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' SS. Jahrgang. Sonntag, de« 18. April. -reit' erger Md Ta-MM.' Amtsblatt für die königlichen nnd Müschen Behörden zu Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Inserat« «erde« bi»Vormittag 11 Uhr augenom- MMUH/» mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H oder deren Raum 1b Pf. v Die Woche. Der deutsche Reichstag und der preußische Landtag haben nach einem ebenso arbeitsreichen wie aufregenden Sessionsabschnitt die Osterferien angetreten und damit ist in dem regen parlamentarischen Leben der deutschen Reichs hauptstadt eine für alle Betheiligten höchst willkommene Ruhepause eingetreten. Die jetzige Erholungszeit ist für die Volksvertreter eine wohlverdiente, denn beiden Parla menten waren in der letzten Zeit Aufgaben der schwierigsten Art gestellt, deren vollständige Lösung bei dem größten Eiser und dem besten Willen nicht zu ermöglichen war. Jetzt, wo man auf das Geleistete zurückblickt, zeigt es sich dem unparteiischen Beobachter, daß der deutsche Reichstag, trotzdem seine Verhandlungen und Abstimmungen nicht immer den gehegten Erwartungen entsprachen, in den ver flossenen fünf Monaten doch vieles Ersprießliche zu Stande gebracht hat, welches der deutschen Nation gedeihlich sein wird. Weit schwerer befreundet sich die öffentliche Meinung mit den hauptsächlichsten Ergebnissen der Berathunaen des preußischen Landtages, die sich unter einander fast zu widersprechen scheinen. Die Annahme der Polenvorlagen, welche den Schutz des deutschen Elements in den östlichen Provinzen Preußens anstreben, ist wenig geeignet, die mit der polnischen Fraktion befreundeten Mitglieder des Zentrums und die den erweiterten Machtvollkommenheiten der Re gierung abholden Deutschfreisinnigen recht zu befriedigen. Dagegen berührte die nationale Tendenz dieser Vorlagen die freikonservativen und nationalliberalen Elemente des preußischen Landtages höchst sympathisch. Um so be- betrübender wirkte aber aus diese letzteren Kreise die im Herrenhause in voller Uebereinstimmung erfolgte Annahme der durch die Kommissionsanträge und die Amendements des Bischofs von Fulda durchaus im Sinne des Vatikans umgestalteten Kirchengesetznovelle. Der Wunsch, für die noch den Osterferien dem Reichstage zugedachten neuen Zucker steuer- und Branntweinsteuervorlagen die Zustimmung des Zentrums zu erlangen, erklärt die Größe der von der preußischen Regierung gemachten kirchenpolitischen Zugeständ nisse keineswegs hinreichend. Der Frieden mit dem Vatikan hätte sich, nach Ansicht der meisten mittelparteilichen Politiker, bei größerer Geduld zu weit günstigeren Bedingungen erreichen lassen. Man ist desalb sehr geneigt anzunehmen, daß der außerordentlich vorsichtige deutsche Reichskanzler sich zu dem scheinbaren Widerspruch der Polenvorlagen und der Kirchengesetznovelle durch die Lage der auswärtigen Politik veranlaßt fühlte, daß er besonders den Kirchen frieden um jeden Preis rasch Herstellen wollte, um in einer Zeit der äußeren Gefahren des patriotischen Eifers der katholischen Staatsbürger völlig sicher zu sein. In Rußland scheint der Deutschenhaß wieder stark im Zunehmen, denn die Russifizirung der Ostseeprovinzen wird mit immer größerer Hast betrieben und man ist sogar jetzt schon im Begriff die Universität Dorpat ihres echtdcutschen Charakters zu berauben. Nicht minder deutschfeindlich verhalten sich unsere westlichen Nachbarn, die sich wieder einmal wie vor fünfzehn Jahren für „erzbereit" halten und sich ungescheut damit brüsten, daß Frankreich nach vollendeter Hecres- organisation militärisch stärker als Deutschland sei. Eine mit Genehmigung des französischen Kriegsministers kürzlich herausgeaebene Schrift, betitelt „Vor der Schlacht" „^vant, la lmtaillo", gab dieser übermüthiqen Stimmung den un verkennbarsten Ausdruck. Das Bestreben des deutschen Reichskanzlers ist nun offenbar dahin gerichtet, im Osten die unsicher« polnischen Kantonisten durch zuverlässige deutsche bäuerliche Elemente zu ersetzen, durch Festigung des innern Friedens mittelst kirchenpolltischer Zugeständnisse Deutschland aber auch gegen einen leichtfertigen Angriff von Westen her zu waffnen. Die Energie, mit welcher die offiziöse „Nordd. Allgem. Zeitung" neuerdings die allzu franzosenfreundlichen Artikel eines ungarifchen ministeriellen Blattes zerpflückte, deutete ebenfalls darauf hin, daß die deutsche Staatsleitung dem Wohlwollen der Nachbarn des Deutschen Reiches mehr als je mißtraut, das kleinste be denkliche Vorkommniß beobachtet und den Frieden im Innern des Reiches für dringend geboten hält. Daß auch die deutsche Kolonialpolitik mit Schneidigkeit betrieben wird, zeigte die derbe Züchtigung, welche der Gouverneur von Soden durch das Kanonboot „Cyklop" dem Häuptling von Moncy-Bimbia angcdeihen ließ, der seinen deutsch freundlichen Oheim ermordet und sich geweigert hatte, sich vor den deutschen Behörden zu rechtfertigen. Das österreichische Abgeordnetenhaus hat die i Budgetberathung beendet und das ganze Finanzgesetz mit ' mehr als einer halben Milliarde Einnahmen und Ausgaben ;on entsprechenderHöhe verhältnißmäßig schnell genehmigt. Bei »er darauf folgenden Berathung des Landsturmgesetzes er- > »oben die deutschnationalen Abgeordneten der schärferen > Tonart Widerspruch, indem sie die Befürchtung aussprachen, daß die Czechen und Polen aus dem Landsturm czechische und polnische Honveds machen würden und daß dieser . Landsturm jede Gelegenheit benutzen würde, um seinem Jasse gegen das deutsche Landsturmvolk Luft zu machen. ! Einen tiefen Eindruck machten die Worte des Aba. Knotz: . „Wir waren durch Jahrhunderte Glieder des deutschen Vaterlandes. Wir mißtrauen dieser Regierung, weil ihre Politik in Widerspruch steht mit der äußeren Politik, weil sie sich beeinflussen läßt von der slavischen Majorität. Das Bündniß mit Deutschland kann nicht gelockert werden, ohne daß es zu Aktionen kommt, welche für unseren Staat ver hängnißvoll, für die Czechen schrecklich werden könnten, während wir uns als Glieder der großen deutschen Nation vielleicht am allerwenigsten zu fürchten hätten". Der Landesvertheidigungsminister suchte die erhobenen Bedenken zu widerlegen und wies darauf hin, daß Oesterreich sich erst recht wehrfähig machen müsse, wenn es von Deutsch land als werthvoller Bundesgenosse anerkannt sein wolle. Anstatt dem Widerwillen der italienischen Kammer- mehrheit zu weichen, wie er anfangs zu beabsichtigen schien, hat der Ministerpräsident Depretis sein bereits eingereichtes Entlassungsgesuch wieder zurückgezogen und den König Humbert veranlaßt, das Parlament zu vertagen. Damit ist der Bestand des jetzigen Regiments auf einige Zeit ge sichert, ohne daß die Schwierigkeiten der Lage beseitigt wären. Die sozialistischen Wirren, besonders die Unruhen der landwirthschaftlichen Arbeiter im Norden Italiens sind noch nicht völlig beseitigt, außerdem sind in italienischen Hafenorten bereits wieder drohende Anzeichen einer im Entstehen begriffenen Choleragefahr bemerkt worden. Seit der Zurückberufung des Generals van der Smissen ist der Muth der belgischen Arbeiterpartei wieder be deutend gewachsen. Dieselbe organisirt für den 25. und 26. April d. I. einen allgemeinen Kongreß, der in Gent stattfinden soll. Bei dieser Gelegenheit soll eine großartige sozialistische Kundgebung inszenirt werden. Inzwischen meldet man aus verschiedenen Distrikten Belgiens neue Arbeitseinstellungen. In Basecles bei Mons ließen die Streikenden alle Maschinen anhalten, ohne daß jedoch Zer störungen derselben erfolgt wären. Bei den Verhandlungen, welche in Charleroi wegen Wiederaufnahme der Arbeit in den Kohlenwerken stattfanden, suchte der dortige Bürger meister vergeblich zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern zu vermitteln. Auch in Jumet, Lodelinsart, Marchiennes und ChosselicS ist die Arbeit noch nicht wieder ausgenommen worden. Mit einer anerkennenswerthen Entschiedenheit tritt die französische Regierung sowohl den Uebergriffen der Radikalen wie der Ultramontanen entgegen, wobei sic die Unterstützung der Mehrheit der Deputirkenkammer bisher noch immer glücklich erlangte. Durch die Verhaftung der beiden Genossen Rochefort's, welche die Streikenden in Decazeville aufzuwiegcln versuchten, wurde den Radikalen bewiesen, daß die Langmuth des Ministers Freycinet eine Grenze habe. Die Kammer ging über die Interpellation, welche die Regierung wegen jener Maßregel zur Rede stellte, mit großer Mehrheit zur Tagesordnung über. Einen ähnlichen Erfolg erzielte der Kultusminister Goblet, als der klerikale Rittmeister de Mun die Regierung heftig deshalb angriff, weil deren Organe in Chateauvillain bei Lecombe eine ohne ihre Erlaubniß errichtete Kapelle ge schlossen und den dabei geleisteten gewaltthätigen Widerstand rücksichtslos niedergeschlagen hatten. Die von dem englischen Premierminister Gladstone abgefaßte und im Unterhaufe fehr geschickt vertheidigte irische Reformbill steht noch immer auf der Tagesordnung, trotzdem das Unterhaus auf Antrag Morleys die zweite : Lesung bis zum 10. Mai verschoben hat. Männer der ver schiedensten politischen Richtungen wie Hartington, Salis bury, Goschen. Rylandts u. A. m. vereinigten sich am Dienstäg Abend im königlichen Opernhause in London zu einer unter dem Vorsitze des Earl Cowper, dem früheren liberalen Vizckönig von Irland, stattgefundenen Versammlung, welche gegen jede Sonderstellung Irlands entschieden prote- stirte. Trotzdem derartige Kundgebungen sich häufen, glaubt man dennoch, daß die Reformvorlage Gladstone mit einigen Abändemngen schließlich von der Mehrheit des Unterhauses genehmigt werden wird, weil man die'Irländer nicht durch vollständige Ablehnung zur Verzweiflung treiben möchte. Bei Gelegenheit der Anwesenheit des russischen Zaren in Südrußland soll eine Zusammenkunft oesselben mit dem Sultan stattfinden, für welche eine gleichzeitige Begegnung der russischen und türkischen Flotte in einem Hafen des Schwarzen Meeres geplant ist. Ein in der Nähe von Nowotscherkask rechtzeitig entdecktes Lager von Sprengstoffen hat in den russischen Regierungkreisen den Glauben an die bisher unbezweifelte Zuverlässigkeit der dänischen Kosaken sehr erschüttert. Das von der türkischen Regierung in Betreff der Entwaffnung Griechenlands an die Mächte gerichtete Rundschreiben hebt hervor, daß nunmehr, wo die bul garische Angelegenheit durch die Zustimmung des Fürsten Alexander zu dem Konferenzbeschlusse erledigt sei, Mittel gesucht werden müßten, um vem Stande der Dinge an der griechischen Grenze ein Ende zu machen, da die kriegerische Haltung Griechenlands die Pforte nöthiae, dauernd be deutende Ausgaben zu machen, um die Armee auf dem Kriegsfuße zu erhalten. Ap eine kriegerische Verwickelung der griechisch-türkischen Grenze glaubt man nicht mehr, trotzdem die griechische Kämmer dem Minister Delyannis den geforderten Kredit bewilligte. Zur Kriegführung reichen diese Mittel nicht aus und so dürfte die bereits angeordnete Rückberufung der griechischen Freiwilligen der Anfang der allseitig gewünschten Abrüstung Griechenlands sein. Tagesschau. Freiberg, den 17. April. Die im preußischen Herrenhaus gefallene Aeußerung, der deutsche Kaiser selbst sei als Prinz von Preußen im Jahre 1845 für die Fortdauer der Ankäufe polnischer Güter und der Wiederverkäufe derselben an Deutsche eingetreten, veranlaßt folgende offiziöse nähere Mittheilung: „In der am 7. Ja nuar 1845 stattgchabtcn Sitzung des königlichen Staats ministeriums, welcher der damalige Prinz von Preußen bei wohnte, wurde die Aufhebung der ganzen Sache beschlossen. Dagegen stimmten nur der Prinz von Preußen und der General v. Thile, und zwar mit folgender Motivirung: „Es wäre nach wie vor in politischer Beziehung sehr wünschens- wcrth, den Ankauf größerer Güler in der Provinz Posen fortzusctzen, soweit sich Gelegenheit böte und die Mittel reich ten. Die politischen Zustände seien — führte Se. königliche Hoheit der Prinz von Preußen aus — im Großherzogthum Posen noch ganz dieselben, welche im Jahre 1833 zu dem Antrag bei des hochseligen Königs Majestät Anlaß gegeben hätten, daß größere Güter bei Subhastationen angekauft und sodann an deutsche Erwerber wieder überlassen würden. Die Polen würden es als eine neue Konzession ansehen, wenn der zum Betriebe des Ankaufs von Gütern in der Provinz ge bildete besondere Fonds aufgelöst würde. Durch den Land tags-Abschied vom 6. August 1841 könnten Höchstdieselben den beabsichtigten Zweck nicht als beseitigt ansehen, indem darin zwar den Posen'schen Ständen die Versicherung gegeben sei, daß bei der Wiederveräußcrung derartiger vom Staate ange kaufter Güter auf Erwerber deutscher und polnischer Abstam mung gleichmäßig Rücksicht genommen werden solle, letztere aber nur mit der ausdrücklichen Klausel, „sobald sie (die Er werber) bei unzweifelhafter Anhänglichkeit an die Monarchie durch Kenntniß des landwirthsckaftlichen Betriebes und durch den Besitz ausreichender Mittel gewährleisteten, daß von ihnen eine fördernde Einwirkung auf die innere Entwickelung der Provinz zu erwarten sei". Wenn es daher zur Zeit auch an Gelegenheit fehle, mit dem Fonds weitere Einkäufe zu machen, so scheine es höchstihnen doch das Beste, den Fonds bestehen zu lassen." — In der am 15. d. M. abgehaltenen Plenar sitzung des deutschen Bundesraths wurden den zu ständigen Ausschüssen überwiesen: der vom Reichstag ange nommene, von dem Abgeordneten vr. v. Jazdzewski und Ge nossen vorgelegte Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abän derung des Gerichtsversassungsgesetzes vom 27. Januar 1877, > die Vorlage wegen Errichtung einer physikalisch-technischen > Reichsanstalt für die experimentelle Förderung der exakten > Natursorschung und der Präzffsionstechnik und dem Bericht , der Rnchsschulden-Kommission über die Verwaltung des Schulden-