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«r 4 Weißerih-Zeitung Berantwortlicher Nedacteur: Carl Zehne in Dippoldiswalde. Freitag. Erscheint Dienstag» und Freitag». Zu beziehen durch allePostanstaü- ten. Preis pro Quart. lüNgr. Ein unttrhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. 14. Januar 1853. Jusnatt werden mit, 8 Pf. für di. ZHle berechnet . und in allen Expeditionen angenommen. Oesterreichs und Preußens freund schaftliche Stellung zu einander. Seit einer Reihe von Jahren haben wir Oesterreich und Preußen, welche beide um die Oberherrschaft in Deutsch lands rangen, in entschiedener Feindschaft gegen einander, gesehen, welche vor 2 Jahren sogar in einen deutschen Bürgerkriege auszubrechen drohte, dessen eigentlichen Grund der unpartheiische Beobachter gar nicht einzusehen ver mochte. Später spielte sich der erbitterte Hader auf das Gebiet der handelspolitischen Interessen über, welcher Deutschland zum größten Nachtheil für seinen Handel und seine Gewerbe von den Wiener Zollconferenzen bis zu den Berliner Zollconferenzen und nun wieder zu Wie ner Zollconferenzen in der empfindlichsten Ungewißheit gelassen hat. Die offiziellen Blätter beider Staaten haben sich seit jenem langen Hader gegenseitig Artigkeiten gesagt, vor welchen das sittliche Gefühl des Mannes sich mit Scham wegwendet. Urplötzlich hat nun Berlin von Wien aus durch den Besuch des Kaisers Franz Joseph einen ganz uner warteten Freundschaftsbeweis erhalten. Alle Welt weiß, in welcher ausgezeichneten Weise man l84S in Berlin bei Gelegenheit der deutschen Kai serfrage aus die damalige bedenkliche Lage Oesterreichs Rücksicht nahm. Alle Welt weiß, wie viel Mühe man sich in Berlin gab, um sich mit Oesterreich wegen der Unionsfrage zu verständigen. Aber dieses Suchen der Freundschaft Oesterreichs war ohne merkliches Resultat. Alle Welt weiß, wie nachgiebig Preußen war, als v. Man teuffel zur Zeit eines drohenden Krieges 1850 nach Olmütz zum Minister v. Schwarzenberg eilte. Auch dadurch wurde Oesterreich nicht viel freundschaftlicher gegen Preußen gestimmt. Was ist nun die Ursache, weshalb das österreichische Cabinett sich auf einmal der preußischen Regierung in großer Freundschaft nähert, die zu erlangen Berlin sich seither vergeblich bemühte? Leichthin antwortet man darauf, das neue Kaiser- thum in Frankreich sei cs, dem man diese neugeschlössene erfreuliche Freundschaft beider Regierungen verdanke. Was aber, fragen wir mit Recht, ist den so Un vorhergesehenes und UeberraschendeS in Frank reich geschehen, daß man erst jetzt im letzten Augenblicke, wo viele Mächte bereits ihre Anerkennung des Kaisers Napoleon III. ausgesprochen haben und wo man sich schnell entscheiden und aussprechen muß, nuü erst zur Be- rathung und Verständigung schreitet? — War denn alles das, was in Frankreich am 2. Decbr.,1852 geschehen ist, nicht schon seit einem Jahre, oder mindest seit « Mo- naten klar, daß erst kurz vor Thorschluß Oesterreich und Preußen sich plötzlich einander freundschaftlich nähern? In Wien hist man sicher vor Monaten gewüßt, daß Ludwig Napoleon Kaiser werden, daß er unter dem Titel Napoleon Ilj. den Thron seines Oheims besteigen wird. Wenn man im Augenblicke plötzlich den seither ringe- schlagenen Weg der Politik gegen Preußen verläßt, so muß das einen andern Grund haben, als das neue „Friedenskaiserthum." In Frankreich ist nichts UeberraschendeS für Wien geschehen. Was in Frankreich vorgegangen, hat man in der Kaiserstadt mindest eben so gut gewußt, wie es alle Welt weiß. Das Ueberraschende ist in England geschehen. Wider alles Erwarten hat England äußerst rasch die Anerkennung des neugeschaffnen KaiserthumS ausgesprochen und dieses Factum hat die östlichen Großmächte ein we nig überrascht. Als im Sommer dieses Jahres der Kaiser von Ruß land in Berlin war, sprachen die Zeitungen von Erneue rung der Verträge der „heiligen Allianz" und «an Hopste sogar von England aus bei der öffentlichen Meinung an, um zu hören, was sie sagen dürfte, wenn ein solcher Ver trag wirklich abgeschlossen würde, dessen Plan in englischen Zeitungen abgedruckt war. Aber nicht nur kam der öfter- reichische Kaiser damals nicht nach Berlin, wie man er- wartet hatte, sondern die österreichischen Zeitungen waren die ersten, welche offiziell die Existenz eines solchen Ver trags in Abrede stellten, und die Regierung in Wien war die hervorragendste, welche der Presse verbot, etwas Mißliebiges gegen Ludwig Napoleon zu schreiben. Man glaubte in Wien bis zum letzten Augenblicke, daß Ludwig Napoleons Adler höchstens Appetit nach Bel gien bekommen würden, daß aber der neue Cäsar seine volle Wehrkraft entwickeln werde, um Englands Stolz zu demüthigen, das den großen Napoleon mit so uner hörter Hartnäckigkeit bekämpft uqd mit so großer Härte behandelt hatte. Ein Bischen Landung der Franzosen in England wäre in Wien wohl kaum unangenehm gewesen, da Eng land mit der ungarische» Jnsurrection geliebäugelt, die Befreiung Kossuthö durchgesetzt und den General v. Hay na» nicht nobel empfangen hatte. Auch hoffte man in Wien, in Gemeinschaft mit Frankreich die „Ordnung" in Sardinien Herstellen zu können und den Einstuß Oester reichs in Italien ohne Einspruch Frankreichs vermehren zu können. > s In Wien hoffte man so fest auf ein Bündniß mit Frankreich, daß man es unterließ, zum Begräbniß Wel lingtons eine militärische Ehrendeputation nach London zu schicken ; denn Wellingtons Name ist ein eA feindselige Erinnerung für Napoleon, und Oesterreich wollte das freundschaftliche Verhältniß zu Napoleon aus keine Weise stören. -