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Dresdner Journal : 12.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189910128
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18991012
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18991012
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-12
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 12.10.1899
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1899 O238 Donnerstag, den 12. Oktober abends. Nichtamtlicher Teil. rechtsstehenden Presse. unterschied sich der erste Tag der Parteitagswoche von Jahrgängen dadurch, daß er „eine erstaunlich allen früheren umfassende Aus- Zum sozialdemokratischen Parteitage verzeichnen wir nachstehend zwei Auffassungen in der Ueber den ersten SitzungStag de- Hannoverschen „Arbeiterparlament-" äußert sich die „Kreuzztg." folgendermaßen: Der erste Tag hat einen augenscheinlich selbst die sozial- räumungsarbeil" leistete. Es wurde in den wenigen Stunden nicht nur die Konstituierung des Bureau», die Feststellung der Tagesordnung und die BegrüßungSaktion an die Säfte au- fernen Landen vollzogen, fondern man „räumte" mit einer Schnelligkeit sondergleichen auch mit den Berichten deS Partci- vorstandeS, der Kontrolleure, der Parteileitung und der Reso lution deS „Genossen" Liebknecht, betreffend die Beschickung des im Herbst nächsten Jahre» zu Paris stattfindenden inter nationalen SozialistenkongresseS, aus. Von einer Debatte, wie sie sich sonst an jene Berichte zu knüpfen pflegte, war so gut wie keine Rede, und hätte nicht „Genosse" Lcdebour die Nicht ausnahme der Löbtauer Bauarbeiter al« „Opfer" in der„Mär- tyrerliste" des sozialdemokratischen Zentralorgans mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit auf» Tapet gebracht und einen „Rüffel" für die Parteileitung gefordert, so hätte der Parteitag recht gut noch weitere „AusräumungSarbeiten" zu stände bringen können. Dem Parteivorstande ist diese noch nicht dagcwesene .Selbstbeschränkung" der Delegierten natürlich in hohem Grade erwünscht. Die Partei- und Fraktionsberichte vertreten sonst aus den Parteitagen die Stelle deS Etats und geben den „Ge noffen" Gelegenheit, ihr Herz zu erleichtern und hier und da das Verhalten einzelner Führer zu kritisieren Diesmal hat man davon Abstand genommen. Ob dies infolge eine» Winke« macht hat. Er bemerkte gelegentlich, eS werde noch sehr lange dauern, bi« der Tag der großen Expropriation komme. Wenig gut zu sprechen war Bebel ans dir „Harmouieapostel", welche vom „guten Herzen" der Bassermann, Heyl re. bei den Debatten über da» KoalitionSrecht sprachen. Al» Bebel e« al- Zur Lage in Oesterreich. Der österreichische ReichSrat wird am 18. d. MtS. seine Thätigkeit wieder aufnehmen. Eme mehr al- achtmonatliche Pause hat die Erinnerung an die pein lichen Vorfälle noch nicht völlig verwischt, die sich in dem letzten Sessionsabschnitte abgespielt haben. Nur vier Tage währten die Beratungen, die nach den Weihnachtsferien im letzten Drittel des Januar statt fanden. Der Verlauf jener Sitzungen mußte aber die hartnäckigsten Optimisten davon überzeugen, daß ein normales, ersprießliches Wirken deS Parlaments unter den damaligen Verhältnissen vollkommen aus geschlossen war. Diese Ueberzeugung kam auch in den Regierungskreisen rasch zum Durchbruche, und so endete denn die unerquickliche parlamentarische Episode de- verflossenen Winters binnen kurzer Frist mit einem traurigen Mißerfolge. Fast ein halbes Jahr wurde dann durch die fruchtlosen Versuche ausgefüllt, eine Klärung auf dem politischen Gebiete anzubahnen und damit auch die Grundlage für ein regelrechtes Arbeiten des parlamentarischen Apparats zu schaffen. Diese einzelnen Versuche sind nicht über bescheidene Anfänge hinaus gediehen, der Notbehelf des 8 14 mußte immer wieder benutzt werden, und die konsequente Anwendung dieses AuSkunftSmittelS ver lieh der gesamten Entwickelung nach außen hin ein noch schärferes Gepräge. DaS Ministerium, dessen Handlungen mit dieser Lage verknüpft waren, ist nun vom Schauplatze ver schwunden. Vor dem Parlament werden neue Männer erscheinen, die keinen Anteil an allen Geschehnissen der Vergangenheit hatten und die ein unbefangenes Ent gegenkommen von allen jenen großen Parteien be anspruchen dürfen, die mit dem Kabinett Thun überhaupt nicht mehr in politische Verhandlungen ein treten wollten. Wenn das neue Ministerium auch nur als ein Uebergangs-Kabinett auf den Plan tritt, so zeigt seine Zusammensetzung doch ganz unzweifelhaft, daß der „Uebergang" den Abschluß einer für das Deutschtum drückenden und nachteiligen RegierungS- pvlitik markieren soll. Die angekündigte Aufhebung der Sprachenverordnungen wird der erste Schritt zur Erfüllung ver sachlichen Forderungen der deutschen Führer sein und die Versicherung, daß man an höchster Stelle daS deutsche Pfingstprogramm als diskutable Grundlage einer künftigen gesetzlichen Regelung der Sprachenfrage betrachte, muß den deutschen Parteien als eine weitere Gewähr für die Berücksichtigung ihrer gerechten Ansprüche erscheinen Soll nun die neue Lage zu einer dauernd ge sicherten werden, so müssen die deutschen Parteien das ihrige thun, um die Erreichung dieses Zieles zu er möglichen. Die Schwenkung der letzten Wochen be deutet in letzter Linie nichts anderes als ein im Sinne der milden und versöhnlichen Absichten deS Monarchen erfolgtes Zugeständnis an die parla mentarische Minderheit. Die Aufgabe der letzteren ist eS jetzt, dafür zu sorgen, daß die weitere Entwickelung mit dem parlamentarischen Prinzip in Einklang gebracht werden kann. Von der Haltung der deutschen Abgeordneten hängt heute nicht nur die Zukunft der deutschen Partei im Reichsrate ab, sondern mittelbar auch das Schicksal der bisherigen Mehrheit. Manche Gruppen der letzteren hegen die unverhohlene Neigung, den von oben herab ein- geleiteten Umschwung mit dem Aufgebote aller Kräfte zu hemmen; andere Mehrheitsparteien gehorchen nur zögernd und widerwillig dem Drucke, der sie zum Entgegenkommen gegen die Deutschen zwingt. Diese gespannte und ungeklärte Lage kann nicht lange bornierte Ansicht de« Bürgertum« bezeichnete, daß die Sozial demokraten Revolution machen und sich niederknallen lasten möchten, rief Ledebour etwas voreilig, so dächten auch „Ge noffen", weil er meinte, Bebel wolle die revolutionären Hoff nungen einsargen. Da« war aber nicht der Fall. Der Partei- gewaltige warf den auf die Mauserung zur Reformpartei hoffenden Gegnern einen Brocken hin, auf den sie sich eilig stürzen werden, ohne.zu merken, daß Bebel nur die Revolu tion verwirft, fo lange sie auSsicht-loS ist, so lange man „niedergeknallt" wird, ohne etwas zu erreichen. Im nächsten Satze bestätigte er, daß die Partei daS Bürgertum in feiner Existenz bedroht und es zu beseitigen strebt. Weiterhin sagte Bebel ausdrücklich, die Partei fei eine revolutionäre, und sie bleibe, waS sie bisher gewesen fei; eS liege kein Grund vor, von den Prinzipien und der alten Taktik abzugehen. Deutlich tritt das auch in der Resolution hervor welche von Bebel zur Annahme empfohlen wurde. Darin wird eS al- Ziel der Sozialdemokratie bezeichnet, die politische Macht zu erobern, um dann ihre Ziele durchführen zu können. Um daS Endziel zu erreichen, heißt es weiter, sei jede- mit den Grundanschauungen vereinbare Mittel recht, wenn eS nur Erfolg verspreche. Sobald alfo die Sozial demokratie sich stark genug fühlt, daß die Revolution Erfolg verspricht, wird sie ebcn diese- Mittel wählen. Die Resolution lehnt ein Zusammengehen mit bürnerlichen Parteien von Fall zu Fall nicht ab, wenn sich dabei Vorteile herausschlagen lassen, aber die Partei soll in jeder Weise ihre Selbständigkeit be wahren und jeden Erfolg nur als einen Schritt aus dem Wege des unverrückt im Auge zu haltenden Endzieles betrachten. Eine jede Verrückung und Verschleierung der Parteiitellung gegenüber der StaatS- und Gesellschaftsordnung weist die Re solution entschieden zurück. Daß sie angenommen wird, daran ist kein Zweifel Tagesgeschichte. TreSde«, 12. Oktober. Unter dem Vorsitze Sr. Excellenz deS Hrn. StaatSministerS v. Seydewitz und in Gegenwart der Herren Räte deS Ministeriums deS Kultus und öffentlichen Unterricht- fand heule die ge- fetzlich geordnete Jahreskonferenz der Bezirks- fchulinfpektoren, zu welcher auch die Herren Schul direktoren Dernoscheck in Neugersdorf bei Löbau, Hennig in Meißen, Schulze in Grimma, vr. Schilling in Zwickau und vr. Haupt in OelSnitz i. V. Ein ladungen erhalten hatten, in den Räumen des Kultus ministeriums statt. An den Verhandlungen nahmen zugleich der Präsident deS Lande-medizinalkollegium- Hr. Geh. Rat Vr. Günther und a>S Abgeordneter deS Evangelisch-lutherischen Landeskonsistoriums Hr. Ober- konsistorialrat vr. Kohlschütter teil. Die Konferenz wurde von Sr. Excellenz mit einer längeren Ansprache eingeleitet, die, anknüpfend an die Jahresberichte der Bezirksschulinspektoren für 1898, eine große Anzahl Punkte aus den verschiedensten Gebieten deS VolkS- schulwesenS berührte. Zugleich nahm Se. Excellenz Bezug darauf, daß am 15. Oktober d. IS. 25 Jahre seit dem Inkrafttreten deS Volksschulgesetzes vom 26. April 1873 verflossen sein werden. Auf Grund der Tagesordnung berichtete zunächst einer der Herren Bezirksschulinfpektoren über die Entwickelung deS sächsischen VolkSschulwesenS in den letzten 25 Jahren. Hierauf wurden die Fragen wegen des nur fünf tägigen Schulunterrichts im Winterhalbjahre gemäß der Verordnung vom 23. Mai 1870 und wegen Drahtheftung bei Schulbüchern einer eingehenden Be sprechung unterzogen. Deutsches Reich. * Berlin Gestern morgen haben Sich Ihre Kaiserlichen Majestäten im Stadtschloß zu Potsdam von Ihren Majestäten der Königin Wilhelmina und der - König,n-Mutter der Niederlande verabschiedet. Ee. Majestät der Kaiser haben die Majestäten darauf zum Bahnhofe begleitet. Um 10 Uhr vormittag« hörten Se. Majestät den Vortrag de« Chef« de« Zivilkabinetts Wirk!. Geh. Rat« vr. v. Lucanu«. — Der „Reich«anzeiger" veröffentlicht jetzt den Wort laut der von Sr. Majestät dem Kaiser gelegentlich der Besichtigung de« au» Ostasien zurückgekehrten großen Kreuzers „Kaiser" an die Besatzung gerichteten An sprache: „Mit tiefem Dank gegen Gott, der schützend seine Hand über Euch Allen gehalten hat, begrüße Ich au» wärmstem Herzen dies bewährte Schiff und seine tapfere Besatzung. Zugleich spreche Ich Euch Meinen Dank als Euer oberster Kriegsherr und den de» gesamten deutschen Vaterlande» aus dafür, daß Ihr von neuem den deutschen Namen im Auslande zu Ehren gebracht habt. Dieses gilt vor allem dem Teile der Besatzung, der jetzt, da« Gewehr in der Hand, vor Mir steht und der mitgewirkt hat bei der auf Meinen Befehl bewirkten Besitznahme von Kiautschou. Gott sei Dank verfolgt jetzt alt und jung, hoch und niedrig im Deutschen Reiche mit Liebe und Interesse jede« unserer wenigen Kriegsschiffe, welche im Auslande Ausgaben zu erfüllen haben. Ganz besonder» aber Mein Schiff „Kaiser" ist mit klopfendem Herzen und reger Spannung bei der Lösung der Aufgabe in Tsintau begleitet worden, und e» lebt wohl kein deutscher Mann und keine deutsche Frau in unseren weiten Gauen, welche nicht freudig und erhobenen Sinne» die in der Heimat einlaufenden Nachrichten lasen, wie mann haft Ihr und Euere Kameraden des Kreuzergeschwader» für Deutschlands Ehre eingetreten seid. Für Mich ist e» eine besondere Freude, daß gerade dieses tüchtige, ein Vierteljahrhundert alte Schiff am voraussichtlichen Ende seiner dienstlichen Laufbahn für diese einen so würdigen Abschluß finden durfte Seine Entstehung verdankt es dem durch den großen Kaiser neu geeinten deutschen Vaterlande, seinen Namen dem Titel, der Jahrhunderte lang in aller Zeit von der ge- bleiben. Sie muß sich entweder in der Richtung au-gestalten, die durch das Eingreifen de» Monarchen vorgezeichnet wurde, oder sie muß durch eine Rück bildung im Sinne der früheren slavischen Mehrheits herrschaft ihren Abschluß erfahren. Legen die deut schen Politiker das Hauptgewicht ihrer politischen und parlamentarischen Taktik auf die Wahrung ihre- nationalen Besitzstandes und der großen Interessen ihrer Wähler und verzichten sie auf den zwecklosen und erbitterten Kampf in untergeordneten Neben fragen, fo werden sie mit der Unterstützung der Krone den Anschluß an die gemäßigten Gruppen der bisherigen Mehrheit vollziehen können. Wenn man auf deutscher Seite aber in der jetzigen L.itscheidung-schweren Zeit die Gebote der Klugheit und Mäßigung außer acht läßt, so wird man den offenen und geheimen Widersachern nur den will kommenen Beweis dafür liefern, daß die Neugruppier ung, die den Deutschen den Rückweg aus der Opposition eröffnen soll, unmöglich sei. Die Tschechen hoffen auf einen solchen Verstoß ihrer Gegner, und mit ihnen hoffen so manche, die nach außen hin als Freunde des Deutschtums gelten wollen. Die maß gebenden deutschen Gruppen werden sich vor allem von den verhetzenden Ratschlägen emanzipieren müssen, die ihnen au- den vorgeschobenen Stellungen der eigenen Partei entgegentönen. Es war begreiflich, daß die Führer jener Gruppen in der Zeit des er bittertsten Kampfes in eine bedenkliche Abhängigkeit von den radikalen Schreiern und Umstürzlern gerieten. Nunmehr aber handelt e- sich nicht um den PopularitätS- Wettkampf, sondern um die zielbewußte Ausnutzung strategischer Vorteile, welche den Sieg sichern soll. Auf den parlamentarischen Schlachtfeldern ist der Kampf um die wertvollsten nationalen Güter auS- zutragen. Als wirklich kampfbereite Gegner stehen den Deutschen im Augenblicke nur die Tschechen gegen über. Die anderen Parteien werden sich erst noch entscheiden, auf welcher Seite sie in die Fehde ein greifen wollen. Von dem Geschick der Deutschen hängt eS ab, ob diese Entscheidung für sie oder ihre Feinde die Isolierung bedeuten wird. von der Parteileitung geschehen sei, wissen wir natürlich nicht; allein auch ein solcher Wink würde nicht feinen solchen Erfolg gehabt haben, wenn nicht überhaupt da« Interesse an den Parteitag-Verhandlungen entschieden nachgelassen hätte. Scho» der Umstand, daß in diesem Jahre nicht halb soviele Anträge gestellt worden sind wie an früheren Parteitagen, beweist, daß dem Gro- der .Genossen" die weitschichtigen, meist in Zänkereien gipsrlnden Verhandlungen de» .Arbeiterparlament-" gleichgiltiger geworden sind, und die rasche .Ausräumungs arbeit" bestätigt durchaus diese Auffassung. Der .Vorwärts" meint zwar, man habe am Montag in Hannover nur dar Be streben gehabt, .sür die bedeutsamen großen grundsätzlichen Auseinandersetzungen Raum und Zeit zu schaffen"; allein man würde kaum in dieser Weise verfahren sein, wenn man nicht auch in der Sozialdemokratie von einer großen Parlaments müdigkeit befallen wäre und rasch reinen Tisch machen möchte. Mit welcher Schnelligkeit am Montage in Hannover „ge arbeitet" wurde, ist aus der Behandlung der „Maifeier"- Resolution ersichtlich Dieser Gegenstand, der einen besonderen Punkt der Tagesordnung bildete, wird sonst als einer der wichtigsten für die sozialdemokratische Propaganda und Taktik auSgegeben, und noch im vorigen Jahre sollte er auf den Wunsch des „Genoffen" ParvuS den Mittelpunkt der Partei- tagserörterungen bilden. Am Montage las der Berichterstatter Psannkuch die bezügliche Resolution vor, empfahl sie mit einigen kurzen Worten zur Annahme, und die Annahme er folgte ohne Erörterung einstimmig. Dabei heißt eS in der Resolution: „Die ArbeitSruhe am 1. Mai hat sich immer mehr eingelebt . . ." Diese unzutreffende Behauptung fand keinen Widerspruch. Lluoäue rult äveipi mag man dabei gedacht haben. Ueber den zweiten SitzungStag bez. über Bebels Rede, die den Dienstag fast ganz ausfüllte', schreibt die „Post": Der zweite Tag der sozialdemokratischen Heerschau in Hannover hat nicht die erwartete AuSeinanderletzung gebracht, weil Bebel» Rede fast den ganzen Tag in Anspruch nahm. Man schenkt nämlich in der Hauptsache dem sozialdemokratischen Parteitage fast nur noch Beachtung unter dem Gesichtspunkte der Mauserung und deS Familienzwiste». Die sonstigen Tiraden erinnern zu sehr an die alte Leyer, eS sind die ost bis zum Urberdruß gehörten „ollen Kamellen". Den Inhalt der Bebel- schen Rede kannte man schon von vornherein im wesentlichen; immerhin bot sie doch durch manche charakteristische Bemerkung einiger Interesse. Er vollzog da- Parteiurteil über Bernstein, den er oft recht grob aniieß und in der sechsstündigen Rede kein einziges Mal „Genoffe" nannte. Der Ansang war milk er als der Schluß. Immer schärfer wurde im weiteren Verlause der Rede aus Bernstein loSgeschlagen, besonder« weil er da« Staatsverbrechen begangen hatte, an der politischen Einsicht deS Proletariat- zu zweifeln Im Prophezeien ist übrigens Bebel vorsichtiger geworden, nachdem er mit seiner Voraussage des ZukunstSstaateS für 1898 Fia-ko ge demokratiiche Parteileitung überraschenden, und zwar an genehm überraschenden Verlauf genommen. Wie der „Vor wärts" sich wenig „respektvoll" au«drückt, unterschied sich Kunst und Wissenschaft. Pest Die Ueberwindung der Pest. (Bericht der Pafteur-Kommission über die in Oporto.) einer ansteckenden Krankheit wie der Pest die Mikroben, die in den Säften de» OrtzaniimuS zirkulieren, nicht auf einmal verschwinden, sie können z. B. in den Nerven knoten oder in den Lymphdrüsen überdauern und von da aus eine neue Vergiftung des ganzen Körper« herbei führen, wenn sie nicht vollständig vernichtet werden. Der Verlauf der Temperatur und das Allgemeinbefinden de» Kranken geben den Anhalt zur Beurteilung der Dosen, die täglich anzuwenden sind. WaS die vorbeugende Wirkung mit dem Antipestserum betrifft, so schließt die Kommission au« ihren Experimenten, daß man absolut auf einen wirksamen und unmittelbaren Schutz aller Personen rechnen kann, die sich einer vor beugenden Impfung mit etwa 5 oow Antipestserum unterwerfen. Die Dauer der so erworbenen Widerstands fähigkeit kennt man noch nicht genau, aber nach dem Studium über die Sera im allgemeinen ist zu schließen, daß sie etwa 25 Tage dauert Nun folgen die ebenfall« sehr wertvollen Erfahrungen der Kommission mit der Anwendung der aktiven Jmpfung mit Pestkulturen nach der Methode Ferran-Haffkine: Die aktive Impfung durch Kulturen von Pestbazillen, die auf 70 Grad erwärmt wurden, giebt nach den in Indien ausgeführten und durch die Deutsche Kommission von 1897 kontrollierten Experimenten bei Tieren und wahr scheinlich auch bei Menschen eine dauerhaftere Immunität, aber diese stellt sich langsamer ein, erst nach 8 bi« 12 Tagen Auch in Oporto ist die An- Wendung mehrerer Proben solcher Kulturen vor geschlagen worden, und die Kommission hat Experimente damit begonnen, jedoch werden noch einige Monate darüber vergehen, ehe die Untersuchungen abgeschloffen fein werden. Nach den bisherigen Erfahrungen bringt die Impfung mit solchen Kulturen allein eine Gefahr mit sich ES hat sich nämlich herau-gestellt, daß Tiere, die mit eine, solchen Kultur und dann mit einer unter gewöhnlichen Umständen nicht tödlichen Dosi» von Pestgist geimpft worden waren, lung oer Budonenpest" und tautet in der Uedersetzung etwa folgendermaßen: Die auf Anregung des Conseil-Präsidenten, Ministers des Innern ernannte Kommission hat mit Unterstützung der unterzeichneten ausländischen Aerzte, die zum Studium der Bubonenpest in Oporto anwesend sind, Versuche unter nommen, um den vorbeugenden und therapeutischen Wert des Antipestserums de« Pariser Pasteur-Institut« und den vorbeugenden Wert verschiedener Flüssigkeiten von Impf- kulturen zu untersuchen, die nach der Methode Ferran- Haffkine bereitet und zur Anwendung in Portugal vor geschlagen worden find. Die von der Kommission aus geführten Versuche Haden sich zu allernächst auf das Anti- pestserum bezogen, weil man dringend wissen mußte, ob man auf die doppelte — vorbeugende und heilende — Wirkung dieses Serums im Falle einer Epidemie rechnen könnte. Die Versuche bezüglich der präventiven Wirkung de« Serums sind an Mäusen und Affen gemacht worden Die Kommission hat festgestellt, daß Mäuse, die mit V,.. vom, und Affen, die mit 2 com zuvor geimpft worden waren, eine völlige Widerstandskraft gegen die Krankheit besitzen und keine sichtliche Störung ihrer Ge sundheit erleiden, wenn man ihnen 24 oder 48 Stunden nach dem Serum eine Dosis von Pestgift einimpft, die unter anderen Umständen in 36 Stunden für die Mäuse und in 5 Tagen für di« Affen unbedingt tödlich sein würde. Mit Bezug auf die Heilwirkung hat die Kom- Mission festgestellt, daß alle Mäuse, die mit einer sicher in 36 Stunden tödlichen Dosi« von Pestkultur ge impft worden waren, dem Gift widerstanden, wenn sie innerhalb 14 Stunden nach der Ansteckung mit A oow Serum unter die Haut geimpft wurden. Die Kommission ist jetzt dabei, durch andere Ex perimente an Affen festzustellen, welche Dosen von Serum je nach der Länge der seit der Ansteckung ver strichenen Zeit und je nach der Schwere der Krank- heit» - Symptome in den einzelnen Fällen anzuwenden seien Aoer schon jetzt zieht sie Kommffsion aus Grund ihrer Versuche im Laboratorium und der klinischen An wendung im Krankenhause den Schluß, daß da« Anti pestserum eine unbestreitbar vorbeugende Wirkung und eine auffallende Heilwirkung im Falle geeigneter An wendung besitzt und daß es deshalb sür die Behandlung der Pest unbedingt angenommen werden muß. Die Kom mission hat sich davon überzeugt, daß diese« Serum, unter die Haut von Kranken geimpft, sogar in sehr starken täg lichen Dosen (40 bi« 60 oom) nicht im stände ist, irgend einen nachteiligen Einfluß auf den Patienten auS- zuüben Sie hat ferner erkannt, daß eS in gewissen Fällen verzögerten Einschreitens oder sehr schwerer Er krankung oder bei einem starken HautauSschlag, der die Aufnahme des Serums durch die Haut vermindert, an gezeigt ist, das Serum direkt in die Adern (Venen) ein- zuführen Man kann sehr leicht 20 ocm Serum auf ein mal in die Venen eines Kranken einspritzen, wenn man die nötigen Vorsichtsmaßregeln dabei beobachtet. Wenn e« sich um einen leichten Fall von Bubonenpest handelt, der gleich nach dem Ausbruche zur Behandlung kommt, so wird diese darin bestehen, 20 ovm Serum auf einmal unter die Haut der rechten oder linken Weiche einzuimpfen. Man wird die Injektion jeden Tag wiederholen, bis die Temperatur des Kranken auf den normalen Stand gefallen ist, und wird kleine tägliche Dosen von 10 emn wieder holen, wenn sich von neuem eine Neigung zur Temperatur steigerung zeigt In schweren ErkrankungSsällen mit sehr hohem Fieber wird es immer geraten sein, sofort am ersten Tage 40 ovm auf einmal unter die Haut zu geben, diese Injektion am nächsten Tage zu wiederholen und mit abnehmenden Dosen in den folgenden Tagen fortzu zufahren, bi« alle Fiebererscheinungen verschwunden sind. Man wird niemal« vor der Benutzung starker Dosen de« Serum« zurückzuschrecken brauchen und muß unbedingt mit den Impfungen jeden Tag fortfahren, so lange noch Fieber da ist. Die Erfahrung zeigt nämlich, daß in Die Geschichte der Pest-Epidemien scheint in medizinischer Hinsicht an einem großen Abschnitt an- aelangt zu sein. Der Bericht der aus Frankreich nach Oporto entsandten Kommission, die die Wirksamkeit der bisherigen Jmpfmittel gegen die Pest feststellen sollte, ist dm „Allgem. Wissensch Berichten" aus Paris zugegangen und bringt die Kunde mit sich, daß sich das vom Pariser Pasteur-Institut hergestellte Anti-Pestserum in glänzender Weise bewährt hat. Nach den Einzelheiten de« Berichte« kann man die Pestgefahr nach diesen letzten Errungenschaften nahezu als überwunden bezeichnen. Der Bericht ist nicht nur von dem ausgezeichneten Physiologen Calmette, dem Direktor des Pasteur-Jnstituts in Lille und Leiter der französischen Mission nach Oporto, und seinem Begleiter vr. Salimbeni vom Pasteur-Institut in Pari« unterzeichnet worden, sondern auch von einer Reihe portugiesischer, spanischer und auswärtiger Aerzte, die in Oporto Gelegenheit hatten, sich von den im Bericht be schriebenen Erfolgen zu überzeugen; e« finden sich da die Ramen vr. Ricardo Jorge, Professor an der Schule für Medizin und Direktor de« Hygienischen Dienste« in Oporto, vr. Camara Pestana, Professor an der Schule für Medizin und Direktor de« König!. Bakteriologischen Institut« ebenda,, vr. Jaime Ferran, Direktor de« Bakteriologischen Institut« in Barcelona, zwei weitere Aerzte au« Barcelona, zwei Aerzte au« Christiani« und ein russischer Marinearzt vr. Höppener. Da« wichtige Echriftftück trägt den Titel „Bericht der Internationalen Kommission in Oporto über die Prophylaxi« und Behänd- Bezugspreis-. Für Dresden vierteljährlich: r Mark »0 Pf, bei den Kaiser- lich deutschen Postanstalten vierteljährlich 3 Mark; außer- halb de« Deutschen Reiche- Post- und Stempelzuschlaa. Einzelne Nummern: 10 Pf. Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abend«. Fernspr-AnIchlußtNr.irvL. Dresdner Z0WMl. Ankündigung-Gebühren: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift SV Pf. Unter „Emaesandt" di« Zeile bv Pi. Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Königliche Expedition de« Dresdner Journals Dresden, Zwlngerstr. SV. Frrnspr-«nschluß:Nrir»L.
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