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Nummer 18S — 27. Jahrgang Srichetm imai wöchenll. mit den llluslr. 'SrattSbrilagen »Die Well' „nd ,Hür »»lere kleinen Leute' «owie den Tellbetiagen ,SI. Benno-Blatt'. .Unterhaltung und Wissen'. .Die Well der Frau'. .Aerzlltcher Ratgeber'. .Da» gute Buch' .^Umrund, schau'. Monatlicher Bezugspreis S MI. einschl. Bestellgeld, litnjelninnmer 10 4 Sonnabend- ».Sonntagnummer »0 Hauptschristleiter - D». W. LeSejhk. Dresden. Dienstag, den 21. August 1SL VerlagSort, Dresden Slnzeigenprei!«, Die tgespaltene Petttzeile »0 4Nami!«»i» an,eigen „.Stellengesuche LO^. Die Petitrellame,eile 89 mn, breit 1 4k Iür Anzeigen ausserhalb des Verbreitungsgebietes 404 diePetitrellamezeile I.!r04k.Offeriengeb.20 4 Im Jolle höherer Gewalt erlischt lebe Vervslichtung auf Lieierimg sowie Erfüllung v. Anzeigen-Auitrügen n. Leistung b. Schadenersatz« BeichSillicher Teil. Artnr Le«,. Dresden. tSeichäftSftell«, Drult u.Berlag: Germania. A.»G. iür Verlag und Drmkeret, Filiale Dresden. DreSden-A. 1. PoiieriirakeN. Ferim>sül0I2. Voktichechkonto Dresden ->7N, Vankkonin Ttadtba»' DreSdk" V, 8I7I9 Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen Volks,ettnng DreSden.AIIstadl t Polterstraße 17. spernru Mit »,'d »in,2. HW WM M MNlMlW Die Enischiietzung -es sozialdemokratischen Parieiausschusses — Man bedauert, aber die Minister bleiben Berlin, 19. August. Die gestrigen Beratungen des Partciausschusses und der Reichstugsfraktion der Sozialdemokratie wurden am Abend gegen 6)4 Uhr abgeschlossen. Das Ergebnis wurde in folgender Entschließung niedergelegt: Die sozialdemokratische Reichstragsfraktioir und der sozialdemokratische Parteiausschuh treten dem am 15. August gefassten Beschlich des Parteivorstandes über die Hal tung der der Rcichsrcgicrung angehörigen Parteigenossen zu der Jiiungrissnahme des eigentlichen Baues des Panzcr- treuzers ^ bei. Sie bedauern, dag die sozialdemokratischen Minister dem Beschluss des Kabinetts unter Verzicht aus vor herige Befragung der Fraktion und des Parteiausschusses zu- gcstimmt haben. Fraktion und Parieiausschlch halten die engste Fühlungnahme zwischen ihnen und den der Regierung ange hörenden Genossen in allen politischen Fragen für eine unab weisbare Notwendigkeit. Fraktion und Parteiausschuh halten die Beteiligung an der Regierung mit Rücksicht aus das Eesamt- interesse der Arbeiterschaft sür ausserordentlich wichtig. Sie leiten daher aus der Entscheidung des Kabinetts, die die Aus führung eines vom letzten Reichstag beschlossenen Gesetzes be traf. trotz ihrer grundsätzlich abweichenden Aufsassung über den Ersatzbau des Panzerkreuzers nicht die Notwendigkeit ab, unsere Genossen zum Rücktritt aus dem Kabinett auszufordern. Diese Entschließung, die gegen eine Minderheit angenommen wurde und gegenüber weitergehenden Anträ gen den Vorzug erhielt, ist das Ergebnis der in der Mit tagspause gepflogenen Kompromißverhandlungen. Das; die sozialdemokratischen Neichsminister wegen ihrer Hal tung in der Frage des Panzerschiffes eine entschiedene Desavouierung erfahren würden, war bei der in den sozialdemokratischen Massen herrschenden Erregung mit Sicherheit zu erwarten. Diese Err-"""" naturgemäß auch in den gestrigen Verhandlungen zum Ausdruck, die teilweise außerordentlich scharf gewesen sein sollen. Daß schließlich die vom linken Flügel her betrie bene und geforderte Regierungskrise abgelehnt wurde, bedeutet einen Sieg der staatspolitischen Klugheit, der vor her eine Zeitlang im Zweifel zu steheu schien. Mit dem gestrigen Beschluß wird die Auseinandersetzung Uber de» Panzerkreuzer allerdings auch in der Sozialdemokratischen Partei noch nicht zu E>Ms lein. Dafür werden schon, von rechts her liebevoll unlcrsti'cktz die Kommnnmen mlt Elfer Sorge tragen. Dem von ihnen begehrten Volksentscheid haben sie mittlerweile den säst monumentalen Wortlaut gegeben: „Der Bau. von Panzerschiffen und Kreuzern jeder Art ist verböte n." Dies scheint uns ungefähr die einzige deutsch-kommunistische Idee zu sein, die n i ch t aus Rußland importiert ist. Aeußerungen der sächsischen sozialistischen Presse liegen bislang noch nicht vor. Es ist Kanin anzu- nehinen, daß diese ihre Oppsitionsstellung nunmehr mit einem Male aufgeben wird, nachdem sie vor der Stel» lungnahme der Parteiinstanzen so hartnäckig den Aus tritt aus der Regierung propagiert hat. Wenn nicht alles täuscht, wird die Auseinandersetzung in der sozialistischen Partei, die insbesondere von Sachsen aus geschürt wird, jetzt erst recht weitergehen und die Linksopposition wird nur auf die nächste Gelegenheit warten, um aufs neue über die Führer der sozialistischen Staatsräson hsrzusallen. Wie lange allerdings eine Partei von der Größe der So zialdemokratie derartige Lebenspraktiken wird aushal- ten können, ist eine Frage der Zukunft. Das Echo in Frankreich Paris, 19. August. Die Auseinandersetzung, die innerhalb der Sozialdemokra tischen Partei Deutschlands aus Anlaß des Kreuzerbaues entstan den ist, wird in Paris mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Rechtspresse stellt mit Genugtuung fest, daß die sozialistischen Minister den Brüsseler Abrüstungskongreß der eigenen Partei nicht besser hätten beantworten können; außerdem liefere der Be schluß des deutschen Kabinetts eine dankenswerte Illustration zur Frage der deutschen Zahlungsfähigkeit, der bei etwaigen Ver handlungen über den Dawcsplan einen schätzenswerten Rückhalt für die Vertreter Frankreichs bilden würde. Die naheliegenden Rückschlüsse auf die Rüstungsverhältnisse des Heeres und namentlich der Marine Frankreichs werden leider in keinem Organ gezogen. Bis >ur Erfüllung des eigenen Ab- riistungsversprechens würde jedoch die französische Presse besser daran tun, nur mit größter Zurückhaltung in die gegenwärtigen deutschen Erörterungen einm"--'--^,. Partei und Politik Die provisorische Reichsregierung, als solche stellt sie sich dar, setzt sich zusammen aus Angehörigen der Sozial demokratischen, der Demokrat. Partei, der Bayerischen Volkspartei und des Zentrums. Bei der Schwäche der Demokratischen Partei und der „Zurückhaltung", die das Zentrum bei der Regierungsbildung geübt hat, muß die Sozialdemokratie den weit überragenden Einslnß in die ser Regierung haben. Die erste Tat der neuen Negierung war eine Herabsetzung der Lohnsteuersätze. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Die Sache gewinnt nur da durch einen unangenehmen Beigeschmack, daß man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, als ob — unter Außerachtlassung sachlicher Gesichtspunkte — hier in allererster Linie parteipolitische Momente ausschlag gebend gewesen wären. Schließlich muß es auffallen, daß diese Senkung nicht bereits unter dem Zentrumsminister Köhler stattgefunden hat, und daß sie erst möglich wurde, nachdem ein Sozialdemokrat Finanzminister geworden war. Die Simmen werden immer häufiger und lauter, die der Befürchtung Ausdruck geben, daß unsere Finanzwirt schaft auf sehr schwachen Grundlagen steht — bei der un geheuren Zunahme der Ausgaben in den letzten Jahren übrigens kein Wunder. Die S t e u e r s e n k u n g, die an sich für den einzelnen außerordentlich gering ist — ihr Höchstbetrag beträgt 36 Mark im Jahre — erweckt gerade wegen ihrer Geringfügigkeit den Eindruck, als ob es mehr auf die Geste wie auf eine tatsächliche Ermäßigung angekommen wäre. Diese Geste aber wird ecken weite ren erheblichen Ausfall von Einnahmen bringen. Ist unter dem Gesichtspunkt des Standes unserer Finanzwirtschaft diese Geste zu verantworten? Die Steuern haben in Deutschland allmählich eine Höhe erreicht, die kaum mehr- gesteigert werden kann. Auf der anderen Seite wird bei der Bewilligungssreudigkeit des Reichstages der Bedarf immer größer, zumal auch die Lasten aus dem Repara tionsabkommen sich beträchtlich erhöhen. Man kann es der Sozialdemokratie sicher nicht übelnehmen, wenn sie zstlbemnßt auf die Enteignung des Besitzes ausgeht (auch des kleineren Besitzers), wenn sie als Klassenkainpforga- nisation sich fühlt und ohne Rücksicht auf die Ge samtheit ihre parteipolitischen Interessen ver folgt. Trägt man sich etwa mit dem Gedanken, in Verfolg dieses Zieles durch weitere „Sozialisierung" des Eigen tums den Ausfall dieser Steuersenkung auszugleichen? Das Zentrum ist seinem innersten Charakter nach eine A us g l e i ch s p a r t e i. Es kann und darf nicht einsei tige Interessen begünstigen, wobei noch die große Frage ist, ob die scheinbare Begünstigung einseitiger Interessen letzten Endes nicht eine Benachteiligung der anscheinend Begünstigten bedeutet. Man muß sich doch fragen, ob unter rein sachlicher Würdigung der Dinge die Lohnsteuer- senknng berechtigt war oder nicht, und insbesondere das Zentrum hat Grund, vor derartige Entscheidungen ge stellt, sich auf seine Grundsätze zu besinnen und vor allen Dingen nach sachlichen Gesichtspunkten zu urteilen. Das Zentrum hat bei den letzten Wahlen eine schwere Schlappe erlitten. Man hat nach den Gründen dieser Schlappe gesucht. Ein wichtiger Grund ist die Tatsache, daß wir von der grundsätzlichen Sachlichkeit allmählich mehr und mehr abgewichen und in eine tak tische Opportunitäts Politik hineingeschlitterl sind. Man beklagt sich darüber, daß die Jugend viel fach dem Geist des Zentrums fremd gegenübersteht, auch die Jugend, die an sich in die Reihen des Zentrums ge hört. Die Jugend neigt zum Grundsätzlichen, zum Sach lichen, sie kennt taktische Rücksichten nicht. Das sollte auch für die Fraktion ein Fingerzeig sein für ihr künftiges Verhalten. Wenn dies hier angeführt wird, soll das kein Borwurf gegen die Fraktion sein, wir wissen sehr wohl, daß die politischen Verhältnisse in Deutschland sehr oft ein Lavieren erfordern. Es gibt aber Dinge, wo ein solches Lavieren aufhört und wo, statt eines faulen Ja, ein glat tes Nein wie eine Erlösung wirkt. Die grundsätzlichen Fragen erstrecken sich im übrigen Nicht nur auf Fragen, die unmittelbar die Weltanschauung berühren, sie er strecken sich auf die Sozialpolitik ebensosehr wie auf die Wirtschaftspolitik. Das Zentrum als Ausgleichspartei kann auch auf diesen Gebieten eine einseitige Politik unter keinen Umständen treiben. Tut es das dennoch, so werden wir das nächste Mal keine Schlappe, sondern eine vernichtende Niederlage erleiden. Man betrachte doch einmal die Wahlziffern genau und man wird finden, daß nicht nur Arbeiter nicht mehr Zentrum gewählt haben, sondern in sehr starkem Umfange auch Beamte, Dauern und Mittelständler. In'letzter Zeit wird die Oeffentlichkeit mit angeb lichen Plänen des Arbeitsministers beschäftigt, die den Kreis der Krankenkassenverpflichteten erweitert wissen wollen durch Einbeziehung bisher nicht pflichtiger Berufe und durch Erhöhung der Altersgrenze. Das Zentrum wird sich auch hier fragen müssen, und zwar ohne jede Rück sicht auf taktische Momente, ob derartige Forderungen, die von seiten der Sozialdemokratie bzw. Krankenkassen ausgehen, berechtigt sind oder nicht. Die Sozialpolitik soll und darf nicht dazu führen, die V e r a n t w o r t l i ch - keit des Einzelnen auszuschalten. Ihre Aufgabe ist, den Einzelnen vor Not und Elend zu schützen, wenn die eige nen Kräfte es unmöglich machen, dieses Ziel selbst zu er reichen. Es kann aber nicht Aufgabe der Sozialpolitik sein, in ihre Sorge auch die Kreise hereinzuziehen, die sehr wohl nach ihrem Einkommen wie nach ihrem Beruf in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen. Die Rück - si.cht auf die Krankenkassen und auf den finanziellen Stand der Krankenkassen darf hier nicht ausschlaggebend sein. Es ist eigentümlich: man regt sich mit Recht sehr gern über ge wisse Bauten der Städte auf, meint, daß die gegenwärtige Zeit und die wirtschaftliche Lage des deutschen Volkes dringendere Erfordernisse kennt als Millionenbauten für sportliche und ähnliche Zwecke; gegen die Luxusbauten der Krankenkassen, gegen deren kostspielige Per- waltungspraxis wird nichts oder sehr wenig gesagt und dabei wächst die Unzufriedenheit über die Krankenkassen täglich mehr. Es ist ja ein offenes Geheimnis, daß die Krankenkassen fast ausschließlich mehr und mehr zu Par teizwecken mißbraucht werden, geben sie doch Gelegen heit für die Unterbringung von Parteigenossen, die schließlich die Gesamtheit bezahlen muß. Wenn schon der Aufbau unseres Versicherungs wesens den parteipolitischen Einflüssen einen Raum gibt, der sachlich in keiner Weise gerechtfertigt ist, so sollte man nicht durch eine unangebrachte, weil unnötige Ausdeh- .nung der Versicherungspflicht diesen zn-eifellos bestehen« den Uebelstand noch vergrößern. Ebensowenig wie die Steuerfrage eine Oppertuni- tätsfrage ist, ebensowenig ist es der zuletzt angeschnittene Punkt, berührt er doch ebenfalls die Gesamtheit unseres Volkes und nach den Interessen d i e s e r ist die Frage zu beantworten und nicht nach den Sonderinteressen einer kleinen Schicht. Daß ich mit dieser kleinen Schicht nicht die Arbeiterschaft meine, ist eine Selbstverständlchkeit. Wir haben vielleicht im Zentrum uns allzulange auf einen Abwehrstandpunkt 'gestellt, haben allzulange den der Vergangenheit angehörenden Kampf des Staates gegen die katholische Kirche in den Mittelpunkt unserer politischen Agitation gestellt. Sicher dürften derartige Ge sichtspunkte bei der Einstellung der Sozialdemokratie und des Liberalismus nicht außer Acht gelassen werden. Man wird zwar nicht mit den alten Methoden Vorgehen, es gibt aber andere, vielleicht noch gefährlichere, die jeden Tag praktisch werden können. Man geht in der Schulfrage von der genannten Seite mit einer unheimlichen Ziel bewußtheit vor, mit einer Zielbewußtheit, der leider auf seiten des Zentrums nicht die gleiche Klarheit und vor allem nicht die gleiche Entschiedenheit gegenüber steht. Aber trotz aller Berechtigung einer derartigen Ab wehrstellung brauchen wir etwas anderes. Wir brauchen ein klar umrissenes Programm mit ganz bestimmten posi tiven Forderungen, ein Programm, das in jeder Hinsicht nach unseren weltanschaulichen Grundsätzen orientiert ist. Das gilt nicht nur für die Schulfrage, das gilt für a l l e Fragen, in denen Grundsätzliches zur Entscheidung steht. Das gilt für die Fragen des Eigentums ebensosehr wie für die Frage der Sozialpolitik, wie auch für die Behandlung von Rechtsfragen, die insbesondere ein sittliches Gebiet berühren. Wenn nicht alles täuscht, wird das Zentrum im zukünftigen Reichstag vor eine ganze Reihe solcher Fragen gestellt werden. In der Frage des Eigentums und des.Steuerrechts soll die von den Sozialdemokraten —