Volltext Seite (XML)
Wo blatt für ' Wilsdruff, Thsrandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichksamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 22. 1873. Freitag, den 19. März Ms So fleht die Sorgfalt in der ernsten Stunde, Wenn festlich mahnend das Geläut' erschallt, So segnet Liebe Euch mit Herz und Munde, Wenn Ihr zum Tempel Eures Gottes wallt! Ach, tief bewegt durch Eurer Lieben Flehen Und durch die Thrüne, die der Wehmuth fließt, Sollt Ihr nun gleich zum Weihaltare gehen, Wo Hochgcsang Euch feierlich begrüßt. Die Stunde schlägt, da Ihr mit heil'gem Eide Gelobt vor Gott und Menschen am Altar: Gott treu zu sein im Glücke, wie im Leide, Ihm treu zu sein in jeglicher Gefahr; Stets fromm des Lebens dunkles Thal zu wallen, Im Sturm der Trübsal glaubensvoll zu gehn; Den Kampf des Lebens, wo viel Streiter fallen, Den Kampf der Tugend siegreich zu bestehn. Erwäget wohl die Feier dieser Stunde! Von hohem Ernst sei Eure Brust belebt! Mit frommer Andacht weihet Euch dem Bunde, Der Euch zu Gott und in sein Reich erhebt! Ihr gehet nun ins weite wirre Leben, Folgt unbekannt der Zukunft dunkler Spur, Wo Euch die Kinder dieser Welt umgeben, O, bleibet treu dem Gott geweihten Schwur! Tagesgeschichte. Berlin. Das Urthcil gegen den Chesredaetcur der „Germania", Caplan Paul Kosiolck, wegen in 26 Fällen verübter Beleidigungen durch die Presse, und zwar gegen den Fürsten Reichskanzler, den Kul tusminister und das Staatsministerin»! wurde am 14. März von der siebenten Deputation gefällt. Es lautete auf schuldig 7 einfacher und II schwerer Beleidigungen, sowie zweier Vergehen gegen die öffent liche Ordnung. Das Collegium erkannte auf 2 Jahr Äcfängniß und sofortige Verhaftung des Angeklagten. Kosiolek hat Berlin am 7. verlassen und wird an seinem Wiederkommcn gezweifelt. Der„K.-Z." zufolge wäre er nach Oesterreich gegangen. Der io. März war wieder ein Kampftag im Preuß. Abgeord- nctenhause und vcr CultuSministcr Falk stand wieder tapfer auf der Bresche und mit ihm Andere, namentlich der altkatholischc Abg. Petri aus Wiesbaden. Er beantragte für die altkatholischen Kirch gemeinden Antheil an dem katholischen Kircheuvermögcn und zunächst das Recht, die katholischen Kirchen für ihren Gottesdienst (wie in Baden benutzen zu dürfen. Er wies auf die staatsfeindliche Haltung der katholischen Bischöfe hin, die sich sogar gegen die Staatsgesetzc auflehucn; die Altkatholiken haben den Muth gehabt, ihnen entgcgen- zutreten, sie haben sich offen zu ihrem Könige, ihrem Volke und Na terlande und zu dessen Gesetzen bekannt; sollen sic dafür büßen und ausgeschlossen werden von dem Kirchenvermögen und von den Kirchen selber? Sie sind nach wie vor Katholiken, nur mit dem Unterschied daß sie den katholischen Glauben ihrer Väter auch gegen Nom zu Vertheidigen wagen, was die Bischöfe und ihr Anhang nicht wagen; will man sie dafür strafen? — Abg. Reichensperger will die Altkatho- Hofft auf den Herrn, vertrauet seiner Güte, Er ist des Menschen beste Zuversicht! Bewahret Euch der schönen Tugend Blüthe, Die leicht der Sturm des wilden Lebens bricht! Dann bleibt Euch Unschuld und der Freuden Fülle, Die Hoffnung läßt Euch froh zum Jenseit schaun; Und fordert Euch des Todes ernster Wille, Ihr bebet nicht vor seinem Schreckensgrau'n! Vergösset nimmer, was Ihr heut' geschworen, Seid fernerhin der Euren Stolz und Lust; Die hohe Feier gehe nie verloren, Die heut' beweget Eure junge Brust! Bleibt gut und edel stets in Eurem Streben, Nutzt weise Eure kurze Pilgerzeit, Damit Ihr einst nach diesem schwülen Leben Ererben mögt das Heil der Ewigkeit! So geht denn hin! Des Himmels Frieden, Der Segenskranz, den seine Gnade flicht, Sei Euch auf Eurer Pilgerbahn beschieden, Bis einst am Ziele Euer Auge bricht! So lebet wohl! dort mit verklärtem Munde, Am Throne Gottes mit der Engelsschaar, Da segnet Ihr noch diese Weihestunde, Die hier die schönste Eures Lebens war! liken nicht als Katholiken gelten lassen, weil sie sich nicht unbedingt dem Papste unterwerfen und sich von der römisch-katholischen Kirche losgesagt haben sollen. Sie, die ächten Katholiken, leisten den Staats gesetzen nur Widerstand so weit diese mit den Grundsätzen der ka tholischen Kirche in Widerspruch stehen. Das will auch nur die neueste berüchtigte Bulle des Papstes sagen. Kurzum, die Altkatholtken haben nach ihm kein Recht an dem Kirchcnvermögen. Wehrenpfennig widerlegt Reichensperger Punkt für Punkt. Die päpstliche Bulle for dert das ganze katholische Volk auf, den staatlichen Kirchcngesetzen nicht zu gehorchen und zwar nicht etwa „soweit" sie den Grund sätzen der Kirche widersprechen, sondern „weil" sie ihnen widcrspreuchen. Die Altkatholiken glauben heute noch, was bis zur Unfehlbarkeit die ganze katholische Kirche geglaubt hat, man muß ihnen, die treu zu Kaiser und Reich hallen, die katholischen Kirchen öffnen, v. Schor- lcmcr-Alst nennt den Antheil der Allkatholiken an den Kirchen eine Beraubung der katholischen Kirche, und Räuberei ist niemals eine sitt liche Pflicht. — Virchow geht für die Altkatholiken scharf ins Zeug und beantragt die Zustimmung für das betr. Gesetz „als eine Etappe auf dem Wege der Gewissensfreiheit." — Cultusminister Falk spricht sich über den Antrag vorsichtig, aber im Ganzen zustimmend aus und bittet den Antrag an eine Commission zur Vorberathung zu über weisen. Regierung und Landtag in Preußen haben erfreulicher Weise tief in den Staatssäckel gegriffen zu Gunsten der Geistlichen. Zu Aufbesserung ihrer Stellen sind 2 Mill. Mark bewilligt. Von dieser Summe werden die Gehalte evangelischer Geistlicher, die 5 Jahre im Amte sind, auf 2400 Mark, die der katholischen auf 1800 Mark ge bracht, mit dem Rest werden die betreffenden Stellen unter 30000 und 2700 Mark verbessert. Die Zulagen sind aber widerruflich.