Beamte nicht verstehen konnte, stürzte sie in den Fluß. Im Falle» schlug ihr Kopf a» ei» Vorüber fahreudes Boot, und das entstellte ihre Züge bis zur Un kenntlichkeit. Sie tvar todt, als mail sie aus dem Wasser zog. Kein Zeichen, aus dem mau ihre Identität ersehen könnte, wurde an ihr gesunden; aber ein Taschentuch, das im Wasser schwamm und sogleich von einem Schiffer auf gefangen wurde, war mit dem Namen „Lieschen Vogel" gezeichnet." Rudolf las diesen Bericht ganz zn Ende, und dann entfiel das Blatt seiner zitternden Hand. „Todt!" sagte er in hohlem Tone. „Todt!" „Todt!" wiederholte sein Vater heiser. „Todt!" sagt Rudolf noch einmal und wendete seine entsetzt blickenden Augen nach seinem Vater. „Du hast sie getödtet! Ich liebte sie — ich wäre ihr auch all mein Leben lang treu geblieben, aber Du hast uns auseinander- geriffen und hast sie zur Verzweiflung und in den Tod gejagt. Dll bist ihr Mörder!" Herr von Schwarz fuhr heftig zusammen lind blickte scheu um sich. „Still, Rudolf, still!" rief er unruhig auS- „Es könnte Dich jemand hören. Das Mädchen ist zu tadeln, daß sie sich umgebracht hat, und niemand anders kann dafür ver antwortlich gemacht werden. Ich habe ihr Geld ange boten, aber sie wollte es nicht nehmen. Es war ihre Wirthin, die sie zu dieser unbesonnenen That trieb. Das alte Weib hatte an der Thür gehorcht, hat das Mädchen beschimpft und ihr befohlen, ihre Wohnung angenblicklich zu verlassen. Das Mädchen ist dann, wie von Dämonen verfolgt, davongestürzt." (Fortsetzung folgt.)