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Montag Nr 244 1. September 184S. Leipsig. D» Ä,Uun8 «rsch'Inl täglich Abends, Al, b-jtehrn durch alle VlftLmter des In- und Ausland«?. Deutsche Allgemeine Zeitung. Preis für das M»rt«l« iahr -2 Tblr, - Insertionsgebühr für den Raumelner A'il« 2 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» U-be-bli». Deutschland. —München. Festlichkeiten. Gewitter, k Dresden. DaS Jubelfest zu Kötzschenbroda. 0 Leipzig. Constitutionsfest.— Hannoversche Grenzwache. s Karlsruhe. Die Wahlen. Die Fragen des Landtags. OZena. Berichtigung. * Gotha. Die Königin Victoria. Preußen. Königsberg- Verbot der protestantischen Freunde. f-Äus dem Grossherzogthum Posen. Die Mäßigkeitsvereine. CzerSki in Czar- nikau. Die Rinderpest. **Breslau- Die Deutsch-Katholiken. *pon der Oder. Irland und die Rheinprovinz.— Begnadigung. —Die Deutsch-Ka tholiken in Sprottau. Defkerreich. Kirchliches. Epanien. Hie Unruhen in Madrid. Großbritannien. Die Times über die Nationalvertheidigung. Die Ostindische Compagnie. Hr. Everett. Nachrichten aus Austranen und vom Cap. Frankreich. Die Wähler. Die Bretschneider. Die Zimmerleute. ** Paris. Marschall Bugeaud. iRußlanb unb Polen. Große Judcntaufc. Perfonalnachrichten. Wissenschaft und ötunft. Zürich. Prof. Hasse. — Die Revue des deux Mondes. — Spanische Nachdrucker. — Der Luftschiffer Green. Handel und Industrie. "Leipzig. Oelhandel. — Schwefelzölle. — Berlin. Stnkündigungen. DeutschlanS. — München, 27. Aug. Ohne daß vom Hof aus, durch die städ tischen Behörden oder durch einzelne an die Spitze der übrigen Bürger tretende Einwohner irgend ein Impuls gegeben worden wäre, haben wir vorgestern und gestern doch zwei improvisirte große Festtage gehabt, frei lich ohne officielle Schmückung der Häuser und Straßen, ohne daß Wein aus Brunnen geflossen und in Buden Eßwaaren aller Art zum Besten gegeben worden wären, und auch ohne freies BolkSlheater; aber dafür so ein recht eigentliches Volksfest, wo Jeder thut, wozu er Lust Hat, und über dessen Geist kein Zweifel obwalten kann, wenn man eben wahrnimmt, daß Alle mehr oder weniger das Nämliche thun. Vorgestern war der Haupttag in dieser Beziehung, und in Folge zusammcntreffendcr Umstände erhielt derselbe zugleich die kirchliche Mitwirkung. Alle Tempel waren überfüllt, und nach dem Gottesdienste ging cS an allen Vergnügungsorten zu, als wenn überall Hochzeiten und Kindtaufen zugleich gefeiert würden. An Intermezzi aller Art fehlte es auch nicht, denn schon die Hunderte von Welten, welche ausgetrünkcn werden mußten, gaben immer neue Veranlassung dazu. Welcher Geist hier in dieser Beziehung herrscht, mag unter Anderm daraus erhellen, daß sich seit Wochen im Stillen eine an sehnliche Gesellschaft von Bürgern gebildet hatte, des Zwecks, sich in dem Augenblick in einem bestimmten Gasthause zu versammeln, wo die Kano nenschüsse die Geburt eines Prinzen anzeigcn würden. Richtig fand sich denn auch die Gesellschaft bald nach 3 Uhr früh zusammen, und hie sige Blätter rühmen cs heute sogar, daß die Herren pünktlich genug ge wesen seien, um die Champagnergläser schon in der Hand haben zu kön nen , bevor noch die letzten Schüsse gefallen waren. Gestern ging es etwas weniger herzlich und zusammengreifend zu. Die etwas hcrabgekommcnen Nymphenburger hatten ihre Häuser und Häuschen zwar L In muck« mit Teppichen rc. geschmückt, aber ohne irgend etwas Bedeutendes schaffen zu können, und die heiße Augustsonne vertrieb die durstigen Münchener bald von einem Orte, zu dessen Vorrechten es gehört, schlechtes Bier zu schen ken. Die höchsten Herrschaften dinirten bei dem Kronprinzen nach voll zogener Taufe, mit Ausnahme des Königs und der Königin von Preu ßen, die zum Erstaunen der versammelten Menge unmittelbar nach der Taufe wieder zur Stadt fuhren, da speisten und schon um 5 Uhr nach Ischl abreisten, bis wohin der König seine Gemahlin begleiten und dann die Rückreise nach Preußen antretrn wird. Heute ist so ziemlich Alles wieder im alten Gleis, und cS bestätigt sich, daß morgen unser König ebenfalls München schon wieder verläßt, um bis zum Oktober auf dem Lande zu bleiben; dann werden wir in wenigen Tagen wieder die so plötz lich und freudig unterbrochene Stille haben. — Heute Nacht hatten wir ein heftiges Gewitter, und seitdem strömt der Regen leider wieder ohne Unterlaß. ^Dresden, 29. Aug. Das Jubelfest zu Kötzschenbroda ist vorüber und ich beeile mich, darüber zu berichten, da dasselbe immerhin eine allgemeinere Bedeutung hat, insofern eS an ein Ereigniß erinnert, das für Sachsen um so wichtiger, weil mit ihm die blutigen Gräuel des Dreißigjährigen Kriegs sür die sächsischen Lande ein Ende gewannen, und mit dem Factum, dessen Andenken jenes Fest geweiht war, die Reihe der Unterhandlungen begann, welche endlich nach dreijährigen diplomatischen Kreuz- und Querzugen dem gesammten deutschen Vaterlands den lang ersehnten, kaum noch gehofften Frieden brachten. Der bekannte Pra ger Friedensschluß (163.'») war um so mehr ohne nachhaltigen Erfolg geblieben, als Schweden dabei nicht berücksichtigt worden war, und erst als Torstenson durch seine Siege über die Dänen und die Oesterrei cher bei Magdeburg und später bei Jankowiz den österreichischen Erblan den bis Wien hin die größte Gefahr drohte, dachte man ernstlicher daran, diesen gefährlichen Feind auf alle mögliche Weise zu beseitigen. Kurfürst Johann Georg von Sachsen schloß, weil ihm vom Kaiser keine Hülfe mehr werden konnte, den Waffenstillstand mit den Schweden ab, welcher, von Zeit zu Zeit verlängert, endlich in dem Osnabrücker Frieden aufging; und bas geschah im Pfarrhausc zu Kötzschenbroda am 27. Aug. 1645. Oie zweite Jubelfeier dieses denkwürdigen Ereignisses war durch ein schon längere Zeit vorher gebildetes Festcomite, unter dessen Mitgliedern wir nur den Pastor Trautschold in Kötzschenbroda, als gcmüthlicher Dichter seit einem Vierteljahrhundert bekannt, den hiesigen königl. Justizamtmann . Hofrath Lucius und den Sccretair des hiesigen Alterthumövcreins De. Schäfer nennen, vorbereitet worden. Gcfchenkc, Sammlungen und frei willige Beiträge halten eine nicht unbedeutende Summe zur Disposition gestellt; cs war gelungen, im Orte selbst eine lebendige Theilnahme für das Fest zu erregen und dadurch ihm den Charakter eines gemeinsamen, eines Volksfestes zu verleihen, und cs ließ sich bei der günstigen Lage des OrtS, dicht an der Leipzig-Dresdner Eisenbahn und der Chaussee zwischen Dresden und Meißen, auch von andern Orten her vielfache Theilnahme erwarten. Diese Erwartung täuschte um so weniger, als das Fest vom Wetter sehr begünstigt ward, und man darf wol ohne Uebertreibung an- nehmcn, daß im Laufe deS Tages an 1^,009 Personen am Orte gegen wärtig gewesen sind. Am Sonntage vorher hatte der Pastor Trautschold in der ungemein reich und festlich mit Blumen und Kränzen geschmückten Kirche Vormittags für die erwachsenen Parochianen, Nachmittags für die Schulkinder eine Vorbereitungspredigt gehalten. Der ganze Marktflecken, nebst dem für das Fest bestimmten, sehr geräumigen Platze vor dem Ort, auf welchem an den beiden vorhergehenden Tagen das jährliche Vogel schießen abaehalten worden war, prangte in schönstem Schmucke der UM men und Kränze (das Pfarrhaus namentlich und viele andere Gebäiiss außerdem noch mit bezüglichen Bildern geschmückt) und der Fahnen in den sächsischen, bairischen und schwedischen Farben; die neu hergcstellte Außenseite der Kirchhofsmauer und mehrer umliegender Gebäude zeugte von der Theilnahme der Bewohner am Feste, und die Kirche sowie der im Pfarrhof aufgestellte Tisch, auf welchem angeblich einst der Waffen stillstand unterzeichnet worden, nebst dem dabei gebrauchten Tintcnfasse (durch eine messingene Gedenktafel mit der Inschrift: „Waffenstillstand zu Kötzschenbroda, d. 27. Aug. 1645. Psalm IV2 V. 19. Zweite Ju- bclfeicr, d. 27. Aug. 1845", bezeichnet) ward schon in den frühesten Mor genstunden durch eine zahllose Menschenmenge beaugenscheinigt. Gegen 8 Uhr bewegte sich unter Musik ein Zug in das Schülhaus, um von dort die Schuljugend der Parochie abzuholen und sic auf den geräumigen Platz vor der Pfarre zu geleiten, wo die religiöse Feier des Tages stattfindcn sollte. Die Communalgarde des Orts versah den Sicherheitsdienst an diesem Tag, und cs ist chr nachzurühmcn, daß sic diesem, bei ihrer gerin gen Zahl im Verhältniß zu der sehr großen Menschenmenge gewiß schwie rigen Geschäfte mit großer Hingebung und mit vollständigem Erfolge sich unterzog; zugleich ein Zeugmß für den tüchtigen Sinn des Volks und die Zweckmäßigkeit der getroffenen polizeilichen Anordnungen, welche durch die unermüdliche Thätigkcit des Hofraths Lucius in durchaus entsprechender Weise getroffen worden waren. Sehr wenige Polizeibeamte waren zu sehen. Nachdem gegen 9 Uhr der Zug sich vor dem Pfarrhaus aufgestellt hatte, begann die religiöse Feier mit Absingung eines vom Pastor Traut schold verfaßten Dankliedcs, von einem vierstimmigen Männerchor unter Musikbegleitung geleitet, in das, da Texte in hinreichender Anzahl vcr- theilt worden waren, auch die Anwesenden mit einstimmtcn. An dasselbe schloß sich die Festrede des Geistlichen, kräftig, frisch und frei: „Krieg und Frieden in ihrem Gegensätze wie in ihrer gegenseitigen Wechselbeziehung" behandelnd, mit geeigneten historischen Rückblicken, nur etwas zu lang, was noch mehr hervortrat, da das Organ des Redners für de» sehr wei ten Raum nicht ganz ausreichend erschien. Alle Fenster der umliegenden Häuser, selbst die Mauern und Dächer waren von Theilnehmcrn dicht ge drängt besetzt. Mit Absingung eines zweiten Chorals schloß diese Feier, und der Fcstzug setzte sich, durch eine große Menge von Fahnen in den manmchfaltigsten Farben und den verschiedensten Emblemen beschattet, in Bewegung. Von mehren Musikchörcn begleitet, unter ihnen das frciherrl. v. Burgk'schc Bergmusikchor, von entsprechend geschmückten Marschällen in seinen einzelnen Abteilungen geführt, durch Äbtheilungen der Commu- nalgardc eröffnet und beschlossen, begab sich derselbe die lange Hauptstraße