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Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konsistorialbehörde der Overlausitz. Amtsblatt -er AmtShcmptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, -el Hauptzollamts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. Grfcheinungsweiftr TSqUch abmds mit Ausnahme der Sonn- nnd Feiertage. «christleitung und Geschäftsstelle: Bauyen, Innere Lautnsttabe 1. Fernsprecher: Nr. 51. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Bezugspreis: Monatlich I Mart. Einzelpreis: 10 Pienntge. Anzeigenpreis: Die 6aespaUene Peliizctle oder deren Raum 15 Psennige, in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schmierige, Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die Zgespaltene Pktttzeile 50 Psennige «r. ätz rouukrstap, drn März abends. 129. Jahrgang Das Wichtigste vom Tage. * Der Kaiser ist auf der „Deutschland" vergangene Nacht >« l Uhr auf der Reede von Bremerhaven ein- getroffen. * Prinz und Prinzessin Eitel Friedrich haben gestern abend von Berlin aus ihre Orientreise angetreten. * In Wien starb heute früh der Bürgermeister Or. Karl Lueger, der hervorragende österreichische Politiker und Verwaltungschef, der Begründer und Führer der christlich-sozialen Partei in Oesterreich. Im Prozeß des Grafen Pfeil lautete das Urteil des Kriegsgerichts in Thorn auf Freisprech ung und EinstellungdesVerfahrens. * Das englische Unterhaus bewilligte nach dreitägiger Debatte die im Budget festgelegte Effektiv stärke der britischen Armee. * Gegen verschiedene Mitglieder der ehemaligen Stambulowschen Regierung in Bulgarien wird infolge des Beschlusses der Sobranje Anklage auf Amtsmißbrauch erhoben. * Die Zaörs überfielen im Schaujagebiete nachts eine mobile französische Kolonne, wurden aber von den Franzosen zurückgeschlagcn. * Wetteraussicht für Freitag: Heiter, wärmer, trocken. ' Ausführliches siehe an anderer Grelle. Ungezogenheiten. Am Dienstag und auch schon vorher war im Plenum der sächsischen Zweiten Kammer von sozial demokratischer Seite mit einer größereren Ruppig keit, mit einem ganz anderen vom Lederziehen gedroht wor den. Am gestrigen Mittwoch nun kam es zu einem tollen Ritt der sozialdemokratischen Fraktion gegen parlamen tarische Sitte und Ordnung. Die Herren auf der äußersten Linken sind recht nervös geworden, was auch ganz verständ lich ist; denn die Niederlagen, die sie sich bisher schon oft geholt haben, sind sehr schmerzliche und auch gründliche. Freilich zur Ehre gereichen solche Sturmszenen, wie man sie am Mittwoch in der Zweiten Kammer erlebte, dem sächsi schen Parlamente nicht; aber sie sind eine iAeneteüel für die Zukunft, sie zeigen, daß es notwendig ist, feste Dämme zu bauen zu rechter Zeit gegen die sozialdemokratische Hochflut. Der Tumult in der Zweiten Kammer sollte wahrscheinlich nur ein Schreckschuß sein, ein Vorstoß der „Kindlein aus dem Dresdner Jungbrunnen schönen An gedenkens". Anlaß zu dem Putsch gab eine Petition, in der es sich um die W i e d e r a n st e l l u n g von Eisenbahn- arbeitern handelte, die wegen Teilnahme ansozial - demokratischen Organisationen und Agi tationen aus dem Staatsbetriebe ent lassen worden sind. Die Deputation beantragte, die Peti tion auf sich beruhen zu lasten. Die Regierung, die Herr Staatsminister Or. vonRüger sehr energisch vertrat, er klärte mit aller Entschiedenheit, daß sie, gestützt auf ver fassungsmäßige Rechtstitel, sozialdemokratische Koalitionen der Beamten und Arbeiter in Rücksicht auf das Staatswohl in Staatsbetrieben niemals dulden werde. 8 6 der Reichs gewerbeordnung, der die Koalitionsfreiheit der Arbeiter garantiert, finde auf die Staatsbetriebe keine Anwendung. Auch die konservative Fraktion (Redner: Vize präsident Opitz-Treuen) und die Nationalliberal en (Redner: Abg. Or. Rudolph-Leipzig und Hettner-Dresden) sekundierten der Regierung hierbei mit Schneidigkeit und Sicherheit. Dies erzeugte bei der äußersten Linken Siede hitze, sie sprangen förmlich auf ihre geliebte Mähre „Ruppigkeit", entfalteten ihr rotes Sturmbanner und zogen los. Ihre Redner — die Abgg. Fräßdorf-Dresden, Wirth-Dresden, Richter-Chemnitz und Uhlig- Zittau — ließen sich völlig gehen. Sie warfen der Regierung Ver letzung der Gesetze vor, bezeichneten die Haltung der Staats verwaltung in dem speziellen Falle als eine Beleidigung der arbeitenden Kreise des Volkes, ironisierten die Armee als aus größtenteils Sozialdemokraten bestehend und igno rierten wohlverdiente Ordnungsrufe des Präsidenten mit Antworten, wie „Wir reden deutsch trotz Ihrer Geschäfts ordnung!" — „Wir werden uns, wenn die Geschäftsord nung nicht ausreicht, selbst Genugtuung verschaffen!" Den Höhepunkt erreichte die Szene, als der Finanz minister seine obige Erklärung im ersten Teile schloß, wobei er auch auf die Machtmittel des Staates bei Verletzung der Disziplin im Heere hinwies. Von der Rechten erschollen Bravorufe, während ein Sozialdemokrat „Pfui Teufel!" rief. Herr Or. von Rüger antwortete: „Ich verbitte mir solche Ungezogenheiten." Dieses Wort schlug wie ein Blitz in die Reihen der sozialdemotratischen Abgeordneten, die sich, da der Minister anfangs sehr leise sprach, gleich den meisten anderen Kammermitgliedern vor der Tribüne des Direktoriums und der Regierung zusam- mengcdrängt hatten. Abg. Fleißner-Dresden (Soz.): „Was? Donnerwetter noch 'mal, Ungezogenheiten?" Und nun ertönte es tumultuarisch von der Linken durcheinan der: „Was fällt Ihnen denn ein? — Sind Sie verrückt geworden? — Alter Schulmeister! — Abzug! — Wo ist der Präsident? — Wer sind Sie denn da oben? — Unver schämtheit!" und dergleichen mehr. Von rechts und aus der Mitte wurde energisch gegen diese Rufe protestiert. Man sah sogar erhobene Fäuste. Finanzminister Or. von Rüger stand wie aus Erz gegossen auf seinem Platz und blickte mit ruhiger Würde auf das erregte Parlament. Abg. Roch- Annaberg (Freis. Vg.) forderte zum Ein nehmen der Plätze auf, hatte aber leinen Erfolg. Präsident Or. Vogel konnte sich erst mit größter Energie Gehör verschaffen. Er bedauerte den scharfen Zusammenstoß, stellte aber fest, daß er kein Mittel habe, die Regierungs vertreter in ihrem Tun und Lasten bei ihren Reden zu be einflussen. Schließlich gelang es dem Präsidenten, der sich seinem in dieser Session sehr schweren Amte voll gewachsen zeigte, die Abgeordneten zum Einnehmen ihrer Plätze zu bewegen. Finanzminister Or. von Rüger schloß dann seine Rede mit den Worten: „Wer es gut mit den Arbeitern meint, müsse ihnen abraten, sich an verbotenen Organisati onen zu beteiligen." Im weiteren Verlaufe der Sitzung stellte der Präsident noch fest, daß erglaube, daß die vom Finanzminister als verletzend zurückgewiesene Aeußerung nicht dem Mi nister galt, sondern eine Antwort auf das Bravo der Rechten sein sollte. Diese goldene Brücke wurde aber von den Sozialdemokraten nicht gewürdigt und nicht betreten, und deshalb nahm auch der Herr Finanzminister den Ausdruck „Ungezogenheit" nicht zurück, obwohl dagegen von nationalliberaler, freisinniger und sozialdemokratischer Seite protestiert wurde. Und was bleibt das Resultat der Sache: Erstens blieb die Petition natürlich gegen die Stimmen der Sozialdemo kratie auf sich beruhen. Zweitens ist kostbare Zeit für drin gend notwendige Arbeiten der Deputation verloren ge gangen um den Preis des Sinkens des Ansehens der Zwei ten sächsischen Kammer, ganz abgesehen von den Kosten, die jede Sitzungsstunde dem Staate kostet Drittens — und das ist das ernsteste — ist die Kluft in der Zweiten Kammer vertieft und damit die Arbeitsfähigkeit des Hauses ge schwächt worden. Möchten die sächsischen Staatsbürger aus alledem die richtige Lehre ziehen, und zwar zunächst bei den Kommunalwahl en und dann bei den Reichstagswahlen! Politische Nachrichten. Teutschcs Reich. Zum Fall Langhammer. Die Nichtwiederwahl des Landtagsabgeordneten Langhammer in den Vorstand des nationalliberalen Landesoereins in Sachsen scheint weitere Wellen schlagen zu wollen. In der Sitzung des Landes- ausschustes, in der die Wahl vorgenommen wurde, soll es schon wegen des überraschenden Ausfalls der Wahl — Herr Langhammer verlor nicht nur das Amt eines zweiten Vor sitzenden des Landesvereins, sondern wurde nicht einmal in den Vorstand des Landesvereins wiedergewählt —, zu sehr scharfen Aeußerungcn gekommen sein, die sogar weit über den Ton hinausgegangen sein sollen, den man den parlamentarischen zu nennen pflegt. Jetzt hat sich auch ge zeigt, daß Herr Langhammer nicht nur in der Partei, son dern auch in der nationalliberalen Landtagsfraktion über eine starke Gefolgschaft verfügt. Denn die Landtags fraktion, deren 2. Vorsitzender der Abg. Langhammer ist, hat beschlosten, den Abg. Langhammer dringend zu bitten, sein Verhältnis zur Fraktion nicht zu lösen; sie hat gleichzeitig die Vorgänge in Chemnitz bedauert. Infolge dieses Vertrauensvotums wird Langhammer, den „Chemn. Neuest. Nachr." zufolge, sein Landtagsmandat nicht nieder legen, wie man das zunächst erwartet hatte. Das bedeutet den höchst ungewöhnlichen Fall, daß die Fraktion zu dem Landesverband in einen ge wissermaßen prinzipiellen Gegensatz getreten ist. Für die nationalliberale Partei Sachsens ist der Zwist jeden falls ein höchst unerfreulicher. Was aus der Sache noch werden wird, muß abgewartet werden. Es heißt, daß Be mühungen im Ggnge sind, um den Beschluß wegen des Ausschlusses des Abgeordneten Langhammer aus dem Vor stande der Pattei rückgängig zu machen. Eine ernste Mahnung an die Nationalliberalen. Die „Sächsischen Politiken Nachrichten" schreiben: „Während sich alle verständigen und patriotischen Männer in der letz ten Zeit mit Ernst bemüht haben, die zum Schaden des Vaterlandes zwischen den großen nationalen Parteien ent standene Kluft zu überbrücken, damit die Sozialdemokraten nicht weiter als lachende Dritte auf Kosten der bürgerlichen Parteien, und zwar in erster Linie auf Kosten der Libe ralen selbst, reißende Fortschritte machen, hat leider am letzten Sonntag auf dem sächsischen nationalliberalen Parteitage zu Chemnitz der als Hauptredner herbeige rufene württembergische nationalliberale Reichstagsabg. Hieber den unseligen Zwist wegen der Reichsftnanz- reform von neuem entfacht. Nach dem übereinstimmenden Berichte der Presse hat er das alte Märchen wieder auf- gewürmt, die Konservativen Hütten bei der Reichs finanzreform dem Zentrum Handlangerdienste geleistet. Haben denn die vergangenen Monate, in denen die Kon servativen fast bei allen rein politischen Fragen, insbeson dere bei der Kattowitzer Interpellation und beim Toleranz antrage, anders gestimmt haben als das Zentrum, nicht jedem Einsichtigen die Augen über die absolute Haltlosig keit des Schlagwortes vom schwarz-blauen Block geöffnet? Wollen die Nationalliberalen das Geständnis ihres Reichs tagsabg. Or. Oertel vollständig ignorieren, der am 28. Februar in Lulmsce sagte, daß sich die Konservativen bei der Finanzreform ein großes Verdienst um die Wohl fahrt unseres Vaterlandes erworben hätten, und daß „es ein barer Unsinn sei, zu behaupten, Bülow wäre von den Konservativen gestürzt worden." Und gehen in einer der wichtigsten Fragen der jetzigen Session, in der Frage einer Verfastungs- und Eeschäftsordnungs-Aenderung zwecks An bahnung der parlamentarischen Regierungsform, nicht ge rade die Nationalliberalen Schulter an Schulter mit dem j Zentrum vor? Herr Or. Hieber hätte sich auch lieber ein Beispiel an dem württembcrgischen liberalen Blatte, „D e r schwäbische Merku r", nehmen sollen, welcher vor einigen Tagen die Liberalen dringend warnte, die Finanzreform zu weiterer Verhetzung der Masten zu be nutzen, weil dadurch nur die eignen Reihen gelichtet wür den. Geradezu verletzend und aufreizend muß es wirken, wenn Herr Or. Hieber von einer einseitigen Jnteresten- politik der konservativen Partei spricht! Die National liberalen beklagen sich doch immer bitter, wenn von ihnen behauptet wird, daß sie nur die Schutztruppe des Groß kapitals und der Börsenspekulanten seien. Ist es Absichk oder Zufall, daß zu derselben Zeit Herr Langhammer in einer Chemnitzer Zeitung gegen die Konservativen einen Hetzartikel veröffentlicht, zu dessen Charakteri sierung ein parlamentarischer Ausdruck fehlt. Wir stellen also fest, daß die Nationalliberalen von neuem das Kriegs beil ausgegraben und damit zur Verschärfung der Spannung zwischen den beiden großen bürgerlichen Parteien beige tragen haben. Dem Vaterland erweisen sie sicherlich keinen Dienst." Die selbständigen höheren Erwerbsberufe und die Frauen. Die erste Deputation der Ersten Kammer behandelte kürzlich bei Beratung des Gesetzes über das höhere Mädchenschulwesen die Frage, ob es sich empfiehlt, das Berechtigungswesen so auszugestalten, daß den Frauen in immer weiterem Umfange der Eintritt in die selbständigen höheren Erwerbsberufe ermöglicht wird. Die Regierung stellte sich auf den Boden der Be jahung dieser wichtigen Frage und begründete diese Mei nung damit, daß ein immer größerer Prozentsatz der Töch ter des Landes, und namentlich solcher der gebildeten Stände, nicht in die Lage kommt, sich zu verheiraten und den natürlichen Beruf als Gattin und Mutter zu erfüllen, sondern genötigt sind, für den eigenen Unterhalt lohnenden Erwerb zu suchen. Die Deputation stimmte dieser Meinung nicht ohne weiteres zu, sondern stellte sich auf den Stand punkt, daß man mit der Erschließung der selbständi gen Erwerbsberufe der Frauen sehr vorsichtig sein soll. Infolgedessen hat die Deputation verlangt, daß die höheren Bildungsanstalten für Mädchen so eingerichtet werden, daß jeder besondere Anreiz zum Eintritte der Mädchen in die selbständigen Berufe vermieden wird und daß sie nur diejenigen Mädchen in diese Berufe leiten, die durch besondere Begabung einige Gewähr dafür bieten, daß es ihnen gelingen wird, sich in ihrem späteren Berufe auch unter weniger günstigen Verhältnisten zu behaupten. Bei Feststellung dieser im Gesetz zum Ausdruck kommenden These kam man auch zur Betrachtung der Zahlen der Ehe schließungen, wobei sich zeigte, daß eine Kurve der Ehe schließungsziffern nach deren Häufigkeit die Gestalt einer Wellenlinie hat, deren Schwankungen seit 1877 ge ringer geworden sind. Sie hat ihren tiefsten Punkt im Jahre 1855, weitere tiefe Punkte in den Jahren 1870 un 1879 bis 1881 erreicht. Seitdem ist die Kurve bis 189' fast ständig gestiegen und verläuft erst seit diesem Jahre-