Volltext Seite (XML)
Morgen-Ausgabe Bezug«>rei,: L M A.r«-L..W-^"K »l«n,ll«d'llch M. SH» s«i A»d*l«r «»»««ich «. »L0; »«ich »nl»» «»IwSrlIatn Attla^a I»1 -««< ««trache moa-Illch »N. »RhrUch Al. 7M »»ich dt« V»ft l»n«r»«l» »««Uchlandl V<l«»».A»«tzad- a»««t I«d M. 7H. »I«iI«tt»»rUch IN. 8^L; M. I.7S, Sb«»d-4l»<g«bt M. >,00. S»o>it«ß«-2»«,«d« M. ii.SV m,«alllch ja»«schll«bllch P»ftd«st«ll,,»etz«>. Hauptschrtstleiter: Dr. Erich Lverkh, Leipzig. Rr. SS« «I»0 ^lmdels-AeUung KrntsblaU des Rat« und des poUreiarntes -er Stadt tetp-iA UL Jahrgang st o'^ »Ist«« »u s«sch<rft«-n»tt««- m« 1. jt<r«ier»ch-A»schi«» 4t« l»S»L t Ach»HU«U«>, ,»» v«ie A»,eigeaer««s: LLLL'L^"'.'^L L'U ». «» «Mll. L«a »»« K»l»i>«h«tl« va Pf. ». «»«M " n»l»»«l»«u» ZV Pf. «««wlktl L Pfs Pi»»»,rlchr<ft«« l» Pr«tle «kh»»l. . 7.— »^ Lail«',» P»stq«ddtz«. ,»««.: Morgia-A«»»,»« li Pf., Abk»»-An«,ad« t» Pf. >«»»«,.»»6»L NE »«» P<iI»,ckkk>ot»7L» _ VaichtNtga««: ««.«. Verlag: Dr. Reinhold L To.. Leivria. 1»18 Donnerstag, de« 81. Oktober Sie Sestemilher römen Has itrlieiW Gebiet Oesterr.-ungar. Heeresbericht Wie», 30. Oktober. Amtlich wird gemeldet: Italienischer Kriegsschauplatz: Ander Tirnler Front nur geringe GesechtStäligkelt. Zwischen Brenta und Piave haben srische sÄndlichr Kräfte den Asolon« und den Monte Pertica mit Lebermacht angegriffen. Unser« dort mit beispiellosem Heldenmut und SoldUen- lrenr kämpsendea Truppen haben alle Anstrengungen de» Gegners zu- »ich!e gemacht. 3n der venezianischen Eben« fließen Engländer und Ilaflener weiter vor. Ls gelang ihnen, unter Einsatz aller Kampfmittel ihr« Einbruchs pellen nördlich und südlich des Moulellllo wesentlich zu erweitern. Unserem mehrfach »um Ausdruck gebrachten Entschluß zur Herbei führung eines das Völkerringeu abschließenden Waffenstillltaadeä und Friedens Rechnung tragend, werde» unsere auf italieniscyem Boden kämpfende« Truppen d«S besetzte Gebiet räumen. Südöstlicher Kriegsschauplatz: Der Ostflügcl unserer in Serbien operierenden Streitkräfte hat bereits den Uebergang auf daS uördliche Donauufer vollzogen. Der Rückmarsch au der Sawe und Drina geht weiter planmäßig vor fich. Der Feind drängt nirgends nach. Di« Nachhuten unserer albanische» Streilkräfte hatten mrr ver- cinzelle Baude» adzuw^ re». Der Ehef des SeueralpaheS. Heftige Aagrisse der Franzosen a-gewe-rt 'vib. Berlin, 30. Okkober abends. (Amtlich.) An der Oise sind heftlgeAngrlffederFranzosengefchei- tert. An der übrigen Westfront keine größeren Kämpfe. Der Sonderfriede der Türkei D Berli», 30. Oktober. sDrahlderlcht unserer Berliner Schctftleitung.) Ueber die vermutlichen Bedingungen der türki schen Kapitulation erfährt die „Voss. Z!g.' folgende Einzelheiten: Kon stantinopel soll der Entente, ob im gesamten oder nur in einzelnen Teilen, ist noch nicht ganz klar, als Flotte nbasiS eingeräumk wer den. Die Dardanellenfestungen sind zu schleifen, Baku und Baku sind der Entente zu übergeben. Die in der Türkei in Ge fangenschaft befindlichen Soldaten und Offiziere der Entcntehcere sind auszuliefern, dagegen verbleiben die türkischen Gefangenen in den Ge fangenlagern der Entente. Konstantinopel, 30. Okkober. (Drahtbericht.) «Ikdam" rät, die Zelt zwischen Waffenstillstand und Frieden zu benutzen, um in den inneren Zuständen aufzuräumen, besonders im RechtS- wrfen. — Daneben gehen die Hetzereien gegen Deutsch- land in den Notizen der Presse weiter. «Terdjnman' tritt sol chen Beschimpfungen entgegen, erklärt aber: «Auchwlrlieben -le Deutschen nicht und werden sie nie Neben; dos ist hauptsächlich die Schuld der Deutschen selbst.' Girre Gntentemeldung über Gmüellurri des U-BootLrieqs Genf, 30. Oktober. (Eigener Drahtbericht) Wie «TemvS' meldet, haben die deutschen L Boote seit vier Tagen ihre Tätigkeit eingestellt. Es sei dies offenbar eine Folge des Eingehens Deutschlands auf die Forderungen WilsoaS. Die Waffenstillstandsbedingungen >D Berlin, 30. Oktober. (Drahkderichkunserer Ber li n e r S ch r i f t l e i t u n g.) Die «Köln. Volksztg.' und zugleich mit ihr auch schweizerische Blätter bringen allerlei Mitteilungen über den angeblichen Inhalt der von der Entente gestellten oder noch zu stellenden Wafsenstillstandsbedingungen. An hiesigen amt lichen Stellen ist bisher über diese Waffenfttllstanüs- Dedingungen nichts bekannt geworden. In der Form, wie sie vorliegen, wird man sie für Kombinattonen halten dürfen. In sonst gut unterrichteten Kreisen nimmt man an, daß die Waffen- stillstandSbedinaungen etwa so lauten könnten: Räumung von Nordfrankreich und Belgien und Elsaß- Lothringen, Besetzung Helgolands durch ameri kanische Truppen und eine amerikanische Kon trolle darüber, daßwährend LeS Waffenstill standes keine neue Munition bet uns hergestelkt werden kann. Aber auch dat sind einstweilen Vermutungen. In parlamentarischen Kreisen bezweifelt man, daß die Bekannt gabe der Wafsenstillstandsbedingungen auf diplomatischem Wege erfolgen wird und nimmt an, daß die Antwort nur die Auf forderung enthalten wird, sich mit den gegnerischen Oberbefehlshabern durch Parlamentäre tu Ver- bindunazu sehen. Das Kriegskabtnett hielt heute vormittag eine Sitzung ab, die bis X2 Uhr nachnilttags dauerte. Der Reichskanzler, der sich von seinem Drippeanfall wieder erholt hat, nahm heute zum erstenmal wieder persönlich an den Beratungen teil. * Hao^ 30. Oktober. (Eigener Drahtbericht.) «Holl. MemoeS Bureau' meldet: Aus der Schweiz komme» Meldung«» vo» angeblich diplomatischer Seite über dl« Wafsenstillstandsbedingungen, di« »»an Deutschland stellen will. Sie sollen lauten: 1. Räumung von Elsaß- Lothringen durch die deutsche Armee, Besetzung von Metz und Straß berg durch französisch« Truppen. 2. Besetzung aller Brückenköpfe links des RhelnS durch amerikanisch« Truppen. 3. Besetzung der Kruppschen Werkstätten durch gemischt« englisch-französtsche Truppen. 4. Besetzung von Helgoland durch englische Truppen. 5. Auslieferung der ganzen Kriegsflotte. Sollten diese Wasfenstillstandsbsdingungen bewilligt wer- den, so könnten die Friedensverhandlungen in Kürze beginnen. Haag, 30. Oktober. (Etg-Dra-tdertcht.) Das Blatt .Richmond' schreibt, daß «S am 21. Oktober «tn Telegramm von General Pershing erhielt, in dem «S heißt: Das R h e i n ta l hak von der Hand der Vandalen Mchts zu fürchten (offenbar ist mit Vandalen ironisch di« Entente gemeint), es sei denn, daß «S die Deut chen selbst in Brand stecken oder mit Bomben verheeren. Aber daS Rh« ntal, das daS wichtigst« Gebiet von ganz Deutschland ist, muß von den Alliierten beseht werden. Zwar nicht für immer, sondern vorübergehend, bis die Großindustrie und die Werkstätten ihren Teil dazu beigetragen haben, Deutschlands Schuld zu tilgen. Die Reichtümer des Gebietes müssen benutzt werden zur Er- f«tz»ngall«S Schadens, der währen- des Krieges von Deutschland ongerlchkt wurde. Elve Mahnung der «Daily News*. Rotterdam, 30. Oktober. (Drahtbericht.) Nach «Rieuwe Rotter- damsche Courant' schreiben .Daily News', daß die Bedingungen für «tuen Waffenstillstand nicht durch Foch festgesetzt werd«, wie einig« reakk're Blätter in England glauben. Wir stehen knapp vor dem Sic - in dem Krieg«, der der Vernichtung des preußischen Militarismus gi''. und trotzdem feiern diese Blätter dies Ereignis dadurch, daß sie einer neuen militärischen Diktatur t» Europa zu- f»b«i». Richt, um daS zu erreichen, sind 12 Millionen Me»sche»a»sgropfert worden. Wenn man klug ist, so wirb «an nur Garantien verlangen, die notwendig and verständig sind, kein« Garantien, di« mutwillig darauf gerichtet sind, den Frieden unmöglich and di« Fortsetzung des Krieges sicher zu machen. In unserer Presse wird «in döswUliger Versuch unternommen, mn dies Ziel z» «reichem ES ist nicht notwendig, erst darauf hinzuwetsen, daß dabei vor alle« der Unruhestifter Rorthclifse seine Hand im Spiäe hat. Der Wahlkampf für Ken amerlkanlfchen Kongreß Rotterdam, 30. Oktober. (Drahtbericht.) Der «M«me Rotterdaursch« Courant' meldet a»S Loudon, daß der Wahlkampf für »an amerlkanlsche» Kongreß, der nüt dem bekannten Kampflustigen Manifest WilsonS eingeleilet wurde, di« einschneidendste daß »ach der Theorie der Republikaner daS Laad viel kriegslustiger sei all der Präfldeal, und daß es die Note deS Präfidealea vom 8. Ok tober verarteilt habe. Dies ist die fetzige Lage. ES ist klar, daß ei» großer, vielleicht nicht wieder gulzamachender Schaden angerichtet wer den Kana, wenn dem amerikanischen Volke nicht gesagt wird, ob die Punkte Wilsons die Alliierten befriedigen oder ob diese wehr ver langen. Senator Pitlmuaa, der Wortführer des Präsidenten im Senat, behaaptet, daß die Alliierte» di« 14 P»akl« Wilsons a »- nehme». Die Repabükcmer stelle» das la Abrede »ad sage», daß »le 14 Pnnkke d«S persönliche Programm Wilsons seien, das den AM- lerl«, »iemalS zar Begutachtung vorgelegl worbe» sei, sq, daß die AM. iette» Ku Gegenteil wiederholt erklärt hätte», daß sie es für ua- geaügend haste». Saaz 30. Oktober. (Sig. Drahtbericht.) Der Wahlkampf i» -en Vereinigten Staaten ist außerordentlich heftig und für di« Zu kunft der künftigen Weltkarte von höchster Bc-eutung. Senator Lodg« sogk setzt schon, daß sich der Senat di« Friedensverträge genau besehen werde, ehe er sie ratifiziere. Roosevelt, der unverhohlen dt« unversöhnliche Icaoclc out-Pollttk treibt, greift gle-chzeing di« Wilson- schen Bedingungen heftig an. Wilson dagegen scheint sich unerbitterllch zu zeigen. Er ist, wie der «Times'-Korrespondent merkwürdigerweise offen darlegen darf, fest davon überzeugt, daß ganz allein sein« FrtedenS- dedbngungea etaeu demokratischeu und dauerhafte« Friede» sicher» können. Die Vertretung Deutsch-Oesterreichs in Berlin vL. Berlt», 30. Oktober. (Drahtbericht.) Der Vollzugsausschuß der deutsch-österreichische» Rotloaalversammlung wird, «le verlautet, zwecks Wahrnehmung der Interessen §er Deutsch-Oesterreicher eia en ständigen Vertreter »ach Berli» eutsenden, der die Fühlung nahme mit den Parlamentariern d«S Deutsche» Reiches und der ReichS- regteruna wahrnehme» bzw. aufrechkerhalle» soll. Die Vertretung, die eia em Parlame»larier Deutsch-Oesterreichs übertrage» wird, soll schön la den allernächste» Tage» mit ihrer Tätigkeit beginnen. Sine tschechische Kommission sür auswärtige Angelegenheiten Prag, 30. Okkober. (Drahtbericht.) Das tschecho-slowaklsch« Presse- bureau teilt die Einsetzung einer^p rovisorischen Kommission fürauswärtigeAngelegenheiten mit, die den Vertretern der fremden Mächte im Bereich d«S tschecho-llowaktschen Staates dt« Ueber- nähme der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten durch den National ausschuß »otlfiziert«. Sine halbamtliche Auslastung über den Sonderfchritt Oesterreichs Wie», 30. Oktober. (Korr.-Bureau.) Gegenüber von verschiedenen inländischen Blättern gebrachten Mitteilungen, von denen sich eine aus ein« Unterredung mit dem hiesigen deutschen Botschafter beruft, sind wir ermächtigt, nachstehendes festzustellen: Die kaiserlich deutsche Regierung war -mrch «iederholke Mitteilungen der maßgebenden Stellen Oesterreich-Ungarns feit längerem in Kenntnis davon, daß die Monarchie de» Krieg höchstens bis zu eine» bestimmten Zeitpunkt werde fortfahren können. Unmittelbar nach -em Amtsantritt des Grafen Andrassy, am 20. Oktober, teilte der Kaiser dem Deutschen Kaiser in einem fre»ndschaftllchen Telegramm in unzweideutiger Weise mit, daß Oesterretch-Ungarn nunmehr veranlaßt sei, einen entscheiden den Schritt in der Fricdcnssach« zu unternehmen. In einer Unterredung zwischen dem Minister des Arabern und dem kaiserlich deutschen Bot- schafter in Wien am gleichen Tage war letzterer gleichfalls auf den be vorstehenden Schritt der Monarchie vorbereitet worden. Noch vor der Absendung der Note an Wilson sand am 27. Oktober ein« hierauf be zügliche Unterredung zwischen Andrassy und Graf Wedel statt. Zusatz des W.T. B.: Durch das Friedensangebot an Wilson war dem Wunsche der österreichisch-ungarischen Regierung auf baldigen Friedensschlotz in vollem Umfange Rechnung aetraaen worden. Der Schwerpunkt der Demarche des Grafen An drassy aber liegt in dem Angebot einet Separat friedens. Daß ein solches Angebot «innerhalb 24 Stunden' beabsichtigt sei, teilte Kaiser Karl dem Deutschen Kaiser cm» 26. Oktober als «unabänderlichen Entschluß' mlt. Die kaiser liche Regierung ward« damit vor «in« vollendete, unabänderliche Tatsache gestellt, ohne daß ihr die Mög lichkeit geboten war, dazu Stellung zu nehmen. — Die Dar stellung des Korr.-Bureaus muß daher als irre- lsihrend 'urtickgewtefen werden. Neformationszeiten Wenn wir in der Geschichte eine Zeit suchen, die wie die unserige bedeutungsvoll und tieseingreifend für die ganze Mensch heitsgeschichte ist, so ist cS die Zeit des 16. Jahrhunderts, der Renaissance, der Reubelebung und zugleich der Reformation, der Neugestaltung. Wir brauchen hier wie dort beide Begriffe, um die Geschehnisse hinreichend zu begreifen. Es ist Wiedergeburt und Neugestaltung zugleich. Die Reformation Luthers ist eine Neugeburk aus den innersten Lebensgründen, die altes in dem vorhergehenden Zeitalter Ge schehene nur als Nahrungs- und Fördcrungsmtltel benutzt. Dis geschichtliche Bewegung kehrt ein in den Mittelpunkt des Men schenlebens. Lange lnttte sich das Leben auf der Peripherie be wegt, und der innerste Kern des Lebens darbte. Der Zug ging aus Berweltlichung des Geistigen; die Kirche war eigentlich eine Anstalt für ihre Herrscher, um die Masse in Untertänigkeit zu erhalten. Sie verlor sich immer mehr in äußere, mechanisch voll zogene Formeln, die, indem sie das Bolk unterhielten, es von dem abzogen, was seine wahren Bedürfnisse erheischt hätten. In der Reformation ist von alle diesem das Gegenteil zu gewahren. Der Zug geht vom Weltlichen aufs Geistlicye. Die Bewegung geht aus von der Mitte des Volkes. Das Verhältnis des Innern und Acußcrn war früher umgeskellt gewesen und verlangte eine Wieder einsetzung in den richtigen Stand, daß nämlich die sichtbare Neußer- lichkeit müsse begründet und verursacht sein durch die innere Bewegung, Damit hing eng zusammen, daß man die Musterung der inneren Lebendigkeit nicht in ein für allemal erstarrte Formen einschnüren könnte, sondern jeder besonderen Gemeinschaft über lassen mutzte, über die Form sich zu einigen, die am besten das, was sie innerlich hegte, auszudrücken vermöchte. Darin bestand der scheinbar geringe, aber in der Tat so bedeutende Fortschritt, -ast Aeusteres nicht feskgehalten wurde, dem das Innere nicht entsprach. Ist es nötig, auszuführen, daß dieses selbe Symptom die Grunderscheilmnaen aller heute sich vollziehenden Staatsrefor mation kennzeichnet? Wir litten wohl alle fühlbar an Ein schnürungen durch Formen, von unken ist es, genau wie damals, hervorgebrochen, hat einen stolzen Bau über Len Haufen geworfen und Formen geschaffen, dle nachgeben dem auf klare Selbst besinnung und energische Selbstbestimmung gerichteten Streben. Die durch dle Reformation zu bewirkende Umgestaltung war in erster Linie eine sittliche. Jene Zweiteilung des Menschen, daß er im Kultus ein anderer und tn feiner übrigen Haltung ein anderer fei, wurde aufgehoben. Die reformatorische Methode war im vollsten Sinne praktisch^ sie ging auf Betätigung des Neuen. Das war es, was einst dem in die Welk elntretenden Christentum eine so hohe Achtung verschaffte: die Sitkenreinhelt feiner Be kenner in Verbindung mit dem Zeugenmut. Das ist Las, was die Reformation neu belebt hat. Und doch trifft die Reformations zeit auf eine ganz andere Stufe der Entwicklung des Selbst bewußtseins. Jene Kindlichkeit -es Gemütes im allgemeinen war ein längst vorübergegangener Zustand, und es ist und war eine ritte Hoffnung, ihn jematz wieder zurückführen zu wollen. Es kommt nichts wieder, wie es gewesen ist. Der Geist ist fortwährend in dl« Schule gegangen, und dle Uebung tn dem langen Zwischen räume ist bei ihm nicht spurlos geblieben. Dle Forderungen des Gemütes sind bestimmter, die Beziehungen zum Leben sind, unter stützt durch den intellektuellen Fortschritt bereichert. Bet der politischen Reformation lst eS nicht anders. Auch hier erhebt das Selbstbewusttsein als eine Einheit des Denkens und Wollens genauere Ansprüche als früher, und es lst insofern schwieriger geworden, ihnen genug zu tun. Auch hier hat der Mittelpunkt des menschlichen Lebens, das Gemüt, all die Be ziehungen, welche ein Menschenleben in sich schließt, klarer und kräftiger tn ihrer Einheit erfaßt und seine Forderungen gestellt. Jedes Neue findet in dem Alten seinen Widerstand. RÄch- llch war dies auch bei der Reformation der Falt All« die, welch« sich aus ihrer bequemen Lage aufgerüktelt oder in Ihren Vorteilen des Genusses oder der Herrschsucht gestört fanden, worden zur Feindschaft entzündet. Jene Bundesgenossenschaft der egoistischen Interessen, die wlr immer da treffen, wo es die Unterdrückung einer Idee gilt, sie finden wir auch heute auf dem Plane und nicht wählerisch in Ergreifung der Waffen. Von Anfang an war der Gegensatz weit entfernt von jenem edlen Wetteifer, in welchen neue Anschaaungen mit vorhandenen Vorstellungen gesetzt werde« sollten und der notwendig ist, damit das Neue das Recht feinet Bestehens zeig« und bewähre, was an ihm wirklich idealer Gehalt und was nur blendender Schein sei. Wie die Reformattonszeit 1517 sich abscheidet von der ihr vorangehenden, so auch von der ihr nachfolgenden, der Revolu tionszeit. Das subjektive Element im Selbstbewußtfein war zur Anerkennung seiner Rechte und zur Erkenntnis seiner Kraft ge langt; die geistige Bewegung in der Reformation war darauf an- gelegt, eine höhere Stuf« des Selbstbewvßtfeins zu bilden, und so trat di« Versuchung heran, die ihm zukommend« Selbsigewißheit so zu steigern, daß es feine Schranke verleugnet. Auch bei der russischen Revolution ist diese gefährlichste Einseitigkeit nicht ge- mieden worden. Dat Wesen -er Revolution im Unterschiede vo» der Reformation besteht in der überragenden, wo nicht aut- schließenden Gewalt der Verneinung und in dem daran sich reihenden Bruch mit der Geschichte. Et gibt nicht leicht in der Geschichte einen schärferen Gegensatz alt den zwischen der lebendigen, innigen Pofltivität im Reformationszeitalter und der bis zur wttden Zerstörungswut gesteigerten Negativität im Revv- lotiontzeitalter. Je weniger man die Recht« der Reform an erkennt, um so gewisser muß ein Land den gewaltsamen Umsturz erfahren. ES ist nicht so, als ob, wo die Reform eine Stättv findet, die Revolution unvermeidlich nachkommen müsse. I» Geyenteil; Wo jene zur rechten Zeit eintritt, da kann diese ver-