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MsdmfferTageblatt für Bürgertum/ Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Rr. 163 — 83. Jahrgang Dienstag den 15 Juli 1924 Wilsdruff-Dresden Telegr.-AVr.: „Amtsblatt" Post check: Dresden 2640 MH Anicl,mpreir: dir 8,espaIte»e!iraumzeile W Doldpfennig, die LgespaltcneZeile der amtlichen Bekanntmachungen 4» Dold- psennig, die z gefpaltrneReklamezeNe im textlichen Teile loo Soldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Soldpfcnnige. Dor. geschriebeneErscheinungs- . „ tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 b-riichflchtigt. Anzeigen- annahme dis vorn,. Iv Uhr Für di« Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggcder in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, V«,Ml«drxf^r Tageblatt" erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der GefchSstssteSe und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postbestellung '»U-WZAL Wochenblatt für Wilsdruff». Umgegend trüger und Deschüstsstellen nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung Zettung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Vielmel im ziavmdenMeer. Die einzige Kolonie, die uns noch blieb, ift — Ost preußen. Jetzt, da sich zum viertenmal der Tag des 11. Juli gejährt hat, der Tag der Abstimnmug, die ein irr sinniger Vertrag über die Südwestecke Ostpreußens ver hängte, denkt man mit stolzer, aber nicht wehmutfreier Freude an jene Tage zurück, die uns das urdeutsche Gebiet wiederschenkteu. Und zur Feier dieses Tages hatte sich eine Reihe von Männern nach Berlin zum Reichskanzler begeben, nicht um des damaligen Sieges zu gedenken, son dern um das Mutterland zu mahnen, nicht etwa auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern „den Helm fester zu binden". Denn Kämpfer zu fein für den Boden seiner Heimat, es immer zu bleiben, ist deutsches Schicksal. Deutsches Schicksal besonders im Osten. Die unmög lichen staatlichen Verhältnisse, die vom Versailler Vertrag geschaffen wurden, haben unzählige Reibungs flächen geschaffen, aber das unmöglichste ist der Polnische Korridor, der doch nur eine Sackgasse ist, weil den Polen durch Danzig der Zugang zum „slavi- schen Meer", wie ein polnischer Ministerpräsident die Ostsee überaus falsch bezeichnete, praktisch tatsächlich verstopft wird. Aber rings von der slavischen Flut ist Ostpreußen umspült, — was Wunder, daß sich die hasenhungrigen Augen der Polen auf Königsberg richten. Um einen „Rechtsanspruch ist Polen ja nie verlegen gewesen ... Daß das alte Deutschordensgebiet bis zum zweiten Thorner Frieden nie polnisch war, sondern einfach von Polen er obert wurde, ift gleichgültig; daß man dem Großen Kur- s fürsten gegenüber aus jede Oberherrschaft verzichtete, da- s von redet man nicht mehr. Daß es überhaupt deutsches Land geworden war und ist bis hinein in Las letzte Haus der Städte und jeden Bauernhof, soll nicht gelten. Son dern nur, daß dieses Land zweihundert Jahre der Krone Polens zugehörte. Und ganz systematisch wird im Kreise Allenstein, wo das gemeinsame Religionsbekenntnis mannigfache Anknüpfungspunkte gibt, fröhlich weiterge- wühlt, will man aber auch den evangelischen Masuren in aller Stille einflößen, sie seien eigentlich — Polen. Gott sei Dank sitzt dort in Ostpreußen einhar- tes Geschlecht, Las in grimmer Entschlossenheit nur sein Dasein als Teil des Deutschen Reiches ringt. Aus dieser Wiege Preußens sind dis Schärfe und Energie des kampf- frohen Preußentums am stärksten und kräftigsten gewachsen. Aber sie dürfen nichtallein stehen, dürfen nichtdas Gefühl haben, eine „Kolonie" zu sein. Dürfen nicht deswegen ganz vergessen werden, weil der heftigere Kampf des Deutschtums jetzt an der Westgrenze entbrannt ist. Dort ist immer fe stest e r Z u s am m e n h a n g m it L e m Nest Deuts chland s, aber mit der wichtigste Stützpfeiler dieses Deutschtums ist Ostpreußen. Die Grundsteine, auf denen er ruht, sind gekittet Lurch Ströme deutschen Mutes und deutschen Schweißes, sind gelegt worden durch Deutsche aus allen deutschen Gauen von Kandern bis nach Österreich, von der Etsch bis an den Belt. Auch an diese, Lie man uns ohne Abstimmung gegen ihren ausdrücklichen Willen von Großdeutschland abriß, erinnerte Ler Kanzler in seiner Er widerung auf Lie Airsprache, Lie der Vorsitzende Les ost deutschen Heimatdienstes, Dr. Marks (Allenstein), an ihn richtete. Das ist die Wehmut, die beim Gedenken an den Abstimmungssieg die reine, stolze Freude dämpft. Tage der Einigkeit, der in Deutschland, ach, so seltenen Einigkeit, waren die Abstimmungen im Kreis Allenstein und zwei Jahre später in Oberschlesien. Da j dachte jeder nur daran, daß er ein Deutscher war. Einsame § Leuchttürme waren diese Tage im wüsttobenden Meer deut scher Uneinigkeit, als einmal der Deutschnationale neben dem Sozialdemokraten Schulter an Schulter stand. Fast ist das vergessen, und die ernste Mahnung des Reichskanzlers, an der Lohre dieser Tage nicht achtlos vorübergehen, war überaus notwendig. Vielleicht wird ein neuer, gleicher Tag wieder einmal kommen. In einer Rundfunkrede erinnerte der preußische Innenminister Severingan Las Wort, das der polnische Staatspräsident bei Eröffnung der Posener Messe am 28. April d. I. sprach, an das bezeichnende Wort: „Wir Polen haben zwar viel errungen, was uns ge hört, aber noch nicht alles, noch nicht alle polnischen Gebiete. Noch sind nicht alle Länderstücke, die zu unserer vollen Existenz notwendig sind, mit dem Mutterland ver eint." Das geht auf Danzig, vor allem aber auf Ostpreußen. Noch an eine andere Äußerung des polnischen Staatspräsidenten erinnert Severing, Laß nämlich die polnische Finanzaktion dazu dienen müsse, die Polniste Armee auf einen besseren Stand zu bringen. Man wech, gegen wen sich das richtet, ist man Loch nicht umsonst Frank reichs Bundesgenosse! Doch nicht nur zu erwarten haben wir von Ostpreußen: wir haben im Nestreich auch Pflichten gegen unsere „Kolonie". Größere und ernstere Pflichten gerade darum, weil sie rings vom Feind umgeben ist. Es ist aus Kurzsichtigkeit und namentlich aus fiskalischer Engherzigkeit leider oft gegen Lie wirtschaftlichen Interessen Ostpreußens gesündigt worden, auch parteipolitische Rücksichtslosigkeit hat manche Kränkung verursacht. Man soll es also nicht bei schönen Worten belassen, nicht das schon berüchtigt gewor dene „Treue um Treue!" wieder einmal herausschmettern, sondern handeln. Denn mit Ostpreußen retten wir das Deutschtum l Kein Lurüekweiehen der Regierung« Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 14. Juli. Außenminister Stresemann hat zu Parlamentariern geäußert, er würde von seinen Mindestforde rungen für die Annahme der Sachverständigen-Gutachten (Ruhr- Räumung und Aufhebung aller Sanftionen) nur dann abgchen können, wenn der Reichstag ihn ausdrücklich dazu ermächtige. Von der durch die Etente angestrebten schnellen Gesetzwerdung der Dawes-Beschlüsse ist man daher noch weit entfernt. Paris und die Rede des Reichskanzlers (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Paris, 14. Juli. Zu der Rede des Reichskanzlers liegen bisher noch keine Aeußerungen aus den Pariser maßgebenden politischen Kreisen vor. Die Pariser Presse äußert sich im all gemeinen ziemlich abfällig. Der „Temps" wirft dem Kanzler vor, daß er die politische Situation verkenne, weil er die von Frank reich gemachten Zugeständnisse nicht würdige. Freie Luft für Deutschland. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes") London, 14. Juli. Im Unterhaus erklärte der Luftschiff- fahrtsminister, die englische Regierung unternehme Schritte zur Aufhebung der Einschränkungen, die Deutschland auf dem Gebiete des Luftfahrzeugbaues auferlegt sind. . Regierungsoptimismus in Sachen der Militärkontrolle. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Berlin, 14. Juli. Gegenüber dem stellvertretenden Vor sitzenden der deutschnationalen Reichstagsfraktion an den Neichs- außenminister gerichteten offenen Brief in Sachen der Misitär- kontrolle wird, wie der „Montag" erfährt, an zuständiger Stelle betont, daß den deutschen Wünschen sowohl bezüglich der zunächst erforderliche Verhandlungen über die Modalitäten der Kon trolle als auch bezüglich des in Aussicht zu nehmeichen Endter-* mins im wesentlichen entsprochen ist. abgefahren. Mussolini will nach einer Meldung des „Daily Mail"-Korrespon-enten aus zwei Gründen nicht nach London fahren. Einmal wegen der immer noch gespannten innerpoliti schen Lage und dann weil er die Londoner Konferenz lediglich als den Auftakt zu einer Reihe interalliierter Besprechungen auf- faßt. Die bevorstehende Konferenz konnte nach der Meinung Mussolinis höchstens zu einer Klärung des Reparationsproblems, nicht aber zu einer endgültigen Lösung der Frage führen. So bald dies in greifbare Nähe gerückt sei, werde Mussolini zur Stelle sein. Der gekSvrckete vawesplsn. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes") Neuyork, 14. Juli. Der Korrespondent der „United Expreß" in Washington will von einer den amerikanischen Sach verständigen im Dawes-Komtee und den amerkanischen Finanz- kreisen nahestehenden Persönlichkeit erfahren haben, daß die For derung Frankreichs, ein eventuelles Verfehlen Deutschlands dürfe, nur von der Reparationskommission festgestellt werden, den gan zen Plan gesährden würde. Amnestie für Caillaux und Maivi. Paris, 14. Juli. Die Kammer, die gestern vormittags, nachmittags und in der Nacht bis nach 3 Uhr tagte, hat die Dis kussion über das Amnestiegesetz trotz der scharfen Obstruktion der Opposition soweit gefördert, daß die Amnestie für Caillaux und Mawi angenommen wurde. Fliegerunglück bei Prag. Prag, 14. Juli. Der Pilot Georg Sonnceck unternahm in Lelakovic bei Prag gestern Passagierslüge. Beim vierten Auf stieg stieß er mit der Tragfläche des Apparates in eine Pappel. Der Benzinbehälter explodierte und das Flugzeug stürzte in die Elbe. Vier Passagiere, drei Herren und eine Dame wurden voll ständig verkohlt aus dem Wasser gezogen, während der Pilot sehr schwer verwundet geborgen wurde. Schwere Explosion auf einer Zeche. Gelsenkirchen, 14. Juli. Auf der Zeche Bonifazius entstand in einem Abtäufungsschacht eine schwere Explosion, der leider eine Warum geht Mussolini nicht nach London? Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 14. Juli. Nach einer Havas-Meldung aus Rom ist die italienische Delegation bereits gestern abend nach London i Reche Bergleute zum Opfer gefallen sind. Toten beträgt bis jetzt vier. Die Gesamtzahl der Die große Anleihe gefährdet? Vie Bankiers an Macckonalck. London, 13. Juki. Ein angesehenes Londoner Blatt bringt heute eins Meldung, die, wenn sie richtig wäre, zu großen Befürchtun gen Anlaß geben könnte. Die Meldung besagt, daß die in Betracht kommenden englischen' Finanzkreise bereits vor einigen Tagen Macdonald haben wissen lassen, daß die City (Vie Bankwelt) weder bereit noch in der Lage wäre, ihren Anteil an der 4V-Millwnen- Psund-Anleihe für Deutschland nach dem Dawes- Bericht auszubringrn, »venu Frankreich streng an dem Standpunkt festhalten würde, der in der rnglisch-sranzösischen Rote vom vorigen Mittwoch) niedergelegt wurde. Weiter sollen die Bankiers erklärt Haven, daß die englische Finanzwelt nicht bereit sei, ein Übereinkommen über die Anwendung des Dawes-Berichtes oder eine Regelung zu unterstützen, die versuche, in Len besetzten Gebieten Kontrollen und Garantien ausrechtzuerhalten, welche über die Sicherheiten ihnausgehen, die im Dawes- Bericht selbst vorgesehen werden. Der englische Zeichner Ler Anleihe dürfte eine bestimmte Garantie verlangen, daß in Zukunft Sanktionen eines unwirtschaftlichen Charakters nicht leichthin wieder eingeführt werden können, und daß in bezug auf Sanktionen keine Sonderaktion einzelner Mächte erfolgen könne. Attika geht nicht ia die Repka. Halbamtliche Kundgebung. Was man von vornherein annehmen tonnte, daß näm lich Amerika nicht in die Reparationskommission eintreten werde, wird jetzt aus Washington halbamtlich bestätigt. Im Staatsdepartement wurde erklärt, „Staatssekretär Hughes wird die Durchführung des Dawes-Berichts mora lisch unterstützen, jchoch keine darüber hin ausgehenden Schritte unternehmen. Das in den Friedensvertrag mit Deutschland vom Senat eingefügte Amendement hindert Amerika, ohne ausdrückliche Billigung des Kongresses einen offiziellen Vertreter zu bestellen oder offizelle Schritt« zu tun, die in Verbindung mit der Reparatiorrstommission stehen. Da der Kongreß gegenwärtig nicht tagt und erst Anfang Mzemver wieder Zusammentritt, sind Lie Hands der Vereinigten Staaten gebunden, soweit Schritte, welche die Neparationskommission betreffen, in Frage kommen."' vrk Sttril im vemsMM SeteWmg. Parts, 12. Juli. Herriot hat sein Vertrauensvotum im Senat weg, mit der großen Mehrheit vo n 239 gegen 17 Stim me n ist es ihm ausgesprochen, und sogar Poincaro und die seinen haben Lasur gestimmt. Er hat es erreicht, indem er als Verständigungskünstler ein Kompromiß mit sich selbst geschlossen hat. Sehr richtig schreibt ein hiesiges Blatt, der Ministerpräsident hätte die Wahl gehabt, entweder mit der Politik Poincares glatt zu brechen oder eine Versöhnung seiner eigenen Auffassung mit der seines Vorgängers zu suchen. Er sei Len zweiten Weg gegangen, und sein Se natssteg beweise, daß er recht daran getan Habs. Aber recht hafte er nur, sofern es sich darum handelte, seine Stellung als Ministerpräsident zu behaupten, nicht sofern es daraus an-kommt, eine als gut erkannte Politik dnrchzusetzcm Es liegt auf Ler Hand, daß ein leitender Staatsmann nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen kann, aber Herriot, der gewiß von den besten Absichten erfüllt ist, scheint doch gar zu sehr von Ler Furcht beherrscht zu sein, sich zu stoßen. So hat er sich auch in der außerordentlich wichtigen, vielleicht entscheidenden Frage Ler Beteiligung Deutschlands an der Londoner Konferenz mit sich selbst in Widerspruch gesetzt. In seiner Sen als rede hebt Herriot sehr zu treffend hervor: Der Sachverstündigenüericht verlangt auch mit klaren Worten die Zusammenarbeit der Alliierten mit Deutschland. In inr Praxis aber hat er nicht die Festig keit, daraus den richtigen Schluß zu ziehen. Da vertritt er vielmehr den — innerlich von ihm selbst gar nicht geteilten — Standpunkt, daß Deutschland nicht zu den Londoner Be ratungen zuzuziehen sei, sondern nur gerufen werden solle, uni eine Mitteilung darüber zu hören. Mit anderen Wor ten: es soll nicht mit Deutschland zusammengearbeitet, son dern ihm wieder diktiert werden, was es zu tun bat. Dabei kann für den von Herriot so sehnlich gewünschten Weltfrieden nichts herauskommen, und es dürfte schwerlich die Politik sein, um derentwillen das sranzösische Volk bei den letzten Wahlen die Mehrheit Poiucarös zum Teufel gejagt hat.