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WölkknUich crschtintn drei Nummern. Prönumerotloii«, Preis 221 Sgr. <1 THIr.) vicrttüöhrlich, 3 Lhir. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumc-ttt aus diesoS Beiblatt der Allg. Pr. Staal«. Aenung in Berlin in der Erredirion (ZriedrichS-Ltraße Nr. 72); in der Provinz so wie im AuMande hei de« Wodllöbl. Poü-Aemtern. Literatur des Auslandes. 93. Berlin, Mittwoch den 8. August 1838. Frankreich. Frau von La Fayette. Es ist oft die Frage aufgeworfen worden, ob die Frauen eine Berechtigung zu liicrarifchen Arbeiten hätten, und ob Schrift stellerinnen nicht durch ihren Beruf die Gränzen der Weiblichkeit überschritten? Die beste Antwort darauf scheinen die Meister werke zu seyn, die in so großer Zahl aus weiblichen Händen her- vorgcgangcn sind. Wenn aber von denjenigen Frauen die Rede ist, welche ihrem Gcschlechie das Bürgerrecht in der literarischen Republik erkämpft haben, so darf Frau von Lafayette nicht ver gessen werden. Die schlüpfrigen Erzählungen und mystischen Werke der Margarethe von Valois, die Dichtungen der Louise Labbe, die endlosen Romane der Scudcry waren eben nur schwache Anfänge und keinesfalls geeignet, in der Frage von der geistigen Emancipation der Frauen einen Ausschlag zu geben. Mil Frau von La Fayette ist der Streit über die Befähigung derselben ein- für allemal entschieden, denn sie Hai dauernde Werke geliefert, wie sie nur eine weibliche Feder schreiben konnte, und wir finden bei ihr eigcnthümlichc Vorzüge, welche ganz außer dem Bereiche der männlichen Kraft liegen. Maric-Madelaine Pioche de la Vergne wurde im Jahre 1633 geboren; ihr Vaier, Aymar de Vergne, war Feldmarschall und Gouverneur von Hsvre-de-Grace; ihre Mutter, Maria de Pöug, stammle aus einer allen Familie der Provence, in welcher die Neigung und die Befähigung zu allen geistigen Bestrebungen erblich zu seyn schienen. Die glücklichen Anlagen des Kindes wurden durch eine verständige und glänzende Erziehung, welche Menage und der Paicr Rapm nach den Andeulungen des Vaiers leileien, rasch emwickel«. Fräulein von La Vergne erhielt schon in ihrer frühen Jugend Zutritt zu den Gesellschaften im Hotel Rambouillet, gerade zu derselben Zeit, in welcher der fünfzehn jährige Boffuei seine erste Predigt hielt. Bedenkt man nun, daß durch dieses Zusammentreffen das blaue Zimmer der Arihenice die Wiege der Beredsamkeit des Herzens wie des Verstandes wurde, so wird inan auch milder von diesen einst so berühmten Gesellschaften unheilen und vielleicht die Verirrungen des Ge fühls und die gespreizte Sprache, welche Molierc in seinen „pro- cieuxo-- riäiculöü" geißelte, auf Rechnung der Scudcry setzen. Dem sey jedoch wie ihm «volle, die Gesellschaft, in der Voiiure den Ton angab, mußte immer eine vortreffliche Bildungsschule seyn; dem Fräulein von La Vergne kam jedenfalls der Besuch derselben trefflich zu Statten, und wenn auch einige Geziertheit dort herrschte, so entging sie doch der Ansteckung. Nebrigcns hatte sie weit größere Gefahren zu bestehen; sie genoß den Unter richt von Menage, ohne den mindesten Anflug von Pedanterie zu erhalten; sie duldete seine Madrigale in allen mögliche» Spra chen, ohne lächerlich zu werden; das war immer schon eine günstige Vorbedeutung. Bei dem Eifer, mit welchem sich Menage und der Paier Rapin des Unterrichts annahmen, machte Fräulein von La Vergne rasche Fortschritte. Sögrais berichtet, daß sie ihre beiden Lehrmeister nach dreimonatlichem Unterricht des Jrr- thums überführte, als dieselben sich nicht über die Stelle eines Römischen Schriftstellers einigen konnten. Was haue dicfcs Wunder bewirkt, die Methode des Lehrers oder die außerordent liche Begabung der Schülerin? Dieselbe war keineswcgcs auf ihre Kenntnisse stolz, und weit entfernt, damit zu prunken, lick sie ihre klassischen Studien kann, erreichen; man achmcie den Duft cm, ohne die Blume zu sehen. Als sie einst auf eine Frage, die Huyghenr richtete, erwiederie, daß der Jambus ein umge kehrter Troche;,,, sey, erröiheie sie über die Zerstreuung, in wel- eher sie das Gcheimniß ihrer metrischen Studien preisgegeben hatte. Uebriaen« Hane sie eine entschiedene Vorliebe für die Dichter; sie schwelg,e im Hora, und Virgil, während sic den prosaische» Schriftsteller» kein Interesse abgcwinncn komue. Me nage spielte den Süßen bei seiner Schülerin; da aber, wie ei» Zeitgenosse bemerkt, seine Huldigungen niemals Jemanden Kopf schmerzen zugezogen haben, so war auch wohl für ein reines und zartfühlendes Herz nicht, von denselben zu fürchten- Menage beschränkte sich auf den Ausdruck einer pedantischen Zuneigung, und Fräulein von La Vergne ließ die Madrigale, in welchen sie al« taverna besungen wurde, ruhig über sich ergehen. Der Dichter bemerkte nicht, daß der Name, de» er gewählt halte, »icht sehr schmeichelhaft war, weil er der Göttin der Diebe an gehört. Er wurde auf eine nicht sehr wohlwollende Weise in solgendcm Lateinischen Epigramm an seine» Verstoß erinnert: Kell, cum «ioctorlim »l»riuia vatum, ,uirum si «it cults L.«»VLruL Obgleich Fräulein von La Vergne das Hotel Rambouillet bv suchte, so bekannte sie sich doch nicht zu den Theoriee», welche hier über die Ehe gepredigt wurden- Ihr Freier wurde nicht der lange» Probe umcrworfe», welche Julie vo» A»gc»»es Herrn von Montanster auferlegic, sonder» er gewann sie rasch und gleichsam im Fluge. Als sie Herr» von La Fayette ihre Hand reichte, war sie z>vciu»dzwa»zig Jahre alt. Durch ihre Vermäh lung wurde sie Schwägerin der keuschen Geliebten Ludwig'« XIII., welche, wie später Frau von La Valliöre, die Schwachheiten ihrer Jugend durch die Flucht ins Kloster büßte. Herr vo» La Fayette war jedoch als Gemahl nicht viel mehr als eine Null für seine Frau, und nur einmal wird seiner i» einem Briefe derselben ge dacht, und auch bei dieser Gelegenheit erfährt maii bloß, daß er »och »ach einer achtzehnjährige» Ehe, mid als seine Frau schon längst das Verhältnis! mit dem Herzog von La Rochefoucauld ein- gcgaugen, bei derselben erschien. Dieser Ehemann, welcher wie cin Schatten auf einem Hellen Grunde erschein«, ist nichtsdesto weniger der Vaier zweier Söhne, von denen der Eine die kriege rische Laufbahn erwählte und der Andere sich dein geistlichen Stande widmete. Der Letztere ist nur durch die Gefälligkeit be kannt, mit der er die Manuskripte seiner Mutter verlieh, ohne sie wieder einzufordern; mehrere derselben sind auf diese Weise ver loren gegangen. Frau von La Fayette «rat in der Literatur zuerst mi« der reizende» Novelle ,Mu<Io,noi«eIIo äe ölnntpeiuäer" auf. Diese fallt ins Jahr 1662 «md misst so ziemlich mit Sögrais' erstem Auftreten im Hause der Frau von La Fayette zusammen. Der selbe war bei einer andere» Montpensier i» Ungnade gefallen, weil er sich ihrer Grille, den Herzog von Lauzun zu heiraihen, widersetzt hatte. Sögrais verlor nichts bei diesem Wechsel, und Frau von La Fayette gewann in ihm einen feineren Kunstrichicr und einen verständigeren Führer, als Menage. Das Resultat dieser Vereinigung äst „Taväe". Dieser Roman, welcher sich noch gewissermaßen an die alte Schule knüpft, obgleich darin schon ei» höherer Schwung der Leidenschaft bemerkbar wird, er schien umcr Sögrais' Namen. Anfangs blieb seine Vaterschaft unbestritten, aber später erfuhr man doch, daß er nichts weiter dazu gegeben haue, als einige Winke in Betreff der Reihenfolge der Begebenheiten und des Stils. Als der Bischof von AvrancheS dem Romane seine» Brief an Sögrais über den Ursprung der Romane vorandruckcn ließ, sagte Frau vo» La Fayette zu ihmr „Wir habe» unsere Kinder vermählt." Um diese Zeil wurde auch Frau von La Fayette des vertrauteren Umganges der Her zogin von Orleans gewürdigt; sie war eine Zierde dieses fcin- gebildctcn mid galanten Hofes, ohne doch dabei die Reinheit ihrer Sitten einzubüßcn- Hier wurde sie zuerst auf den Herzog von La Rochefoucauld aufmerksam, und hier entstand die so be rühmte und so räthsclhafte Verbindung, welche nur durch den Tod gelost wurde. Die Geschichte dieser Neigung und das Entstehen der „pr,n- cos-io äe Olevex" sind zu eng mit einander verbunden, als daß man sie von einander sonder» könnte. Frau von La Fayette schil derte sich selbst in der,,Zaz-äe" wie in der „princeü.'.e äo tflevc-i"; beide sind ei» Bild ihres Herzens und ihres Seclenzustandes. „Z-izule" ist der Traum einer jugendlichen Phantasie, die „prin- c«!>!>o äv ('lövox" die idcaliflne Geschichte wirklich erlebter Em- pjmdnngc». Um jedoch eine Deutung beider Werke versuchen zu könne», ist es nüchig, einige Wort« über das Verhäliniß, in welchem die Verfasserin zum Herzog von La Rochefoucauld stand, voranzuschuken. Frau von La Fayette war bereits seit zehn Jah ren verhciraihel und haue ihrem Galten die Treue und so viel Play in ihrem Herzen bewahr«, als derselbe auszusüllen ver- mochie, das heißt, sie fühlte für ihn eine leidenschaftslose, aber hochachtungsvoll« Freundschaft. Jetzt trat ihr der Herzog von La Rochefoucauld auf ihrem Lebenswege entgegen; er war ei« vollendeter Hofmann, dessen Jugend in die Zeit der bürgerliche»