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MbdmfferTaM« Nationale Tageszeitung für die landwkrkschast. Das „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung 2 RM. zuzüglich Abtrag- gebühr. Gin?e nummern 15Apfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wllsdruff u. Umgehend Postboten und unsereAus, träger und Geschäftsstellen ——— nehmen zu jederzeit De ftellungen entgegen. ImFallc höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht Kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Ancksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porio beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzcilc M Rxfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 4V Reichs Pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 28 Reichspfennige. Bor. gefchriebeneErfcheinungs- „ tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anzeigen, annahme bis norm.18Uhr. - - Für die Richtigkeit der durch FernrusübermitteltenAnzci gen übernehmen wir keine Garantie. Iedcr Nabattanspruch erlischt, wenn derBetra g durch Klage cingezogen werdenmutz oderderAustraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Dcrmittlungsstellenentgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 294 — 89. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsliin" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 18. Dezember 1930 Am Beobachiungsstand. Wir haben es alle deutlich genug verspürt, wie es im Sommer des unerfreulichen Jahres 1930 zitterte und bebte im Gebäude des deutschen Kredits. Wie Wagen um Wagen, mit Goldmillionen aus dem Wäh rungshort der Reichsbank beladen, hinüberfahren mußte nach Frankreich. Es War ein schwererStoß, — aber wie stark er war, wurde jetzt auf einer Sitzung des Zentralverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes von seinem neuen Vor sitzenden, Präsident Dr. S o l m s s en, mit aller Deutlichkeit herausgearbeitet. Es heißt allerhand, wenn allein die sechs Berliner Großbanken in vier Monaten etwa 1,5 Milliarden Mark kurzfristiger Kredite zurückzahlen mußten, ohne Er satz zu bekommen! Und man versteht es auch, daß die Banken damals den von ihnen gewährten Kredit möglichst einschränkten trotz der nur zu berechtigten Beschwerden der deutschen Wirtschaft, daß ihr in einer besonders kritischen Lage nun auch noch der Kredit gekürzt würde. Die Geld institute mußten dafür sorgen, einen vielleicht noch stärkeren Stoß, noch schärferen Druck von Goldrückforde rungen auszuhalten und damit zu beweisen, daß der deutsche Kredit durch — wie es damals der Fall war — — politische Paniken zwar zum Beben, aber nicht zum Wanken gebracht werden kann. Und Dr. Solmssen verweist darauf, eine wie feste Stütze dabei die Reichsbank war —, auch wenn diese bisweilen recht unangenehme Seiten aufzog. Ganz gefahrlos ist die Lage auch jetzt nicht; zwar ist sie wirtschaftlich so schlecht und trübe, daß der Kreditbedarf der Wirtschaft stark eingeschränkt ist. Aber wir schulden dem Ausland doch — bei Aufrechnung unserer eigenen Guthaben im Ausland — kurzfristig die unangenehm hohe Summe von rund 6—7 Milliarden Mark, davon bei den Banken allein 4,5 Milliarden. Aber leider besteht nicht viel Aussicht, erheblichere Teile dieser kurzfristigen Schulden in langfristige umzuwandeln, vom „Geld"- zum „Kapitalmarkt" hinüberzuleiten. Das Reich z. B. ist ja heilfroh, daß es die bekannten Kredite mit dem Recht mehrfacher Verlängerung erhalten hat —, aber ein bißchen wacklig ist diese finanzielle Brücke besonders dann, wird geradezu gefährdet, wenn aus politischen Gründen auf dem Geld- und Kreditmarkt ungeschickte Füße Herum stampfen. Vorsicht und Z u r ü ck h a l t u n g empfahl Dr. Solmssen auch bei der Betätigung im Wirtschaftsleben, namentlich dort, wo wirtschaftlich absterbende Unter nehmen durch öffentliche Subventionen, also künstlich durch das Geld der Steuerzahler, am Leben erhalten werden sollen; denn Geld, Kapital, darf nur dort eingesetzt werden, wo em Aufblühen, eine Rentabilität zu erwarten ist. Denn mit dem „Emporborgen" ist das eine bisweilen recht gefährliche Sache. Weil man nämlich das Geld auch einmal — zurückzahlen muß, was einigermaßen schwierig sein soll, wenn es durch unwirtschaftliche Anlage verpulvert worden ist. Von der Rentabilitätsfrage ist der Schritt hinüber ;um offiziellen oder — natürlichen Preisabbau nicht gar so groß. Denn wenn nur Preise zu erzielen sind, die unter den Gestehungskosten liegen, dann tritt Ver mögensverlust ein. Das geht natürlich auf die Dauer nicht, weil dann eben auch das Volksvermögen Einbußen erleidet, nicht bloß das „Privatver mögen" einzelner Kreise oder bestimmter Wirtschafts zweige. Und das Weihnachtsgeschäft ist für zahl lose Existenzen in Erzeugung und Handel, für Arbeitgeber wie -nehmer, vielfach geradezu entscheidend. Deswegen will auch die Reichsregierung entsprechend dem Beschluß ihres „Preisabbau-Ausschusses" für den Augenblick sich zuruckhalten und mehr als bisher der natürlichen Preisentwicklung Raum lassen, vorerst nicht mit irgendwelchen Druckmitteln dazwischengreifen. Was man zwecks späterer „Bearbeitung" ins Auge gefaßt hat — die Eisenpreise und dre der Markenartikel —, enthält einen ganzen Haufen finanziell-wirtschaftlich-preispoli- tischer Schwierigkeiten, dte man sehr vorsichtig anfassen muß, zumal sie besonders wette Gebiete des Wirtschafts lebens erfüllen. Künstlich eingeschaltete Zwangsmaß nahmen können da viel mehr Schaden bringen, als eifrige Propagandisten es sich träumen lassen. Und leider sind ja die Leistungen der öffentlichen Hand längst nicht in dem Maße im Preise abgebaut worden, wie das in der Privat wirtschaft geschehen oder erzwungen worden ist. Aber gewisse Druckmittel sind ja heute nament lich im politischen Leben nur allzu „beliebt", ob das nuy außenpolitisch-finanzielle sind, über die Dr. Solmssen klagte, oder wirtschaftspolitische von der eben angedente- ten Art. Oder gar parteipolitische. Wir werden in Deutschland wieder einmal von den Strömungen und den natürlichen Gegenströmungen politischer Demon - strationen geradezu überflutet, was, nebenbei be merkt, weder außen- noch innenwirtschaftlich von erfreu lichem Einfluß ist, da sich das alles „unter freiem Himmel" vollzieht, um einen Ausdruck der Verfassung zu ge brauchen. Da ist denn auch schon der nicht mehr berech tigte Ruf: herunter vou der S t r a ße! laut ge worden, nicht aus dem Munde der Polizeibehörden, son dern in der Absicht, daß man zu etwas „geistigeren" Aus einandersetzungen kommen sollte. Denn dre Art, den anderen politisch zu „überzeugen", hat derart unerquick liche Formen angenommen, daß hier eine freiwillige oder erzwungene Änderung eintreten muß. M VmtliWn der ReWMetts Reichsgründungsfeier am 48. Januar? Die Lage in Ostpreußen. Zu einer Vollsitzung trat das Rcichskabinett zu sammen und der wieder in Berlin cingctrofscne Neichs- außenminifter Dr. Curtius gab eine Darstellung über seine Verhandlungen in Königsberg und über die dort ge wonnenen Eindrücke. Außerdem wurden grundsätzliche Fragen der Stellenbesetzungen im Hinblick auf die Zeit nach Abschluß des zehnprozcntigen Personalabbaues bei den Behörden und die Frage einer Rcichsgründungsfeier am 18. Januar erörtert. Der deutsche Delegierte in der Abrüstungskommission, Gras Bernstorff, der in Berlin eingetroffen ist, soll nachmittags dem Reichskanzler und den zuständigen Ka binettsmitgliedern und morgen im Reichstagsausschuß für auswärtige Angelegenheiten über den Verlaus der Abrüstungskonferenz Bericht erstatten. * Ministerbesprechung über Genf. Vorbereitung der außenpolitischen Aussprache. An die Sitzung des Reichskabinetts, in der neben den Fragen der Krastsahrzeugsteuer noch das Beförderungs wesen der Reichsbeamten und die Reichsgründungsfeier behandelt wurden, schloß sich eine kleinere Ministerbespre chung an, an der neben dem Reichskanzler noch der Reichs außenminister und der Reichswehrminister Teilnahmen. Die Kabinettsmitglieder nahmen denVortrag des deutschen Vertreters bei der vorbereitenden Abrüstungskonferenz, Grafen Bernstorff, über Verlauf und Ergebnisse der Gen fer Vorbesprechungen entgegen. Die MinisterbesprechunA diente der Vorbereitung der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, der sich ebenfalls mit dieser Materie beschäftigen wird. An der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses dürfte ver mutlich auch Graf Bernstorff teilnehmen. Oie Deutsche Volkspartei verlangt erweiterte Sparsamkeit. Die Besprechung des Parteiführers der Deutschen Volkspartei, Dingeldey, mit dem Reichskanzler ist auf den Wunsch Dingeldeys zurückzuführen, der in der Unter redung insbesondere auf den von der Reichstagsfraktiou der Deutschen Volkspartei gestellten Antrag hinwics, in dem weitere Ersparnisse im Reichshaushall für 1931 ge fordert werden. Dieser Antrag drückt den Wunsch aus, den neuen Haushalt unter allen Umständen vor jeder Gefahr zu bewahren. Die Volkspartei steht die innen- und außenpolitischen Folgen einer durch Schwankungen eintretenden Gefährdung des Reichshaushaltes als so schwerwiegend an, daß sie unbedingt auf der rechtzeitigen gesetzlichen Sicherstellung der von ihr beantragten Ein sparung besteht. Die Besprechungen werden nach Neujahr fortgesetzt. Oie Krastfahrsteuer. Das Reichskabinett hat eine Denkschrift über die Be steuerung der Kraftfahrzeuge verabschiedet. Diese Denk schrift enthält die vorgeschlagenen Änderungen der Kraft- fabrsteuer und wird nunmehr dem Reichstage zugeleitet. Lmiius über die »Mische Lage. Regierung und Parlament. Reichsaußenminister Dr. Curtius hielt in Königs berg vor einem Kreise von Mitgliedern der Deutschen Volkspartei eine Rede über die politische Lage. Er zeich nete den Zug der Zeit dahin, daß immer mehr eine Lösung der Regierung vom Parlament stattfinde, und umriß in wenigen Worten die Unmöglichkeit einer Regierungsbil dung mit den Sozialdemokraten oder den Nationalsozia listen. Bei der Besprechung des Uoung-Plans wies Dr. Curtius auf die Bedeutung des Überganges vom Dawes- zum Aoung-Plan hin und betonte, daß sich seit der An nahme des Houng-Plans die Verhältnisse in einer Art und Weise verschoben hätten, wie es keiner der Sachver ständigen 1929 habe voranssehen können. Zum Schluß hob Dr. Curtius hervor, daß seine Außenpolitik in den letzten Monaten mit besonderem Nachdruck auf den Osten gerichtet sei. Dr. Curtius hielt außerdem zahlreiche Be sprechungen mit Vertretern der Behörden, der Provinz, der Landwirtschaft und der Wirtschaft ab. Auch die spanische Marine menleri. Barcelona in Schrecken. Ziemlich ungünstig lauten immer noch die ins Aus land gelangenden privaten Nachrichten aus Spanien. In verschiedenen spanischen Häsen haben sich die Kriegsschiffe der revolutionären Bewegung angeschlossen. Da jedoch die Regierung immer noch strengste Zensur ausübt, ist das Ausmaß der Marinerevolte nicht zu überprüfen. Im Norden und Süden des Landes stehen verschiedene Pro vinzen im Aufruhr. Es hat den Anschein, als hätte sich der Generalstreik über die gesamte Provinz ausgebreitet. Nur in Madrid scheinen die Regierungstruppen die Lage fest in der Hand zu haben. In Barcelona ist die Lage besonders gefahrdrohend. Sämtliche Hauptplätze der Stadt sowie der Bahnhof und alle öffentlichen Gebäude sind mit starken Militärposten besetzt. Die Lebensmittelläden müssen durch Maschinen gewehre beschützt werden, da die Bevölkerung Lebens mittelmangel befürchtet und bereits fast sämtliche Läden ausgekauft hat. Lleberall Generalstreiks. Der offene Aufstand ist namentlich in Madrid als einstweilen niedergeworfen zu betrachten. Die Telephon sperre sowohl für das Inland wie auch für das Ausland ist wieder aufgehoben. Eine Bewachung der Madrider Innenstadt durch Militär findet nicht mehr statt. Banken und öffentliche Gebäude werden auch unter Tags noch scharf bewacht. Im Generalstreik befinden sich noch die Arbeiter der Hauptstädte folgender Provinzen: Coruna, Huelva, Jaen, Logrono, Navarra, Biscaya und Sara gossa. In Barcelona und Valencia dauern Teilstreiks weiter an. Die Streiks haben keinen beruflichen Hinter grund, halten sich aber durchweg in friedlichem Rahmen, so daß überall in den lebenswichtigen Betrieben gearbeitet wird. In zwei Dörfern der Provinz Alicante versuchten die Streikenden, die Verbindungen abzuschneiden. Nie Königin von Spanien berichiet. Telephongespräch mit einer Zeitung: „Alles völlig ruhig." Die Königin von Spanien, die von der Londoner Zei tung „Star" telephonisch um Auskunft über die Lage in Spanien gebeten wurde, antwortete, daß keine Gefahr mehr bestehe. Alles sei völlig ruhig. Der König habe am Mittwoch vormittag einer großen offiziellen Veranstal tung beigewohnt und am Nachmittag die Kasernen besucht. In einigen Tagen werde voraussichtlich, alles wieder nor ¬ mal sein. Die spanische Botschaft in London dementiert eine Pariser Meldung, daß die französisch-spanische Grenze geschlossen sei. Obwohl in einer Anzahl von Städten noch gestreikt werde, verlaufe doch alles friedlich. Zamora, der republi kanischer Ministerpräsident werden sollte, ist einer Mel dung der „Central News" zufolge verhaftet worden. Die Lage in Spanien scheint sich nach den letzten Be richten wesentlich gebessert zu haben. Der Generalgouver neur von Madrid, der Bruder des Ministerpräsidenten Berenguer, erklärte, daß die Regierung davon abgesehen habe, ein Ba taillon Fremdcnlegionäre zur Verstärkung von Ma rokko nach Madrid zu beordern. Die Änderung dieser ursprünglichen Absicht der Regie rung dürfte Wohl auf die in der spanischen Armee hier über zum Ausdruck gekommenen Mißstimmung zurück zuführen sein. Ausstand in Guatemala. Sieg der Aufständischen. Nach heftigem Straßenkampf, bei dem der Kriegs minister getötet wurde, ist die Regierung von Guatemala gestürzt worden. Die neue vorläufige Regierung steht unter der Führung des Generals Orellana. Nie große Abrüstungskonferenz. Vorbereitungen im Völkerbundsekretariat. Im Generalsekretariat des Völkerbundes werden vorberei tende Verhandlungen für den Zusammentr'u der kommenden großen Abrüstungskonferenz geführt. Der General sekretär des Völkerbundes hat an die schweizerische Regierung eine Anfrage gerichtet, welche Erleichterungen und Sicherungen für den Fall der Abhaltung einer Abrüstungskonferenz in der Schweiz gewährt werden könnten. Es besteht hier der Ein druck, daß die Abrüstungskonferenz außerhalb der Schweiz stattfinden wird, da die räumlichen Verhältnisse und technischen Bedingungen in Genf die Abhaltung einer so großen inter nationalen Konferenz nicht zulassen. Im Vordergrund steht aber nach wie vor Wien als Verhandlungsort, falls dte österreichische Regierung rechtzeitig dem Völkerbundrat geeignete Räumlichkeiten für die Abhaltuna der Konferenz zur Verfügung stellen sollte. Die Einberufung der Abrüstungskonferenz nach Wien hat, wie verlautet, bereits die Unterstützung zahlreicher Regierungen gefunden, da Wien insbesondere in technischer Hinsicht als der geeignetste europäische Verhandlungsort angesehen wird.