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«9. Jahrgang. DM" Des Butztags «egen erscheint die «Schfte Nummer dieses Blattes Sonuadend Abend '!-S Uhr. "W, F 27V. Freitag, de« IS. November. und TrgML Amtsblatt für dir kümglichea und Wüschen Behörden zu Freiberg und Brand. Berantwartlicher Redakteur : Julius Braun in Freiberg. Inserate werden bis Vormittag 11 Ubr angenom- FHFH/» men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H OOV oder deren Raum 1ü Ps. zur Entscheidung Tagesschau. Freiberg, den 18. November. Der deutsche Kaiser litt in den letzten Tagen an einer leichten Heiserkeit, wie sie bei dem greise« Monarchen sich neuerdings öfters zeigte. Der Kaiser mußte sich in Folge dessen einige Schonung auferlegen, doch hatte der Zustand nicht die allergeringste« Bedenkm. Gestern war die Heiserkeit so weit gewichen, daß der Kaiser die Borträge d«S Graf« Perponcher und des Geheimraths v. WilmowSki entgegen nehmen konnte. — AuS Anlaß des hundertjährigen Bestehens der Freimaurerloge „Wittekind" in Minden hat Kaiser Wilhelm ein Glückwunschschreiben an diese Loge ge richtet und ihr sein in Oel gemaltes Bildniß übersandt. — Der deutscheKronprinz wohnte vorgestern und gestern den Ber- mählungsfeierlichkeiten in Sch wer in bei. Bei dem glänzenden Festmahle in der dortigen Waffenhalle saßen der Großherzog von Mecklenburg und die Großherzogin einander gegenüber, der erstere zwischen der Großherzogin-Mutter (der einzigen Schwester unseres Kaisers) und dem Prinzen Albrecht von Preußen zur Rechten und der Prinzessin Albrecht und dem Prinzen Hein rich zur Linken. Die Großherzogin Anastasia trug eine Robe, deren Tablier weißen Atlas, deren Schleppe himbeerfarbenen Sammet zeigte. Rechts von der erlauchten Frau saßen der deutsche Kronprinz, die Großfürstin Wladimir in blaßgrün und rosa mit Smaragden, der Herzog von Altenburg, die Erb prinzessin von Meiningen, Herzog Johann Albrecht, weiterhin das Brautpaar — die junge Herzogin trug ein lachsfarbenes Tablier mit Bouquets besteckt und mit Spitzen garnirt, dazu eine Schleppe in mattem Silberton mit eingewebten Rosen — die Prinzessin Reuß und der Herzog Friedrich Wilhelm. Zur Linken der Großherzogin faßen Großfürst Wladimir, die Groß herzogin Marie, der Erbprinz von Meiningen, die Herzogin Wilhelm, der Prinz von Sachsen-Koburg, die Herzogin Johann Albrecht, Prinz Heinrich XIX. Reuß und di« Herzogin Elisa beth. — In der neunten Stunde wurde am Dienstag dem deutschen Kronprinzen seitens der Bürgerschaft der Stadt Schwerin und der Kriegervereine ein glänzender Fackelzug ge bracht. Gestern Nachmittag 1^ Uhr fand in Schwerin unter Glockengeläute und Geschützsalven die kirchliche Einsegnunng der Ehe der Herzogin Charlotte von Mecklenburg mit dem Prinzen Heinrich XVIII. von Reuß statt. Die Eröffnung des deutschen Reichstages wird diesmal im Weißen Saale des kgl Schlaffes in Berlin er folgen, aber ob durch den Kaiser in Person oder durch den Staatssekretär des Innern v. Bötticher, steht noch dahin und ist von der Gesundheit deS Kaisers abhängig. Selbstverständ lich erwartet man, daß die auswärtig« Lage in der Eröffnungs rede berührt werden wird. Die Thronrede pflegt erst kurze Zeit vor Eröffnung deS Reichstages festgestellt und den Mit gliedern des Bundcsraths am Morgen deS Eröffnungstage» mitgetheilt zu werden. — Die ungünstige Gestaltung des Reichshaushaltetats für 1887/88 wird regierungsseitig offen zugegeben; in einer offiziösen Darlegung heißt es: „Eine Er höhung der Matrikularbeiträge um 33176541 Mark, wie sie der dem Bundesrathe vorliegende Entwurf deS Reichshaushaltsetats für 1887/88 Vorsicht, ist ohne Zweifel um so unerfreulicher, weil damit nicht zugleich eine Ver mehrung der an die Bundesstaaten abzuführrnden Ueberschüsse an Zöllen, Tabaks- und Stempelsteuer Hand in Hand geht, wie die» bezüglich deS laufenden Jahres der Fall war. Nach wider die Reichsregierung aufstacheln lassen, dann stünde es schlimm um zahlreiche Vorlagen, bei denen im deutschen Reichstage die Willfährigkeit deS Zentrums nicht entbehrt werden kann. Zum Gluck giebt es zwei Punkte, welche dieser Befürchtung gegenüber Beruhigung gewähren: erstens, daß innerhalb des Zentrums auch patriotische Männer sitzen, welche bei der gegenwärtigen Lage der auswärtigen Politik eS nicht auf einen Konflikt mit der Reichsregierung ankommen lassen werden; zweitens, daß die Führer des Zentrums ganz gut wissen, wie ihr allzuschroffer Wider- stand nur die Gefahr der ReichStagsauflösuna beschleunige» würde. Darüber ist aber kein Zweifel, daß bei Neuwahlen die Gefahren, welche dem deutschen Reiche jetzt durch äußere und innere Feinde droht, ebenso wie die Furcht vor der Rückkehr der Jesuiten eifrig und wahrscheinlich sehr erfolg reich benützt werden würden, um dem Zentrum und seinen Freunden zahlreiche Reichstagsmandate zu entreißen. Ein Vorspiel zur Reichstagssesfion. Bei der einflußreichen Rolle, welche dieZentrumspartei in der schon in den nächsten Tagen beginnenden Session des deutschen Reichstages spielen wird, ist die kampsfreudige Stimmung, welche in dieser zahlreichen und einflußreichen Partei zu herrschen scheint, von allgemeinem Interesse. Die Reichs regierung bedarf für eine Reihe der wichtigsten Fragen der Zustimmung der Reichstagsmehrheit, die sich in der letzten Session nur zu sehr von den zähen Zentrumsführern leiten ließ. Die Hoffnung, diese Führer durch vereinzelte Zuge ständnisse auf kirchenpolitischem Gebiete und durch eine Ver ständigung der preußischen Regierung mit der römischen Kurie aus ihrer jetzigen oppositionellen Stellung heraus- rubringen, hat sich bis jetzt leider nicht erfüllt. Trotzdem der jetzige Papst durchaus versöhnlich gesinnt ist, trotzdem einzelne der würdigsten deutschen Bischöfe die Absicht be kunden, ihre kirchlichen Bestrebungen im Frieden mit der Staatsgewalt zu verfolgen, bleibt oas Zentrum kampfge rüstet und läßtiedefriedenSfreundliche Aeußerungeines einzelnen Bischofs durch die ihr zu Gebote stehende ultramontane Presse mit so schneidigen Angriffen beantworten, daß d«r betreffende Bischof gewöhnlich dadurch wieder eingeschüchtert wird. So erging es seiner Zeit dem Bischof von Paderborn anläßlich seines staatsfreundlichen Studienerlasses, so ist cs in den letzten Wochen dem Bischof Kopp von Fulda wegen des Fuldaer Knabenkonvikts ergangen. Die letztere Angelegen heit ist an sich herzlich unbedeutend und wie es scheint nur absichtlich nachträglich aufgebauscht worden, um den mit der Kampfsucht des Zentrums nicht einverstandenen Bischof von Fulda für die ihm zugedachte einflußreiche Stellung eines Koadjutors des erkrankten Fürstbischofs von Breslau unmöglich zu machen. Die Leitung der größten preußischen katholischen Diözese, der für die Ultramonlanen und die Polen besonders wichtigen Provinz Schlesien, möchten die Führer des Zentrums nicht gern in den Händen eines Mannes sehen, der mit ihren leitenden Grundsätzen nicht völlig einverstanden ist. Schon vor dem jetzigen kirchlichen Friedensschluß war das Fortbestehen des Fuldaer Knabenkonvikts dadurch gesichert worden, daß man es als eines jener bischöflichen Gymnasiasten-Pensionate betrachtete, die nicht Seminare im Sinne der Maiaesetze, sondern der Staatsaufsicht unterliegende Erziehungsanstalten sind. Da der Inspektor der Anstalt, Herr v. Schorlemer- Alst, im Gegensätze zu dem Bischof Kopp diese staatliche Aufsicht als unzulässig ansah, mußte er abgehen, was dem ihm vorgesetzten Bischof für wichtig genug erschien, die dabei berührte Frage der Staatsaufsicht dem gesammten Episkopat durch den Erzbischof von Köln z unterbreiten zu lassen. Damit schien zunächst die Angelegenheit erledigt, bis sie plötzlich, gleichzeitig mit der Anzeige, daß der Bischof Kopp rum Koadjutor des Fürstbischofs von Breslau ausersehen sei, von zahlreichen klerikalen Blättern wieder breitgetreten wurde. Damit verband man Mittheilungen über das an gebliche Verhalten des Bischofs bei einer Wahlangelegen heit und Meldungen über ungünstige Aeußerungen, welche vr. Kopp über oie Zentrumspartei gethan haben sollte. Ferner ließ man einfließen, daß nicht nur das Zentrum, sondern auch die Mehrheit der deutschen Bischöfe mit dem von vr. Kopp in Rom erwirkten Zugeständniß betreffs der Anzeigepflicht nicht einverstanden sei und daß der letztere eine für das Zentrum wenig günstige Sonderstellung im preußischen Herrenhaufe eingenommen habe. Selbst nach dem der Bischof die ihm gemachten Vorwürfe durch eine öffentliche Erklärung bündig widerlegt hatte, stellten die klerikalen Blätter ihre Angriffe gegen ihn nicht ein. Der ,Wests. Merkur" zog aus oer das Fuldaer Konvikt be treffenden bischöflichen Erklärung nur den Schluß, daß vr. Kopp ein unzulässiges Entgegenkommen in der Frage der Staatsaufsicht bewiesen habe. Die „Niederrhein. Volks zeitung", welche in der Erklärung des Bischofs „unwür diger" Aeußerungen beschuldigt worden war, meinte, die Haltung vr. Kopps sei nur um deswillen besonderen Be sprechungen ausgesetzt, weil derselbe eine Sonderstellung einnehme. Das Blatt fuhr dann fort: „Unser Gewährs mann theilte uns mit, der Herr Bischof von Fulda habe m persönlichen Vorbesprechungen mit dem Herm v. Goßler eine Regelung der Oroensfrage in dem in der Korrespondenz angegebenen Sinne als angängig bezeichnet und befürwortet. Daß der Herr Bifchof auch in Rom sich im gleichen Sinne geäußert habe, glaubte unser Gewährs mann versichern zu dürfen, und nahmen wir die hierauf bezügliche Notiz einfach auf die Autorität desselben in unser Blatt auf." Im Uebrigen beharrt das Krefelder Blatt dabei, daß der Bischof von Fulda auf verschiedenen Stationen seiner Firmungsreise bedenkliche Urtheile über die Thätigkeit des Zentrum» und seines Führers gefällt habe. Darüber dürfe man aber keine Unklarheit zulassen, wenn man der Gefahr einer Spaltung der Gesammtpartei vorbeugen wolle. Das Hauptorgan der ultramontanen Pattei, die Berliner „Germania", hatte kein Wort der Ver- theidigung für den von dm klerikalen Provinzialblättern angegriffenen Bischof, sondern stellte seine Erklärung mit folgenden Motten als ein reumüthigeS Einlenken hin: „Zweimal nur hat eine Irrung stattgefunden, sie betraf aber immer nur die Befürchtung, ein einzelner Bischof habe in einer Frage sich isolirt von Papst und Bischöfen. Und jedes Mal nahm die Irrung ein rasches Ende!" Wäre nicht das Zentrum die im Reichstage den Ausschlag gebende Pattei, so würde man die Angriffe der klerikalen Blätter gegm einen so strenggläubigen und glau benseifrigen Bischof als eine interne Angelegenheit ein zelner katholischer Diözesen allgemein unberücksichtigt lassen. Die Berliner „National-Atg." druckt die Ansicht vieler deutscher Blätter aus, wenn sie schreibt: „Wir haben kein spezielles Interesse daran, ob Herr vr. Kopp von Fulda nach Breslau versetzt wird; denn falls seine friedliche Ge sinnung wirklich dazu angethan sein sollte, in dem größeren Wirkungskreise dem Zentrum Abbruch zu thun, so würde derselbe doch nicht unseren Bestrebungen zu gute kommen. Wir haben gegenüber Vorgängen, wie die in Rede stehen den, die einfache Aufgabe des Chronisten, der die That- sachen zu verzeichnen und verständlich zu machen hat. Zu diesen Thatsachen gehört das Taschenspieler-Kunststück, ver mittelst dessen die ultramontane Presse im Auftrage des Zentrums unter beständigen Bethcuerungen der Unter würfigkeit gegen die Bischöfe diese dem Willen des Zen trums dienstbar zu machen sucht." Die „Nationalliberale Korresp." legt den Angriffen gegen den Bischof von Fulda doch noch eine weitere Bedeutung bei, weil in derselben Zeitung, welche dieselben einleitete, in der „Niederrhein. Volkszeitung", auch die Mittheilung enthalten war, der Bischof von Fulda habe in Rom dafür gewirkt, daß der Papst bei den jetzt schwebenden Verhandlungen über Re vision der Maigesetze sich mit der von der preußischen Re gierung angebotenen Wiederzulassung der Franziskaner und der Ursulinerinnen einverstanden erkläre. Darauf hat der Bischof freilich geantwortet, er wisse gar nichts von einem solchen Vorschläge, habe also auch nicht in Rom für dessen Annahme wirken können. Gleichzeitig verlautete aber aus dem Vatikan, daß in dem von der Kardinals-Kongre gation ausgearbeiteten Entwurf zur Revision der preu ßischen Kirchengesetzgebung die Aufhebungdes Jesui tengesetzes nicht gefordert werde. Dann sucht nun die „Nationalliberale Korrespondenz" den eigentlichen Grund der ingrimmigen Bekämpfung oes Bischofs Kopp und sagt wörtlich: „Als vor zwei Monaten von der ultra montanen Agitation die „Jesuitenfrage" aufgeworfen ward, sollte auf den Vatikan ein Druck ausgeübt werden, die Forderung der Aufhebung des Jesuitengesetzes bei den Ver handlungen mit Preußen zu stellen. Liegt nun die An nahme nicht sehr nahe, daß der Bischof von Fulda, vom Papste über diese Angelegenheit befragt, von einer solchen Forderung abgerathen hat? Und damit wäre dann freilich das Räthsel gelöst. Es ist der offene Krieg der Jesuiten gegen die ehrlichen Friedensbestrebungen, der nun beginnt. Darüber sind wir stets außer Zweifel gewesen, daß die Wiederzulassung des Jesuitenordens in Deutschland nicht nur von der Regierung nicht zuge standen, sondern auch von dem gegenwärtigen Papste nicht verlangt werden wird; denn sie verlangen, hieße jede weitere erfolgreiche Friedensverhandlung unmöglich machen. Das Interessante an den Vorgängen der jüngsten Zeit ist die Wahrnehmung, daß die Jesuiten allem Anscheine nach sich mit dieserArtFriedenspolitiknichtlängerzufrieden geben wollen. Sollte diese Darstellung zutreffen und das Zentrum sich wirklich von den Jesuiten zum fortwährenden Kampfe