Volltext Seite (XML)
Nr. 103. 55. Jahrgang. Sonnabend, den 31. August 1889. VHerih-MiW Verantwortlicher Redacteur: Psul Ikhne in Dippoldiswalde. Amtsblatt für die Königliche Umishauptmannschafi Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und dre Stadtrathe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Jnjerale, welche bei da bedeutenden Auflage det Blattes eine schr wirk- same Verbreitung finden, werden mit 10 Psa. die Spaltenzeile oder verm Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theil«, die Spaltenzeile LOPfg. „Weißeritz. Zeitung-- erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 25 -Psg., zweimonatlich 84 Psg., einmonatlich 42 Psa. Einzelne Nummern 10 Psg. - Alle Postan- ftalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. nichts berichtet und doch muß eine derartige Initiative als eine Pflicht der Regierung angesehen werden, deren Nichterfüllung die Herren Salisbury und Genossen für die etwaigen revolutionären Folgen des Streikes mit verantwortlich macht. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 30. August. Von einer allge meinen Feier des Nationalfesttages verlautet Heuer bei uns nichts. So dürfte wohl der am 2. September stattfindende SchulaktuS (siehe die Einladung in heutiger Nummer) die einzige Auszeichnung des Tages sein, abgesehen von der üblichen Reveille und dem Flaggen schmuck. Es sollte uns übrigens recht lieb sein, wenn wir später von noch weiteren patriotischen Kund gebungen am Nationalfesttage berichten könnten; denn offen gestanden: es will uns nicht gefallen, daß man Heuer von der in früheren Jahren beliebten mehrfachen Auszeichnung des Tages abgesehen hat. Der immer am meisten beliebte Theil der Feier, der sogenannte patriotische Abend, mit etwas Musik und einem Fest vortrage ist doch nicht allzu schwer herzustellen. Dres den freilich entschuldigt sich und kann sich entschuldigen mit der Nähe des Kaiserbesuchs, der außergewöhnliche Veranstaltungen verursacht, womit aber wir? Mag das Wettinfest mit seinem reichhaltigen Programm zu einer gewißen Festmüdigkeit mit beigetragen haben; dieselbe sollte doch nunmehr insoweit überwunden sein, daß man wenigstens in der einfachen Weise dem be reits erwähnten patriotischen Abende, dem National festtage, alle Jahre sein Recht wahrte. Es ist gar so nothwendig, dem deutschen Volke, dessen Einheit und Bedeutung noch zu jung ist, als daß sie von allen Kreisen erkannt und gewürdigt werden könnte, immer wieder vor Augen zu halten und zu Gemüthe zu führen, was uns das Jahr 1870 erworben hat und was wir zu thun haben, seine Errungenschaften zu bewahren und in gehöriger Art uns nutzbar zu machen. Dippoldiswalde. Ein seltenes Fest konnte am Donnerstag, 29. August, der Besitzer der hiesigen Apotheke, Herr Apotheker Rottmann, feiern, da an diesem Tage vor 200 Jahren, 1689, von Kurfürst Johann Georg HI. das Privilegium der Apotheke zu Dippoldiswalde unterzeichnet worden war. — Herr Musikdirektor Hoppe wird Montag Abend, zum Sedantag, im Saale der „Neichskrone" ein Con- cert zum Besten der Milchkur bedürftiger Kinder geben; hoffentlich wird in Anbetracht des guten Zweckes der Besuch ein recht guter sein. — Man erwartet für dieses Jahr keinen beson ders großen Ertrag der Rebhühnerjagd, wenigstens nicht in allen Revieren. Scheinbar waren doch alle Faktoren vorhanden, um eine ausgiebige Hühnerjagd sür dieses Jahr zu liefern. Einem nicht zu harten Winter folgten herrliche Frühlingstage zur Paarung, eine denkbar beste Legezeit und Brüteperiode, und als die kleinen Küchlein aus den Eiern schlüpften, herrschte schon echt sommerliche Wärme. Auch war die Zeit der ersten Hühnerjugend frei von kalten oder heftigen Regen, kurz, es ließe sich kaum erklären, warum auch das Jahr 1889 ein mittelmäßiges — rundweg gesagt — schlechtes Hühnerjahr für uns sein soll. Als einzig richtige Ursache wäre nur die Thatsache zu erwähnen, daß der Kleebau in den Feldern häufiger geworden, daß Rebhühner mit besonderer Vorliebe ihre Nester im Klee zurechtrichten, daß ferner in Folge der so vor zeitig eingetretenen Sommertemperatur dieses Jahres der Klee um fast drei Wochen früher schnittbar war und in Folge dessen fast alle in dieser Feldfrucht be findlichen Gehege bei der Mäht zerstört wurden. Was die Hasen anbelangt, so bedarf es nur eines kurzen Spazierganges durch die Felder, um sich zu überzeugen, daß ihrer eine schwere Menge herangewachsen ist. — Am I. September beginnt in Sachsen das Jagd jahr 1889/1890 und mit diesem Tage die Jagd auf weibliches Edel- und Damwild, einschließlich der Käl ber beider Wildarten, Rebhühner, Schnepfen, Hähne von Auer-, Birk- und Haselwild, Wachteln, Bekasinen und wilde Tauben. Derselben schließt sich sodann am 1. Oktober die Jagd auf Hasen und Fasane an, wäh rend weibliches Rehwild erst vom 16. Oktober an und zwar auch nur bis zum 15. Dezember geschaffen werden darf. — Gesuche um Entlassung von Soldaten vom Militär nach 2-jähriger Dienstzeit im Interesse häus licher Verhältnisse müssen jetzt schleunigst bei den OrtS- behörden angebracht werden, wenn dieselben noch m diesem Jahre Berücksichtigungen finden sollen. Die Reservisten und Dispositionsurlauber werden nämlich gleich nach Beendigung der Manöver, etwa Mitte Sep tember entlassen. — Zur Warnung für Dienende geht jetzt folgendes Geschichtchen durch die Blätter: Eine höchst unange nehme Ueberraschung wurde kürzlich einer Dienstmagd zu Theil, die ihrer Dienstherrschaft in Wernsdorf bei Penig widerrechtlich entlief, um in ihre Heimath in Bayern zurückzukehren, wo sie sich jedenfalls vor allen Folgen vollständig gesichert dünkte. Ihr Dienstherr beantragte bei der zuständigen Behörde die Zurückfüh rung der Durchgängen«, weshalb die bayrische Behörde ersucht wurde, die Magd bis zur Grenz« zurückbeför dern zu lassen. Hier wurde sie von einem sächsischen Beamten in Empfang genommen, uno so langte sie vor einigen Tagen wieder in dem Orte an, welchem sie treulos den Rücken gekehrt, ohne ihre übernommenen Verpflichtungen erfüllt zu haben. — Ueber die Behandlung von Fund stücken und die den glücklichen Findern obliegenden Verpflichtungen herrschen, wie sich aus vielen Gerichtsverhandlungen ergiebt, noch immer die seltsamsten Vorstellungen. Dem gegenüber sei daran erinnert, daß jeder Finder, der die polizeiliche Anzeige des Fundes über drei Tage verzögert, des gesetzlichen Finderlohnes verlustig geht und wer gar über vier Wochen wartet, hat die Ver- muthung des unredlichen Erwerbes gegen sich und läuft auf alle Fälle Gefahr, wegen Unterschlagung angeklagt zu werden. Eine solche liegt vor, wenn der Finder über die Sache zu seinem eigenen Vortheil verfügt. — Der landwirthschaftliche Verein zu Possendorf hat, wie aus einem Inserat in heutiger Nummer her vorgeht, eine Dienstvermittelungsstelle errichtet, welche für bas landwirthschaftliche Dienstpersonal den Dienstnachweis nicht nur unentgeltlich besorgt, sondern demselben auch noch außer dem üblichen Miethgeld eine Vergütung von 1 Mark gewährt. — Die Gräberstätte bei Sobrigau. Vor mehreren Wochen erregte die unoermulhete Auffindung von Grabplatten auf dem Felde des Herrn Gutsbe sitzers Wagner in Sobrigau bei Lockwitz größeres Auf sehen. Die anfangs nur unter der Einwohnerschaft von Sobrigau viel ventilirte Frage, was wohl unter diesen riesigen Steinplatten verborgen sein könnte, ver anlaßte Herrn Wagner zu Nachgrabungen. Unter vorsichtigem Graben drang man I'/» Meter tief in die Erde ein . nachdem man schon bei V» Meter Tiefe auf einzelne Ziezelstücken und tiefschwarze Holzkohlenstück chen mit noch deutlich erkennbarer Holzsaserstruktur gestoßen war. In der obenerwähnten Tiefe zeigten sich unter der ersten Steinplatte zunächst kleine Knochen, bald aber hatte man ein ganzes menschliches Skelett aufgedeckt, welches nach der Zartheit deS Knochenbaues und der Weite des Beckens zu schließen, einem weib lichen Individuum ongehört zu haben schien. An der linken Seite des Skeletts, aber 10 Centimeter tiefer gelegen, sand man ein zweites, größeres Skelett von kräftigem Knochenbau und besonders großem Schädel, unverkennbar das Skelett eines ManneS. Die An gesichter dieser Gerippe waren nach Nordost gerichtet. Die Knochen waren so morsch, daß sie beim Heraus- Der Streik der Mim Mirbeiter. Die Riesenstadt an der Themse mit ihren 4 Mil lionen Einwohnern sieht sich durch den Maflenausstand der in den Londoner Docks, den großen, sich an beiden Usern der Themse hinziehenden, zur Aufnahme von Schiffen bestimmten Bassins, beschäftigten Arbeiter von einer ernsten Kalamität bedroht, die zwar zunächst nur wirthschastlichen Charakters ist, die aber bei länge rer Dauer leicht einen noch weit bedenklicheren Charak ter annehmen kann. Ursprünglich nur von einer be schränkten Anzahl Docks ausgehend, dehnte sich der Streik bald über die gesammte Arbeiterschaft der Lon doner Hasenwerke aus, und ergriff auch die beim Ein- und Ausladen der Schiffe beschäftigten Arbeiter, weiter andere mit der Dockarbeit verbundene Arbeiterklassen, ja, die Bewegung steckt jetzt sogar Arbeiterkategorien Londons an, die mit der Hasen- und Schiffsarbeit gar nichts zu thun haben. Die Folgen dieses allgemeinen Ausstandes sind sür die ganze Schifffahrt, soweit diese Mit dem Londoner Hasen verbunden ist, und für den Handel und Verkehr der englischen Metropole und hiermit zugleich sür die Verproviantirung ihrer Be völkerung äußerst empfindlich. Zahllose Segelschiffe müssen im Londoner Hasen liegen bleiben und auch gegen 60 Personendampser sind zur gleichen unfrei willigen Muße verurtheilt; selbst die Postdampser ver mögen nur mit größter Mühe noch ihre AusfahrtS- zeiten inne zu halten, dabei stockt auf sämmtlichen Londoner Märkten der Verkehr fast gänzlich; die Ende voriger Woche nach London vom Kontinent gebrachten Vorräthe an Butter, Schinken u. s. w. konnten nicht ausgeladen werden, weil es an willigen Händen fehlte, Fleisch, Thee, Zucker, Kaffee, Obst werden immer knapper und die Preise für diese Bedürfnisse haben daher bereits eine außerordentliche Höhe erreicht. Trotzdem also das Londoner Publikum unter dem Ausstande der Hafenarbeiter selber empfindlich mitzu leiden hat, bewahrt es denselben seine Sympathien, welche die Bevölkerung der englischen Hauptstadt den Streikenden gleich von Anfang an entgegenbrachte. Es erklärt sich dies hinlänglich aus der in der Thal elenden Lage der Dockarbeiter, denn dieselben bekommen für ihre schwere Arbeit nur 4 Pence (34 Pf.) pro Stunde und werden durchschnittlich nur sechs Stun den täglich beschäftigt, der Durchschnittslohn eines Londoner Dockarbeiters stellt sich also auf wenig über zwei Mark täglich und das bedeutet für das theure London geradezu einen Hungerlohn. Die Streikenden verlangen nun in der Hauptsache die Erhöhung ihres Stundenlohnes auf 6 Pence, aber die Londoner Dock gesellschaften verhalten sich dieser nicht unbilligen For derung gegenüber noch durchaus ablehnend und da auch die Streikenden entschlossen sind, bis zum Aeußersten auszuharren, so erscheint der Ausgang der Bewegung noch völlig ungewiß. Die streikenden Arbeiter, deren Gesammtzahl gegen wärtig auf mindestens 100,000 geschätzt wird, haben sich bis zur Stunde vollkommen musterhaft verhalten, auch bei ihren Riesendemonstrationen sür ihre Sache, wie eine solche am letzten Sonntag im Hydepark statt fand. Aber daß diese Zehntausende feiernder und dabei hungernder Arbeiter, falls der Ausstand fort dauert, in ihrer Verzweiflung gefährlich werden können, liegt auf der Hand, zumal die Führer der sozialistischen und anarchistischen Gruppen der Themse-Metropole eifrigst bemüht sind, die Leitung der Bewegung in ihre Hände zu bekommen. Gelingt dies, so stünde London vor einer wirklichen Arbeiterrevolution und die englische Regierung scheint mit einer solchen Mög lichkeit zu rechnen, denn seit Montag sind in sämmr- lichen Londoner Kasernen die Truppen konsigntrt und auch die Polizeimannschaften wurden bedeutend ver stärkt. Davon, daß die Regierung ihren Einfluß bet den Docksgesellschaften zu Gunsten der Forderungen der Streikenden geltend gemacht, wird indessen noch k, kts-n: