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chönbuM TaaMalt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge find erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. K»d Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Btt. 5« Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Lolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 7. September 210. 1884. "Waldenburg, 6. September 1884 „Baron de Courcel, Botschafter der französischen Republik beim deutschen Reiche, hat vor acht Tagen beim Reichskanzler in Varzin geweilt. Nach seiner Rückkunft wurde er in Schloß Babelsberg von unserem Kaiser empfangen und zur Tafel gezogen und ist jetzt nach Paris gereist." Das sind die Thatsachen, um die sich bereits ein Mythenkranz zu spinnen beginnt. Neugierige Diplomaten und die Berichterstatter der ausländischen Presse sind ge radezu in Verzweiflung darüber, daß es absolut nicht gelingen will, den Schleier von dem zu lüften, was in den Wäldern von Varzin zwischen dem Reichskanzler und dem österreichischen Minister des Auswärtigen, Grafen Kalnoky, früher und dem Reichskanzler und dem französischen Botschafter jetzt verhandelt worden ist. Man sagt, die Wände haben Ohren; bei den Bäumen trifft das augenscheinlich nicht zu, unter denen der Kanzler, um sich nach Professor Schwenninger's Vorschrift viel Bewegung zu machen, jetzt seine diplomatischen Conferenzen abhält, denn sonst wüßten wir bereits Alles. Auch die übrigen Mittel, welche gebraucht sind, um auf die Spur des Geheimnisses zu kommen: wie Auf stellung der gewagtesten Behauptungen über den Charakter des Zwiegesprächs haben nichts gefruchtet, absolutes Schweigen war und ist heut noch die ganze Antwort. Die Reise des französischen Diplomaten nach dem hinterpommerschen Landsitze des Reichskanzlers muß uns fast noch mehr interessiren, als der des öster reichischen Collegen Fürst Bismarcks. Die intime Freundschaft zwischen Deutschland und Oesterreich in der auswärtigen Politik ist bekannt, da giebts also nichts, was Unruhe schaffen könnte. Auch Frankreich bereitet uns freilich keine Besorgniß mehr, aber wir schauen doch genauer zu unseren guten Freunden von anno 70/71 hinüber, als nach der schönen blauen Donau hinunter und das aus ge wichtigen Ursachen. Die Pariser sorgen ja nach Kräften dafür, ihrem albernen Haß gegen Alles, was von entfernt an Deutschland erinnert, Lust zu machen, und wenn sie nicht mindestens einmal in jedem Jahre einen gehörigen Skandal gegen uns in Szene setzen können, ist ihnen nicht wohl zu Muthe. Wir lassen den Leutchen das Vergnügen, dem wir als anständige Menschen nicht das Gleiche entgegensetzen können, und nur wenn es zu arg kommt, giebt es etwas auf die Finger. Unter all' diesen, der französischen Regierung viel mehr »och als uns bekannten Verhältnissen ist es immerhin sehr beachlenswerth, daß die offiziellen Be ziehungen zwischen Berlin und Paris fast keine Trübung in dem letzten halben Dezennium erfahren haben, ja sogar im Gegentheil, sich nur noch freund-, schaftlicher gestalteten. Fürst Bismarck ist zu klar sehend, als daß er die Regierung Frankreichs für die Tollheiten des Pariser Pöbel's verantwortlich machen sollte, umsomehr, da das Ministerium, wie beim letzten Fahnenskandal, eine nothwendige Ent schuldigung sofort ertheilte und die schuldige Per sönlichkeit zur Rechenschaft zog. Die regierenden Herren in Paris sahen ihrerseits wieder ein, daß sie ohne stillschweigende Zustimmung Deutschland- Oesterreichs in ihrer auswärtigen Politik doch noch manche Hindernisse zu überwinden haben würden. Das hat sich z. B. ganz deutlich bei ver tunesischen Affaire gezeigt, und auch bei der egyplischen Con- ferenz in London konnte Frankreich England ent schiedenen Widerstand leisten, weil die übrigen Mächte nicht auf Gladstone's Seite traten. Frankreich hat sich nach auswärts in verschiedener Beziehung ge rade jetzt so stark engagirt, daß es mehr als je auf den guten Willen der östlichen Großmächte ange wiesen ist, sonst wäre Baron de Courcel gewiß nicht nach Varzin gereist. Für die republikanische Regie rung Frankreichs wird es aber ebenso, wie für eine monarchische jeder Zeit eine Nothwendigkeit sein, nach außenhin activ vorzugehen; die Franzosen wollen das einmal, und so lange diese Politik nicht gegen uns gerichtet ist oder einen europäischen Krieg zeitigen kann, mag sie uns recht sein! "Waldenburg, 6. September 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Freitag den russischen Militärbevollmächtigten Fürsten Dolgorucki und später die Besuche des Prinzen Friedrich Karl und des Kronprinzen. Um 1 Uhr ertheilte der Kaiser den zum Regierungs-Vizepräsidenten in Kassel ernannten Herrn v. Magdeburg die nachgesuchte Audienz und nahm aus den Händen des neuernannten Gesandten für Uruguay, Ministerresidenten Gomar, dessen Be glaubigungsschreiben entgegen. Das Diner nahmen die Majestäten zusammen mit dem Kronprinzen und dem Prinzen Heinrich ein. Die Enthüllung des Göben-Denkmals in Kob lenz wird am 26. d. stattfinden. Derselben werden beiwohnen: Der Kaiser und die Kaiserin, das Kronprinzenpaar, die Prinzen Wilhelm und Albrecht, die Minister v. Bötticher und Lucius, und wenn es sein Gesundheitszustand erlaubt, auch Fürst Bis marck, der zu den wärmsten Verehrern Göben's gehörte. Zur Kaiserzusammenkunst schreibt die „Nat.- Ztg.": „Alle Combinationen über den Ort der Be gegnung bei Seite lassend, glauben wir als den für dieselbe festgesetzten Tag den 15. d. mit einer ge wissen Bestimmtheit bezeichnen zu dürfen. Auch der Rückkehr des Fürsten Bismarck nach Berlin darf für den 10. oder 11. entgegengesehen werden." Ueber den Hergang bei der Aufhissung der deut schen Flagge in Kamerun in Westafrika liegen jetzt nähere Meldungen vor, denen wir Folgendes entnehmen: Am 14. Juli vormittags begann der Act der Proclamation. General-Consul Or. Nach- tigal in voller Uniform, geschmückt mit zahlreichen Orden und Medaillen, begleitet vom Corvetten- Kapitän Hoffmann, Kapitän z. See Becker, vr. Schubert und einem Detachement Marinesoldaten mit Trommlern und Pfeifern, begaben sich nach dem auf einem Hügel errichteten, weithin sichtbaren Flaggenmast, vr. Nachtigal verlas hierauf den mit den Kamerunbewohnern abgeschlossenen Vertrag und proclamirte, daß er dieses Land als deutsches Territorium und im Namen Sr. Majestät des Kaisers und des Reiches in Besitz nehme und dasselbe unter den Schutz von Kaiser und Reich stelle. Bei dem Hoch auf den Kaiser wurde die deutsche Flagge aufgehißt und von den Soldaten drei Gewehrsalven abgegeben, womit die Feier beendet war. Am nächsten Tage sandte vr. Nachtigal ein Circular bei den Engländern im Kamerungebiete herum, worin hauptsächlich betont wurde, daß er hoffe, die guten Beziehungen zu den Deutschen würden dieselben bleiben wie bisher. Der bisher bestehende „Court of Equity" solle in einen „Kamerunralh" unter Vorsitz eines deutschen Vertreters umgewandelt werden. Bei einer persön lichen Zusammenkunft legte vr. Nachtigal noch dar, daß die deutsche Regierung zu ihrem Vorgehen hauptsächlich dadurch bewogen sei, daß sie deutsche Unlerthanen im Auslande schützen wolle. Die deutsche Corvette „Marie" ist nach Austra lien beordert. Unterwegs dorthin ist bereits die Corvette „Elisabeth" und die Kanonenboote „Nau tilus" und „Hyäne" sind dort stationirt. Es erregt das einiges Aufsehen, da an der westafrikanischen Küste nur ein Kriegsschiff weilt, die „Möve". Bei Wilhelmshafen finden bekanntlich große Flot tenmanöver statt. Man schreibt darüber der „Weser-Ztg.": „Die bisherigen Uebungen sind in sofern von großer Bedeutung gewesen, als sich in der Anlage der Küstenwerke wesentliche Lücken her ausstellten. So konnte Contreadmiral Graf Monts bei Horumersiel innerhalb 2 Stunden ca. 1500 Mann mit Geschützen landen, ohne wesentlich dabei behelligt zu werden. Ueber den Zusammenstoß zwischen der Cor vette „Sophie" und dem Dampfer „Hohenstaufen" schreibt der neueste Reichsanzeiger: „Am 3. Sept, nachmittags 1'/r Uhr lief im Zusammenhang mit einer größeren, nördlich Wangerooy abgehaltenen Uebung des Panzer-Geschwaders, dessen erste Divi sion, bestehend aus den Panzern „Baden," „Württem berg," „Sophie" hinter einander von Norden her mit Volldampf auf die Aade-Mündung zu. Es war Heller Sonnenschein, die See ganz still. Der Abstand zwischen „Baden" und „Württemberg" be trug 400, der zwischen dem letzteren und der „Sophie" 500 Meter. Der Dampfer „Hohenstaufen" kam von der Weser her mit einem Cours, der den der Division rechtwinklig zu schneiden schien. Die übrigen Theile des Geschwaders befanden sich 1000 bis 1500 Meter hinter der „Sophie" und war so mit der nöthige Raum zum Passtren für den „Hohen staufen" in vollem Maße vorhanden. Wider Er warten verharrte Letzterer indeß in seinem Cours, anscheinend in der Absicht, zwischen „Württemberg" und „Sophie" durchzufahren, ein Vorhaben, das er erst aufzugeben schien, als eine Collision unvermeid lich war. Die „Sophie" erhielt ein Leck, das von Deck bis nahe an den Kiel in einer Breite von ein bis zwei Metern reichte. Der „Hohenstaufen" hatte nur etwa ein Meter über der Wasserlinie ein Leck im Vorsteven erhalten. — Eine Beschädigung von Personen ist bei dem Unfall nirgends vorgekommen. Wie man aus guter Quelle hört, soll der neue Reichstag in der ersten Hälfte des November zu sammentreten. Der Termin der Wahl wird jetzt in Varzin festgesetzt, wo Staatssekretär von Bötticher eingetroffen ist. Es hat einigermaßen überrascht, daß der Wahl aufruf der deutschconseroativen Partei zu den Reichs tagswahlen ohne jede Unterschrift erschienen ist. Ueber die Vorgeschichte des Schriftstückes wird nun bekannt, daß am 26. August eine Conferenz der Abgeordneten von Levetzow, Frhr. von Minnigerode, Frhr. von Hammerstein, von Rauchhaupt und von Helldorf-Bedra im Reichstagsgebäude abgehalten und dort der veröffentlichte Entwurf redigirt wurde. Die Herren von Helldorf-Bedra, Frhr. von Hammerstein und von Levetzow bilden den geschäftsführenden Ausschuß der Partei. Eine Mittheilung der „Danziger Zeitung", die aber wohl noch eine Bestätigung nothwendig macht, will wissen, daß an der Ostseeküste neue Befe stigungen in größerem Maßstabe errichtet werden sollen. Danzig soll nach der Seeseite hin mehrere neue Befestigungswerke erhalten, die Einfahrt von Pillau soll durch Panzerforts geschloffen, ebenso sollen bei Memel Panzerforts errichtet werden. Die Reise des Kriegsministers General Bronsart von Schellendorf, im Frühsommer d. I., nach Königs berg, Pillau und Danzig soll hiermit im Zusammen hang gestanden haben. Ueber die Vertheilung der Einwohner Deutsch lands auf die einzelnen Berufsklassen giebt das soeben erschienene „Statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich" interessante Notizen. Der Land-