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WmM Kr Wdmff , Erscheint I wöchentlich zweimal u.zwarDienstags I und Freitags. — Abonnementspreis ' vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummem 10 Pf. TharM W«, Menlchn md die Umgegenden. Imtsblalt Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommm. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. AmtshauxLmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. No. 87. Dienstag, Sen 31. Oktober 1893. Bekanntmachung, die Einkommensdeklaration betreffend. Aus Anlaß der im Laufe des nächsten Jahres stattfindenden allgemeinen Einschätzung zur Einkommensteuer werden zur Zeit Aufforderungen zur Deklaration des steuerpflichtigen Einkommens ausgesendet. Denjenigen, welchen eine derartige Aufforderung nicht zugesendet werden wird, steht es frei, eine Deklaration über ihr Einkommen bis zum 18. November dss. Js. bei dem unterzeichneten Stadtgemeinderathe einzureichen. Zu diesem Zwecke werden bei Letzterem Deklarationsformulare unentgeltlich verabfolgt. Gleichzeitig werden alle Vormünder, mgleichen alle Vertreter von Stiftungen, Anstalten, Personenvereinen, liegenden Erbschaften und anderen mit dem Rechte des Vermögcns- crwerbö ausgestatteten Vermögensmassen aufgefordert, für die von ihnen bevormundeten Personen beziehentlich für die von ihnen vertretenen Stiftungen, Anstalten u. s. w., soweit dieselben ein steuerpflichtiges Einkommen haben, Deklarationen bei dem unterzeichneten Stadtgemeinderathe auch dann einzureichen, wenn ihnen deshalb besondere Aufforderungen nicht zugehen sollten. Wilsdruff, am 30. Oktober 1893. Der Stadtgemeinderath. * Licker, Brgmstr. Zum Reformationsfeste. Unsere Zeit vergißt schnell. Jedes Jahrhundert bringt Männer hervor, deren Namen und Person ein rasch lebendes Geschlecht bald aus den Augen verliert, und lebt doch von ihrem Werk, erbt Segen oder Fmch von jenen, und muß ernten zum Unglück oder Heil, was die Vergangenheit gesäet. Der Tag der Reformation läßt wieder den Mann vor unsern Augen erstehen, dessen mächtiger Geist dem Leben Deutschlands sein Gepräge gegeben hat bis auf diesen Tag, den Mann so muthig wie demüthig, so stark wie gläubig, Martin Luther. Auch die, welche sein Werk nicht verstehen, oder gar bassen, danken ihm für ihr Geistesleben mehr, als sie selber es ahnen. Unsere Zeit lebt von seinem Erbe. Zwei Gegner hat das Reformationswerk Luthers: die jenigen, welche im Banne der römischen Satzungen' das Heil suchen, und diejenigen, die sich selbst und die eigene Willkür und Lust als höchste Autorität ansehen und von jeder anderen sich emanzipiren. Luther hat uns die Freiheit von den Fesseln falscher Autorität und von der Willkür des eigenen Beliebens errungen und uns den Weg zur wahren Freiheit geführt, die nur im Gehorsam gegen den lebendigen Gott und Sein heiliges Wort gewonnen werden kann. Unter heißen Kämpfen hat er den Frieden mit Gott durch Jesum Christum gefunden und Allen, die ihrer Seelen Heil suchen, diesen Weg geöffnet. „Hier stehe ich, ich kann nicht anders," das ist die Sprache eines Helden, der, allen irdischen Feinden trotzend, nur unter den heiligen Gott und die Stimme des Gewissens sich beugt. Wo das von Gott und seiner Offenbarung in Christo gebundene Gewissen diese höchste Autorität preisgiebt, da öffnen sich die Schleusen der Revolution; wo diese Autorität zu ihrem Rechte gebracht wird, da hält die Reformation ihren siegreichen Einzug. Was Deutschland groß gemacht hat, ist das Erbe der Reformation. Vielfach ist es vergessen, verachtet und in den Staub getreten. Der Ernst der Zeit mahnt uns, die wir uns Evangelische nennen, den lebendigen Gott, den Viele zu den Todten geworfen, mit aller Kraft unserer Seele wieder zu suchen und seinen Dienst als die Aufgabe und das Ziel unseres Lebens zu erkennen. Heute ruft alle Welt nach Freiheit, aber es giebt keine Freiheit ohne den Glauben an Christum, in welchem der Mönch von Wittenberg sein Reformationswerk ausgerichtet hat. Tagesgeschichte. Bei den Berliner Finanzminister-Conferenzen ist, wie jetzt offiziös gemeldet wird, eine endgiltige Einigung über die Einzelheiten der zu Frankfurt in den Grundzügen vereinbarter Reichsfinanzreform erzielt worden. Man hat sich speziell über die Tabakfabrikatsteuer und die Börsensteuer vollständig ge einigt, ob auch über die Weinsteuer, ist noch nicht bekannt. Darüber, mit was sich die Herren sonst noch beschäftigt haben mögen, kann man zunächst nur Vermuthungen hegen. Zu wünscben wäre aber freilich, daß die Unsicherheit über die Steuerpläne der verbündeten Regierungen endlich aufhöre. Gerade in den letzten Tagen sind hierüber allerlei Gerüchte aufgetaucht, u. A. hieß es, neben der Tabakfabrikatsteuer und der Weinsteuer werde eine neue Stempelsteuer und eine all gemeine Reichsquittungsstcuer erwogen. Indessen wird die Nachricht, es sei eine Reichsstempelsteuer-Vorlage im Einzelnen sogar schon ausgearbeitet, von der „Nat.-Ztg." auf Grund sicherer Erkundigungen als unbegründet bezeichnet. Dasselbe Blatt weiß mitzutheilen, daß in maßgebenden Kreisen keine Neigung für eine Börsenemissionssteuer bestehe, doch sei eine Erhöhung der Besteuerung der Börsengeschäfte zweifellos. Die „Nationalliberale Korrespondenz" theilt über den Ge setzentwurf wegen einer festen Regelung der finanziellen Be ziehungen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten mit, daß »ach demselben das Reich seine sämmtlichen Bedürfnisse aus Mnm Einnahmen bestreitet, außerdem aber aus letzteren den ^»zelstaaten eine feste Dotation von 40 Millionen zugewendet Werden soll, Diese Regelung solle vorläufig nur auf 5 Jahre eintreten. Als Mittel zur Durchführung dieser Neuordnung, welche im Interesse einer gesunden Gestaltung des Finanzwesens der Einzelstaaten und des Reiches als schlechterdings unerläßlich betrachtet werde, seien 100 Millionen neuer Reichssteuern er forderlich. Eine einschneidende Kritik des Alters- und Jnvaliditäts- verstcherungsgesetzcs liefert die jetzt gemachte Mittheilung über das Versicherungsergebniß im letzten Jahre. Nach Ausweis des Verwaltungsberichts hat der Staat als Erlös für verkaufte Beitragsmarken 4,610,000 Mark vereinnahmt. Hiervon wurden an Invalidenrente 10,335 Mk., an Altersrenten 174,856 M. also zusammen rund 185,000 Mark ausgezahlt. Die Ver waltungskosten betrugen 130000 Mark. Der Widersinn eines solchen Verhältnisses leuchtet auch dem conservativcn „Reichs boten" ein. Er fchreibt: Zahlen reden! Und diese Zahlen fügen sehr laut, daß das Gesetz in seiner jetzigen Reserve fondsgrundlage falsch ist; denn 4 601 000 Mark jährliche Bei träge erheben, daraus 185000 Mark Pensionen zahlen und dabei 130000 Mark für Verwaltungskosten zahlen — das ist ein unerträglicher Zustand, und es schwindelt einem, wenn man an die Verwaltung denkt, wenn erst die Karten sich nach Jahren zu Bergen werden angesammelt haben!" Die Berliner Stadtobrigkeit hat im Stadtparlament eine empfindliche Niederlage erlitten- Die Vorlage über An kauf von Grundstücken in der Stralauerstraße für ein neues Nathhaus mit einem Kostenbetrag von fast 5 Millionen Mark der sich durch die neuen Bauten mindestens auf das dreifache steigern würde, ist mit 53 gegen 46 Stimmen abgelehnt worden. Das Projekt war durchaus überhastet und unreif vorgelegt worden; es wurde eingewandt, daß das alte Häufergerümpel zu einem ganz übermäßigen Preise bezahlt werden sollte und daß andere Vorschläge viel zweckmäßiger erschienen; es wurde die Frage aufgeworfen, ob man gut thue, jetzt so viele Millionen für einen Rathhausbau auszugeben, wo man doch dicht vor der Frage der Einverleibung der Vororte stehe und wahrschein lich bald eine Decenlralisation der Stadtverwaltung eintreten lassen müsse. In weiten Kreisen der Bürgerschaft wird über haupt die Nothwendigkeit eines neuen überaus kostspieligen Prachtbaues bestritten. Ministerien, Gerichte und andere Be hörden richten sich auch danach ein, wenn die Amtsgebäude etwas unzureichend geworden sind und behelfen sich mit hinzugemietheten Räumlichkeiten, wo sollte es hinkommen, wenn der Staat mit seinen öffentlichen Bauten so wirthschaften und solche Ansprüche erheben wollte, wie diese fortschrittliche Stadtverwaltung! Für folche Zwecke hat sie immer viele Millionen übrig; gegen den Ruf nach kommunalen Steuererleichterungen als Ersatz für die vom Staat überwiesenen kolossalen Mehreinnahmen aber ist sie sehr harthörig. Bei den demnächst bevorstehenden Stadtver ordnetenwahlen dürfte die Angelegenheit noch eine Nolle spielen. Ueber das Befinden des Fürsten Bismarck und den Stand seiner Memoiren wird der „Köln. Ztg." aus Hamburg geschrieben: Wenn Fürst Bismarck auch körperlich noch der Er holung bedarf, so ist er doch geistig frisch und an seinem Ar beitstische in Friedrichsruh mit Lesen und Schreiben wieder regelmäßig beschäftigt. Die Arbeit an seinen Memoiren war bereits längere Zeit vor seiner Erkrankung abgeschlossen. Ueber ihr ferneres Schicksal sind bisher noch keine Bestimmungen ge troffen worden. Was den Umfang dieser Denkwürdigkeiten betrifft, so erfahre ich, daß sie etwa zwei starke Bände füllen werden und in der Hauptsache den Zweck verfolgen, eine Recht fertigung der BiSmarckschen Politik zu geben. Sie sind viel mehr ein von großen Gedanken getragener Rechenschaftsbericht über die Geschäftsführung des Fürsten in dem wichtigsten Ab schnitt der deutschen Geschichte unseres Jahrhunderts, als daß sie neue und überraschende Aufschlüsse über die großen Begeben heiten und die Wendepunkte von 1866 und 1870 böten. Auch dürfte sich bei ihrer Veröffentlichung zeigen, daß über die Vor gänge bei der Entlassung des Kanzlers bereits hier und da in Broschüren bis ins einzelne zutreffende Mittheilungen gegeben worden sind, Trotzdem werden die Aufzeichnungen des Fürsten Bismarck die wichtigste Urkunde zur Erkenntniß der psychologischen Fäden sein, an die sich die Geschichte seiner Thätigkeit knüpft. Moralische Anwandlungen hat — allerdings nur zeitweise — das Berliner Tageblatt. Im Anschluß an die Zahlungs einstellung einer Königsberger Getreidefirma spricht das Blatt davon, daß „in Bezug auf die Erfüllung von Zahlungs verpflichtungen an den Börsen eine höchst bedenkliche Laxität Platz gegriffen habe." „Wie allgemein angenommen wird", heißt es im B. T. wörtlich, „vergeht an der Berliner Börse kaum ein einziger Ultimo, an dem nicht dieser oder jener Winkel spekulant oder Winkelmakler akkordiert, um am nächsten Tage bereits wieder das unwirthschaftliche Gewerbe, das ihn eben zu Fall gebracht hatte, weiter zu betreiben. In anderen Fällen werden wiederum Akkorde mit Personen abgeschlossen, die bei gutem Willen im Stande wären, ihre Verpflichtungen voll zu erfüllen, und auch in diesen Fällen setzen eben diese Persön lichkeiten sehr bald ihre bedenklichen Börsenspekulationen fort." — In jedem anderen Blatte hätten wir derartige Bemerkungen, deren Wahrheit nicht zu bestreiten ist, eher gesucht als gerade im Berl. Tagebl., dessen Freunde und Gönner sich zur Mehr zahl aus den Kreisen solcher Leute rekrutiren, welche gerade durch ihre Geschicklichkeit in günstigen Konkursen und Akkorden oft binnen wenig Jahren in den Stand gesetzt werden, auf Gummirädern zu fahren. Sollte es der geschäftsgewandten Redaktion entgangen sein, daß sie durch solch unvorsichtiges Ausplaudern von Geschäftsgeheimnissen in Gefahr kommt, einen Theil ihrer Kunden zu verlieren? Die Bemerkungen, welche der Abgeordnete Lieber, am vergangenen Sonntage bei einer Wählerversammlung in Krefeld über die Reichssteuerfrage machte, lassen eine gewisse Neigung des Centrums zum Entgegenkommen erkennen. Herr Lieber gab zu: „Wenn die direkten Reichssteuereinnahmen nicht mehr reichen, dann werden die Matrikularbeiträge ins Ungemessene erhöht. Das ist der zeitige unlösbare Zusammenhang der reichs- und einzelstaatlichen Finanzen. Wir waren schon ein mal soweit, daß im Jahre 1879 die Matrikularbeiträge eine solche Höhe erreichten, daß sie die Einzelstaaten an den Rand des Bankerotts zu drängen drohten. Es ist leicht gesagt, daß die Leute, welche die Militärvorlage durchgebracht haben, auch für die Mehrausgaben sorgen müßten. Aber das hat einen großen Haken. Ich bin der Ansicht, daß wir mitthun müssen. Jeder, der es wohl meint, muß mitwirken, und Keiner darf wie jener bekannte Knabe sagen: Es geschieht dem Vater recht, wenn mir die Hände erfrieren, warum kaufte er mir keine Handschuhe. Um unsere Finanzen zu ordnen, brauchen wir jährlich 100 Millionen Mark mehr. Im weiteren Verlauf nahm dann der Redner gegen die vorliegenden Projekte der Tabakfabrikat- und der Weinsteuer eine kein eswegs rundweg ab lehnende Stellung ein. Herr Lieber hat damit im Gegensatz zu so vielen schiefen und unverständigen Darstellungen offen anerkannt, daß es sich bei der Ausführung eines nun einmal bestehenden Gesetzes nur noch darum handeln kann, wie und von wem, nicht ob überhaupt die Kosten aufzubringen sind, und er hat ganz richtig daran die weitere Bemerkung geknüpft, daß, falls es nicht gelingt, dem Reich die nöthigen neuen Ein nahmen zu verschaffen, die Einzelstaaten dafür aufkommen müssen, daß diese aber alsbald in die unerträglichste finanzielle Bedrängniß gerathen würden. So ist es in der That: Wir halten eine Verständigung über die neuen Reichseinnahmen trotz des starken Widerspruchs gegen die vorliegenden Projekte noch immer für wahrscheinlich, zum mindesten bis zu dem Um fang der Deckung der Kosten der Heeresreform. Sollte aber doch die Verständigung scheitern, so tritt eine Zwangslage ein, die nothwendig zur vorläufigen Abwälzung der Last auf die Einzelstaaten führen muß. Es wird dann nicht lange dauern, bis von allen Seiten der dringende Nothruf erschallt, das Reich möge wieder in stand gesetzt werden, auf die Zuschüsse der Bundesstaaten zu verzichten. Jene leichtfertigen politischen Kannegießer, die sich geberden, als ob die Einnahmebeschaffung lediglich die Sorge einiger Projektemacher im Reichsschatzamt