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Exped. u. Redaktion kreide»-Reuftadt «. Meißner «ässe 4. Lie Zeitung erscheint Tteafta,, k»»uerftag und «»»nahen» früh. «h,»»e»e»1S- Preis: eierteljährl.Mk.1.50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- mstalten und durch unsere Boten. Sei freier Lieferung in» Hau» erhebt die Lost noch eine Ge bühr von 25 Psg. ächsische Dorßeilmg. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Wüller in Dresden. Inserate »erden bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: dielsPaltZeilelbPfg. Unter Eingesandt: SO Psg- Inserate«» Annahmeftele«: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidcndank, Haasenstein LVogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. Wr. 123. Dienstag, den 18. Mioöer 1887. 49. Jahrgang. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Die Begegnung Crispi's mit dem Fürsten Bismarck — so schreibt man von autorisirter Seite aus Berlin — hat nirgends einen solchen Jubel hervorgerufen, als in einem Theile der Wiener Presse. Wir möchten nicht gern einen Wermuthstropfen in diesen Freudenbecher träufeln, aber wir würden es für bedenklich halten, wenn diese überschwengliche Begeiste rung sich auf falsche Voraussetzungen und auf eine Verkennung der kühlen Friedenspolitik Deutschlands gründen sollte. Dieselben Leute, die jetzt betreffs der deutsch-italienischen Allianz vor Entzücken außer sich gerathen, haben einst ebenso das deutsch-österreichische Bündniß bejubelt, hatten aber schließlich trotzdem nicht übel Lust, das friedliche Dach, unter welchem sie lange Jahre ruhig gelebt, niederzureißen, als sich im vorigen Herbste herausstellte, daß dasselbe nicht darauf eingerichtet sei, den Bulgaren als Schutz gegen russische Regengüsse zu dienen. Damals wurde die deutsche Politik, die uns vor einem Weltkriege bewahrt hat, nur deshalb in Wien verketzert, weil man vom deutsch - österreichischen Bündnisse etwas ganz Anderes erwartet hatte, als es zu leisten bestimmt ist. Wir möchten diese Erfahrung nicht noch einmal machen und deshalb keine Täuschung aufkommen lassen. Gewiß, der Drei bund, der vor dem Palladium der europäischen Kultur seine Bajonnette schützend aufpflanzt, wird alle Hoff nungen, die er erweckt, voll und ganz erfüllen, wenn jemals Turkos oder Kosaken den Versuch machen sollten, verheerend in die gesegneten Fluren Mitteleuropas ein zubrechen. Aber dieser Bund, der den Frieden sichern soll, würde einen folgenschweren Krieg heraufbeschwören, wenn man aus demselben eine Waffe schmieden wollte, um Rußland aus jenem Machtgebiete zu verdrängen, welches der Berliner Vertrag diesem Staate gewähr leistet. Deutschland besitzt kerne Neigung, den Russen wieder sobald Freundschaftsdienste zu erweisen, denn es hat den „Dank" vom Hause Romanoff genugsam kennen gelernt, aber es denkt auch nicht daran, den Russen, falls sie uns oder unsere Verbündeten nicht unmittelbar be drohen, entgegenzutreten. Das „Berliner Tageblatt" konstatirt, daß seine neulichen telegraphischen Mittheilungen aus London über das Befinden des deutschen Kronprinzen (siehe Nr. 121 unserer Zeitung) in den weitesten Kreisen großes Aufsehen erregt hat. Bei der Liebe, welche dem Kronprinzen allgemein entgegengebracht wird — so schreibt das Blatt weiter — empfindet es das deutsche Volk überaus schmerzlich, daß ihm die Nachrichten betreffs des Zustandes des leidenden Thronfolgers so spärlich zugemessen werden; gelangen doch die einzigen Mel dungen von autorisirter Seite, welche an die Oeffent« lichkeit dringen, lediglich auf dem Umwege über London zu uns. Wenn auch nach dem Urtheile medicinischer Autoritäten die letzten Mittheilungen keinen greifbaren Punkt enthalten, der zu begründeten Besorgnissen betreffs des Zustandes deS allverehrten Patienten Anlaß giebt, so empfindet man es doch im Allgemeinen als eine schwere Unzuträglichkeit, daß nicht Vorsorge getroffen ist, durch eine regelmäßige, von autorisirter Seite stam mende Berichterstattung deutscherseits den innigen Sym pathien zu entsprechen, deren sich die Person unseres Kronprinzen bei allen Patrioten erfreut. Man weiß ja, daß der Phantasie des Volkes die eigenthümliche Gabe der Legendenbildung noch nicht entschwunden ist; um so mehr sollte man somit darauf bedacht sein, dem Bedürfnisse von Millionen treuer Herzen entgegen zukommen, die sich danach sehnen, über das Ergehen des Mannes, in dem sich die Hoffnungen des Landes verkörpern, stets zuverlässig unterrichtet zu werden. Bis her hat einzig und allein vr. Mackenzie die Verant wortung für die Richtigkeit der Behandlung des deutschen Kronprinzen übernommen und getragen. Seit aber die nicht unbedenkliche Erkältung des Patienten in Toblach vor der Welt todtgeschwiegen ist und seit nach den neuesten-Kundgebungen vr. Mackenzie's dieser Arzt selbst eingesehen zu haben scheint, daß er einen schweren Fehler begangen hat, als er den Kronprinzen in die rauhe Lust Toblachs, die fast verhängnißvoll geworden wäre, sandte, halten wir uns sür verpflichtet, den Gefühlen Ausdruck zu geben, die, wie wir wissen, einen sehr großen Theil des deutschen Volkes erfüllen und die Forderung zu stellen, daß in Zukunft die Ver antwortung für die Behandlung des deutschen Kron prinzen zwischen den Spitzen der englischen und der deutschen ärztlichen Wissenschaft getheilt werde. Es ist nicht recht, daß unsere einheimischen Aerzte jetzt, wo es sich um die Gesundheit eines der beliebtesten deutschen Männer handelt, bei Seite geschoben werden. Ist vr. Mackenzie der große Arzt, für den er in England gehalten wird, so wird er es sich doch nur zur Ehre an rechnen können, mit einem gleichbedeutenden deutschen Arzte seine Gedanken austauschen zu dürfen. Wir berichteten jüngst, daß Prinz Wilhelm von Preußen berufen sei, im bevorstehenden Winter durch Uebernahme eines Theiles der Repräsentationspflichten, welche dem Kaiser sonst oblagen, diesen zu entlasten. Wie nunmehr verlautet, wird auch noch in anderer Rich tung eine Arbeitserleichterung für den Kaiser geplant. Die zahlreichen militärischen Berichte nemlich, welche im kaiserlichen Palais einlaufen und von denen der Monarch bisher in derselben gewissenhaften Weise, in welcher er alle schriftlichen Eingänge prüft, Kenntniß nahm, sollen fortan im Militärkabinette abgegeben werden, dessen Chef alsdann dem Kaiser über den In halt der Berichte Vortrag zu halten hat. Bezüglich der BerathungSgegenstände, mit denen sich der im November zusammentretende Reichstag zu befassen haben wird, schreibt man von osficiöser Seite: Die beiden wichtigsten Gesetzentwürfe, betreffend die Invalidenversicherung und die Revision des Genoffen schaftsgesetzes, dürften erst nach Neujahr dem Parla mente zugehen. Die ferner in Aussicht genommene social-reformatorische Vorlage, der zufolge sich die Un fallversicherung auf alle bisher noch nicht in dieselbe einbezogenen Arbeiter erstrecken soll, verfolgt mehr präpa ratorische Zwecke. Es gilt nemlich vor Allem, die Lücke auszufüllen, welche bisher in der berufsgenossenschast- lichen Organisation der Arbeiter noch besteht. Da diese Maaßnahmen sich auf dem bereits gesetzgeberisch geebneten Boden der Unfallversicherung bewegen, so wird zweifelsohne ein abgekürztes Verfahren bei der Ausarbeitung deS Entwurfes beobachtet werden, so daß derselbe noch vor der Alters- und Invalidenversicherung an den Reichstag gelangen dürfte. Zunächst wird sich dieser aber mit dem ReichshauShalts-Etat zu beschäftigen haben. Das Bild, welches unser Budget bietet, ist ein überaus trauriges. Da ein noch vom vorigen Jahre herrührendes Deficit im Betrage von 22 Mil lionen M. gedeckt werden muß, so dürste sich eine abermalige Erhöhung der Matrikularbeiträge seilens der Einzelstaaten nothwendig machen. Unter diesen Umständen erscheint die äußerste Sparsamkeit dringend geboten. Die seit etwa Jahresfrist zwischen der preußischen und gothaischen Regierung gepflogenen Verhandlungen wegen Uebernahme der gothaischen Eisenbahnen durch den preußischen Staat sind jetzt zum Abschlusse gelangt und wird eine diesbezügliche Vorlage in Kürze den beiderseitigen Landtagen unterbreitet werden. Nach der getroffenen Vereinbarung übernimmt Preußen nicht allein die dem gothaischen Staate gehörenden Sekundär bahnen Gotha-Ohrdruf und Fröttfiedt-Friedrichroda, sondern es läßt auch sämmtliche noch projekitrte Bahn linien, einschließlich der Strecke Rödichen-Georgenthal, auf seine Kosten bauen. Die Schwierigkeiten, auf welche die Durchführung des Branntweinsteuergesetzes und namentlich der Be stimmung betreffs der Steuerfreiheit des zu Hellzwecken verwendeten Alkohols stößt, rechtfertigen den seiner Zeit vom Reichstagsabgeordneten vr. Witte gethanen Ausspruch, „daß der Gebrauch von Spiritus in Apotheken fernerhin nur möglich sei, wenn in jeder Apotheke ei» Steuerbeamter stationirt werde." So ist einem mecklen- Feuilleton. Die Pflegekinder des Kommercienraths. Novelle von Carl Hartmann-Plön. t4. Fortsetzung.) Er nickte den übrigen jungen Herren freundlich lächelnd zu und schritt weiter. Der junge Prokurist sah dem hübschen Officier mit einem eigenthümlichen Blicke nach und leise flüsterten seine Lippen: „Nem, nein! Begrabe Deine Hoffnungen! Wie könnte ich wohl mit Diesem, der so reich, so schön, so vollkommen ist, in die Schranken treten wollen? Oh, Katharina, hätte ich Dich nie gesehen!" Er legte die Hand auf das klopfende Herz und ging in's Komptoir zurück. Nachdem Brauer und Heinrich zur Hälfte die Treppe hinaufgestiegen waren, kam ibnen eine Keine, kugelrunde Frau mit einem großen, runden Gesichte und einem ge mächlichen Doppelkinn entgegen. „Da bist Du ja, mein lieber Heinrich", rief sie, noch einige Stufen von ihnen entfernt, mit einem so vergnügten und humoristischen Mienenspiele, daß der Neffe sür einen Augenblick alle schweren Gedanken ver gaß und in ebenso humoristischer Weise beide Arme weit ausbreitete, in die denn auch cfieich darauf Tante Sophie förmlich hineinsank. Und während er sich zu ibr nicder- beugte, um einen Kuß auf die fleischigen Lippen zu drücken, sagte er in einem herzlichen Tone: „Gute, liebe Tante, wenn man in Dein fröhliches Gesicht blickt, so vergißt man, daß in der Welt so viel Trauriges vorhanden ist." „Ach was, Trauriges! Die Leute, die traurig sind, tragen selbst die Schuld daran. Ich bin nie traurig! Weg mit den Grillen und Sorgen — das ist immer mein Lieblingslied gewesen." „Ich will es mir merken und versuchen, es auch zu meinem Lieblingsliede zu machen." „Glaube eS mir, Heinrich", sagte sie und blickte ihm mit komisch lächelndem Gesichte von unten auf in die Augen, „ich lüge nicht, aber es ist wahrhaftig das erste Mal in meinem Leben, daß mich ein Officier um armt." „Wer weiß, Tante! Als Du Sei dem General, dem Grafen Scheck, Kammerzofe warst, da kann es doch wohl vorgekommen sein, daß einer seiner Adju tanten —" „Gott im Himmel! Ich sollte bei dem General Kammerzofe gewesen sein? Nein, gewiß und wahrhaftig, ich war es nur bei feiner Frau!" Der Kommercienrath und Heinrich mußten laut lachen. Tante Sophie nahm nun ihren Neffen bei der Hand, wie einen kleinen Knaben und führte ihn die Treppe hinauf bis in das Wohnzimmer. Hier angelangt, sagte sie: „Du bist gewiß die halbe Nacht hindurch gefahren und hast Hunger und Durst. Aber ich habe Dir auch ein schönes Frühstück bereitet. Weißt Du, was Du bekommst? Deine Lieblingsaerichte. Zuerst Austern, der Onkel hat eine ganze Tonne voll kommen lassen und Du kannst Dich, wenn Du (willst, sogar darin krank essen und dann Entenragout. Zu den Austern trinkst Du Rheinwein und nachher — nun, ich will eS uur gleich verrathen, der Bruder hat eine Flasche Sect spendirt und kalt stellen lassen — den heim kehrenden Sohn des Hauses muß man ein wenig ver- ziehen." Heinrich umarmte noch einmal die kleine, kugelmnde Frau und sagte: „Du bist doch die beste aller Tanten, die der liebe Gott geschaffen hat." „Und Du der beste aller Neffen, die er in die Welt gesetzt. Siehst Du, ich kann gerade so schön schmeicheln, wie Du! Aber nun laß Dich erst einmal ordentlich betrachten. Wirklich herrlich siehst Du aus, der KriegSgott in eigener Person! Es ist nur gut, daß ich schon so alt bin, Heinrich, sonst könnte ich mich in Dich sterblich verlieben und wenn Du dann sagtest: „Danke schön, gehen Sie ein Haus weiter", dann würde ich die Heldin eines herzbrechenden Romans werden! Wenn ich in Katharina's Jahren wäre, ich könnte —" „Aber wo ist denn Katharina?" unterbrach sie sich. „Hat sie es denn noch nicht gehört, daß der Heinrich da ist? Da will ich doch gleich —" In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür und Katharina trat über die Schwelle. Auf ihrer Stirn lag ein leichter Schatten und nicht wie sonst, wenn Heinrich nach längerer Abwesenheit nach Hause zurück- gekehrt war, flog sie ihm lebhaft entgegen und ließ sich von ihm umarmen und küssen, sondern gemessenen Schrittes näherte sie sich ihm, machte allerdings jetzt ein freundliches Gesicht, streckte ihm aber nur die Hand entgegen und als der PfleAebruder Miene machte, sie, wie er früher gethan, an sich zu ziehen, entzog sie ibm rasch ihre Rechte, schlug beide Hände zusammen, sah