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Anzeiger. Amtsblatt des Kvnigl. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Leipzig. M 54» Dienstag den 23. Februar. 1864. Verhandlungen der Stadtverordneten am 17. Februar 1864. (Auf Grund des Protokolls bearbeitet und veröffentlicht.) (Fortsetzung und Schluß.) Es folgte der Vortrag zweier Gutachten des Schul- und StiftungsauSschuffes (Referent Herr Adv. Helfer) betreffend: 3. Die Einhebung der Schulgelder in den Schulen und -die Anstellung eines dritten Schulgelder-Einnehmers. Der Rath schreibt hierüber: „So wenig uns auch die von den Herren Stadtverordneten angeführten Gründe für das Beharren auf Ihrer Ansicht, daß das Einheben des Schulgeldes in den Schulen selbst vom moralischen Standpuncte nicht gerechtfertigt sei, von der Richtigkeit dieser Meinung überzeugen konnten, so beschlossen wir doch bei der Wichtigkeit dieser Frage nicht nur noch fernere Erfahrungen an unseren Schulen durch sorgsame Beobachtung aller einschlagenden Vorkommnisse zu sammeln, sondern auch zu gleich über die auswärts gemachten Erfahrungen Erkundigungen einzuziehen. „Wenn uns nun die seitdem verstrichene fast einjährige Frist reiche Gelegenheit dargeboten hat, uns in unserer Ueberzeugung über die völlige UnschLdlichk it dieser Maßregel in moralischer Be ziehung sowie über deren Zweckmäßigkeit aus administrativen Gründen nur noch mehr zu bestärken, so dürfen wir wegen der Rechtfertigung uns füglich auf unsere früheren diesfallsigen Aus führungen beziehen und fügen denselben nur noch Folgendes bei. „Die Herren Stadtverordneten glauben dem Gutachten der betreffenden Herren Schuldirectoren kein Gewicht beilegen zu sollen, weil sie in demselben nicht übereinstimmen, und überdies dem Familienleben der in Frage kommenden Einwohner kreise unserer Stadt ferne stehen. Dem ist jedoch einzuhalten, daß drei Direktoren sich übereinstimmend für die Richtigkeit dieser Maß regel ausgesprochen haben, und daß, wie wir wiederholt aus drücklich vetonen müssen, der von dieser Ansicht abweichende eine Direktor gerade derjenige ist, welcher dieser Angelegenheit bis dahin die wenigste persönliche Theilnahme und Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Hiernach dürfte leicht abzuwägen sein, welcher Begutachtung eine Bedeutung beizulegen ist. Weiter aber meinen wir mit gutem Grunde, daß wohl Niemand so vielfache Gelegen heit hat, mit den Aeltern unserer Bürger- und Armenschüler zu verkeyren, als gerade die Direktoren der betreffenden Schulen, und daß, wenn dieselben Klagen der Aeltern über diese Schulgeld- Erhebungsweise nicht vernommen haben, dies wohl der gültigste Beweis dafür sein möchte, daß solche Klagen überhaupt nicht oder doch nur sehr vereinzelt geführt werden. „Wenn ferner die Herren Stadtverordneten bezüglich des von ' der Zeitersparniß hergeleiteten Grundes für die dermalige Schul geldererhebung die Bekanntschaft mit den Wünschen und Verhält nissen der mtttlerrn Bürgerclaffen für sich allem in Anspruch zu nehmen scheinen und darauf die Richtigkeit Ihrer Anschauungs weise gründen, so dürfte hiergegen doch wohl nicht unbeachtet bleiben, daß die Mitglieder unseres Collegiums, aus Ihrer Wahl und zumeist auS Ihrem Collegium hervorgeaangen, den verschie densten Berufsfreisen angehören, und sowohl vermöge ihrer amt lichen als bürgerlichen Thätigkeit gewiß eben so reiche Gelegenheit haben, wie Sie, sich über die Wünsche und Verhältnisse aller Claffen unserer Bevölkerung zu unterrichten, und es müßte in der That Wunder nehmen, wenn denselben gerade in dieser Frage Beobachtungen versagt blieben, welche Ihre Auffassung zu be stätigen vermöchten. Letztere hat uns jedoch veranlaßt, unsere Erörterungen gerade auch diesem Punkte ganz specieü zuzuwenden und da durch dieselben unsere Ansicht nur bestätigt worden, so müssen wir auch jetzt noch bei derselben beharren. „Das allerwichtigste Moment für die von uns vertretene Ent richtung des Schulgeldes in den Schulen dürfte aber darin zu inden sein, daß auch anderwärts die gleiche Einrichtung und zwar ohne moralischen Nachtheil besteht. So z. B. in Chemnitz, woselbst noch Niemand Anstoß varan genommen oder erziehliche Nachtheile davon bemerkt hat, und in Dresden, woselbst nicht nur in den Bezirks- und Armenschulen, sondern in allen öffentlichen Schulen einschließlich des Gymnasiums und der Realschulen diese Erbebungs- art gehandhabt wird und zwar ohne daß „irgend welcher Nachtheil davon bis jetzt sich herausgestellt hat." „Schwerlich möchte aber behauptet werden wollen, daß eine Maßregel, welche fast als Regel auch anderwärts — denn wir könnten leicht noch andere Beispiele anführen — in Ausübung sich befindet, vom moralischen Standpuncte sich nicht rechtfertigen asse, denn es ist gewiß nicht anzunehmen, daß die Behörden der Orte, wo sie stattfindet, auch diesem Standpuncte vorzugsweise die erforderliche Beachtung, so wie es ihre Pflicht erheischt, ange deihen lassen werden. Noch mehr müßte man aber glauben, daß, wenn die Anschauungsweise der Herren Stadtverordneten wirklich begründet wäre, die oberaufsichtführenden Schulbehörden dieser nahe-, liegenden Frage ihre Aufmerksamkeit sicher zugewendet und eine Aenderung hierin angeordnet haben würden. „Müssen wir sonach auf unserer früher dargelegten Ueber zeugung beharren, so sind wir doch gern bereit, in sorgsamer Beachtung der Wünsche der Gemeindevertretung die Modisication einzuführen, daß es künftig den Aeltern freigestellt werden soll, das Schul geld auch m den Schulen, in denen die Erhebung in letz teren selbst erfolgt, monatlich oder vierteljährig pränumerando in der Schulgelder-Einnahme abzuführen, so daß es dadurch in deren Hand gelegt ist, sich von der Ent richtung des Schulgeldes durch ihre Kinder in den Schulen, wenn sie solche für wünschenswerth nicht erachten, selbst befreien zu können. „Unter dieser Modisication hoffen wir uns nunmehr in Über einstimmung mit den Herren Stadverordneten zu befinden und demzufolge Ihrer Zustimmung zur Anstellung des unentbehrlichen dritten Schulgelder - Einnehmers mit 450 Thlr. jährlichem Gehalte bedingungslos entgegensetzen zu dürfen." Das Gutachten des Ausschusses erklärte sich zum Theil mit Rücksicht darauf, daß durch die neue Art der Einhebung der Schul gelder, wobei es in das Ermessen der Aeltern gestellt wird, ob sie in der Schule oder in der Schulgelder-Einnahme zahlen wollen, den früheren Wünschen und Anträgen im Wesentlichen entsprochen wird, für den Beitritt zum Rathsbeschlusse. * Dem wurde eingehalten, daß selbst nach Annahme des Raths- vorfchlags für Diejenigen, welche in der Schule sortzahlen, die Unannehmlichkeiten dieser Erhebung in keiner Weise beseitigt wür den, und daß es nach Lage der Sache und da die Motive der früheren Beschlüsse des Collegiums vom Rathe nicht widerlegt worden, gerathen sei, auf eben diesen Beschlüssen zu beharren. Letzteres lehnte der Ausschuß indeß gegen 3 Stimmen ab. Er beschloß der Versammlung den Beitritt zum Rathsbeschlusse unter den Bedingungen anzuempfehlen, daß 1) die Zahlung stets in emem besonderen Zimmer erfolge, 2) den Aeltern in jedem einzelnen Zahlungsfalle die Wahl des Zahlungsortes freistehe, und 3- jedeSmal den Kindern mitgetheilt werde, daß den Aeltern die Entschließung über den Ort der Zahlung sreistehe. Nach Eröffnung der Debatte bemerkte Herr Ru dl off, daß das Gutachten des im Rathsschreiben erwähnten einen Schul direktors, welcher sich gegen die Erhebung des Schulgeldes in dsr Schule ausspreche, der höchsten Beachtung werth sei, wenn man bedenke, wie es entstanden. Dieser Schuldirektor nämlich habe die ganz richtige Maßregel ergriffen, vor Abgabe des Gittachtens die sämmtlichen Lehrer an seiner Schule um ihre Meinung zu fragen;