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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.12.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001203010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900120301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900120301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-12
- Tag 1900-12-03
-
Monat
1900-12
-
Jahr
1900
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ÄMtsvlatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, desAathes und 3?olizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag dm 3. December 1900. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile S5 Reklamen unter dem Redactionsstrich (4gespalten) 7S L>, vor den Familieunach- richten («gespalten) KO L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra Veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung VO.—, mit Postbesörderung >tl 70.—. Ännahmeschlub für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei dea Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von srüh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 94. Jahrgang. Ledörftn wir -er Denkmäler und Erinnerungsfefte? Tine patriotisch-ästhetische Betrachtung zu Luther's und Schiller's Geburtstag. Don Alwin Herri ch. II. Ein verhältnißmäßig altes 'Schlachtenmal in Deutschland scheint der an der Straße von Leipzig nach Lützen befindliche so genannte Schwedenstein zu sein, der eine nur aus den beiven Buchstaben 6. bestehende Inschrift trägt und über dem 1837 oaS gußeiserne Denkmal zur Erinnerung an des Schwedenkönigs Tod errichtet worden ist. Bon wem und zu welcher Zeit dec Schwedenstein aufgestellt ist, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln. — Von den wenigen, aus dem Mittelalter stammenden, zu Ehren einzelner Personen gesetzten Denkmäler sind zu erwähnen: die um 1290 errichtete Reiterstatue Kaiser Otto's des Großen auf dem Marktplatze zu Magdeburg und das Standbild König Kon- rad'S III. im Bamberger Dome. Des dem 15. Jahrhundert an gehörigen Gutenberg, welcher der Welt eine der wohlthätigsten und segensreichsten Erfindungen schenkte, erinnerte man sich erst im 19. Jahrhundert, nachdem man drei Mal, 1540, 1640 uns 1740, Hundertjahrfeiern seines Friedenswerkes veranstaltet hatte, ohne seiner — der Person des Erfinders selbst — zu gedenken. Gelegentlich der Vorbereitungen zu der 400-Jahrfeier der Guten- berg'schen Großthat endlich wandte sich das allgemeine Interesse dem größten Sohne der «Stadt Mainz selbst zu. 1837 ward ihm, dem die Priorität seiner Erfindung unberechtigter Weise vielfach streitig gemacht worden war, in seiner Baterstadt aus dem seinen Namen tragenden Platze nach dem Modelle Thor- waldsen's das erste Denkmal errichtet. Das überlebensgroß.' Standbild von Erz im schlichten Patriciergetvande, mit der einen Hand di« von Gutenberg gedruckte Bibel an sich drückend und in der anderen herabhängendrn mehrere Lettern haltend, hat mildderklärten Antlitzes im vergangenen Sommer „der Feier des aus drückenden Fesseln erlösten Menschengeistes", die unter Teil nahme der Gebildeten aller Völker als würdige Einleitung des 20. Jahrhunderts in glänzendster Weise begangen wurde, zu- geschaut. Die Hermannsschlacht im Teutoburger Waloe, der Sieg Armin's über die Legionen des Varus, ist der erste Erfolg ger manischer Waffen und deutscher Kraft, Sen ein Denkmal verherr licht. Di« 1875 feierlich eingeweihte umfangreiche Anlage mit Sem weithin 'sichtbaren Kolossalstandbilde des Cheruskerfürsten auf der Grotenburg bei Detmolv leitet ihren «Ursprung aus der Zeit des Sehnens nach einem großen einigen deutschen Vater lande her und ist, 1838 begonnen, das Lebenswerk des Bild hauers Ernst von Bandel geworden. Von den Entscheidungs schlachten des «Mittelalters sind wenige, u. A. die von Bornhöve) in Schleswig, welche 1227 stattfand, durch ein Denkmal ausge zeichnet. Die Inschrift an -der vierkantigen Granitspitzsäule unterrichtet uns: „Gegen dänisch« Fremdherrschaft wahrte mit sem Schwerte der holsteinische Graf Adolf IV. das eigene Reckst, des Reiches Nordmark. Errichtet am 22. Nov. 1877, im siebenten Jahre des deutschen Reiches." Ueber des Großen Kurfürste i Sieg bei Fehrbellin 1675 geben drei Denkmäler Kunde. Das älteste, von dem Domherrn von Rochow 1800 gesetzt, trägt die Inschrift: „Hier legten die braven Brandenburger den Grund zu Preußens Größe." Ein zweites Denkmal stiftete 1857 der haoelländischeKricgerverein und ein drittes in Form einer thurm- artig«n, von einer Victoria gekrönten Säule, zu dem 1875 an läßlich der 200-Jahrfeier der Schlacht der Grundstein gelegt worden war, ward 1879 bei Holenberg enthüllt. Di« Schlachten des alten Fritz, des großen Friedrich, haben die Thrilnahme des Volkes schon in höherem Maße herausge. fordert, und das Gedächtniß an die schlesischen Kriege ist leben diger geblieben. Die schlichten Säulen und Denkzeichen auf den Schlachtfeldern von Hohenfriedberg, Prag, Roßbach, Leuthen. Hochkirch, Minden, Landcshut, Lirgnitz und Torgau sind beredte Verkündiger der großen Zeit geworden. Die Denkmäler der Freiheitskriege nehmen mehrfach Bezug auf Bibelstellen und zeugen von dem einfachen religiösen Sinne der Zeit und der Dankbarkeit des Königs und des Vaterlandes gegen die gefallenen Helden. Den Tod de» Prinzen Louis Ferdinand milden ein bescheide ner Stein und ein tempelförmiger Steinbau bei Saalselo, uns von der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerslädt berichter an Ort und Stelle eine unscheinbare abgestumpfte Pyrannoe mi: der Inschrift: „Hier ward am 14. October 1806 Karl, regieren der Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, tödtlich verwunoet. Auf dem Schlachtfeld« von Großgörschen sind zwei Denkmale, und bei Kitzen zum Gedächtnisse Theodor Körner's uns se-> Lützow'schen Freicorps ebenfalls zwei Steinblöcke errichtet. Weitere durch Denkmäler festzehaltene Marksteine bilden die Schlacht bei Bautzen, die Kämpfe bei Großbeeren und die Schlacht an der Katzbach. Wie bei Markersdorf, so ist auch bei Dresden einem Franzosen — dort d«m Großmarschall Duroc, hier dem General Moreau, ein Denkstein gewidmet. Die Ereig nisse bei Kulm, bei Dennewih, an der Göhrde und bei Warten burg sind als Vorläufer der großen Leipziger Völkerschlach gleichfalls durch Denkmäler örtlich bestimmt. Obwohl die wichtigsten Stätten der großen Kämpfe vom 16. bis 19. October 1813 auf den blutgetränkten Gefilden Leipzigs schon durch schlichte Denkmäler und die Stellung der verschiede nen Heerestheile Dank der Opferwilligkeit des Dichters Apel mit 41 bescheidenen Steinen markirt 'sind, ist man erst am letzten 18. October dazu gekommen, vor den Thoren Leipzigs, an der denkwürdigen Stelle, wo des Welteroberers Macht gebrochen wurde, die endgiltige Grundsteinlegung zu einem gewaltigen, alle bisherigen Denkmäler in Anlage und Umfang überragenden Ehren- und Mahnzeichen feierlich zu vollziehen. Es hat langer Zeit, ernster Erwägungen und großer, nicht genug zu schätzender Anstrengungen bedurft, bevor das deutsche Volk an die Lösung dieser großen nationalen Ehrenaufgabe hcrantreten konnte. In zwischen sind die letzten Kämpfer, die an der dreitägigen Riesen schlacht theilgenommen, sämmtlich zu Grabe getragen uns di: Erinnerung an das, was unsere Vorfahren geleistet, ist durch die umwälzenden Ereignisse von 1864 bis 1871 vorübergehend ver blaßt. Ein neues Geschlecht unter der Führung der Sieger von Düppel, Königgrätz und Sedan ist jetzt an der Arbeit, durch ein mächtiges, dem großen Geschlecht, das hier blutete uns die Grund lage zur Einigung und Machtstellung Ses deutschen Reiches schuf, in jeder Beziehung würdiges Bauwerk zu zeigen, daß diesem die Unsterblichkeit gefichert ist. Möge das hier erstehende Wahr Zeichen uns und allen kommenden Generationen die von weitem Seherblick und glühendem Patriotismus dictirte Rede des großen Geschichtsforschers Heinrich von Treitschke ins Gedächt- niß zurllckrufen, die dieser am 50jährigen Gedenktage der Völker schlacht 1863 vor den deutschen Turnern hielt und in der ernsten Mahnung gipfeln ließ, dafür zu sorgen, daß es von uns niemals wie von den «Griechen heißen möge: „Die Väter retteten alle Schätze reiner Menschenbildung vor den fremden Eroberern, di- Söhne aber gingen schmachvoll zu Grunde, weil sie nicht ver mochten, Zucht und Recht und Frieden zu bewahren auf dem be freiten Boden!" Der großen Zeit der vaterländischen Erhebung folgten Jahr zehnte, die an bitteren Enttäuschungen reich waren und die die Früchte, di« der blutigen Saat der Freiheitshelsen entkeimten, nur langsam reifen ließen. Das Verlangen nach einem einigen deutschen Vaterland« erstarb jedoch nicht, wenn auch das Feuer der vaterländischen Begeisterung nur leise weiterglimmte. Einen schnelleren «Gang nahm während dieser Zeit die culturelle Ent wickelung an. Die allgemeine Wehrpflicht, die Schöpfung Scharnhorst's, Äneisenau's und Stein's, wurde ein erfolgreiches Erziehungsmittel des von den letzten Resten der Leibeigenschaft befreiten Volkes. Die Länder wurden von eisernen Schienen strängen durchzogen und verbunden, die Erfindung Gutenberg's entfaltete sich unter dem Einfluss« des Dampfes und der mir Riesenschritten fortschreitenden Technik als mächtiges, all: Schranken nicderzwingendes Verstänoigungs- und Bildungs mittel in ungeahntester Weise; «der elektrische Funke verbreitete das Wort innerhalb weniger Sekunden über den ganzen Erdball und die Menschheit trat unter das Zeichen des ungehemmten physischen uns geistigen Verkehrs. Unter diesen und anderen wichtigen Vorgängen wurden die nachmaligen «Sieger von Düp pel, Königgrätz, Weißenburg, «Wörth, Sedan, Metz und Paris geschult und das Zeitalter Wilhelm's I. und Bismarck's war he raufgezogen. In den Denkmälern der deutsch-dänischen Kriege bei Eckern förde, auf dem Königshügel bei Oberselk, auf der Düppeler Höhe und auf Alsen zeigt sich schon mehr der Wille und die Fähigkeit, für Denkmalszwecke größere «Mittel und entsprechen dere Ideen zu oerwerthen. — Noch beredter gelangen diese Momente in den Geoächtnißzeichen auf den «Schlachtfeldern von 1866, namentlich bei Königgrätz, zum Ausdruck, und daß di: Absicht, geschichtliche Großthaten durch vollkommenere sinnige und künstlerische Bauten dem Andenken der Nachwelt zu erhalten, mit der gesammten technischen und wissenschaftlichen Entwickelung der Nation Schritt gehalten und sich immer stärker Geltung ver schafft hat, lehren die zahlreichen großen und kleinen Denkmäler auf den Kampfplätzen von 1870 und 71, sowie die vielen, aller- wärts im weiten deutschen Reiche entstandenen, den glorreichen Feldzug und Diejenigen, welche Gut und Blut für des Vater landes Größe und Herrlichkeit geopfert haben, verewigenden Sieges- und Kriegerdenkmäler. Als eigenartige Schöpfung ist der auf der Wahlstatt von St. Privat 1899 am Jahrestage der Schlacht im Beisein des Kaisers enthüllte gepanzerte Erzengel, der sich ruhend auf sein Schwert stützt, einer Betrachtung Werth. In diesem, wie in den meisten neueren Denkmalsbauten walten symbolischer und allegorischer Schmuck vor, und Kaiser Wilhelm II. hat in seiner, von großer Wärme und edlen versöhnlichen Gefühlen durch drungenen Weiherede den Engel als einen Wächter für alle in der Schlacht gefallenen Soldaten beider Heere, der Franzosen so wohl, als auch der Deutschen, gedeutet und die Tapferkeit und den Heldenmut!; der gefallenen Gegner besonders hervorgehoben. Er gedachte der Letzteren, die er in ewigem Gottesfrieden um den Thron des höchsten Richters versammelt sieht, mit wehmuths- voller Achtung. Daß in der Begeisterung für die Denkmäler bei der Wahl der Idee und des Platzes, sowie bei der Ausführung auch gefehlt wird, ist nur zu erklärlich. „Es irrt der Mensch, so lange er strebt", entschuldigt Goethe, und in Denkmalsfragen sprechen die realen Mittel, der Kunstsinn der betreffenden Ausschussmit glieder und die Befähigung des ausführenden Künstlers ein gar gewichtiges Wort mit. — Ein mißlungenes oder an einem un geeigneten Platze aufgestelltes Standbild wird zu einem Mahn end Warnungszeichcn! Es verpflichtet zur pietätvollen Ver besserung und zur Vorsicht in ähnlichen Fällen. Vor allen Dingen hüte man sich vor dem Schablonisirrn! Man gehe nicht über seine Kräfte und lieber nicht in die Höhe und nicht in die Breite, sondern suche, den Verhältnissen Rechnung tragend, etwas Kleineres und dafür Originales zu schaffen. Mit Denkmälern sollten eigentlich nur die trefflichsten, verdienstvollsten Männer und die edelsten Thaten geehrt werden; ihnen müßten darum auch die denkbar sinnigsten, den Geist der Verherrlichten athmen- den Ideen, die sich nicht allein in der grossen Form verkörpern lassen, geweiht werden. Bei Denkmälern, Venen förmlich Geist und Sprache eingehaucht ist und die dem denkenden Menschen, so oft er vorübergeht, erneute Anregung zu bieten vermögen, ist es ausserdem ähnlich, wie bei Geschenken: sie sollen nicht lediglich nach dem äußeren Umfange, sondern vielmehr nach den Gefühlen, mit denen sie gewidmet, bewerthet werden. Mit diesen Grundsätzen stehen verschiedene Denkmäler scheinbar in Widerspruch, u. A. die Monumente in der Sieges allee zu Berlin, die vielfach als Erzeugnisse einer höfischen Kunst bezeichnet werden, einer Kunst, welche der Phantasie und dem individuellen. Können des Künstlers, dem selbstständigen Gestalten nach eigenen Ideen Fesseln anlege. — Wohl machen die Standbilder der Fürsten und die Büsten ihrer zeitgenössi schen Berather einen etwas gleichförmigen, galerieartigen Ein druck, und beim erstmaligen, flüchtigen Beschauen glaubt man, cs sei Alles uniformirt worden. Wer aber wiederholt die schöne Siegesallee abschreitet, das Gesammtbild und die Einzelobjecte mit scharfem Blicke mustert und auf sein ästhetisches Empfinden einwirken läßt, muß der Schöpfung Originalität und erziehe rischen Werth zuerkennen. Wenn auch Friedrich der Große in der dort aufgestellten Position uns fremd bleiben wird, weil er als ältere, gereifte und kriegserprobte Gestalt mit dem Krück stock, wie ihn Rauch und Schadow uns überliefert haben, im Herzen des Volkes lebt, ist doch an jedem der Denkmäler die historische Treue zu bewundern. Kaiser Wilhelm II. will hier anscheinend, wie ich schon einmal an dieser Stelle darlegte, nicht allein seine wirklich verdienstvollen Ahnen körperlich und geistig charakterisirt sehen, sondern auch Diejenigen, die mit Schwächen behaftet waren und der Nachwelt zeigen sollen, wie ein deutscher Mann nicht sein darf! In diesem lediglich erzieherischen Sinne dürfte das Denkmal des Markgrafen Otto's des Faulen, in dem die Trägheit personificirt zu sein scheint, wohl zu rechtfertigen sein. Mit den Erinnerungsfeiern verhält cs sich ebenso. Denn nicht alle Gedenktage unseres Volkes knüpfen an erhebende Er eignisse an; die Blätter der deutschen Geschichte wissen auch von unglücklichen Thaten und kummervollen, traurigen Entschlüssen zu erzählen. Den erfolgreichen Siegen der Aera Wilhelm's I. ist die Niederlage bei Jena, und manchem anderen grossen Weihe acte sind unrühmliche Zeiten und düstere Ereignisse vorausge gangen. Auch solche herbe Schicksalsschläge dürfen unserem Ge dächtnisse nicht entschwinden; die furchtbaren und doch nutz^ bringenden Lehren, die aus ihnen zu uns reden, müssen mit Flammenzeichen in unsere Seelen eingeschrieben bleiben, damit wir allezeit unsere Aufgaben mit tiefem Ernste erfassen und ausführen. Zum Glücke hat es dem deutschen Volke an ehrenvollen Er innerungstagen nie gefehlt, und obgleich cs alle Veranlassung hat, immer und immer wieder aus seiner Vergangenheit zu lernen, fehlt ihm doch ein regelmäßig wiederkehrender Haupt- Nationalfcsttag. Das deutsche Olympia, das man erstrebt, soll diesem Mangel abhelfen; es muß aber, soll es seiner Bestimmung und seinem Zwecke voll und ganz gerecht werden, dem religiösen und vaterländischen Empfinden gleicher Weise Rechnung tragen, und als ein möglichst vollkommenes, ideales Vorbild deutscher Volksfeste ein Danksest für Alle, die auf dem Felde der Ehre für Deutschlands Größe gestritten und gefallen, ein Friedens fest der Lebenden und ein Mahnfest für die Heranwachsenden Ge schlechter in sich vereinigen. Das heutige republikanische Frankreich hat sich den 14. Juli, den über 100 Jahre alten Tag des Bastillesturms, als nationalen Festtag gewählt. Das französische Volk — ganz Frankreich — schmückt sich und berauscht sich nach Paraden, und nachdem dir Patriotenliga an der Statue der Stadt Strassburg einen Trauerkranz niedergelegt hat, in der Erinnerung an Robespierre und die anderen großen Revolutionäre, an jene Männer, die zwar als Männer der That zu handeln verstanden, aber ruch lose Verbrecher, Königsmörder waren. Einen Tag von ganz anderer Weihe hat das amerikanische Volk zum nationalen Erinnerungsfeste erhoben. Der 4. Juli, der an den an Handlungen edelster Gesinnungsart reichen nord amerikanischen Freiheitskrieg und die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten im Jahre 1776 anknüpft, ist des amerikanischen Volkes Ehrentag geworden. Hierin offenbart sich deutlich der Einfluss des germanischen Empfindens und des deutschen Gemüthes. Und es ist tief zu beklagen, daß dieser Geist jenseits der Atlantis immer mehr unterdrückt wird. Der Geist der Aeußerlichkeit, der Anmaßung und Ucberhebung, den das Geschenk Frankreichs an das amerikanische Volk, die mächtige, den Hafen von New Aort beherrschende und erleuchtende Statue der Freiheitsgöttin, in gewissem Sinne verkörpert, hat in der Union seinen Einzug gehalten, und nach dem Feldzuge, dem Spanien zum Opfer fiel, hat das Jingothum, jener Lberschäu- mende Rausch maßloser Heißsporne, im Weißen Hause zu Washington die Herrschaft übernommen. Einen schönen Lichtpunct echt deutscher Art hat sich unser Volk im Geburtstage seines Kaisers geschaffen, und während vieler Jahre war es ein erhebendes, mit seltenem Reize um wobenes Fest des gesammten Deutschthums, zu Beginn des Lenzes den Geburtstag des ersten Kaisers zu feiern. Wie un auslöschlich die theure Heldengestalt des ersten Trägers der neu erstandenen Kaiserherrlichkeit im Herzen des Volkes fortlebt, und welche Liebe und Verehrung dieser bescheidene und pflichttreue Monarch, der Königin Luise Sohn, genossen, zeigte sich deutlich genug bei der 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Der mit dem Kriegslorbeer und den sinnigsten Blüthen des Friedens- kaisers gleichermaßen geschmückte Erneuerer des deutschen Reiches bleibt ewig unvergessen, ebenso, wie sein treuer Rath geber, der eiserne Kanzler, an dem er in allen Lebenslagen festgehalten hat. Treue um Treue! Das haben sich Beide gegen seitig bezeugt und dem Vaterlande gegenüber bis zum Tode bethätigt. Kaiser Wilhelm I. und Bismarck, die ihre Zeit Feuilleton. Lamum. / Humoreske von Rudolf Greinz. «»»rnick »rrdkt-n. Er war «in ekelhafter Kerl. Mein Nebenbuhler nämlich. Aber wirklich ein zuwiderer Kerl. Ganz objectiv gesprochen. Ohne jede Uebertreibung. Gestatte mir, ihn vorzustellen. Meinen Nebenbuhler näm lich. vr. Reinhold Leo von SchellShof, Privatdocent der Aeftbetik urtd Kunstgeschichte an der Universität. Gestatten Sie, daß ich mich selbst vorstell«, vr. Georg Erl, Primararzt an der orthopädischen Klinik. Habe rasch vorwärts gemacht. Großes Fachwerk. Einiges Aufsehen in oer medicini- schen Welt. Mit dreißig Jahren war ich schon Primararzt. An neidischen Bemerkungen einiger liebenswürdiger Tollegen hat «S nicht gefehlt. Mein Fach: Beinbrüche und ähnliche Zwischenfälle de» menschlichen Lebens hat zwar mit Aesthetik oder Kunstge schichte absolut nicht- zu thun. ES befindet sich aber auch in keiner Weise in irgend welchem feindlichen Gegensatz zu diesen DiSciplinen. Also hätten Or. Reinhold Leo von SchellShof und ich die intimsten Freunde sein können. Er war aber ein zu un angenehmer Kerl. Von einem ästhetischen Thee bei Frau Finanzrath Pauli datirte der Keim unserer Feinoschaft. Da hatte ich mich dem Privatdocenten der Kunstgeschichte gegenüber zu der für einen ästhetischen The« allerding» infamen Bemerkung hinreißen lassrn, daß ich di« Heilung «ine» cmplicirten Knie scheibenbruche» mit Knochensplittern für mindestens ebenso schwierig halte, wie die Ergänzung eine» antiken Torso. Was hatte er auch mit seinen Torso» gar so dick zu thun! Und zudem war er ein gerade»» fatal antrpathischer Kerl. Mein Neben buhler nämlich. Ihm täglich dreimal beide Schulterblätter auS- zurenken und wieder einzurichten, wär« mir ein ganz besondere» Privatvergnügen gewesen. Abgesehen von den hochinteressanten chirurgischen Complicationen, zu welchen die täglich vreimalige Wiederholung dieser Operation hätte führen können. Auf meine wenig ästhetische Bemerkung von dem Knie scheibenbruch erfolgte allseits „bedenkliches Schütteln des Kopfes", sodaß ich auf einmal eine innere Verwandtschaft mit weiland Kandidaten Jobsen verspürte. Nur der Herr Finanz rath klatschte lebhaft Beifall, wurde aber von den Blicken seiner Frau Gemahlin und unterschiedlicher anderer Damen geradezu zerschmettert. Ich fühlte aufrichtiges Mitleid mit dem jovialen alten Herrn. Da mich vr. von SchellShof überhaupt keiner Er widerung würdigte und ich die verdammte Pflicht in mir zu fühlen begann, die schöngeistige Gesellschaft von zwei derartigen Kunstbarbarcn zu befreien, zog ich mich in dem nächsten günstigen Augenblick mit dem geknickten Finanzrath ins Rauchzimmer auf «in Glas Sect zurück. „Na, die Gardinenpredigt!" seufzte der dicke Herr. „Was mußten Sie aber auch so lospatschen!" meinte ich mit einem leisen Vorwurf. „Ach was! Es ist auch ein zu ekelhafter Kerl!" grollte der Finanzrath. „Dummes Weibervolk! Läßt sich von dem Tinten fisch vororakeln, als wenn er die da in Delphi wäre! Wie heißt doch daS Frauenzimmer auf dem Dreifuß! Egal. Wahrschein lich ist'S auch so «in Torso gewesen!" Er leerte aufgeregt ein GlaS Sect auf einen Zug. Mit dem Finanzrath stand ich also so weit ganz gut. Auch unser« Ansichten stimmten ziemlich überein. Namentlich begeg neten sich dieselben vollkommen in unserer Abneigung gegen meinen Nebenbuhler. Wenn es also von dem alten Herren ab gehangen hätte, dann hätte ich mit Fräulein Irma Pauli sofort Verlobung feiern können. Ich hatte mich kurz nach meiner Ernennung zum Primararzt sterblich verliebt. Die begeisterte Losung: „Diese oder Keine!" war plötzlich in meinem Privatleben zur allmächtigen Geltung gekommen und machte ihren Einfluß auch schon außerhalb des selben in schier unheimlichem Grade geltend. Ich ertappte mich während meiner Ordinationsstunden oft auf schrecklichen Zer streutheiten. Der Sache muß also ein Ende bereitet werden. Entweder — oder! Ich war doch in erster Linie Arzt. Und es kann zu furchtbaren Consequenzen führen, wenn ein Arzt verliebt ist. Die Sache hatte jcooch zwei Haken und «in Häkchen. Der erste Haken: Meine Schwiegermutter iu spe, die Frau Finanzrath. Personenbeschreibung: Ziemlich corpulente, stattliche Dame. Etwas schwärmerisch und ideal angelegte Natur. Begeisterte Verehrerin meines Nebenbuhlers. Schwang den Pan toffel wie einen Feldherrnstab. Der Herr Finanzrath total: Null. Der zweite Haken: Meine Wenigkeit. Personenbeschreibung überflüssig, da dieselbe nur «inen in körperlicher wie geistiger Be ziehung völlig normalen Menschen ergeben würde. Drei graue Haare hab« ich erst kürzlich aus meinem sterblichen Ich Ver schwinden lassen. Also stimmt wieder Alles vorzüglich zu der Rolle eines jugendlichen Liebhabers. Daß ich bei der Frau Finanzrath mit meiner Bewerbung Schwierigkeiten haben würde, war mir von allem Anfang an klar. Ich glaubte deutlich zu bemerken, daß sie eine Verbindung Jrma's mit meinem Neben buhler mehr als protegirte, ja sogar unzweideutig betrieb. Darob begann «sich meiner «ine derartige Schüchternheit zu bemächtigen, daß ich niemals den Muth fand, mich meinem Jseal gegenüber auSzusprechen. Ich stand also meinem Lebensglück als zweiter Haken selbst im Wege. Das Häkchen: Fräulein Irma Pauli. Ich kann da» reizende Geschöpf doch mit keinem Haken vergleichen. Kastanienbraunes Haar. Dunkle Augen. Lippen wie Kirschen roth. Silberhelles Lachen. Ein liebes Gesichtchen, daS mich Tag und Nacht ver folgte. Wuchs tadellos. Herzlich und offen in ihrem Benehmen. Gediegene Bildung. Keine hervortretend« musikalische Begabung. Spielt nicht Clavier. Kurz, ein himmlisches Mädel. Kleine Portion hereditäre «Sentimentalität von der Mama. Jedoch kein ungesundes Uebermaß. Schlägt dem Papa nach. Um so besser. Nun konnte ich mir aber bei ihr nicht klar werden, ob st» für mich mehr fühle, al» freundschaftlich« Zuneigung. Ja, ich glaubte zu bemerken, daß sie meinem Nebenbuhler mehr als nöthige Aufmerksamkeit schenkte. Jedenfalls mehr, als mir an genehm war. Ich suchte vergebens einen Ausweg aus diesem Labyrinth und erwog in meiner Verzweiflung schon, daß es eigentlich das Gescheuteste wäre, mich um eine unsere Stellung zu bewerben, die mich weit, weit fort führen würde. Irgend wo hin, links von der Geographie. Allenfalls konnte ich mich ja auch einer Congo-Expedition anschließeu oder orthopädische Studien bei den Samojeden machen. . . . Mein Nebenbuhler stammte aus einer altadeligen, reich be güterten Familie. Mehrere Mitglieder derselben waren berühmte Staatsmänner und Feldherren gewesen. Sogar einen berühm ten Forschungsreisenden zählte man. Ich habe aber nie etwas davon gehört. Es schien überhaupt von der Wiege aus Alles be rühmt zu sein, was den Namen SchellShof trug. Nun sollte zur Abwechslung auch einmal aus einem SchellShof ein berühmter Gelehrter werden. Dazu war Reinhold Leo auscrsehen. Unter seinen College» von der philosophischen Facultät hörte man wenig von seinem angehenden Ruhm. Er galt im Gegentheil als ein hohlköpfiger Phrasendrescher. Aber Kollegen find bekannt lich immer neidig. Für die Damenwelt unserer Musrnstadt war er jedoch jetzt schon «ine Größe. Er hatte gleich im ersten Se mester seiner akademischen Lehrthätigkeit ästhetische und kunst historische Damencurse eingeführt. Seitdem war der Duodez- Carriöre, wie er in der Facultät hieß, «in unentbehrliches Re quisit auf allen ästhetischen Thees, poetischen Cirkeln, Liebhaber theatern, dramatischen Vorlese-Abenden und anderen Klatsch- basereien. Mir blieb es nur immer «in medlcinisches Räthsel, wie der Mensch diese Unmassen Thee verschlucken konnte, ohne daß er zum wandelnden Theekessel wurde. Bescheidenheit war nicht seine Zier. Eine unsagbar aufge blasene Arroganz machte ihn auch Anderen verhaßt. Dazu das fade geistlose Gesicht mit dem goldenen Kneifer. Toilette von tadelloser Eleganz, mit einem bedeutenden Stich ins Gigerlhafte. In Stimme, Ausdruck und Geberde ein« gewisse weltmüde Blastrtheit. Auftreten, al» ob morgen auf d«m größt«» Platz«
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