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Freitag, den 10 Mat 1929 Wilsdruff- Dresden Postscheck: Dresden 2640 Nr. Stresemann Mr Pack und Gens !t Verhältnisse in ganz seiner fünfjährigen Dawes-Plan habe wesentlich zur Festigung der Europa beigelragen, im Laufe Anwendung jedoch Erfahrungen Reparationen und Abrüstung. Auf dem Jahresbankett des Vereins der aus ländischen Presse in Berlin nahm u. a. Reichsaußen- minister Dr. Stresemann das Wort; er kam als bald auf die Reparationen zu sprechen und warf einen Rückblick auf die einzelnen Abschnitte des Problems in den letzten zehn Jahren. Es sei ihm un möglich, über die augenblicklichen Verhandlungen in Paris etwas Neues zu sagen, da der Stand der Dinge ja allgemein bekannt sc». Der deutsche Wille zur Verständi gung habe sich deutlich gezeigt in der Londoner Verein barung von 1924. Der bürger Kryderski auswies. Bet dem angeblichen Kryoerjn fand man ein Verzeichnis von Berliner Kommunisten, die an den letzten Straßenkämpfen teilgenommen haben, sowie Instruktionen und genaue Berliner Pläne. Eine Bestätigung dieser Meldung konnte nicht er halten werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hier um eine der üblichen Sensationsmeldungen. Zwischenfälle in Hamburg. Durch mehrere Interpellationen brachten die Kommu nisten in der Sitzung der Bürgerschaft am Mittwoch das auch in Hamburg verhängte Verbot des Rotfrontkämpfer bundes zur Sprache. Der Senat ließ mitteilen, daß er eine Aufhebung des Verbotes des Rotfrontkämpferbundes ablehne. Vier Kommunisten wurden wegen dauernder Störungen der Verhandlungen und wiederholter Verstöße gegen die Geschäftsordnung des Hauses ausgeschlossen, darunter der Hamburger Führer des Rotfrontkämpfer bundes, Andre, auf vier Wochen, wo-auf die gesamte kommunistische Bürgerschaftsfraktion geschlossen den Sitzungssaal verließ. übereinstimmenden Auffassung aller beteiligten Regie rungen über diesen Punkt sei die Einberufung der Pariser Sachverständigen zu verdanken. Der Minister hegt die Erwartung, daß die Einsicht in die aus dem Spiele stehenden gemeinsamen Interessen auch weiterhin die Oberhand behalte und zu einem ersprieß lichen Ergebnis führen werde. Als ein gutes Zeichen in diesem Zusammenhang er wähnte der Redner das an Deutschland ergangene Angebot des Auslandes auf finanzielle Unterstützung, als sich kürzlich auf dem Geld- und Devisenmärkte Schwie rigkeiten herausstellten. Wenn sich die Hoffnungen auf einen günstigen Aus gang der Pariser Verhandlungen erfüllten, fv sei un bedingt ein sehr großer Schritt vorwärts getan. Ohne weiteres werde sich dann auch die Regelung derjenigen politischen Probleme ergeben, die noch als Überbleibsel aus dem Kriege in die Gegenwart hinein ragten. Die Genfer Abrüstungsverhandlungen, bei denen schon im vorigen Jahre von einem toten Punkt gesprochen worden sei, hätten auch diesmal die gehegten Erwartungen nicht erfüllt. Wenn auch äußerlich von einer gewissen Beschleuni gung des Tempos gesprochen werden könnte, so habe sich in den sachlichen Beratungen eine Perspektive eröffnet, die ein Versagen der Grundidee der allgemeinen Abrüstung befürchten lasse. Die warnende Stimme der deutschen Ab ordnung im vorigen September, eine Entschließung zu fassen, die es daran fehlen lasse, festumrissene Grundsätze für die weitere Abrüstungsarbeit aufzustellen, habe sich leider allzu berechtigt erwiesen. Werde nach dem deutschen Verlangen keine fühlbare Herabsetzung des Rüstungsstandes zu Wasser und zu Lande erreicht, so könne es sich nur um eine Scheinlösung handeln und diese Gefahr scheine ihm durch die letzten Genfer Beschlüsse in bedenklicher Weise nähergerückt zu sein. Da die Abrüstungskommission nur die Aufgabe habe, vorzubereiten, so bestehe noch die letzte Hoffnung, nämlich die Möglichkeit einer Änderung des Stand punktes, den die Mehrheit der Vertreter der Regierungen bisher eingenommen habe. Versagten die Regierung dem dringenden Wunsche aller Völker nach Abrüstung ihr Gehör, so trügen allein sie die Verantwortung für eine Entwicklung, der er seiner seits nur mit ernster Sorge entgegensehen könne. * An dem Bankett nahmen ferner u. a. noch teil: Reichswirtschaftsminister Curtius, Neichswehrmiuister Soldaten des Geistes. Die Wissenschaft — und ihre Lehre — ist frei. So steht es in der deutschen Reichsverfassung. So steht es aber auch niedergeschrieben in der geistigen Verfassung aller Kulturvölker. Oder — sollte zum mindesten an dieser »Freiheit" festgehalten werden. Fernab vom Getriebe der Tagespolitik, aber auch fern dem Lieben und Hassen der Völker untereinander ver richtet der Wissenschaftler seine Arbeit. Und leistet sie doch für sein Volk, in dem er wurzelt, dem er entsprossen ist. Aber nicht nu r für sein Volk — darüber hinaus für die gesamte Menschheit. Und es bedeutete einen be sonders häßlichen Flecken in der Geschichte der Wissen schaft, daß man nach dem Kriege bis vor kurzer Zeit, ver- emzelt selbst noch jetzt deutsche Wissenschaftler nicht zu- "eß zu internationalen Gelehrtenkongressen. Wer aber will abschätzen, welches Volk durch seine Wissenschaftler am meisten beigetragen hat zum Aufbau der menschlichen Kultur? Auch das deutsche Volk hat mit vollen Händen geben dürfen für die Fort-, die Höherentwicklung menschlicher Erkenntnis, menschlichen Wissens und Könnens In allen Landern schöpfte man tief aus diesem Born deutscher Wissenschaft Schlecht genug hat man es uns gelohnt und schnell schleuderte man uns das Schimpfwort Bar baren" ins Gesicht. Jetzt nur noch selten; denn" trotz größter Not unseres Volkes, trotz schwerster Hemmungen trotz der zeitweisen Unmöglichkeit, die wissenschaftlichen Fortschritte und Entdeckungen anderer Völker kennenzu lernen — so mußte in der Inflationszeit z. B. die Staats bibliothek in Berlin den Bezug fast aller wissenschaftlichen Zeitschriften des Auslandes aufgeben, weil einfach das Geld hierfür nicht da war —, hat die deutsche Wissen schaft sich im Kreis der Völker den Rang wiedererobcrn können, den sie einst bekleidete. Durch eigene Leistungen allein vermochte sie sich gegen jene Hindernisse durchzusetzen. Mit Stolz denkt man noch heute daran zurück, wie in nicht minder schwerer Notzeit 1810 Preußen die Berliner Universität gründete. Auch jetzt engt, wie es klagend immer wieder auf der Festsitzung der Kaiser-Wil Helm-Gesell schaft anläßlich der Eröffnung des „Harnack-Hauses" aus allen Reden hervorklang, die Not unseres Volkes überall die Forschungstätigkcit aller jener wissenschaft lichen Institute ein, die in jener Gesellschaft zusammen geschlossen sind. Überall mangelt es au Mitteln, überall sieht man mit Neid und Bitterkeit auf die Ri^sensummen, die in anderen Ländern für derartige Zwecke bercitstehen oder freiwillig bcreitgestellt werden. Überall spürt die deutsche Forschungstätigkeit die finanziellen Gebunden heiten die das Ausland dem deutschen Volk anferlegt hat. Sie ist — unfrei geworden. Äußerlich, nicht innerlich. Aber eine Entschädigung dafür ist der in der Stille forschenden, neue Wege suchenden Wissenschaft geworden: immer mehr erkennt das deutsche Volk, daß diese Wissenschaft die stärkste Waffe im Kampf ums Dasein geworden ist, zu einer Macht, mit der alle verlorenen Gebiete wiedercrobert, neue hinzu gewonnen werden können. Das Verständnis für die stille Arbeit der reinen Forschungstätigkeit wächst und immer weitere Kreise werden von der Zuversicht ersaßt, daß, wie der Rcichsinnenministcr Severing sich in seiner Rede bei jener Festveranstaltung drastisch ausdrückte, es „mit dem Teufel zu gehen müßte, wenn wir Deutsche nicht in kurzer Zeit wieder vorwärtskommen sollten". Die Opfer -er Miumhen Mordanzeige gegen Unbekannt. In Berlin sind 21 Leichen der bei den Maiunruhen Getöteten gerichtlich obduziert worden. Nur in einem Teil der Leichen sind Geschosse gefunden worden, und zwar sämtlich Kupfermantelgeschosse, die von der Polizei her rührten. Der Tod des Journalisten Mackay ist ein getreten, weil der Schuß die Halsschlagader aufriß und infolgedessen eine Verblutung unvermeidlich war. Bei der Berliner Staatsanwaltschaft ist eine Mord anzeige gegen Unbekannt wegen der Tötung der Kauf mannswitwe Marie Röpner und der Portiersfrau Erna Köppen eingegangen, die am 3. Mai auf dem Balkon ihrer Wohnung im Hause Hermannstratze 177 erschossen worden sind. , Am Bahnhof in Warschau ist nach polnischen Blättermeldungen ein Mann festgenommen worden, der sich mir einem gefälschten Passe als der polnischeStaats^ Gröner und Reichsverkeyrsminister Dr. Stcger- wald. An der Spitze des Diplomatischen Korps war Nuntius Pacelli erschienen. Dann die Botschafter von Amerika, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Spanien, Rußland, die Gesandten von Argentinien, Brasilien, Kuba, Dänemark, Finnland, Lettland, Nor wegen, Österreich, Polen, Schweden, Südslawien. * Der amAWe PerteMWOu. Am Mittwoch hat Owen Young den verschiedenen Sachverständigengruppen den neuen Verteilungsplan der deutschen Zahlungen übergeben. Nach diesem soll, wie von französischer Seite verlautet, England, das bisher mit der völligen Deckung seiner Schulden zuzüglich einer Mil liarde Goldmark rechnete, auf diese eine Milliarde ver zichten; Belgien solle sich mit einer Herabsetzung seiner Forderung auf 1150 Millionen einverstanden erklären, während der französische Anteil von 8,4 auf 7 Milliarden und der italienische von 1,3 auf eine Milliarde Goldmark herabgesetzt werde. Daneben blieben die Alliiertenschulden in vollem Umfange bestehen. Die Lage innerhalb der Reparationskonferenz scheint sich nicht geändert zu haben. Die Frage der Verteilung unter den Gläubigern steht nach wie vor im Vordergrund der Erörterungen. Diese Diskussion, an der die deutsche Delegation nicht beteiligt ist, dürfte voraussichtlich noch einige Tage in Anspruch nehmen. Die Kritik, die von alliierter Seite und besonders von Frankreich an der Haltung der Vereinigten Staaten ein setzte, da diese weder in der Frage der interalliierten Schulden noch in der der Besatzungskosten Zugeständnisse machten, hat sich bis zur Erbitterung gesteigert. Diese äußert sich in heftigen Presseangrisfen auf den Vorsitzenden Owen Young, dem die Franzosen den Vorwurf einer Politik mit doppeltem Boden machen, da er den Gläu bigern Deutschlands Herabsetzung ihrer Forderungen zu mute, ohne das gleiche Verlangen an die Vereinigten Staaten zu stellen. Die englische Presse erklärtes durchweg mit ziem licher Erregung für unmöglich, daß England etwa auf einen Teil der seinerzeit in Spa festgesetzten Bezüge ver zichten soll. England beabsichtigt, sich das nicht gefallen zu lassen, und ebenso besteht Frankreich aus seinen Schein. Die englischen Delegierten fühlen sich düpiert und sprechen sogar von einer feindlichen Haltung Amerikas. Eine Lösung, bei der England benachteiligt würde, könne nur das Gefühl der Erbitterung und der Zwietracht zurück lassen. Ob dieser Stein des Anstoßes, an den man bisher nicht gedacht hatte, so bald hinweggcränmt werden kann, ist fraglich. Jedenfalls ist die Rede davon, daß die Konferenz in den nächsten Tagen noch nicht geschlossen werden könne, sondern mindestens bis Pfingsten Weitertagen müsse. Lloyd George für Rheinlandräumung. Als nach einer Rede Lloyd Georges in der gegen wärtigen englischen Wahlkampagne die Aussprache be gann, wurde dem Führer der Liberalen auch die Frage vorgelegt, ob er als Premierminister die Zurückziehung der englischen Truppen aus dem Rheinland durchsetzen würde. Lloyd George antwortete: „Gewiß und ohne Auf schub. Ich habe es verschiedentlich bei der jetzigen Re gierung durchzusetzen versucht. Ich verstehe wirklich nicht, wozu unsere Truppen überhaupt noch dort sind." _ . . . . „ gezeigt, die jetzt eine Neuregelung notwendig machten. Der Nr. 107 — 88 Iahrgaug Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Ein anderes Wort — Dr. Stresemann sprach es aus — ist bei dieser Gelegenheit gefallen, das den Willen zum Vorwärtskommcn zum Ausdruck bringt, das der deutschen Wissenschaft, der deutschen Forschungstätigkeit vor Schwierigkeiten stehen, fürchten § ."wen." Die militärische Kraft im unseres Polkes hat man uns zer- AÄtwr zu Soldat Forscher, deutsche Wissen- ^ otbe/dieser für diesen Kampf. Aber me;er »ampf rst ein W e t t st r e b e n ein fried- liches Ringen, einem höheren, geistigen, die Kulturentwicklung überschauenden Blick betrachtet. Einst hat.iE >wn „Republik der Geister" ge sprochen, wo nur drc^cistung Ehre und Anerkennung schafft. Sre lst zerstört worden, als die Völker aufein anderprallten. An ihrer Wiedererrichtung arbeitet gerade die deutsche Wissenschaft; denn die Wissenschaft ist das stärkste Mittel, um zu emer Annäherung und Verständi gung der Völker zu kommen. Hier fallen die Grenzen die von Zufälligkeiten geschichtlicher Entwicklungen ge zogen wurden, und nur den Menschen, der ebenso wie er selbst um Erkenntnis ringt, sicht der wahre Wisseuschaftllcr in dem andern, gleichgültig, welchem Volke dieser angehört. Gewiß — ein Ideal, während überall noch Menschlich- Mlzumenschlichcs waltet. Aber ein Ideal, zu dem sich das Menschengeschlecht cmporzuringen bemüht ist. Und so mochte man über die Schaffung des „Harnack"-Haüscs oas Goethcschc Wort setzen: "Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben: Bewahret sic!" Wer Zu Hmse bleibt, lWMgi sich an Balk Nb Staat! Geht wählen! Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wiisdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Lürgertum, Beamte, Angestellte o. Arbeiter. 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