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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumeraüonS- PreiS 22^ Sgr. (j Lhtr.) vlerteljöNrlich, 3 Thlr. sür da« ganze Jahr, «hne Er höhung, i» allen Theilen der Preußischen Monarchie. z i n a g a für die Man pränumcrkbt aus dieser Beiblatt derMg. Pr. Ctaaw- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so ivie im AuSlandc bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 151. Berlin, Montag den 18. Dezember 1837. Frankreich. Napoleon und Canova °). . Im Jahre 1810, kurz nach der Vermählung Napoleon'« mit Marie Louise, wurde Canova aus Rom an den Hof des Kaisers be rufen. >5« wurden dem berühmte» Bildhauer die glänzendsten Anerbie tungen gemacht, salls er seinen bleibenden Wohnsitz in Paris aufschla- gcn wollte; die Senatorenwürde, die Hos-Charge eines General.Inten, danten der schönen Künste, eine Wohnung im Louvre, da« Napoleon damals wiederhersiellen und zur Restdenz sür fremde Könige einrick- ten ließ, wurde» ihm zugesagt. Der bescheiden stolze Künstler schlug Alle« au«, ulid als er am >2. Oktober durch den Grog-Marschall Luroc dem Kaiser und der Kaiserin präscnlirt wurde, dankte er in den ehrer bietigsten Ausdrücken sür seine Bcrusung und erklärte sich bereit, de» Befehle» Sr. Majestät ungcsäumr nachzukommen, um nach Vollendung der ihm gewordenen Aufträge »ach Rom zurückkehrc» und seine dortige» Arbeite» wieder ausnehmen zu können. „Nicht doch", fiel der Kaiser, der mit Marie Louise am Frühstück-Tische saß, lebhaft ein: „Paris ist die Hauptstadt, Sie müssen hier bleiben; ich rathe Ihnen, bleiben Sie hier." — „Sire", erwicderlc Canova, „Sie haben über mein Leben zu befehlen, es soll ganz dem Dienste der Kunst und Ew. Majestät geweiht seyn, aber dies >st nur i» Italien möglich. Ich bitte daher dringend nm die Gunst, nach Nom znrückkebren zu dürfen, sobald ich hier den Auslrägen Ew. Majestät genügt habe» werde." — „Sie werden vor allen Dingen das Bildniß der Kaiserin anssübren." — „Das Modell ist bereits ausgcführt", entgegnete Canova mit einer leichten Vernei gung; ,,c« stellt Ihre Majestät mit den Attributen der Concordia dar." — Der Kaiser lächelte freundlich, die Idee gefiel ihm wohl. „Warum wollen Sie durchaus nach Italien zurück?" fragte er; „hier find Sie im Mittelpunkte, hier finden Sie alle anlike Meisterwerke; der Farnc- sische Herkules fehlt uns noch, indcß wir werden ihn noch bekommen." — „Geruhen Ew. Majestät zu gestatten", erwiederle Canova, „daß Italic» etwas von seinen Kunstschätzen behalte. Dort ist die Heimalh der Antiken; dort bilde» sie ein Ganze« mit anderen Uederreften de« Ailerthum«, die sich nicht von Rom und Neapel nach Pari« lranspor- tircn lassen." — „Ach, was!" sagte Napoleon, „die Italiäncr können leicht ihren Verlust ersetzen, sie dursen nur nachgraben. Sagen Sie, Hal sich der Papst die Nachgrabungen viel kosten lasse»?" — „Nicht viel, Seine Heiligkeit war nicht reich, aber ein Kenner und Freund der Kunst, und hat durch zweckmäßige Verwendung geringer Mittel ein neue«, ziemlich reiche« Museum zu Stande gebracht." — „Aber die Borghese?" fragte Napoleon weiter, „die Aniiken-Sammlung im Palaste dieser Familie soll große Summe» gekostet haben." — „Das Gerücht übertreibt", erwiederle Canova, „die Nachgrabungen geschahen nichl ans des Fürste» alleinige Rechnung. Eine Compagnie gab die Hälfte der Kosten her; wenn sich ein besonders wertbvoller Fund ercignele, kaufte ihr der Herzog ihren Antheil ab." — „Wissen Sie wohl", fiel Napoleon ein, „daß ich sür die Borghestschen Slawen 14 Millionen bezahlt habe ? Wie viel mag der Papst aus die Künste wenden? 100,000 Scudi jährlich, wenn'S hoch kommt." — „Bei weitem nicht so viel; so reich ist Seine Heiligkeit nicht." — „Also meine» Sie, man kann mit weniger Geld viel auSrichtcii?" — „Allerdings, Sire." Die Rede kam auf die kolossale Stalne des Kaiser«, die nach einem von Canova zu fertigenden Modell gegossen werden sollte. ES war Napoleon nichl recht, daß Canova ibn in nackter Figur mit einer anti ken Dravcrie darstellen wollte. Der Künstler gab sich alle erdenkliche Mühe, ihn, begreiflich zu machen, warum dies ko seyn müsse. „Sire", sagte er, „„ Ware dem lieben Golt selbst nicht möglich, wenn er Ew. Majestät in kurzer Französischer Uniform mit Reitstiefel» darstellen wollte, eine schäme Slawe herauSzubringen. Die klassische AuSdruckS- form in unserer Kunst ist nun einmal da« Nackle, und auch sür den Faltenwurf der Gewänder haben wir gewisse besondere Regeln. Wie sich in der Poesie nicht jede Sprache fiir da« Erhabene schickt, so haben auch wir dafür einen eigenen Stvl." — „Wenn dem so ist, warum machen Sie die andere kolossale Bildsäule, wo ich zu Pferde fitze, nicht auch nackt?" — „Da« ginge nicht an; hier werde» Ew. Majestät dar- gestellt, wie Sie zu Pferde Ihre Armee kommandiren: dazu muß ein heroische« Kostüm seyn. So ist e« zu alle» Zeilen Brauch gewesen: Ew. Majestät können c« an de» Rciier-Slalue» der allen Könige von ') Kürzlich theilten wir au« Artaud'« Geschickte de« Pavlle« Piut VII. Ane kleine Anekdote mit derselben Ueberschrisr mit. Gegenwärtig hat sich Hr. Art«,id veranlaßt gefunden, da« Verhaltniß des Kaiser« zu dem Künstler in nachfolgendem Artikel ausführlicher zu charakteristren. Frankreich sehen; auch an der Slawe Kaiser Joseph'« !(.", setzte Canova mit einer Verneigung gegen die Kaiserin Hinz». Diese Erinne- rung an die Französischen Könige, al« seine Vorgänger, und an Joseph I!., den Groß - Oheim der Kaiserin, machte dem Kaiser große» Vergnügen, er lächelte. „Sie haben die Bronze - Statue des General Desaip gesehen", fragte er nach einer Weile, „was meinen Sie dazu? ich glaube, sie ist schlecht: der allzu dicke Gürtel gicbt ihr ei» lächerliche« Aussehen." — Canova wollte dem Kaiser die Gründe erklären, welche dir Französische Künstler dabei gehabt; allein Napoleon wartete die Antwort nicht ab, sondern fragte rasch: „Wann werden Sic da« Modell zu meiner Statue girßen?" — „Sire, e« ist schon ge gossen." Der Kaiser gab seine Zusriedcnheit zu erkennen und sprang mit einem Male auf ein anderes Thema über: „Ich denke Rom zn be suchen", sagte cr. — „Und Rom verdient, daß Ew. Majestät es besu chen; der Anblick, Sire, wird Sie begeistern: da« Kapitol, da« Traja- nische loruin, die via «acra, alle die Säulen, die Triumphbogen, die Wasserleitungen, die Ringmauer», diese noch in ihren Trümmern herr liche Welt, die sieben Hügel, die Appische Straße mit ihren Grab-Denk mälern, und dann Pompeji...." — „Nun, wa« ist daran so wun derbar", nntrrbrach ihn Napoleon, „die Römer waren ja die Herren der Welt." — „O nein! Sire", subr Canova in steigendem Eifer fort, „die Macht allein bat r« nicht gelha»; der Ilaliänischc Geist, die Liebe für da« Große und Schöne hat den meisten Antheil daran. Florenz war ein kleiner Staat, und doch wie Herrliches haben die Florentiner, wie Herrliche» die Venelianer in ihre» Lagunen zu Stande gebracht! Der Reichlhum Venedig» i» jenen Feilen ist freilich svrüchwörtlich ge worden; mit den Schätzen, die der Levante-Handel einbrachle, erhöhte» sie den Glanz ihrer Vaterstadt. Die Florentiner aber haben den groß artigen, wunderbaren Bau ihres Domes, womit meine» Ew. Majestät, bestritten? Durch eine Erhöhung der Wollsteucr, die de» Wollenwebern und Tuchmachern aufgelegt war, um einen Soldo auf das Pfund. Sie haben r« ausgcführt, und kein Monarch würde sich heute getrauen, es ihnen nachzuthnn. Die bronzenen Tbüren der Tans-Kapelle im Dom zu San Giovani, da« Meisterwerk Ghibcrli'S, haben der Gemrinde zn Florenz 40,000 Zechinen gekostet, wa« sür jene Feiten so viel sagen will, als etliche Millionen Franken. So wenig sparten die Florentiner da« Geld sür edle Zwecke und waren dabei ein gewerbsames, ein Handels-Volk; sic bauten ihr Land mit musterhafter Sorgfalt, — be darf es eine« bessere» Beweise« dafür, al« die Urbarmachung der rauben Schluchten von Valombrosa?" — ES war Canova'» Absicht, dem Kaiser eine günstige Meinung von Italien und den Italiäncrn beizubringcn, und er schmeichelte sich, al« er sür dieses Mal kntlassen wurde, mit dec Hoffnung, daß seine Rede nickt ganz obne Eindruck geblieben sei'- Am 18. Oktober befand sich der Künstler mit dem Kaiser und der Kaiserin allein. Während cr den Kopf der Kaiserin zu modellircn be gann, kam da« Gespräch wieder auf Rom. „Man sagt, Herr Canova", fragte Napoleon, „die Lust zu Rom sey ungesund, u»d zwar soll sie dies erst in neucrrn Zeilen geworden seyn; was ballen Sie davon?" — „Sire, wenn ich mich dessen recht erinnere, wa« ich in den allen Autoren gelesen habe, so ist es von jeher so gewesen. Die Allen scheu- lcn sich, die heiligen Haine der Göller zu bclrelcn; wahrscheinlich war die verderblicke Ausdünstung de« Boten« gesürchleler, al- der Zorn der Gottheit. Alljährlich um "die Zeil der größten Sommerbitze riß unter der unermeßlichen Bevölkerung Rom« und der Umgegend eine starke Sterblichkeit ein. TaciluS erzählt, daß viele Soldaten von dem Heere, da« mit Vitelliu« in Rom einzog, krank wurden, weil sie eine Nacht unter freiem Himmel auf dem Unns Vaticana» kampirt batten." Napoleon schellte und ließ eine» Tacilus au« seiner Bibliothek hole», um die Stelle zu suchen, — sie sand sich aber nicht. Der Kaiser war zu eilfertig und der Künstler in Gedanken zu sehr mit seiner Arbeit be schäftigt. Al« jedoch Canova nach Hause kam und mit größerer Rube nachscklug, sand er die Stelle allcrding« im zweiten Buche der Historien') und lheiile sie da« nächste Mal dem Kaiser mit. Die Unterhaltung ging übrigen«, nach jenem philologischen Intermezzo, ihren Gang fori, und Napoleon war natürlich, weil von einer Armee die Rede war, aus sein LicblingSlhcma gebracht. „Wir wollen sehen", sprach er, „wat Tacitus sagt; indeß der bloße Umstand, daß Soldaten aus dem Vatikan erkrankten, beweist nichl«. Die Armee Halle einen weilen Marsch ge» *) «alutir quiilem eura; ivlsmitmM V»tieaui Ioei> maxoa pari teteoöit« uotle erebrae in vulxu« murte«. 11ixt 11, 9Z. Eanovtl Hütte allenfalls KUltk ven Horaz, «pi^t. 1, 7, V. 5 citiren können: 6um iieui prim» ealorque Oexixoatorem üeeorat lietoridox »tri«, Dum pueri« owoii pater et w»tereo!a pallet ete»