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Dienstag, den 28. April 1931 Nr. 98 — 90. Jahrgang Wilsdrufs-Dresden Telegr.»Adr.: „Amtsblatt Postscheck: Dresden 2640 Umltrittene RgrarLölls Ei» mer Weg zm MiilWg der ZMmioi? Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupimannschaft Meisten, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. länder, wie Holland und Dänemark, Kontingente für sich in Anspruch nehmen und dadurch Verwicklungen in unserer Handelsvertragspolitik eintreten könnten. Der Reichsernährungsminister weist dem gegenüber darauf hin, daß alle diese Bedenken aus gewogen werden durch die Notwendigkeit, der deutschen bäuerlichen Veredel ungswirtschaft zu helfen. Die Gefahr, infolge übermäßiger Äuttereinfuhr keine rentablen Preise erzielen zu können, müßte beseitigt werden, um den bäuerlichen Wirtschaften eine feste Be rechnungsgrundlage zu ermöglichen, die sie in den Stand setzt, auf dem Wege der Selbsthilfe die deutsche Butter produktion erstarken zu lassen. Eine etwaige vorüber gehende Butterpreiserhöhung müßte vom Konsum in Kauf genommen werden, um dadurch in der Zukunft wieder normale und dabei feste Preise zu erhalten. So stehen sich die Meinungen in den Fragen der Agrarzölle vorläufig ziemlich schroff gegenüber, und die jetzt geführten Verhandlungen zwischen den Ministerien suchen die Differenzen außerhalb und bereits vor der nächsten Kabinettssitzung möglichst zu bereinigen. Inzwischen setzt der Reichskanzler seine Be sprechungen mit Abgeordneten einzelner Reichstags parteien fort. Nach der Rückkehr des Kanzlers ans Badenweiler hatte der Führer der sozialdemokra tischen Reichstaqsfraktion, Dr. Breitscheid, ihn um eine Unterredung gebeten. Die Aussprache, an der neben Dr. Breitscheid noch der Finanzsachverständige der sozial demokratischen Reichstagsfraktion, Dr. Hertz, teilnehmen wird, ist auf Mittwoch anberaumt worden. Daneben laufen Bemühungen, das Plenum des Reichstags wieder einzuschälten. Der kommunistische Antrag auf sofortige Wiedereinberufung des Parlaments wird voraussichtlich Ansang der nächsten Woche den Ältestenrat des Reichstags beschäftigen. Goebbels in München verhastei. Zwangsvorführung zum Berliner Termin. Der Reichstagsabgcordnete Dr. Goebbels wurde, als er beim Abendessen in einem Münchner Hotel fast, von der Polizei verhaftet. Goebbels, der schon im Besitz einer Schlafwagenlarte war, fuhr um 23 Uhr in Begleitung von Polizcibeamtcu nach Berlin. Die Verhaftung wurde angc- ordnct, weil Goebbels einen Termin in Berlin nicht wohr- genommcn, sondern in der Zeit an einer Fraktionssitzung der Nationalsozialisten in München teilgcnommcn hatte. die Oesterreich im Jahre 1922 die Völlerbundsauleihe gewährt lMW. In diesem Ausschuß sind die an der Zollunion haupt beteiligten Länder, nämlich Deutschland und Oesterreich, selbst verständlich nicht vertreten. Das Gutachten könnte also einen An pruch auf Objektivität nicht erheben. Im übrigen dürfte es keinem Zweifel! unterliegen, daß weder die deutsche noch auch die für die Beurteilung dieser Rechtsfrage am meisten beteiligte österreichische Regierung in der Lage wäre, ein derartiges Gut achten in irgendeiner Weise anzuerkennen. Die rechtliche Mög lichkeit der Wiedereinsetzung des gesamten Kontrollausschusses ist nur für den Fall gegeben, daß entweder die österreichischen Pfänder für den Anleihrdienst nicht mehr genügen (was ausge schlossen ist), oder das Gleichgewicht des österreichischen Haus haltes erkMch gefährdet ist. Beide Vorbedingungen treffen nicht zu. Dagegen gehört eine historische, wirtschaftliche oder juristische ErtcMerlätigkeit nicht zu den Aufgaben jenes Ausschusses. Da für sind vielmehr andere internationale Instanzen da, an die sich Frankreich oder die Tschechoslowakei wenden können, wenn sie das Bedürfnis dazu haben. Die englische Regierung ist bereits diesen rechtlich einwandfreien Weg gegangen, indem sie die Frage vor den Völkerbundsrat brachte. Diesen rechtlich einwandfreien Gesichtspunkt werden sich auch andere Mächte angelegen sein lassen, die im Völkerbundsrat vertreten sind. Man darf deshalb erwarten, daß auch die italienische Regierung aus ihrer bisher beobachteten Neutralität gegenüber der Frage der deutsch-öster reichischen Zollunion nicht heraustritt. Rom, 27. April. Die „Tribuna"" bringt die überraschende Meldung, dsß zwischen London, Rom und Paris die Zweckmäßig keit einer Einberufung des im Jahre 1922 für Oesterreich ein gesetzten FinauzkMlrvllausjchusses beraten werde, zur Untersu chung der Frage, ob die geplante deutsch-österreichische Zollunion dem Anteiheprstololl widerspreche. Die Einberufung dieses Fi- nanzkvntrsllausschusies soll noch vor der Maitagung des Völker- bundsrates stattfinden. Die „Tribuna" gibt zu erkennen, daß sie mit diesem eigenartigen Plan sehr einverstanden ist. Das Blatt meint, eine schleunige Einberufung dieses Ausschusses werde das ganze Problem der deutsch-österreichischen Zollunion auf den rechten Weg bringen. Der Ausschuß sei umso mehr geeignet, seine Meinung zu äußern, als er unter den Fittichen des Völkerbundes gegründet worden sei. Er müsse in der Lage sein, unverzüglich alle die politischen, wirtschaftlichen, geschichtlichen und rechtlichen Grundlagen zur Verfügung zu stellen, dir zur Beurteilung der Kernfrage erforderlich seien; ob nämlich das deutsch-österreichische Abkommen im Widerspruch zu den Bedingungen stehe, unter denen seinerzeit die Mächte ihre Zustimmung zu der österreichischen Anleihe gaben. Es ist bemerkenswert, daß die deutsche Oeffentlichkeit aus römischen Quellen von einem derartigen recht seltsamen Plan Kenntnis erhalten haben mutz. Sinngemäß bezweckt er offenbar ein Gutachten jenes Ausschusses, der ja in Wahrheit nicht mehr besteht und der von denjenigen Mächten neu zu bestellen wäre, Rußland und Italien. Rußlands Bestellungen in Italien. Zwischen dem italienischen Korporationsministerium und einer russischen Handelsabordnung sind Verhandlun gen über einen neuen Wirtschaftsvertrag zwischen Italien und der Sowjetunion gepflogen und, wie verlautet, be reits unterzeichnet worden. Er soll vorsehen, daß die Sowjetunion in den nächsten sieben bis acht Monaten Bestellungen für etwa 350 Millionen Lire (77 Millionen Reichsmark) in Italien vergibt und die italienische Regierung für diese Summe die Sicherheit übernimmt. Darf PolenDanzig marschieren? Der Völkerbund und die letzten Ereignisse in Danzig. Die letzten Ereignisse in Danzig werden in den leitenden Kreisen des Völkerbundes mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Man erwartet, daß der Danziger Völkerbundkommissar, Gras Gravina, durch Vermittlung des Generalsekretärs dem Bölkerbundrat unverzüglich einen Bericht über die Lage erstatten wird. Ein Schritt von polnischer Seite zur Aufrollung der gesamten Danziger Frage vor dem Bölkerbundrat wird nicht erwartet. Man hält in Genfer unterrichteten Kreisen einen Schritt Polens in der Richtung der Sicherung des polnischen Einflusses in Danzig nicht für möglich, da hierfür weder eine Veranlassung noch eine Hand habe vorliegt. Es wird darauf hingewicsen, daß die bekannte Entscheidung des Völkerbundratcs vom 22. Juni l92k dem Danziger Völkerbundkommissar das Recht, der polnischen Regierung den militärischen Schutz Danzigs zu übertragen, nur in bestimmten, fest umrissenen Fällen gibt, die nach Lage der Dinge in keiner Weife vorlicgen. Nach der Ratsentscheidung von 192l darf der Völker bundkommissar in Danzig dieses Recht der Anrusung Polens zum Minderheitenschutz in Danzig nur in den folgenden beiden Fällen ausüben: l. Falls das Gebiet der Stadt Danzig Gegen stand eines Anqriffes ist oder falls die unmittel- Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in !2»Aschaftsst.elle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 AM., bei Postbestellung 7^8?'Zuzüglich Aktrag- - * n . gebühr. Einzelnummern tsApsg.AllePoswnftaltm Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postbottnundunur-Aus. trog-rund Geschäftsstellen ! U—2 nehmen zu jeder Zeit Be. Wellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Der Vutterzoll und die Reichsminister Die Förderung der bäuerlichen Veredelungswirtschaft. Über die Fragen, die in der letzten Kabinettssitznng Hauptgegenstand der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ministerien gewesen sind, finden jetzt zwischen dem Ernährungsmini st erium, dem Reichs- arbeitsministerium und dem Reichswirt schaftsministerium Referenten- und Ressort besprechungen statt. Es handelt sich dabei bekanntlich um die Zollerhöhungswünsche Schieles, gegen die sich das Reichsarbeitsministerium wendet, während man im Reichswirtschaftsministerium den Standpunkt vertritt, daß ein, Teil der Forderungen, wenigstens der Zeit nach, aus handelspolitischen Gründen unzweckmäßig sei. Die Bemühungen gehen dabin, für die nächste Ka- binettssitzung eine Grundlage für die weiteren Arbeiten der Reichsregierung auf dem Gebiete der Agrar politik zu schaffen. Unter den Zollwünschen des Reichsernährungs- ministers ist vorläufig die verlangte Erhöhung des Butterzolls im Kabinett stark bestritten. Das Ar- beitsministerium ist dagegen, weil es durch die Zoll erhöhung eine Verteuerung der Lebenshaltung befürchtet. Von industrieller Seite besonders wird auf die Schwierig keiten verwiesen, die auf außenhandelspolitischem Gebiet durch die Zollerhöhung eintreten könnten. Durch ein Zu satzabkommen zum deutsch-finnischen Handelsvertrag ist Finnland im Fall einer Butlerzollerhöhung ein bestimm tes K o n t i n g e n t für die Einfuhr von Butter zu einem Zollsatz in der jetzigen Höhe von höchstens 50 Mark zu gestanden worden. Da solche zollbegünstigten Kontingente der Meistbegünstigung unterliegen, befürchtet man ihr Wirtschaftsministerium, daß aua, andere Butteraussuhr- für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzei,enprris: die Zerspaltene RanmMe MBpfy., di-1 e-chaUene Zeile der amtlichen V-liannlmachungen 40 «eich». Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im rötlichen Teile 1 Reichsmark. D.achweisunbSgebühr 20 Reichspsennrge. Dor- geschriebeneErscheinungs- ec cv» tage und Platzvorschriftev werden nach Möglichkeit KevM y V S Ü) e? : Amt Wilsdruff Nv. 6 berückstchtlgt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. ' .Für dle Richtigkeit d« durch Fernruf übermitteltcnAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattansprr ch erlischt, wenn der Betrag durch Klage Ungezogen werden muß oder derAuftraggeberin Konkurs gerat. Anzeigen nehmen vllc Vcrmittlun gsstellenentgegeu. Ringender Mittelstand. Furchtbar hat die Wirtschaftskrise unter den gewerb lichen und den kaufmännischen Mittelstand gehaust und unter den monatlich etwa 1000 Zahlungseinstellungen befinden sich in der weit überwiegenden Mehrzahl Mit glieder dieser Wirtschaftsschicht, ganz aber abgesehen von jenen zahlreichen Fällen, in den« der Konkurs wegen Mangels an Masse abgelehnt werden mußte. Das hat Nichts mit der früher als wirtschaftliches Dogma hin genommenen Anschauung zu tun, die von einem „ab sterbenden Mittelstand" sprach; denn die letzte Berichts- zah! in Deutschland 1925 hat gerade das Gegenteil be wiesen, nämlich ein ziemlich starkes Anschwellen der Zahl dieser Betriebe. Aber mordend war nicht nur die lang dauernde, tiefgehende Wirtschaftskrise selbst, sondern wie überall in der Wirtschaft, die rasch steigende Last der steuerlichen Verpflichtungen die auf nicht sehr tragfähige Schulden gelegt worden ist. Auf der anderen Seite ging — wie alles Leiden des selbständigen Mittelstandes! — die Organisierung einer gemeinsamen Abwehrfront gegen den auf dem Mittelstand lastenden Druck nur langsam vorwärts, war schwer in der Notzeit nachzuholen, was in besseren Tagen versäumt wor den war. Aber — man ist doch vorwärtsgekommen und die Organisationen des selbständigen Mittelstandes stellen jetzt einen wichtigen Faktor im Jnteressenkampf von heute und morgen dar. Man regt sich und rührt sich in gemeinsamer Abwehr. Der Artikel 164 der Neichsverfassung, wonach „der selbständige Mittelstand in Landwirtschaft, Handel und Gewerbe in Gesetzgebung und Verwaltung zu fördern und gegen Überlastung und Auf saugung zu schützen sei, soll nicht bloß ein Versprechen bleiben, gegen das in unzählbaren Fällen verstoßen wurde und verstoßen werden konnte, weil die Jnteressenverteidi- gung schlecht oder gar nicht organisiert war. Die Größe der steuerlichen Belastung, die von einer „Förderung" des selbständigen Mittelstandes nicht das geringste verspüren läßt, ist oaver tn stärkerem Matze der Zielpunkt des Abwehrkampfes und stand darum auch im Mittelpunkt einer Rede, die das hierfür zuständigste Mitglied der Reichsregierung, also der Finanzminister Dr. Dietrich, aus einer Versammlung des Berliner Mittelstandskartells gehalten hat. Er konnte dabei wenigstens auf den einen, allerdings nicht gerade übermäßigen Erfolg des gegenwärtigen Kabinetts ver weisen: mit der fortgesetzten Erhöhung der Real st euern ist es jetzt endlich zu Ende. Dieses überall gebräuchliche, weil ohne weiteres anwend bare Mittel, den Defizit der Gemeindekassen abzuhelfen, hat seine feste, unüberschreitbare Grenze erreicht und eine Senkung der Realsteuern ist vorgesehen und für bestimmte Fälle auch gesetzlich vorgeschrieben. Daß die Mittel hierzu aus den Einkünften der Hauszinssteuer ge nommen werden sollen, also aus Kosten der Bauwirtschaft gehen, will der Reichsfinanzminister aber mit dem ganz offenen Eingeständnis erklären, daß wir überhaupt in der Bauwirts chastfalscheWegegcgangensind. Die hier zur Verfügung gestellten öffentlichen Gelder sind vielfach falsch an- und eingesetzt worden und künftig sollen diese Summen nur noch zur Errichtung von Klein wohnungen zu erschwinglicher Miete dienen. Leider gibt Dr. Dietrich nicht die geringste Hoffnung, daß die schon so weit gegangene Einschränkung des öffentlichen Bau wesens erheblich gemildert wird, ohne dabei zu verkennen, welch stark üntrieb eine Ingangsetzung gerade dieser Schlusselim ustrne für große Teile der sonstigen Wirtschaft haben muß e^A ^ben kein Geld da ^cr .uclcnsnnanznnnlster bezeichnete es noch aus einem andern, einem allgemein - wirtschaftspolitischen Grunde als Notwendigkeit, den Mittelstand durch steuer- erhalten nnd zu fördern: diese Wirt- schaftsschicht allein, also eine breite Fülle kleiner und mittlerer Eristenzen mit der Aussichl auf ein mehr oder weniger beträchtliches Vermögen, kann einen wirkli chen Damm gegen den Bolschewismus abge ben. Dazu ist der Hochkapitalismus heutiger Zeit mit seiner gewaltigen Konzentration nicht imstande. Man kann diesen Satz vielleicht noch dahin erweitern, daß die wertvollste Eigenschaft des richtig verstandenen Kapitalis mus, der „Privatwirtschaft", eben die Initiative des wirt schaftlich tätigen Menschen ist, die aber mehr und mehr ge rade in der industriellen, kaufmännischen, gewerblichen .Mittelschicht ein wirkliches Betätigungsfeld findet. Leider si^j man allzu oft dabei auf die Konkurrenz und ^iu, Monopolstellung von öffentlichen cth u , deren Einschränkung Dr. Dietrich in seiner ^de wieder einmal verlangt, die aber nicht zuletzt auch dura, Hr Auftreten auf dem Geld- und Kreditmarkt die an und°h sich hier besonders schwere Lage des Mittel standes noch ' verschlechtern. Und da der natürlich nächste Schritt znm Prob lem unserex Mevarationszahlungen, die die Möglichkeit der jnncndeutschen Kapitalneubildunq uner- »aglich einengen M „ hie deutsche Kapitalbildung nicht ausreicht, neben Gablung der Reparationen den Be darf des Inlandes zacken dann ist die erste Voraus- NLLLwistnnM Genesuug di- Nenordnung der . . ^si diese UnmüEKfeit inländischen Bedarfs- bewnl? erwiesen? Sehr, sehr viele Deutsche und besonders weite Kreise des Mittelstandes werden aus genstcr, bttterster Erfahrung diese Frage laut bejahen.