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Wöckemiick erscdem.n drei Nummern. Pränumeration-» Preis 22; Sgr. <; Tkir.) vierteljährlich, 3 Tdlr. für da« ganze Johr, ohne Er- böhuna, in allen Theilen der Vreusischen Monarchie. für die Man prünnmerirt au' dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der ""'u. Pr. Staaikr^eimng ^Fri^vritdk'r. Nr. 7^); in der Provinz so wie im Auviandc bet den Wodhäbs. Bost - Aemtern. Literatur des Auslandes. 97 Berlin, Mittwoch den 12. August Schweiz. Eine Jdcc zur Philosophie der Geschichte. (Nach der l!i!7liotitr:ki,ie Uv 6t>ueve.) Zu den charakteristischen E>genthümlichkcitcn der alten Geschichte gehört bekanntlich die Eroberung: wir sehen eine Reibe von Welt reichen durch die Eroberung entstehen, erst in Asien, dann in Europa, die ihre Herrschaft über Vic meisten damals bekannten Völker ans dehnen; Rabelais nennt das ironisch: „die wunderbare llebertragnng der Kronen unv Reiche" (..l'ustm rabw lrcmxport «lox rignox et ompirox «lox Xxxvr onx ex illeöex, öex lllinlox ex l'erxex. «lex ?orxox ex «^lacocliänox, «lex lllumFlnjiiox ex Eroce, «lex t>re,r ex lbvnuuux, «lex lioluaiiix ex brain^ovr" "). Es ist dies in der That ein Gesetz der alten Welt von NinnS bis ans Karl den Großen. Man merkt, daß dieses Gesetz in seinen letzten zwei Wirkungen schon sehr nachläßt; denn das Reich von Konstantinopel, das Vic Franzosen so treffend Illm - Vmpiro ucnncn, war von seinem ersten Anfang ab nur ein langer Verfall, und das Reich Karl's des Großen war ohne Bestand und Dauer, ein glänzendes Meteor, das schnell in die Nacht zurücksauk. Von da ab sieht man deutlich das Gesetz aufgehoben ovcr unterbrochen, unv Vies ist einer von den untcr- schewenden Zügen, welche die mvvernc Welt von der alten trennen. Mehrere Staaten machen Versuche, sich der politischen Oberherrschaft zu bemächtigen; keinem gelingt es. Den Kaisern des Mittelalters treten die großen Päpste, der Islam und die Kreuzzüge entgegen. Karl V . wird von Frankreich, den Osmanc» und Luther aufgchalten, Philipp II. von den Nicdcrlanvcn unv England. Nun kommt an Frankreich vic Reihe, als erobernde Macht aufzutrclcn: Heinrich !V. und Richelieu fassen zuerst vip Jvcc, Ludwig XlV. macht den An fang; man weiß, mit welchem Erfolg. Deutschland, Spanien unv Frankreich haben sich so hinter ein ander, unv immer vergebens, iu dem Strcbcn nach Oberherrschaft versucht. Aber Frankreich zeichnet sich dadurch aus, daß cs, trotz seiner Niederlagen, dieses Streben nicht aufgegeben hat. Die Erobe rungssucht gehl mit Ludwig XIV. nicht unter; sic erwacht heftiger als je am Enoc des Ifitcn Jahrhunderts; ein großer Soldat will das gleich Karl's des Großen wicverhccstcllcn, und Frankreich unter stützt mit Begeisterung seine gigantischen Pläne; er erliegt der Auf gabe, sein mährchenhaftcs Glück versinkt plötzlich in ein Meer von Unfällen, aber Frankreich ist von seinen Illusionen nicht geheilt, und es fehlt nicht an Ehrgeizigen, die ihm noch immcr Vie nie mehr wievcrkehrenve Nolle des Römischen Reichs verkündigen. Es wäre der Mühe wcrtb, zu untersuchen, wie eS kommt, daß das sonst von Natur so wenig beharrliche Frankreich so standhaft eine Idee fcsthält, woran cs schon zweimal so unglücklich gescheitert ist. ES ist bekannt, daß hieran besonders der Charakter der Nation schuld ist, wie er durch die lange und mächtige Negierung Luv- wig's XIV. und NichcUewS, eine Regierung, welche Glanz und Ruhm zum ersten Bedürfnis« des Landes machte, allmälig ausge bildet worden. Trotz dieser einem ganzen Volk so tief cingepfropftcn Leidenschaft aber muß man sich doch wundern, daß die Lehren der Erfahrung ihm so wenig genützt haben. Offenbar hat dies seinen Grund in den Wunvern von Muth und Genie, welche Frankreich auf der Bahn seiner Eroberungen auszcichnen. Wenn man so große Dinge gcthan hat, mögen sie auch mit 'Niederlagen endigen, ist man schon Ehren halber gcnöthigt, zu versuchen, wie Vie Franzosen sagen, ob man nicht endlich einmal das Glück weniger ungünstig finden wird. Das Glück! aber warum achtet ihr seine Entscheidungen nichts Ist denn das Glück iu den Völkerschicksalen etwas Anderes, als die Acußerung höherer, von der Vorsehung ausgehender Gesetze, gegen welche jede menschliche Anstrengung machtlos ists Je mehr Wunder ihr auf dieser Laufbahn verrichtetet, wo ihr von Sieg zu Sieg eiltet und die euch plötzlich gewaltsam verschlossen wurde, desto mehr müßt ihr das Gesetz der Vorsehung erkennen, besonders wenn ihr mit euder eigenen Geschichte die der früheren ähnlichen Ereignisse ver gleicht, wo sich dasselbe Gesetz, in ähnlichen Katastrophen deutlich «usgedrückt, offenbart. .... ^.-'Wollte Gott", sagt er, „ein Jeher wüßte genau seine Genealogie von »er Arche Noah-, au, diese Zeit." Also gerade der Glaube der Franzosen, daß sic in ihrer Sicgcö- laufbahn nur vurch das Glück, occr besser, durch die Schläge vcr Vorsehung ausgchalten worden"), müßte sie am stärksten von dem wiederholten Betreten dieser Bahn abhaltcn. Ucbrigcns kommt wenig darauf an, was Frankreich denkt, wünscht, thnn ovcr nicht thuu wird. Bis jetzt wird daS Gesetz, von dem wir sprechen, durch die größten Ercignissc vcr neueren Zeit hinreichend bestätigt. Es n)ärc nun noch übrig, vicscS Gesetz zu erklären, die Vernunft desselben im Gegensatz z» vem, unter welchem die Staatcu vcr alten Welt stchcn,' uachzuwctscn, >nit einem Wort zu zeigen, warum vicicS Gesetz die moderne, ein anderes Vic alte Well regiert. Zur vollstänvigen Beantwortung dieser Frage würde ein Buch gehören; ich wage hier nur einige Bemerkungen. Ich crcnncrte eben an Rabelais' Ironie über „die wunderbare Ucbcrcragung der Reiche". Der skeptische Spötter mußte sich über die Geschichte wie über alles liebrige lnstig machen, und man muß gestehen, 'Nichts bietet der philosophlschm Ironie mehr Stoff, als die Annalen dieser erbärmlichen Welt, ans die wir so stolz sind; Voltaire hat cS mir zu sehr bewiesen. Aber in unseren Tagen lacht man nicht mehr über die Geschichte, man sucht in ihren Sinn ciuzuvrin- gcn, die stolze Frivolität des lblen Jahrhunderts ist nicht mehr an der Tagesordnung, man hat cingesthen, daß nichts abgeschmackter sep, als zu glauben, vic Menschheit bewege sich nach Zufall, und cs scy kein höheres Gesetz da, das sie leite; man ist so zu dem vom großen Boffuct so rühmlich betretenen Wege zurückgekchrt, denn Bossuct war cs, vcr schon km I7tcn Jahrhunvcrt auf höhere Weise jene llebertragnng der Reiche zu erklären suchte, in der Rabelais nichts als kuriose Revolutionen ohne Zweck und Bedeutung sah. Ich bin weit entfernt, vic schönen Arbeiten unserer Zeit für die Philosophie der Geschichte hcrabützcu zu wollen; aber diese Arbeiten, so gelehrt und geistreich sie auch sind, verlassen nicht das Gebiet der Hypothesen, und ich behaupte geradezu, daß der Dixoum-x xur I'l«ix- Iinro nniv rxollc einen unbestrittenen Vorzug vor ihnen bat. Das Werk des Bischofs von Mcaur ruht ganz auf einer positiven Basis, auf den Andeutungen der einzigen Religion, die Beweise hat, wie Föm'lon sagt. Für vcn freilich, der diese Beweise nicht anerkennt, ist diese Betrachtung ohne Werth unv daS Werk bleibt zum wenigsten hypothetisch; aber für die, welche die Wahrheit der Grund-Elemente des Judcnthnms und EhristcnthnmS anerkennen, giebt cö nur einen Zweifel, ob nämlich daraus, daß eine Religion wahr ist, schon folgt, daß sie die Geschichte erklärt. Hieran aber läßt sich meiner Meinung nach nicht füglich zweifeln. In der Entwickelung der Menschheit sicht man die menschliche Freiheit und die göttliche Leitung bald im Kampf, bald zufammcu- wirkend: im Kampf, wenn die Freiheit sich vom göttlichen Willen abwcndet, zusammcnwirkenv, wenn sie ihm gehorcht. Dieser Kampf unv VicscS Zusammenwirken bilvcn vvni Anfang unserer Welt ab cmeu ungeheuren Cyklus von Dramen, deren Enventwickelung na türlich vurch den höheren Willen, den vcr Vorsehung, bestimmt wird. Ist vcr Mcnsch im Stande, die Gesetze, nach welchen dieser höhere Willen wirkt, zu erkennens Sobald er nicht den höchsten Willen selbst kennt, gewiß nicht; aber wenn er diesen Willen kennt, wenn eine Offenbarung ihn gelehrt, zzi welchem Ziele Gott den Kampf, den er vom Anfang an mit der menschlichen Freiheit begonnen, führen will, muß er da üichl auch die Regel, nach welcher Gort in die Ge schichte cingrcift, erkennen s Kann es hierfür eine andere Regel geben, als ven Willen GottcS'in Bezug auf die Menschen? Und wenn dieser Wille einmal erklärt und offenbart worden, wird diese Offenbarung nicht in unseren Händen gleichsam vcr leitende Faden scyn, ver uns sicher durch das Labyrinth der Revolutionen führt, indem er uns sowohl ihren Zusammenhang unter einander, als ihren gemeinschaft lichen Gang nach dem Ziele hin zeigt, das von Ewigkeit her in Gottes Rathschlüffen bestimmt wart ") ttedrigcnS ist «S lächerlich, wenn di« Franzosen in Lieser Betrachtung ein«» einseitigen Trost finden und die Schmach ibrer eigenen Niederlage von 18IZ und l-> ,0 wie den Ruhm ihrer Gegner dadurch zu verkleinern glaube», «US wenn dieyeeteren nicht eben 10 gut lagen konnten, daß dieFranzown Lie Siege, die fie selbst vorher über die andere» Volker erfochten, nur dem Glück oder der Vorsehung zu verdanken hatten. Und aUerdmas haben beide vott- kommeu Recht: WIL war die Begeisterung und der Aufschwung der Völker das Werkzeug, dessen fich die Voriehuug unter Anderem auch da;u bediente, den Uebermuth eines einzigen Volks in seine Schranken zurückzuweiscn, so wie früher die Nahrungen der Revolution und die Siege der Franzosen in den Händen der Vorsehung nur ein Mittel waren, nncn sve.teren Auuchwung herdUjufuhrcn und überhauvt Eürova anszurüttteln und seine Ader» mit «iticm frischen voiksthümachm beben zu durchströmen. Annu d. Uederü