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Vsigtliindisä)rr Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadtröthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. HechsMMdeiiziMr Jahrgang. Berantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Matt erscheint wöchentlich viermal, und zwar Dienstags, Mittwochs, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnementspreis, welcher pi-äuumel-aucko zu entrichten ist, auch bei Beziehung-durch die Post 1 Thlr. 26 Ngr. — Annoncen, Vie bis Vormittags 1t Uhr eingehen, werden in die TagS darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später ein gehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Ausnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Lorpus-Zeile berechnet. Einzeilige uut 2 Ngr. -- Für die auswärtigen König!. Gerichtsämtcr und Stadträthe, für welche der Noigtländische Anzeiger Amtsblatt ist, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Karl August Kretschmer, in Elsterberg bei Herrn F. W. Feustel, in Schönec! bei Herrn C. A. Hüttel sea., in Mühltroff bei Herrn Lhausseegelder-Einnehmer Holzmüller. Sonnabend. Ä8. 18. Februar 18SZ. Rückblicke auf die auswärtige Politik Oesterreichs. (Schluß) Die Begeisterung der gutherzigen Deutschen beruhte also auf der Erwar tung, daß zwei Leute, die sich ihr Lebelang gestritten hatten, eins werden könnten, wenn sie aus einem blauen in ein rothes Zimmer sich begeben. An ein Deutschland ohne Preußen dachte aber niemand. So weit entfernt war man überhaupt in Süddeutschland, an eine Unterordnung unter Oesterreich zu denken, daß man in diesem Frühjahr in kindlicher Selbsttäuschung äußerte, Oesterreich werde in dem Streit über Occupation oder Execution sich in Frank furt „überstimmen" und sich dann zum Vollstrecker des Bundesbeschlusses er nennen lasten. Nicht an ein Aufgehen in Oesterreich, sondern an ein Herab steigen Oesterreicks zu einer Bundesstimme wurde in Deutschland gedacht. Es war ganz klar, daß Oesterreich für eine großartige Nationalpolitik in Deutschland nur einen sterilen Boden gefunden hatte. Nach der Rückkehr von Frankfurt mußte daher auch mit der polnischen Revolution gebrochen werden. Die Vollstreckung eines Urtheils des Warschauer Vehmgerichtes an einem öster reichischen Staatsbeamten gab dazu eine schickliche Veranlassung. Galizien wurde in den Belagerungszustand erklärt, und so wie der Kamin geschlossen war, cr- loscb die Gluth auf dem Heerde. So hat sich seit 1849 die Österreich. Politik durch die vier Winde der Compaßrose bewegt und ist jetzt wieder an ihrem Ausgangspunkte angekommen. Verfolgt man sie von ihrem Ausgangspunkte an, fo wird man sehen, daß sie einen Gang beobachtet, der von einer fast mathematischen Nothwendigkeit bedingt war. Der erste Schritt, der alle folgen den nach sich zog, und der einzige große politische Fehler, den man in Wien beging, war die Herbeirufunz der russischen Hilfe gegen den Aufstand des Jahres 1849. Sie wurde arglos von Kaiser Franz Joseph erbeten, wie ein Reiter- dienst von einem Kameraden. Aber eS giebt in der Politik keine Kameradschaft. „Ungarn liegt zu den Füßen Ew. Majestät!" hatte Paskewitsch nach der Waffen- slreckung bei Vilagos dem Kaiser Nikolaus gemeldet. Daß man einen Fehler begangen habe, mußte in Wien schon damals jedem Hellen Kopf klar sein, aber die schiefe Lage, in die man sich versetzt hatte, wurde erst fühlbar, als die Russen 1853 in die Donaufürstenthümer einrückten. An seinen Lebensnerven berührt, durfte Oesterreich nicht zögern, die ungerufenen Gäste aus der orientali schen Flanke hinaus zu manöveriren. Der früher begangene Fehler rächte sich aber durch die töctliche Feindschaft Rußlands, und Oesterreich mußte sich schon auf dem Pariser Congreß völlig vereinzelt fühlen, denn die Freundschaft des britischen Kabinets war just genau so viel werth, als es seine Feindschaft unS in diesem Frühjahr gewesen ist. Abgeschält von seinen alten Allianzen, war Oesterreich drei Jahre später dem vereinten Anfall Frankreichs und Italiens preisgegeben. Es hatte zwar seitdem durch die Berufung von Reichsständen und Verleihung einer Verfassung viele berechtigte Ansprüche seiner Völker be friedigt und dem Staate einen größern innern Halt, einen politischen Schwer punkt gegeben, den eS vorher nicht besaß) allein die Forderungen nationaler Selbstständigkeit ließen sich nicht erfüllen, und diplomatisch stand Oesterreich noch innrer ohne europäische Freunde da. Der polnische Aufstand bot die erste Gelegenheit, aus dieser Absonderung herauszutreten. Auch Frankreich stand da mals vereinzelt, denn daS vormalige Bündniß der Seemächte war von England gebrochen worden, die Freundschaft zwischen Pari- und St. Petersburg trennte aber die polnische Erhebung. Es waren also Fäden genug zu einer Allianz mit Frankreich vorhanden, und Oesterreich konnte sich, so vielfach geschädigt durch die nationalen Ansprüche, vielleicht eine ganz neue Zukunft eröffnen, wenn es in guten Beziehungen zu Frankreich den Drang des Jahrhunderts zur Glorie seines Hauses sich nutzbar machte. Wer wollte das Wiener Kabinet tadeln, daß es diesen Aussichten, die sich ihm erschlossen, sich zu nähern trachtete? Der erste Versuch bewieß aber hinlänglich, daß auch diese Laufbahn auf ein steriles Gebiet führe, und so blieb nur noch eine Wahl übrig, nämlich sich fest mit der Macht zu verbinden, der man seit 1848 am meisten sich entfremdet hatte. Oesterreich zeigte jetzt gegen den polnischen Aufstand denselben Ernst, den Preußen von Anfang an beobachtet hatte, und der dänische Erbfolgestreit, zu dem beide deutsche Großmächte als Unterzeichner des Londoner Protokolls in gleicher mißlicher Lage sich befanden, knüpfte ihre Beziehungen fest und fester. Durch diesen Umschwung hatte man sich auch unvermerkt Rußland wieder ge nähert. Beide Höfe waren sich nichts mehr schuldig, sie hatten sich heimgezahlt, was sie gegenseitig sich zugefügt hatten, und wenn auch die sogenannte heilige Allianz nicht wieder hergestellt worden ist, so ist jetzt doch dafür der zehnjährige Haß Rußlands gegen Oesterreich verraucht. Die größten Gegner Oesterreichs, der Großfürst Konstantin und der Marquis Wielopolsks, sind in den Privatstand versetzt worden, Fürst Gortschakoff aber ist ein zu guter Diplomat, um über haupt als ein grundsätzlicher Gegner bezeichnet zu werden, so daß im gegen wärtigen Augenblick, wenn sich ein Gegenstand des gemeinsamen Interesses finden sollte, nichts dem wirklichen Abschluß eines Bündnisses noch im Wege stände. So angesehen erscheint der Gang der österreichischen Politik völlig logisch, und wer immer in der Staatskanzlei daS Siegel bewahrte, er hätte diesen Gang einhalten müssen, der von den großen Begebenheiten vorgezeichnet war. Ge schichtlich nachweisen läßt sich freilich dieser Hergang gegenwärtig noch nicht, denn wenn auch in österreichischen Notenwechseln hie und da die innersten Ge danken durchzuschimmern scheinen, so müßten die Wiener sich sehr schlecht auf das diplomatische Handwerk verstehen, wenn aus ihren Noten etwas mehr herausgelesen werden konnte, als leise und daher nur dunkle Anklänge. Wollte man aber leugnen, daß höhere Gedanken die Schritte Oesterreichs in den beiden letzten Jahren bestimmt hätten, so würde man in der galizischen Politik nichts als ein frivoles Spiel mit gefährlichen Kräften zur Befriedigung der Schaden freude an den Verlegenheiten Rußlands, in der Reise nach Frankfurt ein un überlegtes Abenteuer, in der Verhängung des Belagerungszustandes über Galizien ein klägliches Reuezeichen, in dem engen Bündniß mit Preußen eine selbst auferlegte Buße für die Frankfurter Jubeltage, überall nur kleinliche Ziele, kleinliche Mittel, ein kurzsichtiges Herumtasten und Herumprobiren ohne leiten den Plan erblicken müssen. Wer sich die Dinge auSmalt, der muß auch glauben, daß es ein purer Zufall sei, wenn die österreichische Politik ohne eine absichtsvolle Leitung eine, wir möchten sagen, mathematisch reine, in sich zurück laufende Curve, von 1849—1864, beschrieben bat. Wer darin einen Zufall sieht, der sieht eben nicht. (Ausland.)