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Nummer 210 — 2«. Jahrgang -»scheint «mal wSchenIIIch Mit den illustriert«, Cratirdeilageu ^l>!« Well' »,»!> .Für unsere kleinen Leute", sowie den Leri- veilagen »llnlcrhallmia Nttd Wissen", »Kirche und Welt". »Die Welt der Fmu", »Slerziiicher Rntgeber", »Literarische Beilage". »Filnirnudlchun". Mo! niiicher Vcziinsprets 3.- Mk. clnschl. Uesiell^eld. Li>>zelniniuner IN <s, Sonntagnnmnier ütk Z, Hauplschrislieiler! Dr. G. Desczyk, Dresden. Sächsisch «Sonnaven-»i«. September 1S27 Anzeigenstriise l Di« Igesstaltene Pelitzeiie ittt .1, Familien- an,einen und lZtellennefuche T0 4- Die Petitreklamezeil». SS Millinieler breit, I .e Osferiennebühr so 4. bei lieber- seudung durch die Post austcrdeni Portozuschlag. Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Perpsttchiung aus Lieferung sowie CrsüUnng v. Anzeigen-Sluslrägen n. Leistung v, Schadeuersat «eschiiftlichcc Teilt Strtur Lei',. Dresden. r7nz. Bankkonto: Erodtbant Dresden Ar, utliu Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen VolkSzettnug Dresden Altstadt 1, Polierstrahe 17. Fernruf 2M1l und rlvl2. Seulsche Zenkrumspolltik. Bon Abg. B. EuLrard. Fn der deutsch-demokratischen „Fnmkfurter Zeitung" vom 31. Juli und vom 23. August hat Dr. H. Teipel, Berlin, ehemals Redakteur der „Germania", zwei Artikel veröffentlicht, betitelt „Zentrumssragen" und „Die Ent scheidung liegt beim Zentrum". Es mag dahingestellt bleiben, ob Dr. Teipel sich inner lich noch zum Zentrum rechnet. Seine Artikel bedürften keiner Erwiderung, wenn nicht in ihnen ebenso gehässige wie unwahre Angriffe gegen den Parteivorsitzenden Dr. Marx, gegen einen nicht näher umrissenen Teil der Zen trumsfraktion des Deutschen Reichstages sowie gegen den Reichsarbeitsminister Dr. Brauns und den Verfasser dieses Artikels gerichtet wären. Dem Reichskanzler Dr. Marx wirft Dr. Teipel vor, daß er sich durch den Mißtrauensantrag der Sozialdemo kraten im Dezember 1926 persönlich gekränkt gefühlt habe and das; durch die unpolitische Einstellung des Reichskanz lers die Situation in der Fraktion geändert worden sei. Bon Dr. Brauns und von EuSrard behauptet Dr. Teipel, das; sie zusammen die Sache mit der Rechten geschoben hättest. „Dem Willen det Partei entsprechende Fraktions beschlüsse seien Uber Nacht ohne Not umgeworfen und in ihr Gegenteil verkehrt worden/ Hierzu sei zunächst bemerkt, das; Dr. Teipel nicht zu veil Herren Journalisten gehört, die Zutritt zu den Sitzun gen der Zentrumsfraktion des Reichstages haben. Dr. Teipel geht daß er von einem r Führer der Deutschen . , . . . den er auch mit den Personen Brauns und GuLrard in Ver bindung bringt. Dr. Brauns hat diese Verdächtigung bereits öffentlich als unwahr erklärt. Das tue auch ich hierdurch. Es ist keiir ivahres Wort an dieser Behauptung. Ich habe mich in meiner Rede im Deutschen Reichstage vom 4. 2. 27 über die Vorgänge bei der letzten Regierungs bildung und die Stellung der Zentrumsfraktion des Reichs tages klar und eingehend geäußert. Diese Rede ist überall beachtet und und auch von unseren Wählern im Lande ver standen worden. In ihr habe ich dargelegt, daß die Zen- trumsfrcrktion nicht leichten Herzens in die neue Koalition gegangen ist. daß sie dies erst getan hat, nachdem alle ande ren Möglichkeiten, zu einer Beendigung der schon sieben Wochen dauernden Regierungskrise zu kommen, erschöpft waren, im Bewußtsein ihrer Verantwortung vor Volk und Vaterland. Die Fraktion ist aber auch während der Krise durch aus einheitlich gewesen. Sie hat alle wichtigen Entscheidun gen nach Vorbereitung durch den Fraktionsvorstand ein mütig getroffen. Cs ist geradezu absurd, wenn Dr. Teipel behauptet, daß über Nacht wichtige Beschlüsse der Fraktion in ihr Gegenteil verkehrt worden seien. Nur Vorstand und Fraktion haben EnMeidunasn getroffen Der geschäftsführende Vorsitzende von Guerarv, der Schreiber dieser Zeilen, hat niemals irgendwelche Be sprechungen ohne Kenntnis des Vorstandes und der Frak tion gehabt, geschweige denn Abmachungen getroffen. Auch zwischen Dr. Brauns und von 8u4rard hat während der Krise niemals eine be ondere Besprechung Meinungsaustausch zwi chen ihnen war nur im der Fraktion und in dieser selbst. Es kann jederzeit an der Hand der Beschlüsse des Vorstandes und der Fraktion selbst, wie sie in den Protokoll büchern niedergelegt find, die Haltung der Fraktion wäh rend der Krise dargelegt werden. Hier sei nur folgendes hervorgehoben: Ausweislich der Protokollbücher hat an allen maß gebenden Sitzungen des Vorstandes und der Fraktion wäh rend der Regierungskrise der Abgeordnete Dr. Wirth teil- aenommen. Er und der Abgeordnete Joos find die Ver fasser der berühmten Kundgebung der Fraktion, die die Politik der Partei in der Vergangenheit und für die Zu kunft umreißt. Unter rednerilcher Beteiligung Wirths er klärte sich die Fraktion am 21. Januar mit Vieser Kund gebung einverstanden und beschloß einstimmig, „daß damit für Dr. Marx der Zugang für Verhandlungen eröffnet sei." Ebenso einmütig und unter Teilnahme Dr. Wirths wurden durch Fraktionsbeschluß vom 26. Januar die Richt linien der künftigen Regierungspolitik gebilligt und damit die Grundlagen festgelegt, bezüglich deren eine Bindung der künftigen Regierungsparteien als Voraussetzung unseres Mitwirkens notwendig war. Der Weg war damit gewiesen. Am folgenden Tage, also am 27. Januar, erklärte dann Dr. Wirth in der Fraktion, daß er der in der Bildung be- L>i< heutiae «ummer enthält dt« Beilage „Die Welt »ee »ran- Jeden Tag eine neue Luge Das wechselvoUe Spiel in Genf — Dörflas; -er Warschauer Regierung Der Ausgang ungekliirl Die Friedenssormel Gens, 9. September. Kaum eine andere Vülberbundstagung hat ein so lvechsel- volles Gesicht getrogen, wie die jetzige. Wer gestern es für ziemlich feststehend hielt, daß es zu einer Erklärung der Haupt mächtegruppe über die Verpönung des Krieges, sowie zu Reden führender Ratsmitglieder kommen würde, mußte am Abend sich schon wieder zu einer anderen Meinung bekehren lassen. Die Warschauer Regierung hatte der polni schen Delegation di« Weisung gegeben, eine weitgehende Abänderung der von den Loearnomächten geplanten Resolution zu verlangen. Eine offizielle Mitteilung über diese Abänderungssorderungen liegt noch nicht vor. Es soll sich aber noch zuverlässigen Nachrichten um die Erweiterung der Resolution durch folgenden Wortlaut handeln: 1. Jeder Angriffskrieg ist und blelbt verboten. 2. Zur Beilegung internationaler Strei tigkeiten sind ausschließlich friedliche Mittel anzuwenden. 3. Die Mitgliedstaaten übernehmen die verpslich- t un g, sich zu den oben angeführten Grundsätzen zu beken nen »nd ihr« gegenseitigen vertraglichen Beziehungen aus, den Grundsätzen dieser Erklärung aufzubauen. Infolgedessen lädt die Bersammlung di« Mitgliedstaaten des Völkerbundes ein. den Abschluß von Nicht angriffspakten vorzunehmen, geleitet von dem Gedanken, daß alle friedlichen Mittel für die Regelung inter nationaler Streitigkeiten, die sich zwischen ihnen ergeben könnten, angewendet werden müssen, welcher Art dies« auch sein könnten. Damit ist die Lage in Gens wieder völlig umgeschlagen. Ran rechnet damit, daß die Resolution ln ihrer neuen Form; den Beifall der drei Locarnomächte kaum finden dürste. Auch die deutsch« Delegation dürft« sich mit dieser Formulierung nicht absinden. Sie hält an ihrem Standpunkt fest, datz dir, Sicherheit im Osten durch die Locarnovertriige hinreichend garantiert sei. Insofern hält man eine besondere Aufforde rung zum Abschluß von Nichtangriffspakten, wie sie in der polnischen Resolution enthalten ist. nicht mehr für nötig. Di« neu« Formulierung ist abermals zu den suristi- scheu Sachl>erständigen gewandert. Man wird sich natürlich bemühen, auf der neuen Grundlage eine Einigung zu erzielen. Ein Erfolg ist aber sehr fragwürdig. Es ist nicht aus geschlossen, daß sich bei der neuen Sachlage die Verhandlung« in die Länge ziehen. Es verlautet jedoch, daß Reichsaußenminister Dr. Stre- semann heute Freitag nachmittag unabhängig von diesen Fragen in der Generaldebatte das Wort ergreifen wird. Beginn »er Vollsitzungen Dens. 9. September. In der gestrigen stark besuchte, Bormittagssitzung der Bülkerbundsversammlung entwickelt^ der litauische Ministerpräsident Woldemara» in weit ousholenden Darstellungen die Entstehungsgeschichft und die Bemühungen des Völkerbundes seit seiner Entstehung, insoweit sie auf die Sicherung des Friedens Beziq; haben, und gelangte zur Feststellung: Der Völkerbund hat die Pflicht, den Friede» zu organisieren. Kann er das nicht, so wird er ver schwinden. — Außerdem behandelte Woldemaras das Problem der osteuropäischen Staaten, die wie er betonte, einen bedeu tende» Faktor für den Frieden Europas darstellen. Ham« bro der Präsident der norwegischen Kammer, griff die Groß mächte des Rats mit verhältnismäßig scharfen Worten an und warf ihnen vor, daß noch nicht ein einziges ständiges Rats« mitglied den Art. 36 des Status des ständigen internationalen Gerichtshofes im Haag über die obligatorische Schiedsgerichts barkeit unterzeichnet habe Die oratorisch und gedanklich interessanteste Rede der bisherigen Tagung hielt der griechische Delegierte Potttis. Er bestritt zunächst die Berechtigung des Vonvurss, der Völ kerbund zeige ein Nachlassen oder Versagen in bestimmten Konfliktssällen. Es sei eigentlich nur noch eine Lücke zu Wie- ßen, die des Art. 16, der Konflikte politischen Charakters nicht unter die Schiedsgerichtsbarkeit oder die Jurisdiktion des Bundes stelle. Aus dem Ehrgeiz, diese Lücke zu schließen, sei die Krise des Genfer Protokolls entstanden. Der Tag wird kommen, so ries Politts aus. wo die Prinzipien des Pro tokolls das Gesetz der Menschheit sein werden! Schieds gerichtsbarkeit ohne Saktionen sei unsahbar. <Hier wurde der Redner durch den Applaus der französischen Delegation unterbrochen.) Das Genfer Protokoll könne auf das Reifen der öffentliäien Meinung warten und dürfe nicht stückiveise verwirklicht werden. Politis der als einer der Mitverfasser des Genfer Protokolls die aktuellen Fragen stark unter den Schatten dieses elfteren gestellt k-atte, fand bei Schluß seiner fast «inständigen Rede den lebhaftesten Beifall. Die Nachmittagssitzung wurde durch eine Rede des eng lischen Delegierten Sir E. Wilton Aoung eingeleitet, der als Teilnehmer an der Weltwirtschaftskonferenz deren Leistungen in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte. Die gestrige Rednevgarnitnr wuvde abgeschlossen durch de« ungarischen Delegierten Grase« Apponqi. In bezug auf die allgemeinen Leistungen des Völkerbundes zählte er als Aktive» gleichfalls die Weltwirtschaftskonserenz und ferner den Locarnopakt mit seinen unmittelbaren Konse quenzen auf. Als Passiva bezeichnete er vor allem den un vollkommenen Schutz der Minderheiten. Ein zweites Passivum sei di« Nichterfüllung »er allgemeine« Abrüstungsverpslichtung. Der Redner veriveilte dann länger l>ei den Vorarbeiten de» Abrüstungsausschusses und erklärte u. „Es wäre der Bankerott des Völkerbundes, wenn ihm di« Aufgabe der Abrüstung nicht gelänge!" Es sei eine Illusion, auf die Dauer einen Zn'ong auf das Schicksal einzelner Völker ausüben zu können. Lebljaftcr Beifall im ganzen Hause folgte der Rede, worauf di« gestrig« Sitzung geschlossen wurde. griffenen Regierung sein Mißtrauen aussprechen werve. Ein« gleiche Erklärung gab Dr. Wirth in der Fraktion»« sitzung vom 3. Februar ab. Seitdem hat Dr. Wirth be dauerlicherweise an keiner Sitzung der Fraktion mehr teil genommen. In der zeitigen Regierung hat die Fraktion dahin ge wirkt, daß Schroffheiten in der deutschen Politik unter blieben und daß der Aufbau des Deutschen Reiches in verfassungsrechtlichem und sozialfortschrittlichem Sinne er folge. Einmütig hat die Fraktion die Festigung der Repu blik gerade in der neuen Koalition als eine Hauptaufgabe betrachtet entsprechend dem Bekenntnisse des Manifestes „es gibt für uns keine andere staatliche Wirklichkeit als die Deutsche Republik mit ihren Symbolen." Die Verlängerung des Republikschutzgesetzes fordert« das Zentrum, und es erreichte sie. Der erfreu IlcheFtaggenerlaßdesReichs- Wehrministers war unter einer Regierung möglich, in der vier deutschnationale Minister sitzen. Zugegeben muß werden, daß die Haltung der deutschnationalen Presse in letzter Zeit zu erheblichen Bedenken Anlaß gibt. Aufforde rungen zur Propaganda für die Monarchie, wie sie das offizielle Blatt der Deutfchnatlonalen, die ..Kreuzzeitung", rte. lind und oer. ttt« Auault brachte. irotzengegendkeRichtltnken. Mit diesen Dingen werden wir uns noch zu beschäftigen haben. An dem Zustandekommen des größten sozialpolitischen Werkes der Nachkriegszeit, der Erwerbslosenversicherung, haben ganz hervorragende Verdienste Mitglieder der Zen- trumsfraktion, insbesondere der unermüdliche Vorsitzende des sozialpolitischen Ausschusses, der Vizepräsident des Reichstages, Esser, und der Berichterstatter dieses Aus schusses, Abgeordneter Andre. Besondere Schatten §virft zur Zeit das Reichsschul« gesetz. Die Richtlinien fordern Erlaß eines Schulgesetzes unter Wahrung der Gewissensfreiheit und des Elternrechtes und grundssitzliche Gleichstellung der im Artikel 146 der Neichsverfassung vorgesehenen Schularten sowie Sicherung des Religionsunterrichtes. Der Entwurf der Reichsregie rung entspricht im allgemeinen diesen Forderungen, wenn schon auch wir Verbesserungen einzelner Bestimmungen, so der über den Religionsunterricht, wünschen. Wer gegen die Bekenntnisschule kämpft, setzt sich in Widerspruch mit der kulturpolitischen Ueberlieferung des Zentrums seit seiner Gründung, er vertritt nicht mehr des Zentrums Weltanschauung. Daraus könnte aber die größt« Gefahr für unseren Bestand entstehen. Denn nur ge schlossene Weltanschauungsparteien können in Deutschland «roß« volitilcbe Barteten sein.