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Nr. 156. Sahrgchtzg. Sächsischer D« jeden Wochentag Abend mit täglich «nem besonderen Unter« LaltungSblatte und mit dem Lrtrabeiblatt «ftigck vilderdllch kostet monatlich 70Pfg. Lei dm Ausgabestellen, sowie bei den Post- Anstalten. (Zeitungs-Preisliste Nr. 4850.) Zllufi Ilias! Sonnabend, v. JnN 1887. >e»pri§>eA„!l HNME UV 1 . mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger" Unparteiische tägliche Zeitung für Sachse« und Thüringen. Snl«: NMn Buchdruckerrt, Chem Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeiten 4. Sächsisches Allerlei — 5. Jllnstrirtes Nnterbaltungsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges BMeph Amtliche Bekanntmachungen. Im HandelSregisi wurde heute auf Foli, (Annabergerstraße Nr. 20) „... waarenfabrikant Herr Carl Hermann Heinrich daselbst eingetragen. Chemnitz, am 6. Juli 1867. Königliches Amtsgericht. Chemnitz, am 6. Jul! Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 267 verlautbart, daß dem Kaufmaiin Herrn Wilhelm Walther Franck in, Chemnitz für die Firma R. C. E. Franck daselbst Prokura ertheilt worden ist. Chemnitz, am 6. Juli 1887. Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 2846 verlautbart, daß Herr Johann Friedrich Wil helm Schramm aus der Handelsgesellschaft unter der Firma Schramm u. Trefz in Chemnitz als Mitinhaber ausgeschieden ist, sowie, daß der seitherige Thellhaber, der Uhrmacher Herr Martin Ludwig Trefz in Chemnitz, das Handelsgeschäft der aufgelösten Gesellschaft unter der Firma LouiS Tresz Ivrtführt. Chemnitz, am 6. Juli l887, Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Landbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 140 verlautbart, daß der Strumpfwaarensabrikant Herr Anton Friedrich Ferdinand Merkel und der Kaufmann Herr Eugen Merkel, Beide In Niederrabcnstein, die Firma F. Merkel daselbst von der bisherigen Inhaberin derselben zur Fortführung überlassen erhalten haben, sowie, daß die Herrn Anton Friedrich Ferdinand Merkel für die genannte Firma ertheilt gewesene Prokura erloschen ist. Chemnitz, am 6. Juli 1887. Königliches Amtsgericht. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Drechslermeisters Hein rich Erasmus Grünzig in Chemnitz wird nach erfolgter Abhaltung des Schluß' tcrmins hierdurch aufgehoben. Chemnitz, den 6. Juli 1887. Königliches Amtsgericht. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Philipp August Arcnsmcyer in Chemnitz ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß der bei der Vertheiluug zu berücksichtigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbarcn Vermögensstücke der Schlußtermin auf den 3. August 1887 Vormittags 11 Uhr vor dem Kgl. Amtsgerichte hier' selbst bestimmt. Chemnitz, den 6. Juli 1887. Königliches Amtsgericht. Anna Helene, in Altchemnitz vu» Concnrsverfahreu eröffnet. Der Rechtsanwalt Weber in Chemnitz wird zum Concursverwalter Falles über die in 8 120 der ConcurSordnung bezeichncten Gegenstände auf den 23. Juli 1687 Vormittags 10 Uhr und zur Prüfung der angemeldet,» Forderungen auf den 13. August 1877 Nachmittags 4 Uhr vor dem unter zeichneten Gerichte Termin anberaumt, Allen Personen, welche eine zur Cou- cursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Conclirsmasse etwas schuldig find, wird aufgegebcn, nichts an den Vormund der Gemeinschuldner zu ver abfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Concursverwalter bis zum 8. August 1887 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Telegraphische Nachrichten. Vom 7. Juli. Kassel. Der Berlin-Frankfurter Tages-Schnellzug ist hier um 4 Uhr 10 Min. bei der Einfahrt in eine Mauer des Bahnhofs gebäudes gefahren. Menschen sind nicht verletzt worden. Wien. Der „N. Fr. Pr." wird aus Petersburg gemeldet: Dem aus den Dienstlisten gestrichenen General Bogdanowitsch, welcher im Aufträge Katkows mit Boulanger verhandelte, wurde der Aufenthalt in allen Orten, wo der Hof weilt, untersagt. Ueber die Politischen Umtriebe Katkow's und Bogdanowitsch's soll der Czar durch ein Schreiben des Kaisers Wilhelm aufgeklärt worden sein. Die Erbin von Wallersbrunn. Originalroman von Marie Romany. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Dem jungen Wesen schien bei diesem Gedanken der Athem stille zu stehen. Den Brief, diesen unschuldigen Boten des Unheils, zerknitterte sie in ihren Händen. Mit wirrem Auge starrte sie vor sich, dann um sich, wie um aus einem Zeichen, einem Gedanken, der ihr in den Sinn komifl», Erlösung aus der sie vernichtenden Ungewißheit zu suchen; doch nichts sprach ihr Trost zu; Niemand existirte, der ihr Aufschluß über dieses unheilvolle Geheimniß bieten konnte; wenigstens gab cs Niemanden, der ihr würdig einer solchen Anfrage dünkte; da, in der Verwirrung, in die ihr junger Sinn gerathen war, erinnerte sie sich des Etuis. Konnte sein Inhalt, den der Gutsherr unter so feierlichem Gelöbniß ihrer alleinigen Obhut vertraute, mit diesen Zeilen in irgend einer Verbindung sein? War es möglich, daß — daß — Alice schauerte, als ihr der Gedanke kam. Nein, es konnte nicht sein! Nein, es war nicht möglich, daß irgend eins der Worte, die Herr von Waldheim im Fieberwahn hervorgebracht hatte, auf Wahrheit beruhte! Hastig, wie um die Dementirung einer voreilig gemachten Anklage ihres Herzens zu suchen, öffnete sie den Schreib tisch und ergriff das Kästchen, das in der nächsten Sekunde geöffnet vor ihr lag. Mit bleicher Miene, stieren Auges überflog sie den Inhalt der Papiere, die sie folgerecht aus dem Kästchen nahm. Hin und wider entfuhr ihren Lippen ein Ausruf des Entsetzens, den sie nicht zurück zuhalten im Stande war; ihre Hände zitterten, ihre Brust fieberte, ihre Züge wurden eisiger, je mehr sie sich in diese Dokumente der Schande zu vertiefen bemühte; der Athem stockte ihr, als sie die unabweisbaren Belege ihres Verderbens vor sich sah. Alice bebte. Konnte sie Herrin ihrer selbst bleiben bei einer solchen Entdeckung? O, cs war mehr, als ihre junge Seele mit einem Schlage zu tragen vermochte! «Vater! geliebter Vater!" quoll eS, vom Schmerz gewaltsam Wien. Nach einer Meldung der „W. Allg. Z." aus Tirnowa hätte die Sobranje mit Acclamation die Unabhängigkeit des Fürsten thums Bulgarien einschließlich Ostrumeliens proclamirt. In Betreff dieser Meldung sind Zweifel geboten. Budapest. Die Stadt Nagykaroly, welche kürzlich eine furcht bare Brandkatastrophe heimsuchte, wurde gestern Nachmittags durch einen Wirbelsturm und Wolkcnbruch verwüstet. Viele Gebäude sind eingestürzt, zahlreiche Menschen verwundet. Rom. Es ist ein offenes Geheimniß, daß bei dem Alter und der Krankheit des Ministerpräsidenten Depretis in Wirklichkeit Crispi die Regierung führt. Da die Krankheit Depretis' sehr schwer und fast hoffnungslos ist, so wird Crispi schon in kurzer Zeit auch offiziell das Ministerpräsidium übernehmen. Leipzig, 8. Juli. Das Reichsgericht verurtheilte im Landes verraths-Prozeß Klein zu 6, Grebert zu 5 Jahren Zuchthaus. Wien, 8. Juli. Prinz Ferdinand von Coburg nahm die aus ihn gefallene Wahl zum Fürsten von Bulgarien an. behaupteten, es habe sich um den Mobilisirungsplan und um Spiritusfrage gehandelt. Es ist nicht- davon wahr. — Es darf nunmehr als zweifellos betrachtet werden, daß Bayern und Württemberg dem Beispiele Baden- folgen, ihr Resei> vatrecht in Bezug auf die Branntweinbesteuerung preisgeben und t' * Steuergemeinschaft beitreten werden, so daß bis zum JahreSsck' oder spätestens bis zum 1. April nächsten Jahre» im Reiche Branntweinsteuer einheitlich geregelt sein wird. Dieser Entschluß süddeutschen Staaten ist, man mag über da- Steuergesetz selbst' urtheilen, wie man will, nur zu billigen. Die süddeutschen Staaten^ haben sich ihr Branntweinsteuer-Reservatrecht bisher Vorbehalten, nicht um irgend eine StammeSeigenthümlichkeit aufrecht zu eits sondern um ihre finanziellen Interessen zu wahren. Da nun diese ' Interessen durch das ch sind, sogar besser als bisher, Politische Rundschau. Chemnitz, den 8. Juli. Deutsches Reich. Ueber die Reise des Kaisers nach Ems und sein Befinden wird nachträglich noch Folgendes bekannt: Dem Kaiser ist die dreizehnstündige Reise recht gut bekommen,, obwohl die Hitze auch während der Nachtstunden eine sehr quälende gewesen. Der Kaiser war über die langsame Fahrt sehr verwundert, allein die Aerzte hatten für die Schnelligkeit der Fahrt eine gemessene Anordnung ge geben, um dem Kaiser die Nachtruhe nicht zu stören. Am Mittwoch haben die Aerzte beschlossen, den Aufenthalt des Kaisers in Ems nach Möglichkeit zu beschränken, da für die Brunnenkur zur Zeit kein An laß vorliegt. Der Kaiser braucht frische, kräftigende Waldluft. Er ist überhaupt nach Ems nur gegangen, weil dort sicher auf sein Er scheinen gerechnet ist und nur seinethalben sehr viele Fremde dorthin gekommen waren. Als Termin für die Abreise ist Montag festgesetzt. — Als der Kaiser zum Trinken am Brunnen erschien, wurde er außerordentlich lebhaft begrüßt. — Ebenso befriedigend wie über das Befinden des Kaisers, läuten die Nachrichten über den Gesundheitszustand des deutschen Kronprinzen aus London. Die aus der unmittelbaren Umgebung des Kronprinzen kommen den Nachrichten besMigen, daß sein Befinden überaus günstig ist und daß seine Genesung in der letzten Zeit sichtbare Fortschritte gemacht hat. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß von dem ursprünglich in Aussicht genommenen längeren Aufenthalt auf der Insel Wight abgesehen werden wird und daß die kronprinzliche Familie weit früher, als bis her angenommen wurde, nach Potsdam zurückkehrcn wird. — Der Bundesrath in Berlin hielt am Donnerstag eine Sitz ung ab. Angenommen. wurde das Kunstbuttergesetz. Außerdem wurden mehrere Verwaltungsvvrlagen erledigt. — Es heißt, Bayern und Württeinberg werden schon am 1. Oktober die neue Branntwein steuer einführen. — Der Bundesrath hob Donnerstag das Pferde-Ausfuhrverbot wieder auf. — Mehr als 6 Mal ist die 3*/z procentige Hundert-Millionen- Anleihe überzeichnet worden. Der Gesanimtbetrag wird auf 640,600,000 Mark angegeben. Bisher war cs ein französisches Privilegium, die nationalen Anleihen so bedeutend überzeichnet zu sehen, nun ist das deutsche Kapital dem gewiß lobenswerthen Beispiel gefolgt. Alle Zeich nungen bis zu 2000 Mark sollen voll berücksichtigt werden, die übrigen werden entsprechend gekürzt. Nun sage man aber vor allen Dinge» nicht mehr, daß kein Geld in Deutschland ist. — Der deutsche Botschafter in Paris hatte kürzlich eine Unter redung mit dem Minister des Auswärtigen, Flourens. Pariser Blätter Sie bebte schaudernd. Wilden Blickes starrte sie auf da- Häuf- Zö chen so geringfügiger und dennoch sie vernichtender Papiere; aufs dem Pfarrer, an. dieses Kleinod, das ihr, ein Fluch für ihr Leben, zur Sühne vielleicht längst vom Schöpfer des Weltalls gerichteter Sünde von der Liebe des Vaters bescheert worden war! Es war Alles da. «Quittungen der Anstalt St. Salvators," kommentirte sie mechanisch. „Verrath der Freundschaft, — Flehen um Erlösung," sprach sie vor sich, indem sie die Briefe ineinanderlegte und dem Kästchen wie der vertraute. Alice stöhnte. Ein eisiger Schauer durchrieselte ihr Mark und Gebein. " „Mein Gott, beschütze Du mich!" brach es endlich wie jammern des Klagen von ihr; „ziehe Deine Hand nicht von mir, leite mich auf Deinem Pfade, bis mir ein Ausweg aus diesem Labyrinth des Elends, der Verzweiflung gefunden sein wird! — Beschütze mich mein Gott!" wiederholte sie noch einmal; „laß Deine Hand über mir walten, bis mir die Erlösung aus diesem Jammer gefunden sein wird!" Sie erhob sich, verbarg das Kästchen in einem Fache ihres Schreibtisches, Wankte, an allen Gliedern bebend, im Gemache auf und nieder und sank, überwältigt durch die Macht innerer Qualen, auf einen Divan, wo sie, ohne auf irgend etwas um sich her Achtung zu haben, liegen blieb. So verbrachte sie den Rest des Tages, so gingen ihr die Stunden der Nacht dahin. Als die Morgcnröthe, durch die offenen Fenster strahlend, sie von ihrer Lagerstatt auftief, erhob sie sich mechanisch; sie schien gebrochen; ihr Auge blickte glanz los, jeder Ausdruck, jede Farbe hatte sich aus ihrer Miene verloren; Niemand — dies war sicher — erkannte jetzt in ihr die junge Erbin, die noch vor wenig Monden mit der kühnsten Erwartung auf Glück und Glanz des Lebens der Zukunft entgegensah. - . * * Acht Tage später hatte Alice*von Waldheim der Besitzung Wal lersbrunn Lebewohl gesagt. Ohne von Jemandem Abschied zu nehmen, ohne auch nur dem greisen Pfarrer Bornau von der Absicht, die sie führte, Rechenschaft abzulegen, hatte sie früh, als kaum der Tag graute, den Wagen be fohlen, der sie, nur mit wenigem Gepäck versehen, zur nächsten Bahn station trug. Niemand wußte, wohin sie gegangen war. Zwei Tage nachher langte ein Schreiben bei ihrem Vormund, vom 24. Juni vollständig getva! o ist absolut kein Grund Vorhand, an einem Reservatrecht, welches ein Hemmniß für die innere B kehrsfreiheit im deutschen Reiche bildet, jetzt noch festzuhalten. Di, ist die einfache Sachlage, sowohl für Baden, als für die anderen beiden süddeutschen Staaten. Mit der Frage der Erhaltung Von größeren oder geringeren Rechten der Einzelstaaten im Bundesstaate hat die ganze Angelegenheit nichts zu thun. Die Zölle und indirstcten Steuern sind der Hauptsache nach in allen Bundesstaaten der Central- gewalt übertragen, und auch im deutschen Reiche ist dies der Fall. — Während der Verhandlungen im Leipziger Hochvcrrathsprozeß hat sich bekanntermaßen ein Zeuge Haas das Leben genommen- Haas war früher Mehlhändler und dann Wirth; er galt als etwas überspannt. Dem Vernehmen nach war er keineswegs als ein Haäpt- zeuge vorgeladen; er sollte, wie erzählt wird, einfach über einen Auf trag Klein's an Grebert, den er übermittelt hatte, ohne zu wissen, um was es sich handle, aussagen. Möglicherweise fühlte er sich aber auch stark compromittirt. Er hinterläßt eine Frau und drei Kinder. - — Die Ansiedlungscommission in Posen arbeitet jetzt gewaltig schnell. Fast Tag für Tag find Landcrwerbungen zu verzeichnen, dagegen ist von einer Thätigkeit der polnischen Landliga nicht viel zu verspüren. Angekauft sind das 475 Hectar große Rittergut Zura- winiec im Kreise Mogilno und die 30,000 Morgen große Herrschaft Boguniewo im Kreise Obornik, beide bisher im polnischen Besitz. Frankreich. Der Plan, die in Frankreich lebenden Ausländer einer besonderen Steuer zu unterwerfen, weil sie nicht Soldat zu ^ spielen brauchen, wird wohl nicht so schnell auSgeführt wer? Dagegen sollen aber die Ausländer strenger überwacht werdey. Per Minister des Innern wird sofoft die nvthigen Ordres erlasse». — Ganz Paris ist wieder einmal in Heller Aufregung! Das neue Militärgesetz setzt bekanntlich die Militärdienstzcit auf 3 Jahre fest. Da nun aber die modernen französischen Sirategikcr vor Allem eine kolossale Masse Soldaten wollen, so war. in dem Militärgesetz eine Bestimmung eingeschoben, nach welcher es gestattet sein sollte, nach zweijährigem Dienst junge Leute zu entlassen, wenn deren militärische. Ausbildung für hinreichend erachtet. Natürlich hat diese Maßnahme vor Allem den Zweck, die Ausbildung von möglichst viel Soldaten zu ermöglichen. Kriegsminister Ferron erklärte diese Bestimmung für überflüssig, weil er einen dreijährigen Dienst für nöthig und. .bei erhöhtem Kostenaufwand es für möglich erachtet, alle Leute drei Jams dienen zu lassen. Darauf wurde trotz heftigen Widerspruchs der Radikalen die Ausnahmebestimmung mit Unterstützung der Monarchisten abgelehnt. Die Wuth der Radikalen ist hauptsächlich deshalb so groß, weil das Ministerium abermals von den Monarchisten unter stützt ist. Die Radikalen erklären, ohne die Ausnahmebestimmung würden sie gegen das ganze Gesetz stimmen, und da auch die Kon servativen schließlich gegen die ganze Vorlage stimmen werden, ist diese also stark bedroht. Es ist leicht möglich, daß die ganze, seit Jahr und Tag angepriesene Militär-Reform total ins Wasser fällt. General Boulanger reist heute Freitag zur Uebernahme seines Commandos nach Clermont ab, wo ihm ein festlicher Empfang be reitet wird. Bei der Abreise von Paris wird die Regierung keine „Beten Sie für mich zum Herrn der Schöpfung," war die Bitte, die sich an ihre Entschuldigung reihte, „daß er mein Leben vor jener Drangsal behüte, die zum Verderben führt! Ich werde meine Heimath nicht Wiedersehen!" Nur ein paar flüchtige Verordnungen über Wirihschaft und Domestiken waren diesen Zeilen beigefügt. III. Etwa zwei Stunden nördlich von Rom, am rechten Ufer der Tiber, lag, hinter dichten Oliven- und Wallnußbaumpflanzungcn ver borgen, eine im ganzen Lande berühmte Irren- und Jdiotenanstalt, St. Salvators genannt. Diese Anstalt erfreute sich des ausgedehntesten Rufts. Der in Rom hochgeschätzte Sanitätsrath und Professor vr. Palmare hältst sie vor fünfzig Jahren gegründet; auch unter der Leitung seines SohyeS, der sie vier Jahre nach ihrer Eröffnung übernahm, steigerte sich daS Lob ihrer Einrichtung in dem Grade, als St. Salvators je mehr und mehr in den Mund der Leute kam. Jetzt gehörte diese Anstalt seit beinahe zweiundzwanzig Jahren einem Ör. Carlo Alfvnso Rimoli, n dessen Besitz sie durch vertragsweisen Ankauf gekommen war. vr. Rimoli war ein hagerer, kleiner Mann. Sein bartlose» Gesicht zeigte einen Charakter voll »»bezähmter — vielleicht auch un bezähmbarer — Leidenschaft an. Das tiefschwarze, funkelnde Auge beklemmte, wenn man unvermuthet dem Direktor der Heilanstalt gegenübertrat. In den Kreisen der Gesellschaft erfreute er sich — wenigstens nach gewissen Richtungen hin — einer ungetheiltcn Be lebtheit, was jedoch mehr seiner finanziellen Stellung als seiner Per- 'on auf die Rechnung zu schreiben war. , ,, Als Arzt, als Direktor von Salvatore stand Or. Rimoli un übertroffen da. Zahlreiche Kuren, die ihm gelungen waren, hatten einen Ruf bis weit hinaus über die Grenzen des Landes verkündet; reue Einrichtungen, die er geschaffen, hatten selbst berühmte Aerzte n die Anstalt gezogen; und die Ordnung, die nach allen Richtungen herrschte, die Macht, welche er über die Patienten inne hatte, die Disziplin, die er unter seinem Personal aufrecht erhielt, konnten nur dazu beitragen, seinen Ruf zu erhöhen. So wenigsten- war der Standpunkt, von welchem Dp. Rstnpli jetzt betrachtet ward. In früheren Jahren — so sagte die Fama — hatte es Zeiten gegeben, zu denen Carlo Alfonso es mit den Pflichten, welche ihm der Beruf als Arzt auferlegte, nicht so aewissenbaft nabm