Volltext Seite (XML)
Ereignissen und Gegenständen in Zusammenhang gebracht werden; die Flut seiner Gefühle bewegt sich in zu vielerlei Richtungen; aber sein agiles Temperament erhält seinen hohen Wärmegrad ebenfalls von der Sonne des Vaterlandes.“ Der erste Satz (Allegro vivace), „ein mit Variationen verwobenes und manchen Eigenarten der Sonatenform verbundenes Rondo“, weist ein typisches ungarisches Hauptthema auf, das die Grundstimmung des gesamten Werkes festlegt: kraftvolle Ausgelassenheit und strahlende Freude. Einen Gegensatz hierzu bringt zunächst der zweite Satz (Poco adagio), „ein pastorales Lamento“. Leidenschaftliche Sehnsucht drückt auch das Nebenthema aus. Ein fast impressio nistisch anmutendes Stimmungsbild, das die ungarische Pußtalandschaft malerisch schildert, steht in der Mitte des Satzes, der schließlich wieder lamentohaft schließt. Scherzocharakter besitzt der dritte Satz (Presto) mit seinem hurtig dahinwirbelndcn Springtanz. Ungemein kom pliziert hat Bartök hier das traditionelle ABA-Formschema angewandt. Träumerische Lyrik drückt der vierte Satz (Moderato) aus, der wie ein Intermezzo angelegt ist. Den Höhepunkt des Werkes bringt das tänzerisch ausgelassene und dramatisch sich steigernde Rondo-Finale des fünften Satzes (Molto vivace), dem u. a. ein turbulenter „Csürdöngölö“-Tanz zugrunde liegt. Ausgelassenheit und gute Laune triumphieren. Das Hauptthema ist eine heitere Variante des musikalischen Gedankens, der den ersten Satz eröffnet. Auch mit motivischen Erinnerungen an andere Sätze der Suite arbeitet der Komponist im Finale, das recht eigentlich die gedank liche Zusammenfassung des gesamten Werkes darstcllt. Franz Schuberts 7. Sinfonie C-Dur sollte besser seine „Zehnte“ genannt werden. Infolge der falschen Zählweise in der Gesamtausgabe der Schubcrtschen Werke hat man all* gemein übersehen, daß zu einer siebenten (D) und achten (E) Sinfonie Skizzen vorlicgcn (Die E-Dur-Sinfonie hat Felix Weingartner vollendet) und folglich die sogenannte „Unvollendete“ in h-Moll - übrigens fast zur selben Zeit wie die Becthovensche „Neunte“ entstanden - in der Numerierung eigentlich die Nr. 9 (statt Nr. 8) sein müßte. Neuerdings hat der englische Musikwissenschaftler M. J. E. Brown festgestcllt, daß die große C-Dur-Sinfonic, eben die fälschlich als „Siebente“ bezeichnete, identisch ist mit der lange vergeblich gesuchten „Gmun- dener oder Gasteiner Sinfonie“. Die Entstehung des Werkes ist nach neuesten Erkenntnissen in den Jahren 1825 bis 1828 anzunchmen, ein Zeitraum, der die oft zu hörende Behauptung widerlegen dürfte, daß Schubert alles im Augenblick komponiert habe, ohne danach beharrlich zu feilen. Erst 11 Jahre nach der Fertigstellung entdeckte Robert Schumann die Sinfonie unter Schuberts Nachlaß in Wien. 1840, 12 Jahre nach dem Tode des Komponisten, erklang erstmalig das Werk, das dieser für seine bedeutendste Sinfonie hielt, unter der Stabführung Mendels sohns in Leipzig. Ihrer „himmlischen Längen“ wegen nannte Schumann die „Siebente“ einen „Roman in vier Bänden von Jean Paul“ und schrieb über die Uraufführung: „Die Sinfonie hat unter uns gewirkt wie nach den Beethovenschen keine noch. Künstler und Kunstfreund ver einigten sich zu ihrem Preise. Daß sic vergessen, übersehen werde, ist kein Bangen da, sic trägt den ewigen Jugendkeim in sich ... In dieser Sinfonie liegt mehr als bloßer schöner Ge sang, mehr als bloßes Leid und Freud’ verborgen, wie es die Musik schon hundertfältig aus gesprochen; sie führt uns in eine Region, wo wir vorher gewesen zu sein uns nirgends erinnern können.“ Unbegreiflich will es uns erscheinen, daß damals die meisten Hörer vor den Längen und Schwierigkeiten kapitulierten, während uns heute die Einmaligkeit des Werkes in der ge samten nachbeethovcnschcn Sinfonik voll bewußt geworden ist. Das, was die C-Dur-Sinfonie immer wieder zu einem nachhaltigen Erlebnis werden läßt, ist die rätselhafte Kraft ihrer Me lodik, ist das Lcbensstrotzcnd-Volkshafte ihres Ausdrucks. Die Melodik ist es, die den Riesen bau dieser Sinfonie trägt, nicht die Form, obwohl auch sic klassisch proportioniert ist. Man hat einmal treffend von der „pflanzcnhaftcn Schönheit“ dieses großartigen „Liederzyklus ohne Worte“ gesprochen, der nach Harry Goldschmidt die „Zeit der Tat und Kraft“ - als poetische Idee - besingt, realistisch, national zwar, doch nicht im Sinne von Programmusik. Die C-Dur- Sinfonie zeigt Schubert auf der Höhe seiner Meisterschaft. Seine Tonsprache hat hier wohl die optimistischsten und heroischsten Elemente, deren sie fähig war, entfaltet. Eine breit angelegte langsame Einleitung steht am Beginn des ersten Satzes. Die Hörner stim men einen ruhigen Gesang an, das Motto gleichsam, das gegen Schluß des Satzes in einer Stei gerung wicdcrkchrt. Holzbläser, Streicher und Posaunen tragen diese Einleitung, die allmählich in das Allegro ma non troppo übergeht mit seinem rhythmisch gestrafften Streicherthema und seinen schwerelosen Holzbläscrtriolcn bei typischem C-Dur-Glanz. Dem Haupt- und Scitcnsatz folgt eine durchführungsartige Schlußgruppc. Wunderbar ist der Stimmungsreichtum dieses Sat zes, das naturhaftc Wachstum der einzelnen Melodien, die „tief seelisch getragene“ Dynamik (H. Werle). Wie eine überdimensionale Liedform mutet der zweite Satz, das Andante, an, mit seiner begnadeten Fülle von musikalischen Gedanken, die episch verströmen, österreichisch schwärmerisch, melancholisch, verträumt-innig, aber auch energisch und immer gesund, echt, zum Herzen gehend. Das Scherzo (Allegro vivace) gibt sich zunächst mit den rumpelnden Vier teln seines Hauptmotivs derb-polternd, aber auch heiter, graziös und mündet schließlich in eine herzhafte Wiener Ländlcrwcisc, während das Trio in melodischem Gesang schwelgt. Das Finale (Allegro vivace) umfaßt mehr als 1000 Takte. Immer und immer wieder stellt der Komponist seine musikalischen Einfälle vor, spürt ihren Verwandlungsmöglichkeiten nach, ohne sinfonische Auseinandersetzungen herbeizuführen. Das epische, nur von Stimmungskontrasten getragene Ausmusizicrcn dominiert. Farbig ist der Orchcsterklang, kühn die Harmonik. Dieses Finale zeigt Schubert auf dem Gipfel seiner Themenerfindung und -bchandlung. Der Hörer wird von der Innigkeit des Gefühls und von der heldischen Kraft dieser Musik zutiefst be rührt. Das ist der beglückende Eindruck, den die Sinfonie immer wieder hinterläßt. Dieter Hartwig 1J TE RATU R H I NWE ISE: Schnoor: Weber, Gestalt und Schöpfung; Dresden 1953 Szabolcsi: Bartök, Weg und Werk, Schriften und Briefe; Leipzig 1957 Vetter: Der Klassiker Franz Schubert; Leipzig 1953 VORANKÜNDIGUNG Dienstag, 18. April 1961, 19.30 Uhr 4. Kammermusikabend der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Anrecht D und Frei verkauf 20. April 1961, 19.30 Uhr 15. Außerordentliches Konzert Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solistin: Christa Maria Ziese, Leipzig (Sopran) Werke von Reinhold — Finke - - Thilman — Bongartz und Schostakowitsch Freier Kartenverkauf! * » 14. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 6101 Ra HI-9-5 361 1,6 It-G 009/32/61