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s n. Sahrvans. Rr. 261 Donnerstag, s. Sunt 1S2S DrahtanILUst: Nochrichten Tretde» Fernsprecher-- Lammelnummer: 2LSS 1 Nur jnr Nachlpeipriiche: Nr. rvoil Echristleituna u. HauptgelchSjtSstelle: Dresdcn-A. 1, Morienstratze 9»/«s BejllgSge»ühr vom 1. bi» 1». Inni 1929 bei titalich zweimaliger AusteNung stet Haut 1.10 MI. PostbczugSpreiS für Monat Juni s.so MI. einM. 99 Psg. Postgebühr iohne Poftzuslcüung»gebühr>. Einzelnummer 1t» Psg. Außerhalb Dresden« IS Pig. Anzeigenpreiie: Die Anzeigen werden nach Goldmarl berechnet: die einspaltige so mm breite Zeile SS Psg. sür auswärts so Psg. Aamilien- anzcigen und Stellengesuche ohne Rabatt lS Psg., außerhalb 2S Psg., die 90 mm breite Rellamczeilc 200 Psg., außerhalb sso Psg. Osscrtengebühr 30 Psg. Auswärtige Austräge gegen BorauLbezahlung Druck ». Verlag: Liepsch « Reichardt, Dresden. Postschcck-«>o. >osn Dresden Nachdruck nur mit deutl.Ouellenongabe IDreSdn. Nach».) zEssig. Unverlangt« Schriststücke werde» nicht ausbcwahrt M ^okemn-Ssorgen-^IIss 6 s«en,pe. 1SM >^n«ri<»nnt gut« prvisvvsrls UnmUMMl'NMIUMUIW »> molisfnsi' aurlunpuim skiwilon ris oureii an . >llII>MllAl»I W«ÜI L UMNII inriimrinkii R/v ^ fonipui brmnnkiliuliimöl' rsr«i Oeken una ttorrls ksvlt MSN pcolscvset Im ksult MSN pnslswsnt Im l"b-w.cei,mn or.r«ins«N„r.«i ^>111 > I IIIM sssenLpe.! 1b2S2 HIStio ^ostplntr n» Aookanlnaan tllr 6rokb«trI«ds — Nobl»n- «Nkl s»»n«e«t« 0su«rt»ranrI-OoI«n — ker»1r««II» Unterzeichnung in Paris am Frettagmittag Ostpreußen von unserem zur Vressestu-iensahrt entsanöten vr. Scd.-Lchristl eitungsmitglied Es war sicher ein guter Gedanke der Prcsscabkcilnng im Reichsverkehrsministerinm, den Vertretern der grüßen deut schen Zeitungen durch eine Studienfahrt nach Ostpreußen eine genau« Kenntnis dieses abgcschnürtcn Landesteiles zu ermög lichen und damit den Notwendigkeiten der deutschen Ostpolitik nerstärktc Resonanz im Reich zn verschaffen. Wenn auch der Hauptzweck der Reise in der Berkel,rswcrlmng lag mit der Absicht, das an eigenartigen Reizen so reicig: Land als Reise ziel zu empfehlen und eine Abzweigung des somnierlichen Redestromes auch in den für deutsche Begriffe „fernen" Osten zu lenken, so ist doch der lebendige politische Anschauungs unterricht nicht weniger wertvoll, den man ans Schritt und Tritt empfängt, wenn man mit offenen Augen das Land durchstreift. Bon Klagen über die Nöte dieses und jenes deutschen Gebietes sind wir ja so überhäuft, daß das Ohr all mählich dagegen aligestumpft und die -Haut dickfellig geworden ist. Man verliert leicht den rechten Maßstab dabei. Das Hort, das fühlt und das sicht man in Ostpreußen, wo wirklich eine besondere Notlage voll akuter Gefahren vvrliegt. Wo immer Volksgenossen in Not geraten sind durch Naturkata strophen oder Unglückssälle, da wendet sich ihnen ganz von selbst unsere Sympathie zu, da regt sich spontan der Wille zum Helfen. Nun, Ostpreußen i st in höchster Gefahr. Das ist keine Einbildung und keine Ucbcrtrcibung. Es verlangt unser Verständnis und cS verdient nnscrc Hilfe. Indem wir ihm alle Fürsorge zuteil werden lassen, die ein verarm tes Land sür seine abgcsprcngto Provinz nur anfbringen kann, Helsen wir uns selbst, denn im Osten liegt deut sches Schicksal. Wir sind nicht nach Ostpreußen gekommen mit der völligen Unkenntnis von Land und Leuten, die man dort bei den Besuchern „aus dem Reiche" gewöhnt ist und bitter beklagt. Wir teilten nicht die geographischen Begriffe jener deutschen Firma, die kürzlich in Königsberg Gcschäftsbcziehungcn an- znknüpscn versuchte mit der Begründung, daß die „Nähe zum chinesischen Kriegsschauplatz" dort besonders günstige Gelegen heit zum Absatz ihrer Waren eröffnen müsse. Wir erwarteten auch nicht, daß a»f den Landstraßen Ostpreußens die Wölfe spazieren gehen. Aber wir waren doch überrascht, ein der Zeit und ihren Bedürfnissen so aufgeschlossenes Leben, eine so starke Entwicklungsfähigkeit überall vorzufinden. Was wir sahen, das war wohl ein vorgeschobener, aber noch kein verlorener Posten des Deutschtums. Ei» prächtiger Men schenschlag, der zäh nnd opferwillig um sein Schicksal ringt. Ein Land, großer Zukunft voll. Aber ein Land, das, um im Kampf gegen feindliche Gewalten bestehen zn können, unser Verstehen braucht. Mehr noch, unsere Liebe, alle Liebe, die deutsche Menschen für Brüder anfznbringcn ver mögen, die um der deutschen Sache willen leiden. Das Leitmotiv der vielen Ansprachen und Vorträge, die wir allerorts zn hören bekamen ans dem Wege von Stettin über Königsberg, Memel, Tilsit, Insterburg, Allcnstcin, Marienwcrdcr nach Danzig war überall das gleiche. Es sprach in eindringlichen Tönen von der Slot Ostpreußens. So eintönig und traurig die Melodie klang, inan wurde ihrer doch nicht überdrüssig. Tenn lebendige Tatsachen unterstrichen die Worte, und was das Wertvollste war, cs klang nie müde Resignation heraus, sondern ein kräftiger Wille zur Selbst behauptung. Kein -Hilfsgcschrei, weil man der eigenen Kraft nicht vertraut, sondern weil sic nnler de» gegebenen Um ständen nicht ausreicht, nicht ansreichen kann. Ja, es gab schon einmal in Ostpreußen eine Zeit des VerzagcnS, als man an der Hilfsbereitschaft von Staat nnd Reich verzweifeln zu müsse» glaubte. Aber seitdem dis Ostprcnßenhilfe durch Ge setz gesichert ist, geht eine neue Welle der -Hoffnung durchs Land. Man fühlt überall tiefe Danlbartcit sür diesen ersten Schritt tätiger Anteilnahme, der aber nicht der letzte sein darf, wenn er nicht zu spät kommen soll. Darüber hinaus aber will Ostpreußen — das war sein Auftrag an uns Journalisten als die „Botschafter der öffent lichen Meinung" — Verständnis wecken im Reich sür seine Sonderstellung in Deutschland. Schmerzlich wird cs dort empfunden, daß jedesmal, wenn Ostpreußen seine Ansprüche anmcldct nnd Zusagen erhält, sich an allen Ecke» und Ende» gleiche Ansprüche erheben. Es ist so etwas wie ein Wcttlauf um die Entgegennahme von Staatsgcschcnlen entstanden, nnd besonders augenfällig eine Rivalität zwischen Ost und West. Wie in einer Familie, in der ein krankes Kind zur Erholung El« tmitorialeS Angebot Belgiens Aber Deutschland lehnte ab Paris, 6. Juni. Das Gutachten der Pariser Sachverstän digen wird voraussichtlich am Freitag um 12 Uhr mittags unterzeichnet werden. Da die Verhandlungen der Sach verständigen sich bisher in zwangloser Form abgespielt haben, darf man annehmen, daß sich auch der Akt der Unterzeichnung ohne besondere Formalitäten abspielen wird. Die Presse wird wahrscheinlich zugelassen werden. Uebsr die Verösscntlichnng des Berichtes ist zur Stunde noch nichts bestimmt, doch wird er in Paris veröffentlicht werden. Am Mittwoch fanden in Paris noch eine Reihe Be sprechungen und Sitzungen der Unterausschüsse der Sach verständigen statt, insbesondere über die Frage der Zentralbank für internationale Zahlungen und über die Sachlieferungen. Die belgische Frage ist dagegen geregelt. Es steht nun mehr fest, daß auch die belgischen Abgeordneten den Bericht unterschreiben werden, nachdem der Brief Dr. Schachts an Owe« Uoung den Weg geebnet hat. Die belgische Frage dürfte auch in irgendeiner Form in dem Sachvcrständigenbcricht Erwähnung finden. In dem Bericht wird anscheinend der Sachvcrstündigenausschuß fest- stcllcn, daß auf Grund des erwähnten Briefes des Führers der deutschen Gruppe die belgische Markfrage geregelt sein werde, bevor der neue Zahlungsplan in Kraft trete. Sollte ans dem einen oder anderen Grunde eine Re gelung der Frage durch die belgische und deutsche Regierung nicht vor dem 1. September erfolgen können, an dem nach Auffassung der Sachverständigen der Boung-Plan in Krast treten soll» so werden die von Deutschland anf Grund des Dawes-Plancs getätigten Zahlungen aus den Nonng-Plan in Anrechnung kommen. In diesem Zusammenhang muß mit aller Schärfe hcrvor- gehobcn werden, daß in keinem Stadium der deutsch belgischen Verhandlungen über die Entschädigung für die belgischen Markgelder von deutscher Seite die Frage voq Eupen und Malmedy angeschnitten wurde, sondern daß die belgischen Unterhändler und unter ihnen Herr Francqui selbst, ein territoriales Berhandlnngs- angebot machten, «m zu einer Regelung der Mark» frage zu gelangen. Im übrigen stellt auch jetzt das von Kastl an Lamont am Dienstag früh gerichtete Schreiben ausdrücklich fest, daß die Rcichsregicrung nicht die Absicht habe, die territoriale Frage anzuschneiden. Nit ritberstitmig zur vtMAra llensrrrnz Berlin» 6. Juni. jEig. Drahtung.) Während der Sachver- stündigcnbericht im wesentlichen die Hauptrichtlinicn der kom menden Reparationsrcgclnng enthält, bleibt cs die Aufgabe der angekündigten Rcparationskouferenz, den neuen Repara- tionsvcrträgen die feste Form zu geben. Um die Vor schläge für die Rcparationskonfercnz festzustcllen, werden in der Pause zwischen der Sachverständigcnkonferenz und der Reparationskonferenz in einzelnen Ausschüssen, die paritätisch besetzt werden sollen, die Einzelheiten der kom menden Regelung formuliert werden. Es handelt sich dabei um das Statut der Reparationsbank, um di« TranSfcrfragen, um die Ablösung der Eisenbahn- und Indnstricobligationen, sowie um all die Acndcruugen der Dawcsgesctze, die jetzt nötig werden, weil der Abbau aller in den Dawcsgcsetzen vvrgcsel-enen Kontrollen stattsindct. Es ist noch keine Entscheidung darüber gefallen, wo diese Verhandlungen stattfinden und wer an den Ver handlungen im einzelnen tcilnehme» wird. Macdonalt mlt der Kabiiittlsbildiiiig demistrog» London, 6. Juni. Die formale Betrauung Macdonalds mit der Bildung des neuen Kabinetts durch den König ist erwartungsgemäß Mittwoch mittag erfolgt. Bei seiner An knust im Schloß Windsor wurde er von dem Hofmarschall des Königs empfangen und um 11,80 Uhr nach dem Kranken zimmer geleitet, das er wenige Minuten nach 12 Uhr wieder verließ. Das Rationalkomitee der Arbeiterpartei trat um 10 Uhr in London zusammen. Die Besprechungen sind vor bereitender Art sür die am Nachmittag nach Rückkehr Mac donalds aus Schloß Windsor folgende» gemeinsamen Bera tungen mit dem Vollzngsrat der Unterhauskommission der Arbeiterpartei, ans der Ramsaq Macdonald Bericht erstatten wird. Die Neubildung der Negierung wird nach der amt lichen Betrauung Macdonalds mit aller Beschleunigung dnrchgcfiihrt nnd aller Voraussicht nach in wenige« Tagen beendet werden. -Heute nachmittag fand eine gemeinschaftliche Sitzung des L a n d es v o r st a n d c s der Arbeiterpartei nnd der yenge- wähltcn Unterhaussraktion unter Vorsitz von Mac donald statt, der stürmische Ovationen seiner Anhänger erhielt. Macdonald teilte mit, daß er das Amt des Ministerpräsidenten übernommen und dem König bereits eine Anzahl Persönlich keiten namhaft gemacht habe, denen er die wichtigsten Acmter im neuen Kabinett zu übertragen gedenke. Ter König Habs dieser Personenauswahl zugestimmt. Die Universität Oxford hat zwei Konserva, tivc für das Unterhaus gewählt. Damit erhöht sich die Zahl der Konservativen aus 257. » London. 5. Juni. Das neugcwähltc Parlament tritt an« 25. Juni zusammen, doch wird die erste Woche lediglich mit der Erledigung von Formalitäten ausgefüllt sein. Erit in der darauffolgenden Woche wird das Parlament mit einer Thronrede, die das Programm der neuen Regie rung bckanntgibt, formell eröffnet werden. Infolge des Regierungswechsels dürften die neuen Minister nicht vor Ablauf einiger Wochen in der Lage sein, gesetzgeberische Vor schläge zn unterbreiten. Deshalb wird sich das Parlament voraussichtlich Ende Juli vertagen und erst zu Beginn des Herbstes seine Arbeiten wieder ausnchmcn. anfs Land geschickt wird, hat sich unter den Geschwistern ein Neidgcfüyl ctngeschlichc», uns jedes möchte nun auch sein Teil abhaben. Eine solche Einstellung verdirbt die Seg nungen, die in der Hilfeleistung liegen. Sic ist nicht nur kleinlich »nd deshalb des dcntschen Volkes unwürdig, sondern auch unberechtigt nach Lage der Dinge. Den» wir dürfen nie vergessen, daß der Kampf, der dort oben anf deutschem Boden dnrchgesvchtcn wird, in Methoden und Auswirkungen ein ganz anderer ist als im Westen oder sonst an national- politisch bedrohten Lanüesgrcnzc». Die Besetzung im Westen kann nur noch eine kurze Spanne Zeit dauern. Und es wird hier dem Gegner niemals gelingen, irgendwelche mora lischen oder kulturellen Eroberungen zu machen, die sich später in politische umsetzcn könnten. Der Kampf nm den Rhein ist gewonnen, wenn wir nur fest bleiben und kluge Politik anf weite Sicht treibe». Ganz anders ist die Lago im Oste». Dort sind die Grenzen zerrisse», die wichtigsten Gebietsteile geraubt für dauernde Zeit, wenn es nach dem Willen der Verträge geht. Der Gegner denkt dort nicht daran, ein Stück des für uns so lebcnsnvtwcndigcn Landes wieder hcranszngcbcn, wenn er nicht irgendwie dazu gezwungen wird. Und damit nicht genug. Seit Jahr nnd Tag geht der Pole seinerseits zum Angriff vor nnd baut Stützpunkt um Stützpunkt aus, um durch ziclbcwußtc Vorarbeit für sein Volkstum zn erobern, was östlich der Weichsel noch deutsch ist. Seine Außenpolitik, ebenso wie die Wirtschafts- und Be- vvlkcrungspolittk, ist mir auf diesen Gedanken eingestellt, „Solange Ostpreußen noch deutsch ist, wird Polen des Korri dors nicht froh werden", hat kürzlich der ehemalige polnische Konsul in Königsberg in einer Broschüre gesagt. Und damit ist eigentlich alles gesagt über Ostpreußens Not. Wenn dio böse Absicht auch nicht mehr durch einen militärischen -Hand streich nach Art der Einnahme von Wilna zn verwirklichen ist, so versucht Polen doch alle anderen Mittel, um auf Schleichwegen zu seinem Ziele zu gelange». Man muß wirklich an dieser schrecklichen Korrtdorgrenze gewesen sein, ihre lcbcnzcrrcißcnden Auswirkungen gesehen habe», um zu begreifen, was an völkischer Not, an wirt schaftlichem Unsinn in diesem Wort „Insel Ostpreußen" liegt. Es heißt, daß ein blühendes Land, das vordem mit dein Deutschen Reiche eine vollkommene Einheit bildete, von jeder direkten Verbindung abgcschnitten ist und unmögliche Grenz» nnd Zvllschikancn in Kauf nehmen muß, um mit -cm Mutter« land zu verkehren. Es heißt, daß die weite Grenze im Osten nnd Süden mit dem großen russischen Reich, das im am« steigenden Handelsverkehr mit Deutschland stand, verschwnni