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75. Jahrgang Sonnabend, den 16. Oktober 1909 Rr. 120 Der amtliche Teil befindet sich in der Beilage Die Parlamentsnachwahlen der letzten Zeit. Es ist eine vom nationalen Standpunkt gewiß nur lebhaft zu bedauernde, aber trotzdem feststehende Tatsache, daß bei den Nachwahlen, die seit dem Schlüsse der letzten Reichstagssession in verschiedenen Wahlkreisen vorgenommen werden mutzten, die bürgerlichen Stimmen mehr oder weniger erheblich zurückgegangen sind, während die sozial demokratischen Stimmen allenthalben eine bedeutende Zu nahme erfuhren. Dies war zunächst bei der Ersatzwahl im pfälzischen Wahlkreise Landau-Neustadt der Fall, welcher Wahlkreis hierbei von der nationalliberalen Partei an die sozialdemokratische Partei verloren ging. Dann folgte die Ersatzwahl im Wahlkreise Stollberg-Schneeberg nach, dessen Mandat die Sozialdemokratie mit Leichtigkeit behauptete, da die Stimmeuzahl für ihren Kandidaten, der sowieso schon immer die absolute Mehrheit hatte, diesmal noch um viele Tausende anlchwoll. Und nun hat die in den letzten Tagen in Koburg vorgenommene Reichstagsersatz wahl ebenfalls einen wesentlichen Rückgang der Zahl der bürgerlichen Stimmen und ein bemerkenswertes Anschwellen der sozialdemokratischen Stimmen gezeitigt. Der frei sinnige und der nationalliberale Kandidat erzielten zu sammen 650 l Stimmen, während der sozialdemokratische Kandidat 6l85 Stimmen auf sich vereinigte, das sind rund 1900 Stimmen mehr als bei der Hauptwahl des Jahres 1907. In der bei der Koburger Nachwahl nötig gewordenen Stichwahl, bei der sich der Sozialdemokrat und der Nationalliberale gegenüberslehen, besitzen demnach die bürgerlichen Parteien nur einen Borsprung von 316 Stimmen gegenüber der Umsturzpartei, und wenn erstere nicht fest zusammenhalten, so mag es dann leicht ge- schehen, datz auch über dem Wahlkreis Koburg die rote Fahne wehen wird. Dieselbe bedauerliche Erscheinung des Stimmenrückganges der bürgerlichen Parteien bei den letzten Reichstagsnachwahlen und der Zunahme der sozial demokratischen Stimmen ist schlietzlich auch bei den kürz lich stattgefundenen Landtagsneuwahlen im Herzogtume Sachsen-Meiningen heroorgetreten, infolgedessen die Zahl der „Genossen" im dortigen Landtage von sieben auf neun stieg. Dieses Minus der bürgerlichen Parteien und dieses Plus der Sozialdemokraten bei allen den erwähnten Parlamentswahlen ist nun kaum zweifelhaft wesentlich mit auf das Konto der Reichssinanzreform zu setzen, die er- wiesenermatzen in zahlreichen Kreisen der bürgerlichen Wählerschaft Verärgerung und Berstimmung hervorgerufen hat, welcher Stimmung nun mit dem Stimmzettel zu gunsten der Kandidaten der Sozialdemokraten Ausdruck gegeben worden ist. Schlietzlich mag wohl die Schärfe, mit welcher sich die bürgerlichen Parteien bei den stattge fundenen Nachwahlen gegenseitig bekämpften, auch das ihrige mit dazu beigetragen haben, datz viele bürgerliche Wähler aus Groll und Verdruß zu Mitläufern der Um- sturzpartei wurden. Auf jeden Fall ist aber dies Schau spiel beschämend für das Bürgertum, und betrübend für alle Vaterlandsfreunde, die bürgerlichen Parteien zer fleischen sich untereinander und als lachender Dritter steht die Sozialdemokratie da und heimst einen Wahlsieg nach dem andern ein. Die Verschnupfung über die neuen Steuerlasten mag menschlich begreiflich erscheinen, aber sie rechtfertigt es doch noch nicht, daß nun Hunderte und Tausende aus dem bürgerlichen Lager abschwenken und den „Genossen" Sukkurs bringen, und daß dergestalt der Triumph, den die Einigkeit der bürgerlichen Parteien bei den Reichstagswahlen vor zwei Jahren über den gemein samen Feind errang, nunmehr plötzlich kläglich in alle Winde zu verfliegen droht. Man kann daher nur auf- richtig wünschen und hoffen, daß die bevorstehenden weiteren politischen Wahlen in Deutschland — zunächst der allgemeinen Neuwahlen zum Landtage im Königreich Sachsen und dann die Nachwahl zum Reichstag in Halle a. S. — die Einigkeit unter den bürgerlichen Parteien wieder mehr zur Geltung bringen werden. Andernfalls stünde zu befürchten, datz das Bürgertum bei den nächsten allgemeinen Reichstagswahlen durch die Sozialdemokratie eine Niederlage erleidet, welche den sozialdemokratischen Mißerfolg in der Reichstagswahlkampagne von 1907 mindestens wettmachen würde. daß die Regierung, die diesen Reformbestrebungen nach wie vor im Prinzip zustimmend gegrnübersteht, höchst wahrscheinlich noch einen entsprechenden Gesetzentwurf in der Session 1909/10 einbringen wird, um die nächst jährigen Tagungen für die großen Werke der Gemrinde steuerreform, die Revision der Organisationsgesetze und der Schulreform freizumachen. Auch die Verabschiedung des Staatshaushaltretats für 1010 und l9ll dürfte nicht ganz einfach vor sich gehen, denn dieser enthält so manche» .Postulat, über das sich viel sagen läßt. Es sei z. B. an den Opernhausnenbau in Dresden, die Museumsbaufrage, die Eisenbahnbauten oder Eisenbahnnichtbauten u. a. m. erinnert. Unter den Petitionen befinden sich manche von sehr großer Tragweite. Aus alledem geht hervor, daß die Tagung de« Landtages im Winter 1909/10 zwar nicht derart mit Arbeit überlastet sein wird wie die letzten Landtage, daß sie aber gerade lange genug dauern und Werke genug leisten müssen wird. Eine Schwierigkeit liegt auch in der ganz neuen und veränderten Zusammen setzung der Zweiten Kammer und in dem Wechsel an ver schiedenen hohen Regierungsstellen. — Am Anfang des Jahres 1909 gab es in Sachsen Kraftfahrzeuge überhaupt 4066, davon entfallen auf die Kreishauptmannschaft Dresden 617 Krafträder, 391 Kraftwagen bi« zu 8 Pferdestärken, 142 mit mehr al» 8 bis 16 Pferdestärken, 138 mit mehr als 16 bis 40 Pferdestärken, im ganzen also 1288 Kraftfahrzeuge. Seit dem Jahre 1907 hat sich im Königreiche Sachsen die An zahl so ziemlich um das Doppelte vermehrt. Vorzugs- weise dienen diese Fahrzeuge zur Personenbeförderung in ihrer verschiedenen Verwendung, und zwar in einer An zahl von 3928, während 138 teils im Dienst« ösfentiicher Behörden, teils im Handelsgewerbe und sonstigen gewerb lichen Betrieben als Lastfahrzeuge in Benutzung sind. Die beim Verkehr mit Kraftfahrzeugen entstandenen Unfälle, sei es durch Zusammenstöße, durch Stürze und Explosionen, bezifferten sich in der Zeit vom 1. Juli 07 bis 30. Juni 08 aus 340, wodurch insgesamt 211 Personen verunglückten» darunter 10 tödlich. Die am meisten vorgekommenen Unfälle betrafen Zusammenstöße eines Kraftwagens mit Fußgängern, Radfahrern, Reitern, Führern von Hand wagen, am wenigsten den Sturz des Kraftfahrzeuges in folge Versagens oder Bruch irgend eines Teiles des Ge fährts. — Die Lohnbewegung in der vogtländischen Stickerei-Industrie hat seit Sonnabend einen ernsteren Charakter angenommen. Die Mitglieder des Lohn- maschinenbesitzer-Nereins, die bis zu diesem Zeitpunkt den von den Fabrikanten geforderten Lohn nicht bezahlt er hielten, mußten, einem Beschlusse des Vereins folgend, am Sonnabend ihren Stickern zum 23. Oktober kündigen. Von dieser Maßnahme ist eine große Zahl Sticker be troffen worden. Anderseits ist jedoch nach dem „Vogtl. Anz." auch festgestellt, daß mehrere Fabrikanten bereit» eine Lohnerhöhung haben eintreten lassen und begründete Hoffnung besteht, daß innerhalb der nächsten 14 Tage noch andere Fabrikanten den geforderten Lohn bewilligen werden. Es ist die» um so wahrscheinlicher, als der Ge schäftsgang in der Stickerei zurzeit ganz zufriedenstellend ist. In manchen Betrieben müssen teilweise Ueberstunden eingelegt werden. Meißen. Der 1889 in Korbitz geborene H., welcher bisher in Limbach als Kutscher und Packer tätig war, ist mit 420 Mark, die rr auf dem Postamte einzahlen sollte, flüchtig geworden. Er erhielt den Auftrag von seinem Arbeitgeber am Donnerstag und zur schnelleren Besorgung dessen Fahrrad geliehen: seitdem fehlt jede Spur. Er sollte jetzt bei einem Regiment in Dresden eintreffen. Frankenberg. Stadtverordneter Otto Hunger, Mit inhaber der Firma Hermann Hunger, der 5000 M. zu dem Krankenhaurerweiterungsbau spendete, stiftete anläß lich seines 25 jährigen Geschäflsjubiläums außerdem 5000 Mark als Otto Hunger-Stiftung zum Besten der Klein- kinderbewahran statt. — Der verstorbene Rudolf Vogelsang vermachte der Weberinnung 300 Mark als Rudolf Vogel- sang-Sliftung. Die Zinsen sollen alljährlich zu Weihnachten an einen alten Meister oder eine Meisterswitwe gegeben werden. Inserate werden mit 1» PK., solche au« unser«! Ämtshauptmalmschaft mit 12Pfg.die Spaltzeile oder deren Raum berech- WHeritz-Mimg Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. für die Königliche Umtshaupimannlchafi, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat M Dippoldiswalde. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Im Sitzungssaale der Königlichen Amtshauptmannschaft fand am 9. dieses Monats ein Be zirkstag unter dem Vorsitze des Herrn Amtshauptmanns Or. Sala statt. Nach Begrüßung der Herren Abgeord- neten unter dem Wunsche fortdauernden ersprießlichen Wirkens der Bezirksversammlung gedachte der Herr Vor sitzende zunächst des Heimganges des Herrn Staats- ministers a. D. vr. Grafen von Hohenthal und Bergen, zu dessen Andenken sich die Versammelten von den Plätzen erhoben. Hierauf wurden die seit dem letzten Bezirkstage am 17. März 1909 eingetrrtenen Personaloeränderungen bekannt gegeben. Danach sind an Stelle der verstorbenen Gemeindevorstände a. D. Näcke-Ruppendorf und Zimmer mann sen.-Reichstädt die Gemeindevorstände Hartmann- Höckendorf und Zimmermann jun -Reichstädt als Vertreter der Landgemeinden und an Stelle des aus dem Bezirke verzogenen Fabrikdirektors Hahn-Schmiedeberg Ritterguts besitzer von Wulffen auf Kleincarsdorf als Vertreter der Höchstbesteuerten gewählt worden. Weiter wird in diese Gruppe an Stelle des am 31. dieses Monats aus dem Bezirke verziehenden Geh. Forstrats von Lindenau-Bären fels der praktische Arzt Or. meck. Germar-Schmiedeberg treten. Der Herr Vorsitzende bedauerte, daß es dem Herrn Geh. Forstrat Kammerherrn von Lindenau nicht vergönnt sei, an der heutigen Sitzung als der letzten vor Beendi gung seiner Mitgliedschaft teilzunehmen und sprach ihm für feine zehnjährige ersprießliche Tätigkeit als Bezirksver treter die Anerkennung und den Dank der Bezirksversamm lung aus. Zur Erledigung der Tagesordnung erfolgte zu Punkt 1 nach dem Berichte des Herrn Vorsitzenden die einstimmige Wahl des Herrn Amtshauptmanns vr. Sala in die Verbandsversammlung des Fürsorgeverbandes für den Regierungsbezirk Dresden. Wegen Beschasfung der für dieses Jahr noch erforderlichen Mittel für die Fürsorge erziehung ermächtigte die Bezirksversammlung den Bezirks ausschuß diese (jedoch mit Ausschluß von Verwaltungs- kosten), soweit nötig, aus den Erträgnissen der von Kessinger- und Otto-Stiftungen zu entnehmen. Zu Punkt 2 der Tagesordnung trat die Bezirksoersammlung zwecks Regelung der Bezüge der Amtsstraßenmeister dem Vor schläge des Bezirksausschusses bei. Zu Punkt 3 wurde nach längerer Aussprache den Bezirksstraßenwärtern nicht nur eine Aufbesserung ihrer Gehaltsbezüge bewilligt, sondern auch die Pensionsberechtigung verliehen. Darnach wurde zu dem nach dem Wassergesetze neu zu errichtenden Wasseramte als Mitglied Vorwerksbesitzer Welde-Ober häslich und als Stellvertreter Baumeister Otto Schmidt- Dippoldiswalde gewählt. Endlich beschloß die Bezirksv^r- sammlung nach einem eingehenden Bericht des Herrn Vor sitzenden unter Verweisung auf die von dem Bezirkstage früher gefaßten Beschlüsse und die Ausführungen des Be zirksausschusses wiederholt den Beitritt zum Zentralarbeils- nachweis für den Regierungsbezirk Dresden. — Mittlere Niederschlagsmengen (mm oder l auf den qm) und deren Abweichungen von den Normalwerten in den uns benachbarten Flußgebieten, 1. Dekade Okt. 1909; Vereinigte Weißeritz: beob. 7, norm. 15, Abwchg. —8; wilde Weißeritz: beob. 15, norm. 19, Abwchg. —4; rote Weißeritz: beob. 12, norm. 18, Abwchg. —6; Müglitz: beob. 10, norm. 18, Abwchg. —8. Dresden. Vielfach ist die Meinung verbreitet, als ob die erste Periode des neuzuwählenden sächsischen Land tages sich über ein Zuviel an Arbeit nicht zu beklagen und große, weittragende gesetzgeberische Leistungen nicht zu vollbringen haben wird. Das ist, wie man heute aus Dresden schreibt, ein großer Irrtum. Wenn auch zunächst nur die Vorlage des Etats für 1910/ll und der Entwurf eine» Gesetzes zur Reform der Landesbrandversicherungs anstalt bekannt ist, so liegen dennoch verschiedene andere Gesetzentwürfe bei der Regierung vor. Sicher ist ferner, daß gleich nach Beginn des Landtages bei der Zweiten Kammer das Wettrennen der Parteien mit der Einbrin gung von Initiativanträgen und Interpellationen auch diesmal nicht ausbleiben wird. Es sei z. B. nur an die sicher zu erwartenden Anträge auf eine Reform der Ersten Kammer erinnert, für die sich in dieser oder jener Weise unbedingt eine Mehrheit finden wird, und zwar auch in der Ersten Kammer selbst. Die Folge hiervon würde sein, net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei- gespaltene Zeile 35 bez. M Pfg. - Tabellarische und komplizierteJnserat« mit entsprechendem Auf schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, di« Spaltenzeile 30 Pfg, Dir. .Weitzerttz-ZeMing' rrfcheinr wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen. denAbendenausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 85 Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. - Alle Postan- statten, Postbote«, sowie «nsereAusträAW nehmen Bestellungen an. Amtsblatt MN achtseitigem „Illustrierten Anterhattungsblatt". MN land- und hauswirtschaftlicher ^"^Beil^ Für die Aufnahme ein-S Inserats an bestimmter Stelle und an bestimmten Lagen wird e * Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehne. - Druck und Verlag von Carl Irhne m Dippoldiswalde.