Volltext Seite (XML)
Ve»ivwortli der R.'d.ikl.'iir: Vri» Hl-Ni,»II Für die Inserate v.r.viiwortlich: Walter straur beide in Ane i. Erzarb. Sprechstunde der Reduktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittags von s Uhr. — Telegramm-Adrcffe: Tageblatt Aue. — Fernsprecher Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet werden. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes ^onntaasblatt v-n-k «n» v-ri-g- ' ^uer vru» una Äerl»„«rlt!>l»!>» >n. d. H. in Aue i. Erzgeb. Sonnabend, 1«. Oktober 1W8. V«II Mr 3800 rttiutt Ittmiinl Rr. 237. Dritter g-h-gqyg sluer Tageblatt und Anzeiger kür das Erzgebirge Bezugspreis: Durch unsere Loten frei ins Haus monatlich 50 f«g. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich «o pfg. und wöchentlich >o pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich >.so Mk. — Durch den Lriefiräger frei ins Hau; vierteljährlich i.qr Mk. — Einzelne Nummer in pfg. — Deutscher Postzcitungs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bis spätestens gUhr vormittags. Für Aufnahme von größeren Anzeigen an bestimmten Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn sie am Tage vorher bei uns eingehen. Znsertionspreis: Die siebengespaltene Aorpuszeile oder deren Raum >o Pfg., Reklamen 2- Pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Dies« Nrrnrnrr* »v Außerdem liegt das ochtseitige Illustrierte Sonntagsblatt bei. Tas WiLtiqile vom L. ge. Die gestrigen Verhandlungen der W a h l r e ei, t s d e p u t a t j o n haben abermals zu keinem Ergebnis geführt. (S. Kg,ch. Sch,.) Der Kaiser soll die Absicht o.nsg'ünollen Kalen, mit Zeppelin iii.eu A u s sl t e g zu ui»eri,tbu:en. (S. Art. i. d. 2. Big.) Zwischen Dänemark und Norwegen ist am Donnerstag ein Schiede gerichlsoerl rag abgeschloiseu worden. Als neue Bundeshauptstadt v o n A u s st i a l i e n ivurde Canberra gewählt. (S. p>i. Tgssa,.) König Eduard soll wegen der Balk.rnkrms auch jenen Be such in Berlin aufgegeben haben. Industrie und wirt schaftliche Gesetzgebung. —d.— Bekanntlich beklagt sich die Industrie seit langem Lariiber, daß ihr politischer Einfluß so gering sei und nicht ent fernt ihrer Bedeutung im wirtschaftlichen Leben der Nation entspreche: besonders aber darüber, daß ihre parlamentari sche Vertretung völlig ungenügend sei. Dies äußere sich denn auch in dem mangelnden Verständnis des Parlaments für die Lebensbedingungen der Industrie und der daraus folgenden ge ringen Rücksichtnahme auf sie bei Fragen wirtschaftspolitischer und sozialpolitischer Natur. Hauptsächlich richteten sich diese Vorwürfe gegen den Reichstag. In dieser Mißstimmung wurzelten die bekannten Bemühungen der Herren Tille und Menck, eine besondere Jndustriepartei oder darüber hinaus gehend eine Arbeitgeberpartei ins Leben zu rufen. Nun ist ohne weiteres zuzugeben, daß gegenüber dem Maß von Sach- ckenntnis, repräsentiert durch Angehörige aller anderen Beruss- klassen, zumal der Landwirtschaft, die Zahl der industriellen Sachverständigen im Reichstage höchst bedauerlicherweise sehr gering, ja wir können sagen, völlig ungenügend ist. Aber dieser Mangel beruht nicht so ausschließlich auf dem geltenden Wahlrechte, auch nicht aus der mangelnden Bereitwilligkeit der Parteien, sondern wesentlich doch auch mit auf der geringen Steigung unserer führenden Industriellen, sich intensiv und aktiv am polnischen Leben zu beteiligen. Diese Zurückhaltung, die unsere als Mehrer des nationalen Wohlstandes, wie als Per sönlichkeiten gleich hervorragenden Industriekapitäne dem politi schen Leben entfremdet, läßt sie dann nur zu leicht den Blick für politische Möglichkeiten verlieren. Vor allem muß die Industrie einfehen, zumal ihre zum großen Teil in der Sozial demokratie organisierte Arbeiterschaft in Verkennung eigener Interessen ihr politisch entgegenarbeitet, daß sie auf die poli tischen Parteien nur durch das Gewicht ihrer guten Gründe ein wirken kann. Hier bietet sich aber ein reiches Arbeitsfeld, und die nationalliberale Partei wird in den durch das Allgemein wohl gezogenen Grenzen es immer mit als ihre bedeutsame Aus gabe betrachten, der Industrie als der Quelle unseres materiellen Wohlstandes die Lebensbedingungen nicht verkümmern zu lasten. Hier wird sie jeder durch Sachkunde beachtenswerten Anregung und Aufklärung volles Verständnis, Interesse und Bereitwillig keit zu politischer Hilfeleistung entgegenbringen. In diesem Sinne können wir uns mit Aeußerungen ein verstanden erklären, die in einem Chemnitzer Vortrage des Reichstagsabgeordneten Dr. Stresemann über Las obige Thema: Industrie und wirtschaftliche Gesetzgebung enthalten sind. Wenn Abgeordneter Stresemann schon des öfteren die in dustriellen Verbände ermahnt hat, durch regere politische Betäti gung ihrer Mitglieder größeren Einfluß auf die Parteien zu gewinnen, und wenn er darauf Hinweisen konnte, daß von 82 Mitgliedern der Zweiten Ständekammer in Sach sen 27 dem Verbände sächsischer Industrieller an gehörten, dann wird freilich ein ähnlicher Erfolg für den Reichs tag ja nicht zu erwarten sein. Aber die Wünsche, die Strese mann für die Industrie formulierte, werden auch bei der jetzigen Zusammensetzung des Reichstages in der nationalliberalen Frak tion ihre Berücksichtigung finden können. Wir stimmen ihm zu, wenn er eine Regelung des Karlellwesens im Wege der staatlichen Gesetzgebung als nicht im Interesse der Industrie liegend bezeichnet, aber auch darin, daß eine solche staatliche Einmischung nur durch eine maßhaltende, den Verbrauchern ent gegenkommende Politik der Kartelle auf die Dauer vermieden werden kann. Wir geben ihm zu, daß jeder Versuch, Tarif verträge, die für kleinere Unternehmungen bestehen, durch Gesetz für die unter ganz anderen Verhältnissen arbeitende Groß industrie obligatorisch zu machen, von dieser mit vollem Rechte zurückgewiesen wird, und ebenso, daß nach Durchführung der Pensionsoersicherung der Privatbeamten und der Arbeiter-Wit wen- und Waisenversicherung die deutsche Industrie aus Gründen der Konkurrenzfähigkeit die Herstellung eines internationalen sozialpolitischen Gleichgewichtes vor der Auferlegung weiterer schwerer Lasten mit aller Kraft zu erstreben habe. Auch der von Stresemann mit Recht beklagten Neigung der Ver waltungsbehörden zu Vielregiererei hat sich die national liberale Partei immer mit Nachdruck widersetzt. Wenn der Redner hier aus die manchmal bis zur Schikane ausartende Häufung von Schwierigkeiten bei der Erteilung von Bauerlaub nissen hinweist, des weiteren auf unzweckmäßige bureaulratische Bestimmungen, wie die der Lohnzahlungsbücher für Minder jährige und die in der neuen Gewerbenovelle von einer merk würdigen Weltsremdheit zeigenden Aufsichtsbestimmungen über die Heimarbeit, die dem Fabrikanten die Beaufsichtigung der Wohnungen seiner vielleicht 100 Meilen von ihm entfernt woh nenden Heimarbeiter zur Last legen, so kann Stresemann und mit ihm die Industrie gewiß sein, daß die nationalliberale Par tei berechtigten Abwehrbestrebungen ihren vollen Beistand leihen wird. Es liegen hier gemeinsame Interessen der gesamten In dustrie vor und wir freuen uns, bei der leider wachsenden Nei gung zur Divergenz innerhalb der Industrie und ihrer Inter esten den Abgeordneten Stresemann auf eine Reihe solcher ge meinschaftlicher Interessen aufmerksam machen zu sehen, da eine Fülle von Mißverständnissen innerhalb der Industrie aufgekom men war, deren endgültige Beseitigung in ihrem eigenen Inter este liegen würde. Die Battaltkrisis. Neue Verwickelungen sind in der Orientfrage nicht zu ver zeichnen, wenngleich es an Sensationsnachrichten nicht fehlt. Aber es ist meist nichts wahr daran. Wie die Neue Freie Presse meldet, werden die auswärts verbreiteten Meldungen von einer Unabhängigkeitserklärung Albaniens von zu ständiger Stelle als unbegründet erklärt. Auch die Mel dungen von serbischen KriegsvorLereitungen waren übertrieben. Serbien hätte zwar wohl Lust, den Stören fried zu spielen, aber ihm würde im Ernstfall die Suppe doch wohl gehörig versalzen werden. Die Erfahrungen von 1885, die derben Schläge, die Serbien damals von Bulgarien erhielt, sollten König Peter und seine Gesellen doch wohl bedenklich machen, denn die Qualität der serbischen Armee ist seitdem um nichts besser, eher vielleicht schlechter geworden, wie die schaurigen Ereignisse vom Juni 1903, der Königsmord mit allem, was drum - Der lyrische Ulan. Humoreske von Ralph v. Rawitz. Nachdruck verbalen. Jedes einz'ge Marschquartier, Macht mir riesiges Pläsier, Doch die Krone — ohne Zweifel — Bleibt für mich Gut Ober-Eifel! Also dichtete Bruno von Bochow, der eleganteste und über mütigste der Offiziere des gelben Ulanen-Regiments, als er er fuhr. daß eines der nächsten Manöverquartiere Schloß Ober- Eifel sein werde. Welche Erwartungen knüpften sich für ihn an Liesen Namen! Dort wohnte der Geheime Rat Baron Eislingen, der Bruder seines Regimentskommandeurs, des Obersten von Eislingen. Dort gab es Sekt kübelweise, mit und ohne Pfirsich, Forellen, Schnepfen, kühle Zimmer, Badeeinrichtung, Eutspark mit See — kurz alles, was ein Leutnantsherz erfreut, das bis her mit Huhn in Zucker und Zimmt und schmutziger Bauernstube hat fürlieb nehmen müssen. Vor allem aber wohnte dort Baro ness« Gerda, die Tochter des Geheimrats, das Ideal, das Bruno schon lange unter dem dritten, lieben lieben Knopf der Rabatte, Las heißt in seinem lustigen Ulanenherzen trug. Während der ganzen letzten Ballsaison hatten Geheimrats in der Garnison Wohnung genommen, unzählige Mal« hatte er mit ihr getanzt, an ihrer Seite Eispartien unternommen und später Tennis ge spielt. Unzählige Gedichte hatte er (natürlich nur für sich tm stillen Kämmerlein) an sie gerichtet, von denen das schönste so lautete: / ."Mn Schilderhaus, da» ist mein Herz, AM Bttb) halb schwarz, halb Freud', halb Schmerz; Go dHd tzie Wache drinnen: Wer da? Dekl.WDMße der Feinde: Gerda! Dia» KMWL einmal sein« Passion, «ine fürchterliche Pas- switsMerse zü inachen, wo nur irgend ein« Gelegenheit sich bot. keinen Vorgesetzten, keinen Kameraden, den «r noch nicht besungen hatte, obwohl die Letzteren (die Ersteren hörten davon natürlich überhaupt nichts) es sich energisch verbaten und oft er klärten, sie würden ihm entweder wegen Injurien verklagen oder wegen Dichteritis an da- Garnisonslazarett abliesern lassen. Hin und wieder gelang ihm auch eine bessere Strophe, und der Zufall hatte es gewollt, daß eine solche in die Hände von Baronesse Gerda gelangt war. Das schöne Mädchen war nicht unempfäng lich geblieben für die Huldigungen des hübschen Offiziers, ja, eine kurze Zeit hatte es den Anschein gehabt, als werde sie dem Ulanen Gehör schenken. Die Strophe aber hatte sie bedenklich gemacht. Wir leben nicht mehr in der Minnesängerzeit, da es vereinbar war, Liebeslieder zu singen und den Gegner aus dem Sattel zu stechen. Heutzutage, im Zeitalter der Elektrizität und der Schreibewut, haben lyrische Ergüsse leicht etwas lächerliches und ein dichtender Ulanenleutnant kann als komische Figur gellen. Daher zog sie sich ein wenig zurück und war recht zu frieden, als die Saison zu Ende ging und als sie mit den Eltern wieder auf das Gut — Obereifel — übersiedeln konnte. Es gab Augenblicke, wo sie Bochow haßte, daß er auch an sie mit seiner Passion sich herangewagt hatte; aber diese Momente waren doch selten, und zumeist überwogen zärtliche Empfindungen für ihren einstigen Tänzer und Schlittenherrn. Und diese Empfindungen wurden sehr ernsthaft, als sie eines schönen Nachmittags auf der Terrasse des väterlichen Schlosses ihn wiederbegrüßte. Ihm aber wirbelte einfach das Dichterhaupt. Wie «ine liebliche Sommergöttin stand st« da, in dem schlichten weißen Gewände, mit gelben Rosen im dunklen Haar, mit dem freundlichen Lächeln auf dem süßen Gesichtchen. Ganz berauscht von diesem Anblick, sowie von einem guten Tropfen aus den Kellern Les Geheimrats, setzt« er sich nach dem Dejeuner an seinen Schreibtisch und begann einen Liebeszyclus mit dem Titel: Die Rosenfee, in dem er sein« Lieb«, die Natur» die Reize de» Land lebens, die Eindrücke der Begegnung mit Gerda besang. Höchst niederträchtiger Weise störte ihn in dieser Tätigkeit «in Ordon nanz seine» Kommandeur», die einen Zettel überbrachte, der sofort durch «inen Offizier an den Divisionskommandeur, Herzog I Aljred, zu befördern war. Zu diesem Ritt war Bochow kom mandiert worden. So 'ne Gemeinheit, donnerte der verliebte Leutnant, so 'ne infame Niederträchtigkeit! Mich, ausgerechnet mich zu stören, mich aus viele Stunden aus diesen Räumen zu entfernen, wo sie weilt. In dieser Bruthitze zwei Meilen hin, zwei Meilen zurück! ! '> Gräßlich List du mein Geschick, ' > Raubst mir ihren Liebesblick; . " , Eben sang ich noch voll Glanz — , Bums! Da kommt die Ordonnanz! Nachdem er so getobt, steckte er das Papier in einen Um schlag, den Umschlag in die Brusttasche und ging brummend in Leit Stall. Zwei Stunden später übergab er die Meldung an einen Generalstabsoffizier im Hauptquartier der Division. — Ich bin kein Laufbursche, der auf Antwort wartet, sprach er zu sich, auch ist mir davon nichts befohlen! Zurück nach Obereifel, was der Gaul laufen kann! Gerda wartet, die himmlische Nymphe am kastalischen Quell. Da Bruna scharf ritt, kam er noch gerade zum Diner zurecht und konnte Baronesse Gerda zu Tisch führen. Nachdem die Tafel ausgehoben war, begab sich die Gesellschaft auf die schattige Terrasse. Hier plaudert« man in Gruppen, während die Diener den Kaffee, Liköre und Zigarren präsentierten. Dazu spielte die Kapelle de» Ulanen-Regiments die neuesten Walzer. Beim Klange dieser Weisen kamen Bruna seine vorhin durch den Ritt unterbrochenen Verse in den Sinn, die er achtlos auf dem Schreibtisch seines Zimmers hatte liegen lassen; die Befürchtung überfiel ihn, irgendeine indiskrete Stubenmagd oder «fn Diener könnten davon Kenntnis nehmen. So beurlaubte er sich für einige Minuten von Gerda und schritt nach der im zugeViesenen Be hausung im Seitenflügel dos weitläufigen Schlosses, um feine Lyrik in Sicherheit zu bringen. Gr war soeben auf der Treppe in« Vestibül verschwunden, al» ein Diener mit einem Telegramm in die Mitt« der Gesollschaft trat: An den Herrn Obersten Baron Eislingen. — An Mich? Ran«? Bon der Division? Was ist denn da los? — Der Oberst la» da» ziemlich lang« Telegramm mit