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UchM MME WiM, Wi, Sickckp M die WMdeL für die Ml. KmlsbaupLmannschasL zu Meißen, das Kgl- Amtsgericht und den Aadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags. — Abonnementpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. —ZJnserate werden MontagS und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr. 102. Dienstag, den 24. Dezember 188S. Zum heiligen Abend. Welch' ein festlich frohes Leben, Welches Drängen, welche Hast! Freude, Freude wird es geben, Kommen soll ein lieber Gast. Die Thore steh'n offen; Das Haaren und Hoffen, In frischer, in feuriger Röthe glüht Auf Wangen und Antlitz sie das Gemüth. Nieder sinkt der Dämm'rung Schleier Und das Hochgefühl erwacht, Wie deS heil'gen Abends Feier Immer es der Welt gebracht. Aus himmlischer Ferne Die ersten der Sterne, Sie künden's: Er nahet sich schon, der Gast; Ihr Harrenden all', auf, seid gefaßt! Engel werden ihm Gefährten Auf dem Einzugspfade sein, Und der soll durch euch ihm werden - Sonnigheller Lichterschein. Und die es vernommen,. Sie eilen und kommen Mit Lichtern, mit flimmernden Lichtern herbei, Daß hell auch dem Gaste der Nachtpfad sei. In der grünen Tannen Zweige Pflanzen diese sie zu Hauf', Eine Fülle, eine reiche, Mit geschäft'gen Händen auf. Die Welt strahlt, die ganze, In sonnigem Glanze Von Pol bis zu Pol, und der Glanz ist gemacht Dem himmlischen Gaste zur sel'gen Weihnacht. Komm' er denn, der holde Knabe: Seine Krippe steht bereit, Und das Licht auch dort er habe, Flammt es also weit und breit, Das Jesuskind komme, Das liebe, das fromme! Viel Tausende jubeln entgegen ihm Das „Ehre sei Gott!" der Seraphim. Das ist sie vom heil'gen Abend, Diese Christbegeisterung, Wie sie, Herz und Seel' erlabend, Neu ergriffen Alt und Jung. Wie, soll mit den Flammen, Die neu ihr entstammen Am Christbaum, verlöschen die heilige Gluth, Die heute so Großes und Herrliches thut? In die Welt hat das Erbarmen Uns das Jesuskind gesandt; Hast ein Herz du für die Armen Auch und eine off'ne Hand? Die still es ertragen, Ihr Leid, und nicht klagen, Wie viele giebt's ihrer! Schau' um dich her ! 's ist heiliger Abend, was braucht es noch mehr? Km Monat Januar 18S« ist die biefige Sparkassen Expedition jeden Wochentag nutzer Mittwoch geöffnet. Wilsdruff, am 20. December 1889. Der Stadtrat h. Ficker, Brgmstr. Tagergeschichte. Die allgemeine Weltlage sowohl wie die äußere und innere politische Lage des Reiches hat auch in der letzten Woche keine Erschütterungen erfahren, im Gegentheil sogar anscheinend bedenkliche Verhältnisse, wie die zwischen Portugal und England schwebende afrikanische Streitfrage und die Ausstandsdrohungcn der Bergleute in den preußischen Kohlenbezirken sind nunmehr in die Bahnen eines friedlichen Ausgleichs gelenkt worden. Die leidige Politik wird uns also aller Voraussicht nach in dem vollen Genüsse der bevorstehenden Weihnachtsfreuden nicht stören. Gott sei Dank hat sich auch das Unwohlsein, welches Se. Maj. den Kaiser so plötzlich befallen und an der beabsichtigten Reise nach Hummelsburg zur Jagd bei dem Herzog von Sachsen-Altenburg noch in letzter Stunde verhindert hat, als eine schnell vorübergehende leichte Erkältung herausgestcllt. Das Weihnachtsfest wird die kaiserliche Familie im Neuen Palais in Potsdam feiern, da die Uebersiedelung des kaiserlichen Hofes nach Berlin bis jetzt noch nicht stattgefunden hat; neuerdings verlautet, daß dies am 20. De zember geschehen soll. Kaiserin Friedrich befindet sich mit den Prinzes sinnen Victoria und Margarethe z. Z. in Neapel und gedenkt sich in Kurzem von dort zu einem längeren Aufenthalt nach Rom zu begeben. In den letzten Tagen haben die Sozialdemokraten, nachdem in Berlin nunmehr fast sämmtliche Gewerkschaften sich für den 1. Mai 1890 als Feiertag erklärt haben, begonnen, die Agitation auch in die Provinzen zu tragen. In Potsdam haben zwei Versammlungen den 1. Mai als Feiertag prollamirt, auch in Breslau hat sich eine große Versammlung für den 1. Mai 1890 als Feiertag ausgesprochen. In Königsberg faßte eine von allen Gewerkschaften beschickte Versammlung ebenfalls einen Be schluß zu Gunsten des 1. Mai. Namentlich nach den Reichstagswahlen wollen die sozialdemokratischen Führer die Agitation für den 1. Mai mit allen Kräften betreiben. In der ausgegebenen Parole heißt es: „Dem zu erwartenden glänzenden Siege der Arbeiterpartei bei den kommenden Reichstagswahlen wird ein solcher am 1. Mai 1890 folgen. Da werden die Bauten ruhen, da wird kein Schornstein rauchen, keine Maschine kreischen, öde und still wird cs im Arbeitssaal sein, denn — wenn der Arbeiter nicht will, stehen alle Räder still. Es wird eine Ruhetag, ein Feiertag, ein Siegestag sein!" — Sehr hoffnungsvoll, meinen die „Hamb. Nachr." werden die sozialdemokratischen Führer die Agitation in den Provinzen für den 1. Mai nicht beginnen; denn es zeigt sich dort recht wenig Stimmung für diesen neuen Feiertag, um so mehr, da auch der Wahltag zum Festtag erhoben werden soll. Namentlich ältere Parteimitglieder sprechen sich ganz entschieden gegen die Festsetzung zweier neuer Feiertage aus. Es wird also den sozialdemokratischen Führern viel Mühe kosten, diesen freilich mehr passiven Widerstand zu beseitigen. Wo ist die wahre Arbeiterfreundlichkeit? fragt die „Oberschlesische Presse" und giebt hierauf folgende Antwort: „Zahlreiche Thatsachen be zeugen in nicht mißzuverstehender Weise die Absicht der deutschen Arbeit geber, ein friedreiches und gedeihliches Verhältniß mit ihren Arbeitern auf- rechtzuerhqlten. Dafür spricht, , um nur die allerneuesten Vorgänge heran zuziehen, die Entsendung einer Kommission nach England zur Prüfung der dortigen Beziehungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dafür spricht ferner die eingehende Prüfung und Erörterung, welcher die Ver trauensmänner der Industrie die Ergebnisse jener Studienreise alsbald unterzogen haben und welche, ob zwar noch nicht zum Abschluß gelangt, doch gute Früchte für die gedeihliche Gestaltung der Verhältnisse zwischen unseren Arbeitgebern und unseren Arbeitern hoffen läßt. Dafür spricht endlich auch noch in letzter Reihe das weitgehende Entgegenkommen, durch welches die Arbeitgeber über die Grenze ihrer Verpflichtung hinaus und ungeachtet mancher berechtigter Beschwerden gegen die Arbeiter dem drohen den Ausbruch neuer Mlßhelligkeiten soeben vorgebeugt haben. Alle diese Thatsachen liefern den unwiderleglichen Beweis, daß die Arbeiter bei den Arbeitgebern auf die freundlichste Gesinnung und auf die weitgehendste und wohlwollendste Berücksichtigung der Interessen der Arbeiter rechnen können. Fragt man sich, ob dasselbe bei denjenigen der Fall ist, welche mit arbeiterfreundlichen Worten die Arbeiter gegen die Arbeitgeber aufzu- hetzen trachten, so wird die Antwort „nein" lauten müssen. Im wohl verstandenen Interesse der Arbeiter liegt es, gegen Verhetzungen ihre Ohren zu verschließen und sich umgekehrt vertrauend wieder den Arbeitgebern zu verbinden, welche die gleichen Interessen, wie die Arbeiter haben." In den Vereinigten Staaten hat, nach der „Ev. Kirchenztg.", sich ein Ereigniß vollzogen, das den Sozialisten eine ernste Lehre geben könnte. Es ist der Zusammenbruch jener Organisation, die als „Orden der Ritter der Arbeit" viel genannt wurde. Der Orden nahm seinen Anfang 1865 unter den Schneidern in Philadelphia, erweiterte sich zu einem Bunde, der alle Geschäftszweige ohne Unterschied umfaßte, und erklärte, die Ar beiter so organisiren zu wollen, daß sie Gehorsam für ihre Forderungen erzwingen können. Man folgerte: wenn alle Arbeiter der Vereinigten Staaten zusammenhalten, ihre Forderungen gemeinsam geltend machen und erzwingen, so müssen sie es gewinnen. Ein allgemeiner Streik, der alle Mittel des Transportes und der Produktion umfaßt, ist eine Waffe, die unmöglich versagen kann^ In der Theorie schien das vielver- heißend; eine Weile ging alles gut. Bald schienen die „Ritter der Ar beit" eine Macht im Lande zu sein. Große Schaaren schlossen sich an. Im „Boykott", im „Wanderredner", in den Beschlüssen einer geheimen, streng zcntralisirten Verwaltungs chienen die Arbeiter nahezu unwiderstehliche Mittel zu haben für Durchführung ihrer Zwecke. Trotz dieser großen Vortheile, obwohl die staatliche Gesetzgebung und Verwaltung keinerlei Druck auf die „Ritter" ausübten, und die Politiker ihnen vielmehrschmeichelten, hat der Orden doch seinen völligen Zusammenbruch erlebt. 1886 waren es 750 000 eingezahlte Mitglieder; so ziemlich jeder vierte Mann der ge werblichen, industriellen Arbeiter gehörte dazu. Dies Jahr sind die zahlen den Mitglieder von 750 000 auf 80 000 zurückgegangen und diese werden in den Büchern festgehalten nur dadurch, daß man ihnen Rückstände und Beitrage erläßt. Die luxuriös eingerichteten Bureaus in Philadelphia, die man vor vier Jahren um 200 000 M. gebaut hat, sind verpfändet zur Deckung laufender Ausgaben, Ortsvereine lösen sich zu Tausenden auf. Wie ist das alles gekommen? Der Grund liegt nicht blos darin, daß die Arbeiter merkten, wie ihre sauer verdienten Beiträge dienen mußten, um den vollziehenden Beamten der Gesellschaft angenehmes Leben zu er möglichen. Hätte der Arbeitermeister Powderley sich bemüht, eine dauernde Hebung der Lohnverhältnisse zu erzielen, so hätten ihm die Leute seine 20 000 M. auf das Jahr, freie Wohnung und Reisediäten nicht mißgönnt