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MönlniiM Tageblatt und und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Der ALonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, dis Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell hononrt. Annahme von Inseraten für d.e nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 uy des vorhergehenden Tages. »Waldenburg, 2. Juli 1880. Kastanien im Feuer. Mit dem ersten Juli haben die Sitzungen der Conferenz ihren Abschluß gefunden. Dre Schluß acte, welche den Conferenzbeschluß enthalt, wurde unterzeichnet, die Collectivnote, durch welche der Conferenzbeschluß der Türkei und Griechenland nnt- getheilt werden soll, ist ebenfalls angenommen, und so können Alle wieder ruhig nach Hause gehen. Dre von allen Mächten unterzeichnete Collectivnote wird in Konstantinopel und Athen je von dem dortigen ältesten diplomatischen Vertreter der sechs Machte den betreffenden Regierungen übergeben werden. Sogenannte Secundär- oder untergeordnete Fragen, wie die Uebernahme des türkischen Schuldentheiles seitens Griechenlands und die Freiheit der Culte, auf welche die Conferenz die Aufmerksamkeit der Mächte zu lenken beschlossen hatte, haben in dem Protokoll der Conferenz Erwähnung gefunden. Soweit wäre die Sache ganz gut. Griechenland erhält ein Gebiet zugesprochen, welches 380 Qua dratmeilen umfaßt mit 400,000 Einwohnern, und in landwirthschaftlicher Beziehung, besonders die thessalische Ebene, außerordentlich werthvoll rst. Aber — wird die Türkei das Gebiet auch gutwillig abtreten? Die „Provinzialcorr." sagt: Das bei der Confe renz so erfolgreich hergestellte Einvernehmen der Mächte kann von der öffentlichen Meinung Europas nur als ein Zeugniß der allgemein vorwaltenden friedlichen Gesinnung mit Genugthuung betrachtet werden. Die Conferenz war nur berufen, eine moralifche Einwirkung auf die beiden Staaten zu üben, deren Interessen in der vorliegenden Frage auszugleichen sind. Es ist aber wohl nicht zu erwarten, daß einer der beiden Staaten die Be deutung des Beschlusses eines so wichtigen Schieds gerichts, wie es die Vereinigung der europäischen Großmächte darstellt, anerkennen wird. Das scheint uns ein sehr berechtigter Zweifel zu fein, der da ausgesprochen wird, und die Thatsachen sprechen auch dafür; denn es liegen schon bestimmte Angaben darüber vor, daß sich die Türkei auf einen energischen Widerstand vorbereitet. Das weiß auch die griechische Regierung, sie trifft deshalb alle Vor bereitungen, um die Besetzung der neuen Gebiets theile durchführen zu können. Sie hofft, eine Armee von 40,000 Mann auf die Beine zu stellen. Uebrigens thut die griechische Regierung sehr recht daran, denn daß sich irgend eine europäische Macht herbeilaffen wird, mit den Waffen in der Hand den Widerstand der Pforte zu brechen und das neue Gebiet den Griechen zu Füßen zu legen, ist ein vergebliches Hoffen. Vorläufig also sind die Gebietstheile, welche durch die Beschlüsse der Berliner Conferenz ausersehen sind, von der Türkei an Griechenland abgetreten zu werden, noch die Kastanien im Feuer, die sich die Griechen erst herausholen müssen, wenn sie dieselben genießen wollen. »Waldenburg, 2. Juli 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das Zustandekommen der neuen Südseeaesell- schaU.ist nach der „Weser-Ztg." unter ansehnlicher Betherllgung Hamburgischer Caprtalisten jetzt als gesicheri zu betrachten. Wiederum ist eine ganz eminente Verbesseruna der Mordwaffen gemacht worden, und zwar durch eine Vorrichtung, mittels welcher die Abgabe von 12 Schuß binnen 25 Secunden gestattet ist. Außer dem sollen noch verschiedene Verbesserungen des Mausergewehrs in Vorschlag gebracht worden sein, welche eine außerordentliche Erhöhung der Wirkung und Verwecthung dieser Waffe bedingen dürften. Wie demnächst noch versichert wird, soll zu einer umfassenden Erprobung dieser neuen Erfindung, deren Bedeutung für den Fall, daß die ihr nachge- rühmten Vortheile sich bestätigen sollten, ja in der That nicht hoch genug veranschlagt werden könnte, das ganze Garde-Schützenbataillon demnächst mit dieser neuen Vorrichtung, resp. mit zu der Anwen dung derselben umgeänderten Gewehren ausgerüstet werden. Die Holländer, welche auf dem Rhein in Bezug auf den Lachsfang die ausgedehnteste Raubwirthschaft treiben, welche ihnen jährlich etwa 3 Millionen netto einbringt, hatten sich von der Berathung der Rheinuferstaaten ferngehalten. Jetzt hat man beschlossen, ihnen die betreffenden Beschlüsse zur An nahme mitzutheilen, und für den Fall der Weige rung Repressalien zur Anwendung zu bringen und insbesondere für mehrere Jahre die Besetzung des Rheins mit Lachssamen einzustellen. Der Bundesrath genehmigte am 30. Juni die Errichtung von Privatgetreidetransitlägern in Dres den, Leipzig rc., dann wurde die Session geschloffen. Der Schluß des preußischen Abgeordnetenhauses er folgt am Sonnabend. Die „Magdeb. Ztg." meldet aus Hamburg von dortiger competenter Stelle, daß sich die Neigung bekundet, behufs Aufgabe der Freihafenstellung mit dem Reichskanzler in Unterhandlung zu treten. Es wird versichert, daß eine Begnadigung der Bischöfe durch den König für jetzt ausge schloffen sei, da je eine solche nur die Wirkung haben könnte, daß die Bischöfe nur als Privat personen in ihre heimathlichen Diöcesen zurückkehren dürften. Bei dieser Sachlage ist es auch völlig aus geschlossen, daß Herr Paulus Melchers bei der Ein weihung des Kölner Doms am 5. September wie der als rite angestellter Erzbischof fungiren wird. Der preußische Cultusminister hat sämmtlichen katholischen Geistlichen des Regierungsbezirks Köln die Benutzung der Schullokale behufs Er- theilung des kirchlichen Religionsunterrichts wieder gestattet, wie aus fogender Verfügung der Regierung zu Köln hervorgeht: „Köln den 18. Februar 1880. Im Auftrag des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Ange- legenheiten wird Ihnen eröffnet, daß für die Wie dererstattung des Schullokals an katholische Geist liche behufs Ertheilung des kirchlichen Religionsun terrichts es eines vorgängigen Antrags des Pfarrers oder sonstiger Interessenten nicht bedarf. Sie wol len daher uns nur diejenigen Fälle zur Entschei dung vorlegen, wo der Schulvorstand eine solche Benutzung verweigern sollte. Königliche Regierung, Abtheilung des Innern, (gez.) Guionneau. An den königlichen Landrath Hrn. N. zu N. Circulirt bei den Herren Bürgermeistern des Kreises zur gefälli gen Kenntnißnahme. Der Landrath N." Dänemark. Die Bestrebungen in Deutschland, die Freihafen stellung Hamburgs aufzuheben, haben in Däne mark den Gedanken angeregt, Kopenhagen zum Freihafen zu erheben, damit man einen Thril des internationalen Zwischenhandels gewinne. In Re gierungskreisen soll die Erhebung Kopenhagens zum Freihafen bereits ernstlich erwogen werden. Ein großer Theil des durchgehenden Getreides und des russischen Spiritus hat sich infolge des neuen Zoll tarifs ohnehin schon nach Kopenhagen verzogen, während früher dieser Handel fast ausschließlich über Hamburg ging. England. Das englische Oberhaus lehnte trotz mehrerer hoher Fürsprecher einen Gesetzvorschlag ab, dahin gehend, daß man die Schwester einer verstor benen Gattin heirathen dürfe. Die Gegner der Bill erklären, wenn solche Ehen gestattet würden, könnte keine ledige Schwester mehr jemals mit ihrer verheiratheten Schwester im Hause zusammen leben; Unmoralität und Verbrechen würden ungemein sich vermehren, überdieß führen sie die Bibel für sich in's Feld. Auf der andern Seite behaupten wieder die Anhänger der Neuerung, daß durch die Gestat tung solcher Ehen oft für verwaiste Kinder die beste Mutter gefunden würde, und daß es lächerlich sei, irgend welche Vermehrung von Verbrechen zu be fürchten. Die Zahl derer, welche ihre Frauen um bringen möchten, um deren Schwestern heirathen zu dürfen, muß denn doch eine ganz geringe sein. Doch die Kirche siegte, und Schwägerinnen bleiben „verbotene Früchte". Wie die „Times" erfahren, wäre die conservative Partei geneigt, die Frage bezüglich der Abgabe einer Erklärung an Eidesstatt seitens der Parlaments mitglieder im Wege der Gesetzgebung zu lösen. Rußland. Die von London aus verbreiteten Nachrichten von Kämpfen zwischen russischen und chinesischen Truppen beim Terakpafse, bei Kirgil-Kurghan, Gulighas und von Ostkhokand durch die Chinesen, Rückzug der Ruffen aus Osh rc. werden auch nicht durch die geringste Mittheilung ähnlicher Art bestätigt und können als faktisch völlig unbegründet, wie unter den obwaltenden Verhältnissen auch als nicht wohl denkbar bezeichnet werden. Das für die chinesischen Gewässer bestimmte Flag genschiff „Kremel" des russischen Geschwaders hat bei der Ausfahrt im finnischen Meerbusen einen Zusammenstoß erlitten. Das russische Panzer fahrzeug rannte einen dänischen Dampfer an uno erlitt starke Beschädigungen. Mit großem Interesse hat man in Rußland die Abstimmung über die Kirchenvorlage im preu ßischen Abgeordnetenhaus« ausgenommen. Die rus sische „St. Petersburger Ztg." erklärt als Schluß resultat: Das Abgeordnetenhaus hat nicht den Vor wurf auf sich laden wollen, einen großen Theil der katholischen Bevölkerung ohne Befriedigung der reli giösen Bedürfnisse gelassen zu haben. Die deutsche „Petersburger Zeitung" schließt eine längere Be sprechung, in welcher sie ihre Ansicht ausspricht, da mit: „Die Majorität sei wahrscheinlich durch eine Coalition der Conservativen, Freiconservativen und Nationalliberalen und offenbar nur mit größter Mühe erzielt" und worin sie mit den unversöhn lichen Klerikalen icharf ins Gericht geht, mit den Worten: „Die preußische Regierung, die ihre bis zur Unfaßlichkeit große Versöhnlichkeit durch die Vor lage kundgethan, hat trotz der Unversöhnlicheit des Centrums das gewünschte Gesetz, wenn auch als Frucht zahlreicher Compromisse, ohne Kopf und Schwanz in recht verstümmelter Gestalt erhalteni. Hoffen wir, das es ihrer Weisheit gelinge, damit wirklich Nutzen zu stiften und die Bedürfnisse der katholischen Unter- thanen zufrieden zu stellen. Der Dictator Graf Loris-Melikoff weiß alle seine Anordnungen mit großer Zweckmäßigkeit zu treffen, was namentlich von allen mit ihm Arbeiten den anerkannt wird. Dazu kommt, daß er sich ge radezu Mühe giebt, in allen dienstlichen Verhältnissen jeden Unterschied der Geburt und des Standes mög-