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Nationale Tageszeitung für die ^andwirkschast. Bei Abholung in M! Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannsch^ft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 148. — 86. Jahrgang. Telegr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640^ Dienstag, den 28. Juni 1S27 für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. AnzcigenpKtL: die 8,»spalt««« Raumzelle 20Rpfg., die»gespaltene Z«ile der amtNchen Brkanntmachuni«» 40Leich«« Pfennig, die 3 gespaltene Reklame,eile im teztlichen Teile 1 Reichemark. Nachweisung«gebühr 20 Reichrpfennige. «mm g-schrieben-Erschein««,», tage und Platzparfchrtftm, werden nach MS,ltchk.it Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. Anr^,«, -nnadmebtevorm.lvUhr. — -2 -! Für die Richtigkeit d« durch FernrufübermitteltenAnzeigen übernehmen wir Keine Garantie. Jeder Rabatianspruch erlischt, wenn der Betrag dnrch «läge erngezogen werdenmußoderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anj^gennehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Tageblatt« erscheint Werktagen nachmittag» 5 Uhr. Bezugspreis: ^tchäst,ft«lle uad »ra «-„-»estell-n 2 «M. im Monat, bei Zustellung durch di« Boten 2,30 RM., bei Poftbestellung 1»»»f,.«llePuftanstalt^a Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Pdstdötcnundllnsrr^Au^ tti««ru»d De,chäft»ft-Ilm 7 —— U nehmen,» jeder Zeit B-. ^Ellnnge» entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Polizei, Polizei! Ganz Frankreich lacht nnd die Nachbarn freuen sich nicht minder über das Stückchen, das die französischen Noyalisten dem Direktor des Pariser Gefängnisses spielten, um ihren Führer Leon Daudet wieder herans zuholen. Besonders betrübsam für die Pariser Polizei ist das Gelingen dieses Streiches deswegen, weil man ja Daudet erst vor einer Woche unter besonders „dra matischen" Umständen hatte sesinehmen und ins Gefäng nis transportieren können. Eine „Polizei-Köpe- nickiadc" also, modern frisiert. Einen Sündcnbock wird man ja bald gefunden haben; die Polizei ist natür lich „fieberhaft tätig", wie in solchen Fällen sofort ge meldet wird und was man von ihr angesichts dieser Scharte, die sie erlitt, auch ohne weiteres glauben kann. Wir Deutsche sehen dieser Komödie mit einem heite ren, aber auch mit einem nassen Auge zu. Wenn der Führer der „Action fransaise" sich ob dieses Streiches, den seine Freunde verübten, nun für. längere oder kürzere Zeit der Freiheit erfreut, so hat das in Frankreich nur Politische Folgen. Uns wäre es lieber, all dies hätte eine andere, für uns wohltätigere Folge, die nämlich, daß man sich in Frankreich einmal überlegt, ob das ständige Eingreifen in die deutschen Polizeiverhält nisse, die Bevormundung, die ständige Umorganisa tion, vor allem die viel zu weitgehende zahlenmäßige Beschränkung durch den Versailler Vertrag und noch weit gehender durch die Botschafterkonferenz nicht geradezu verhängnisvoll wirken mutz. Die unablässige Unsicher heit darüber, wie nun über das Morgen hierin von Paris aus verfügt wird, hemmt die Arbeit der Schutzpolizei beamten und -behörden nur allzusehr. Wir verspüren das dadurch überall zutage tretende Unvermögen leider nur zu ost. Namentlich auf dem Lande und in den kleinen Städten, wo das geringe zur Verfügung stehende Polizei- tzeMwl ja weder wMn noch vorn ausreicht. Auch in der weiteren Umgebung von Berlin haben sich die Raub- Überfälle in letzter Zeit gehäuft und so manches Mal gellt das „Polizei, Polizei, zu Hilse!" durch die nacht dunklen und nachtstillen Straßen entfernterer Villenvor orte, ohne daß die Polizei Hilfe zu leisten vermag. Ver anstalteten doch z. B. am Sonntag in einem nördlichen Vorort Berlins zwei Einbrecher, die zusammen „ar beiteten", in einer einzigen Nacht mit bestem Erfolg gleich vier Raubüberfälle, ohne daß sie erwischt werden konnten. Berlins Ruf als Fremdenstadt wird dadurch nicht besser und der wirtschaftliche Schaden, der durch eine steigende Unsicherheit verursacht wird, ist dann sehr beträchtlich. Wenn der Polizei wenigstens nur jene Aufgaben zu gewiesen geblieben wären, die sie in der Vorkriegszeit zu erfüllen hatte! Aber die staatliche Betätigung hat sich ja derart ausgedehnt, daß ihre Erekutionsorgane, also die Polizei, nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. Das gleiche gilt ia vom Gerichtswesen, das infolge der wachsen den Ausdehnung der gesetzlichen Bestimmungen und leider auch der Zunahme der Verbrechen die Polizei als Hilfs organ immer stärker in Anspruch nimmt. Wie oft kommt es vor, daß ein durch Diebstahl oder ein anderes Ver brechen Geschädigter erst gar nicht zur Polizei geht, um eine Anzeige zu machen, weil er doch Weitz, daß sich die Polizei aus Mangel an Kräften der Aufdeckung von solchen Verbrechen kleinerer Art gar nicht so widmen kann, daß dabei ein Erfolg erzielt wird. Besonders in der Inflationszeit mit ihrer HäufungderEigentums- delikte waren ia die Dinge geradezu grotesk geworden. So wird auch in Zukunft der Schreckensruf „Polizei, Polizei!" verhallen müssen, wenn man in Paris nicht etwas mehr Vernunft annimmt und den Verhältnissen Rechnung trägt, wie sie sich in Deutschland nach dem Kriege entwickelien. Man werfe doch einmal einen Blick in eine Zeitung etwa des Ruhrreviers; man wird dort mit Ent setzen die lange Liste von Verbrechen und Vergehen lesen, die in aller Öffentlichkeit verübt werden, weil eben die Polizei viel zu schwach i st. Aber freilich — nach dem, was wir jetzt wieder in Genf erlebten, sind unsere Hoffnungen auf eine Milderung der Ententefordcrungen sehr germg. Verlängerung des Mieterschuhes. Bis 31. Iuli 1927. Montag beriet der Reichs»^ einen neuen Entwurf der Neichsregicrung, „ach dem die Geltungsdauer des Mieter- schutzgesetzes und des Rcichsmietengesetzes bis zum 31. Juli d. I. verlängert werden ssll. Es handelt sich um eine provisorische Regelung. Die Reichsregierung war nach längeren Beratungen über die Verlängerung der Mieterschutzgesetzgebung zu dem Entschluß gelangt, dem Reichstag eine Doppelvor lage zu unterbreiten, in der sw dem Reichstag die An nahme der von ihr vorgenommenen Veränderungen der bisherigen Mieterschutzgesetze empfehlen wird, gleichzeitig aber auch die Ablehnung des Reichsrats unterbreitet, der keine Veränderung vornehmen will. Die bisherigen Mieterschutzgesetze laufen mit dem 3tt. Juni ah, es war jetzt also die einstweilige Regelung notwendig. Hut äer Suche nach vaucket. Daudet, wo bist du? Die Welt lacht über Paris. Die komödienhafte Befreiung des Führers der fran zösischen Königspartei, Daudet, wird in der ganzen Welt belacht, und die Pariser Presse gibt selbst zu, in was für einer lächerlichen Situation sich ganz Frankreich befindet. Als Daudet und sein Freund Delest sowie der Kommunist Semard von ihrer Befreiung durch den Gefängnisdirek tor hörten, frühstückten sie gerade und tranken Cham pagner. Daudet schien über die Nachricht seiner Frei lassung angenehm überrascht zu sein und umarmte in seiner Freude den Gefängnisdirektor. Rach kurzer Unter haltung mit dem Geschäftsführer der „Action Franeaise" (des Blattes der Königspartei) bat Daudet, feine Wärter sehen zu dürfen. Er umarmte auch diese, gab ihnen Trink gelder und schenkte ihnen Champagnervorräte und Lebensmittel, die sich noch in seiner Zelle befanden. Seitdem sind er und Defttz spurlosverschwun den, während sich der mitbefreite Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Semard, der Polizei sofort »nieder zur Verfügung gestellt hat. Er bekam die Nach richt, daß er sich innerhalb von zehr» Tagen wieder im Gefängnis zu stelle»» habe. Der Chefredakteur der „Action Frauyaise", Pujo, wurde vernommen, doch konnte man ihm nicht beweisen, das? er sich an der Befreiung seines Herrn und Meisters beteiligt habe. Er erklärte ziemlich frivol, daß Daudet und Delest wieder Geschmack an der Freiheit gewonnen hätten. Welche Maßnahmen man auch gegen sie treffen mag, sie werden sich nicht er geben. Möge die Polizei suchen und sie ausfindig machen, wenn sie sich dazu für fähig hält. Man erwartete nun, daß Daudet in einer Versamm lung der Königspartei erscheinen würde, und setzte dort ein Polizeiaufgebot ein; aber er kam nicht. So tappt man denn zunächst noch im Dunkeln. Auch bleibt es schleierhaft, ob nicht doch irgendwelche Beamte im Ministerium des Innern, dessen Telephonleitung von den Anhänger»» Dandets zu gleicher Zeit in Anspruch genommen wurde, von ihm und seinen Gönnern bestochen worden sind. Die Justizbehörde, so schreibt die französische Presse, war der unfreiwillige Hilfsregisseur in dem Daudet-Film. Herr Barthou, Frankreichs Justizminister, hat entschieden Pech, sein Ressort liefert den Kabaretts und der Oppositionspresse reichlich Stoff. Natürlich wird man den gefährlichen Daudet, den man ursprünglich be gnadigen wollte, jetzt nicht mehr mit Glacehandschuhen an fassen, »nenn man ihn verhaftet. Aber vorläufig ist es noch nicht so weit, wenn man auch annimmt, daß inan Daudet bald stellen wird, da er sich in der Nähe von Paris aufhalten soll. Feng Wd TslWOaischek ms deZi BormiM Wc« StzmtW. Schanghai, 27. Juni. Die große Offensive der Truppen Fengs und Tschianftischeks gegen Schenkung hat begonnen. Die Armee Tschiankaischeks, deren Operationen von der Nanking- Flotte unterstützt werden, hat die Schantung-Grenze bereits überschritten. Die Vorhut befindet sich etwa 70 Kilometer von Tsingtau entfernt. W.e hier bekennt wird, hat Tschiangkaischek Befehl gegeben, die japanischen Truppen beim Vorrücken bis zur Kiamtichou-Bucht zu ignorieren. Die japanischen Truppen ver stärken die Befestigungsanlagen Tsingtaus in oller Eile. Die Lage wird als sehr ernst angesehen. Man bezweifelt, daß sich Zusam menstöße zwischen den vorrückenden Südtruppen und den Ja panern vermeiden lassen rverden. Die Truppen Fengs marschie ren auf Tsinanju. Der Widerstand der Schanlung-Trrrppen ist sehr gering. MM M de« WiMevden des raMkll KkieMMM Orlow schwer verwundet. — Der Täter verhaftet. Riga, 27. Juni. Wie aus Moskau gemeldet wird, ist am Sonnabend während einer Sitzung des Kriegsiribunals ein Attentat auf besten Vorsitzenden Orlow verübt worden. Orlow ist durch Revolverschüste schwer verwundet worden, lieber das Atierckat werden folgende Einzelheiten bekannt: Einem jungen Mann war es gelungen, sich mit Hilfe eines Ausweises einer kommunistischen Organisation in den Sitzungssaal des Tribunals cinzuschleichen und der Verhandlung gegen vier frühere Offiziere beizuwohnen. In dem Augenblick, als Orlow das Urteil ver- kündete, schoß der Unbekannte auf den Vorsitzenden und warf gleichzeitig eine Stinkbombe. Er wurde sofort verhaftet. Der Attentäter weigert sich, seine Personalien anzugeben. Aburteiluna polltiscker Sp'one Warschau, 28. Juni. Aus Kowno wird gemeldet, daß vsrauesichKch in den nächsten Tagen politische Spione zur Ab- urtcilrmg kommen. Man rechnet damit, daß man mit Todesstraft droht. Aufdeckung einer Kommunistischen Ver schwörung gegen Griechenland Wien, 28. Juni. Wie die Zeitungen aus Saloniki mel den, wurde in Griechenland eine kommunistische Verschwörung cnsgedeckt. Eine Menge Agitationsmaterial wurde beschlagnahmt. Handelsverträge steigern den Export. Gedanken zu den deutsch-französischen Wirtschafts- verhandlunacn. Jahre sind nun schon seit dem Abschluß des Versailler Vertrages verstriche»» und noch immer ist es der deutschen Regierung nicht gelungen, eine»» Handelsvertrag mit Frankreich zustande zu bringen. Da erhebt sich die Frage, weshalb denn ein fester Handelsvertrag zwischen Deutsch land und Frankreich so wichtig ist? Unter einem Handelsvertrag versteht man schlechthin eine Vereinbarung zwischen mehreren Staaten zur Rege lung ihrer gegenseitigen wirtschaftlichen Beziehungen, vor allen Dinge»» die Gleichstellung der Angehörigen des eigenen Landes mit denen aller anderen Länder. In einen» solchen Vertrage ist in neuerer Zeit gewöhnlich die sogenannte „M e i st b e g ü n st i g u n g s k l a u s e l" ent halten, die besagt, daß der eigene Staat dieselben Vorteile bei der Ein- und Ausfuhr von Waren haben soll wie jeder andere. Um ein praktisches Beispiel zu geben, denke man an die Ausfuhr optischer Gläser aus Deutschland nach England. Eine Anzahl englischer Firmen fabriziert selbst solche Gläser. Den Verbrauchern ist es aber sehr gut be kannt, daß amerikanische und deutsche Fabrikate teilweise besser siud als die englischen. Da eine Meistbegünstigungs klausel im Handelsvertrag zwischen Deutschland und Eng land besteht, sind bei dem Wettkampf der Lieferanten die deutschen Firmen nicht schlecher gestellt als die amerika nischen oder die eines anderen Landes. Der englische Kaufer hat aber bei der Einfuhr optischer Gläser in jedem Falle denselben Zoll zu zahlen, gleichgültig, ob sie aus Deutschland, Amerika oder aus einein anderen Lande stammen. Sind deutsche Fabrikate beispielsweise billiger als amerikanische, so kauft sie der Engländer auch preis werter, da der Zollaufschlag für beide Staaten derselbe ist. Es kst nun ganz klar, daß Meistbegünstigungsverträge zwischen den Staaten die gegenseitigen Wirtschaftsbezie hungen erleichtern. Deutschland und Frankreich haben bisher aber noch keinen gegenseitigen und endgültige»; Handelsvertrag zustande gebracht. Der deutsch« Expor teur ist jm allgemeinen in Frankreich schlechter gestellt als etwa der englische oder der amerikanische: denn mit diesen Ländern besitzen die Franzosen noch laufende Verträge aus der Vorkriegszeit her. Mit den meisten anderen Staaten hat Deutschland Handelsverträge in der Nach kriegszeit geschlossen, aber die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich haben nur zu einem Proviso rium geführt, das einen» festen Handelsvertrag noch kei neswegs gleichkommt und übrigens am 30. Juni abläuft. Ein solcher Handelsvertrag würde die deutsche Ausfuhr um viele Millionen steigern, da ja besonders Elsaß-Loth- ringen noch an deutsche Waren gewöhnt ist, und heute den Kauf französischer und anderer Erzeugnisse viel besser und vor allem leichter (z. B. ohne Einfuhrerlaubnis) hat als den aus Deutschland. Der deutsche Außenhandel ist in den letzten Monaten stark passiv gewesen, d. h. die Einfuhr überstieg die Aus fuhr in den ersten fünf Monaten schon um 1,5 Milliarden Mark. Daher ist die Regierung natürlich bemüht, die Wege für einen denisch-franzüsischen Handelsvertrag zu ebnen. Wenn sich auch durch Handelsverträge die Passi vität nicht beseitigen läßt, sie läßt sich doch wenigstens herabdrückcn. Dr. G. Abdau Trotzkis uns (Sinowjews. Ausschluß aus der Kommunistischen Partei? Die beiden bekannten Sowjetführer sollen, wenn es nach dem Willen ihrer Gegner in der Kommnnistischen Partei Rußlands gehr, von ihren maßgebenden Positionen entfernt und gänzlich vom Parteileben ausgeschlossen werden. Der Grund dafür ist die vor» den beiden Männern dann und wann aufrechterhaltenc selbständige Meinung auf einzelnen Gebieten. Das Präsidium der Zentralkontrollkommission der Kommunistischen Partei beschloß, auf der bevorstehenden gemeinsamen Tagung des Zentralkomitees und der Zen- tralkontrollkommisston die Frage des Ausschlusses Si nowjews und Trotzkis aus der Zahl der Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei anzu regen. Sie sollen sich der wiederholten Übertretung der Parteidisziplin schuldig gemacht haben. Der Beschluß weist auf die Reden und parteifeindlichen Aktionen