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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.07.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191107026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-07
- Tag 1911-07-02
-
Monat
1911-07
-
Jahr
1911
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Utip.ngcr Tagcblaü s 14 SS2 l«ach«.»1chl,») Tel.-^nschl.^ 14 893 l 14 6S4 Handelszeitung Amtsblatt des Nates «nd -cs Nolizeiamtcs Ser Ltadt Leipzig. kW» I«l«rat« au» i!«»p,i, und Umgebung dl» llpaltige Petitietl« 25Ps. di« Reklamr »atl» I Ml., »an ou»«ärt» 30 PI^ Reklame» Mk.. Inlerat« »an Sehckrden im a«i lichei, Teil dl» Petit,ell, SO Pt O»kch4st»an,«tg«n mit Plauvorlchristen n t» der Ud«ndau»gad, tin Prell« «rhädr Skadatt nach Tarif. Betlagegebüdr Gesamt- anslag« 3 Mk. p Tausend erkt. Poiigedudr. leildetlag» daher. gekerietlr, Auslruae iönnen nr^di »urück- a»>»gen werden Für da» Lrscheinen an betnminten Tagen und Plagen wird kein» Garantie übernommen. Laietgen » Annahme. Aahan»i»g»sf« 8. bet sämtlichen Filialen «. allen Annonce»» G,pedition«a de» In» und Auriande». L»»ck an» Verl»» »«» e«,»,»,«, lag«» blatte, G. Pol». Inhaber: Pa»l ttiiritr». Nedatti,» un» G»schSI«»tt«lle: Iodannisgast« re Hanoi-Flttai« Dre»ve»; Eeestragr l ilelephon 4621). Sonnmg, üen 2. Juli lSU. 105. Ishrysng. Die vorliegende Au-gabe umfaßt 40 weiten. Vas Wichtigste. * Die -le i ch s r e g i e r u n g hat auf Bitten der in Süd-Marokko interessierten deutschen Firmen das Kanonenboot „Panther" nach dem Hafen Aga dir entsandt. lS» bes. Art.) * Das Kronprinzenpaar hat am Sonn ¬ abend nach kurzem Aufenthalt in Travemünde die Rückreise nach Berlin angetreten. (S. Deutsch. Reich.) * Nach übereinstimmenden Auslassungen Konstan tinopler Blätter ist der Ausbruch eines Krieges zwischen der Türkei und Montenegro zu er warten. (S. bes. Art.) * Oberjustizrat Otto Schwerdfeger ist am Sonnabend in Leipzig gestorben. (S. bes. Art.) Lin üeutlches Kriegsschiff nach Marokko i Die halbamtliche „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" enthält in ihrer gestrigen Abend nummer folgende überraschende, aber sehr be achtenswerte Mitteilung: Die im Süden Marokkos interessierten deutschen Firmen baten die Kaiserliche Regierung unter Hinweis auf die Gefahren, die angesichts der Möglichkeit eines Umsichgreifens der in anderen Teilen Marokkos herrschenden Unruhen den dortigen gewichtigen deutschen Interessen drohen, um Maßregeln zur Sicherung von Leben und Eigentum der Deutschen und der deutschen Schutzgenossen in jenen Gegenden. Die Regierung beschloß zu diesem Zwecke zunächst die Entsendung des Kanonenbootes „Panther" das sich in der Nähe befand, nach dem Hafen Agadir und zeigte dies den Mächten an. Den in jenen Gegenden maßgebenden Marokkanern wurde gleichzeitig mitgeteilt, daß mit dem Er scheinen von deutschen Kriegsschiffen im Hafen keinerlei unfreundliche Absicht gegen Marokko oder seine Bewohner verbunden ist. Diese Mitteilung folgt in der „Nordd. Allg. Ztg." dem für Sonnabend abend bei ihr üblichem Ueberblick über die innere Politik; sie trägt keine besondere Überschrift und ist auch durch den Druck nicht hervorgehoben. Das Ganze ist so geschäftsmäßig wie möglich gehalten. Wir nehmen an, daß die deutsche Regierung den Schritt, den sie getan hat, ebenso aufge- faßt wissen will. Das Deutsche Reich trifft angesichts der Ent wicklung der Dinge in Marokko die Maßregel, die geeignet erscheint, die deutschen Interessen zu wahren, und wählt dazu den Zeitpunkt, der ihr angemessen dünkt. Nicht mehr und nicht weniger. Geräuschlos ist die Maßregel vor bereitet, soweit sie überhaupt der Vor bereitung bedurfte, geräuschlos ist sie aus geführt, und ohne unnötigen Trara wird sie nun der Welt mitgeteilt. Als vor.einigen Wochen eine Berliner Nachrichtenstelle zu mel den wußte, daß mehrere deutsche Kriegsschiffe abgeordnet seien, um an den marokkanischen Küsten zu kreuzen, erfolgte von amtlicher Stelle ein geharnischtes Dementi. Die Verbreitung falscher Mitteilungen in einer so ernsten An gelegenheit, wie die marokkanische sie darstellt, wurde als unverantwortlich gekennzeichnet. Die Regierung hat erreicht, daß sie während der Folgezeit im allgemeinen nicht durch Tar- tarennachrichten gestört wurde. Nicht als ob sie nun emsig feinverschmitzte Pläne geschmiedet oder Verschwörungen gestiftet hätte; sie gab sich der einfachsten Tätigkeit hin, die man sich den ken kann: der des Ab warte ns. Deutschland hat die Mitteilungen Frankreich», über dessen Vor gehen in Marokko entgegengenommen und ge wartet: Woche für Woche, Monat für Monat. Den Franzosen wurde dieses Schweigen un heimlich. Man begann bei ihnen von Kompensationen zu sprechen, wir konnten das lediglich als Regung de« bedrückten Gewissens buchen. Jetzt erst hat die deutsche Regierung gehandelt, sie hat den „Panther" nach dem südlichsten marokkanischen Hafen am atlantischen Ozean, nach Agadir, entsandt. Das Hinterland von Agadir ist das reiche Sus- gebiet. In dieser Gegend hat bisher keine europäische Macht politisch Fuß gefaßt, wohl aber find erhebliche wirtschaftliche Interessen Deutscher dort zu schützen. Diese Interessen sind vornehmlich begründet durch Landbesitz und zwar von erheblicher Ausdehnung. Auf diesen Grund und Boden sind Hunderte von Personen beschäftigt, darunter auch Deutsche. Dem.Reich- tum der Gegend entspricht der Handel, der durch die Statistik bisher nicht ganz erfaßt sein dürfte und jedenfalls größer ist, als die Zahlen kundgetan haben. Endlich fehlen Mineral schütze nicht, namentlich ist Kupfervorkommen festzustellen. Die an diesen wirtschaftlichen Werten beteiligten deutschen Firmen haben um Maßregeln zur "Sicherheit des Lebens der Deutschen und der deutschen Schutzgenossen so wie um Abwendung möglicher materieller Schädigungen nachgesucht. Wenn die Firmen gerade jetzt von Besorgnis erfüllt sind, so ist das begreiflich. Im gegen wärtigen Stadium ist mit einem Ueberg^eifen der Unruhen von dem Norden nach dem Süden zu rechnen. Die Sultansmacht ist im Süden wohl nie sehr stark gewesen, sie ist in letzter Zeit noch dadurch geschwächt worden, daß der Einfluß vormals mächtiger, zum Sultan hal tender Familien unterbunden worden ist. Es ist da namentlich die Familie Elaui zu nennen, aus der der letzte Eroßwesir des Sultans Muley Hafid entsprossen ist, der im Zu sammenhang mit dem Vormarsch der Fran zosen nach Fez sein Amt verloren hat. Außerdem ist in jener Gegend jetzt die Ernte unter Dach gebracht. Damit ist der Augenblick gekommen, wo der Araber kriegerischen Unter nehmungen sich leichter hingibt. Durch diese Umstände ist die Maßregel der deutschen Re gierung doppelt begründet. Von vornherein war anzunehmen, daß sie sich dem Ersuchen deutscher Staatsbürger um Schutz nicht entziehen würde. Nach den einfachsten völkerrechtlichen Regeln hat jeder Staat die Pflicht, für die Sicherheit seiner Angehörigen Vorsorge zu treffen, wenn die betreffende Landesmacht dazu die Bürgschaft nicht übernehmen kann. Daß das scherifische Reich sich zurzeit nicht in der Lage befindet, eine solche Bürgschaft zu über nehmen, liegt auf der Hand, und es braucht dabei gar nicht untersucht zu werden, durch wessen Schuld dieser Zustand eingetreten ist. Gegenüber dem französischen Vorgehen springt sofort der bescheidene Charakter der deutschen Maßregel in die Augen. Wie erinnerlich, hat Frankreich von seinem Vorgehen, das dann eine so weite Ausdehnung erfahren hat, dem Deutschen Reiche wie den anderen Mächten Mitteilung gemacht. Deutsch land hat diese Mitteilungen einfach zur Kennt nis genommen und sich sowohl einer Aner kennung, wie einer Mißbilligung enthalten. Wenn jetzt Deutschland der französischen Republik und den übrigen Mächten von seinem Schritt Kenntnis gegeben hat, darf man wohl von der Gegenseite die gleiche stumme Aufnahme erwarten. Was man im übrigen erwartet, das näher auszumalen, ist nicht viel mehr als Konjekturalpolitik. Der „Panther" dürfte bald an seinem Ziele angelangt sein. Dann, so vermuten wir, wird der Kommandant wohl an Land gehen und sich mit der örtlichen marokkanischen Obrig keit in Verbindung setzen. In der Meldung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" wird nun gesagt, die Regierung habe „zunächst" die Entsendung dieses Schiffes beschloßen; also stehen noch andere Maßregeln bevor? Und welche? Diese Fragen können wir nicht beantworten, und wird wohl niemand heute beantworten können. Es wird geschehen müßen, was die Stunde erfordert. S Das Kanonenboot „Panther", das nach Agadir beordert ist, lief am 1. April 1901 von Stapel. Gebaut wurde es auf der Königlichen Werft in Danzig. Bei einer Wasserverdrängung von 1000 Tonnen besitzt es eine Stundengeschwindigkeit von 14 Seemeilen. 62 m lang und 9,5 m breit, ist es mit einer Besatzung von zusammen 125 Mann ver sehen. Davon sind sechs Seeoffiziere^ vier Deckoffi ziere, ein Marineingenieur, ein Sanitätsoffizier und ein Zahlmeister. Bestückt ist der „Panther" mit 2 Schnellladekanonen von 10,5 em Kaliber, 6 Maschinenkanonen von 3,7 cm Kaliber, sowie zwei Maschinengewehren. Nach -er Krönung. Der englisch« Berfassungsstreit hat die wochenlangen Nachfeiern des Krönungsfestes nicht abgewattet. ja selbst den Burgfrieden der Haupt woche unterbrochen. Zwei Tage bevor der Erzbischof von Canterbury dem fünften Georg das Ersatzstück der verschollenen Hauptziel Wilhelms des Eroberers auf die Stirn drückte, fanden die Unionisten beider Häuser Zeit und Muße zu einer nüchtern geschäft lichen Beratung über die weitere Behandlung der Betobill. Es wurde ein neuer Feldzugsplan aus gearbeitet, dessen Grundzüge jetzt bereits in An trägen Lansdownes vorliegen. Die Lords wollen also ihre bisher in nichtfinan ziellen Fragen ausnahmslose Gleichberechtigung mir dem andern Haase fahren laßen, wollen das Harakiri an sich vollziehen, auch ohne daß ihnen ein Schwert mit dieser Zweckbestimmung aus dem Kabinett ihres Herrschers zugesandt wird, ein Massenpeersschub ihren Willen bricht. Sie ziehen es vor, sich dem zweimal, wenn auch mit geringem Nachdruck, verteidigten Ver langen des Volkes zu beugen, das sich für die Auf rechterhaltung ihrer Geüurtsrechte nicht begeistert, und auch, soweit es für ihre Sache zu streiten scheint, es nicht um ihren Dank tut, sondern aus Haß der Iren und vielleicht derjenigen, die mit Old Englands Schisfsgeschwadern zu wetteifern sich unterfangen. Aber auf Gnade und Ungnade wollen sie sich nicht ergeben. Sie stellen Bedinqunge n. Aus geschloßen von der neuen Form, die das entscheidende Uebergewicht des Bolkshauses. seine tatsächlich un bedingte Souverünetät begründet und ihnen bloß die Macht, einen Aufschub zu erzwingen, zuriickläßt. sollen Lebensfragen der Verfassung bleiben, also die pro testantische Thronfolge und die Einheit des groß britannischen Parlaments. In solchen Dingen soll, sobald wieder die gesonderten „Komitceberatungen" beider Häuser noch ein nach Art der sächsischen Ver- einigungsdcputation gedachter Siebenmänner- ausjchuß in gemeinsamer Verhandlung eine Ueber- einstimmung zuwege gebracht hat. Las Referen dum an die Wählerschaft einictzen. Es wird also für solche Fälle ein dritter Faktor eingefübrt: die unmittelbare Gesetzgebung durch das Volk Ueber die moderne, und gerade in Englands geschichtlicher Entwicklung ausgebildete Halbdemokratie des Dertretungsprinzips hinaus greifen die Erben der altersgrauen Aristokratie des konservativen Britenlandes auf die reine Demo kratie zurück, wie sie das klassische Altertum allein ge kannt hat. Es ist der Strohhalm, an den sich die im Strudel der neudemokratischen Fluten Versinkenden anklammern. Aber der Gedanke ist verflucht gescheit zu nennen in doppelter Hinsicht. Einmal müßte das englische Volk denn doch über alle Maßen unter dem Banne seiner liberalen Abgeordneten stehen, wenn es nicht das größere Geschenk, das es selber zum Herrn, zum direkten Bestimme! seiner Geschicke macht, dem kleineren vorziehen sollte, das ihm nur mittelbar, auf dem Umwege über seine gewählten Vertreter, diese Macht gäbe Seit Laocoons vergeblichem Be mühen weiß man aber, daß die Völker gerade für die Klughcitsrcgel, Geschenke machende Danaer doppelt zu fürchten, am wenigsten offene Ohren haben. Dann aber sind die der künftigen Volksgesetz- qebung vorbehaltcnen Gegenstände mit besonderer Rücksicht auf die Volksseele ausaewählt. Schon in der irischen Frage ist es durch eine viertelhundert jährige Erfahrung zur Genüge erkennbar geworden, daß eine unzrveifelhaste Mehrheit im eigent lichen England instinktiv auf seilen der Partei steht, die sich der Zertrennung aufs äußerste wider setzt. Vielleicht noch volkstümlicher ist es, daß die Schutzbestimmung auf die protestantische Thronfolge ausgedehnt wird. Mag die Gefahr ihrer Erschütterung noch so fern scheinen: die Er innerung, daß eine solche Englands zweite Revolu tion heroorgerufen hat, ist heute noch lebendig, und der Stolz auf diese so glücklich durchgeführte, un blutig vollzogene und einen 200jährigen Bürger frieden bringende Staatsumwälzung schwellt heute noch dre Brust des Briten. Die englische Regierung täte sicherlich am besten, die Bedingungen ihrer in der Hauptsache die Waffen streckenden Gegner anzunehmen. Schon eine Ab lehnung des Referendums an sich inug ihre Stellung im Lande wesentlich verschlechtern. Dazu kommt, daß von ihren beiden Mitteln, den Widerstand des Oberhauses zu vergewaltigen, wenn keine Ver ständigung erreicht wird, das eine, Verkündigung der Betobill ohne Zustimmung der Lords, die offene Re volution bedeutet, das andere aber, ter Maßenpeer- schud, mindestens dem Geiste der Verfassung zuwider ist. Die Unionisten rechnen aber noch mit anderen Faktoren, aus denen sie eine Verschiebung der Partei verhältnisse zu erwarten sich berechtigt suhlen, wenn in diesem Augenblicke die Dezemberwahl erneuert würde. Roch stehen die Millionen, die dem Krö nungsfeste beigewohnt haben, unter den Einträgen dieser Schaustellung von Englands altem und neuem Glanze. Das historisch-antiquarische Interesse ist frisch belebt, und der Augenblick einem Bruche mit den monarchisch feudalen Ueberlisfcrungen keines wegs günstig, die nüchterne Alllaqsstimmung nicht zurückgekehrt, die ärgste Feindin der Romantik. Was aber aus der Gegenwart und ihren so zialen Kämpfen, an sich dem stärksten Hebel des libe ralen Einflußes, zwischen die Bilter der Ver gangenheit sich eindrängt. Las ist mehr als schal, Vas wirb gerade jetzt als förmlich widrig empfunden. Der Schifferausstand, so beschränkt er ansing, hat doch neuerdings an Umfang sich erheblich er weitert und beginnt, Handel und Wandel in fühl barem Grade lahm zu legen. Die von Lloyd George eingebrachte Versicherungsbill scheint eine gesetzgeberische Mißgeburt geworden zu sein. Un gleich den deutschen Ortskrankenkassen schließt die ge plante ..Postrersichcrung" der Nichtorganisierten Ar beiter die Selbstverwaltung völlig aus — und das im klassischen Lande der Selbstverwaltung! Den freien Kassen der Organisierten aber sott der Rechts anspruch vorenthalten bleiben! Das Ministerium ist ebenso abhängig von den günstigen Gesinnungen des Labour Party mit seinen 42 Mandaten, daß es seiner eigensüchtigen Interessenpolitik sich zu willen geben muß — wie den Iren. Deren reichlich 80 Stimmen mögen denn schließ lich auch bewirken, daß das Ministerium Asquith sich alle Vernunftgründe aus dem Sinne schlägt, die ihm so nahe lagen, und in die zur Verständigung aus gestreckte Hand der Tories einzuschlagen. Der hoch fahrende Ton, in dem der Premier «ine Erörterung der Londoner Deklaration durch das Ober haus ablchnte. deutet auf eine finstere Entschloßen beit. den Kampf gegen dessen Gerechtsame bis zum Aeußerstcn fortzusetzen. Und doch darf nicht bezweifelt werden, daß schon diese Deklaration, so sachlich un gerechtfertigt der Widerstand gegen sie ist, die Ge müter in hohem Grade aufregt Nun aber gar die mit Fug von den weitesten Volkskreisen so unwillig und mißtrauisch aufgenommene Homerule um jeden Preis und unter Verschmähung eines erreichbaren neuen Dolksrechtes turchdrücken zu wollen: dieser Starrsinn möchte geeignet sein, die Zukunft des englischen Liberalismus auf lange Jahre in Frage zu stellen zugunsten der Fortsristung einer brüchig gewordenen Regierung. Der klügere alte Gladstone pflegte durch frühzeitigen Rücktritt sich den Weg zu einer schnelleren Wiederkehr zu ebnen. Herr Asquith klammert sich an sein Amt wie einer, der die gegebene Zeit aus'aufcn will und selber nickt mit einer zweiten Berufung an die Spitze rechnet. Und um des Scheins der Macht willen läßt er Herrn Redmond über Großbritannien herrschen und das Tempo der Entwicklung bestimmen! Var Ausbruch eines türkllch- montenegrinilchen Krieges. Die Konstantinopler Blätter behandeln ausnahms los die Frage eines Krieges mit Montenegro. Auf fällig ist der ruhige Ton. den die türkischen Blätter beibehalten, obwohl man d«s Gefühl hat, daß man am Vorabend einer Kriegserklärung steht. Man macht allgemein Montenegro den Vorwurf, daß es eine Verständigung mit den Mallissoren zu ver eiteln suche. Ein Konstantinopeler Blatt läßt sich aus Cetinje melden, daß der König nur not dürftig seine wahren Absichten verbergen könne. Sein Lebenszweck sei es, eine Vergrößerung Montenegros herbeizuführen. Hauptsächlich legt er Wert darauf, daß Eutari mit seinem Lande vereinigt wird. Er habe auch bereits ins Auge ge faßt, daß Eutari die Hauptstadt des Landes werden soll. Der König äußert sich ganz offen, daß Monte negro in den heutigen Grenzen ersticken müsse. Die wirtschaftliche Lage des Landes spotte zeder Beschrei bung. Auch die Bevölkerung nehme von Jahr zu Jahr ab. so daß man im letzten Jahre bei einer Re krutenaushebung nicht einmal die Za. l der Ausae- hobenen veröffentlichte, um unliebsamen Kommen taren aus dem Wege zu gehen. Auch die Auswan derung sei nicht aufzuhalten, und Montenegro sei nur durch ein Mittel zu heilen: durch Ausdehnung seines Territoriums. Die nächste Nummer der Konstantinopeler Zei tung „Zia" wird, der „Frist. Zig " zufolge, nach stehende inspirierte Erklärung veröffentlichen: „Wenn Montenegro glaubt, unter der Kon trolle der um den Frieden besorgten Mächte sein Werk ungestraft fortsetzen zu können, so täuscht es sich. Falls der gegenwärtige Zustand anhält, muß die Geduld der Türkei ein Ende neh men. Wir fürchten, daß die Türkei, die es eigent lich nicht vereinbar mit ihrem Prestige findet, sich an einen schwachen Staat halten zu müßen, doch um eben dieses Prestige zu behaupten, zur Uituno ratio wird greifen müssen." * Türkische Rüstungen. Konstantinopel» 1. Juli. (Tel.) Wie „Ikdam" erfährt, bestellte das Kriegsministerium bei Creuzot 36 Gebirgsgejchütze und bei Krupp 3 Feldbatterien, 100 Maximgeschütze, einige Schnellfeuerhaubitzen und 3600 Armeereoolver. 8. Kongretz üer Gewerkschaften Deutlchlanüs. llx- Dresden, 30. Juni. Der nächste Gegenstand der Tagung war Arbeitsnachweis und Arbeitslosenunterstützung. Hierüber referierte der Redakteur des „Korre- sponüenzdlattes der Gewerkschaften" Paul Umbreit ^Berlin) unter Zugrundelgung folgender Reso lution: „Die Ardeitslosenfürsorge ist eine öffent liche Pflicht, die das ungesäumte und tatkräftige Ein greifen von Reich. Staat und Gemeinde im Wege der Gesetzgebung und Verwaltung erfordert. Eine um fassende Ardeitslosenfürsorge ist nur möglich auf der Grundlage ständiger Einrichtungen der Arbei ts- losen st ati st ik, der Arbeitsvermittlung und der Arbeitslosenversicherung und im Zusammenwirken mit den gewerkschaftlichen Organi sationen der Arbeiterklasse. Die Arbeitslosenstatistik ist dauernd mit Hilf« der Gewerkschaften aufzunehmea D-e Arbeitsvermittlung ist durch das Verbot der privaten Stellenvermittlung und durch Errichtung öffentlicher paritätischer Arbeitsnachweise zu fördern Bei Streiks- und Aussperrungen ist jede Vermittlung von Arbeitskräften desselben Berufs an bestreikte oder aucsperrende Arbeitgeber einzustellen. Die Ardeftslosenversicherung ist auf der Grundlage der ge werkschaftlichen Arbeitslosenunterstützung zu organi sieren, indem das Reich d.n Gewerkschaften einen Teil der für die Arbeitslosenfürsorge gemachten Auf wendungen zurückvergütet, ohne sie in ihrer freien Selbstverwaltung zu oeeinträchtigen " In der Debatte wies Dittmar-Derlin sGemeinde- und Staatsarbeiterverband) darauf hin, daß dir Jntereßenten versuchen, Bestimmungen des Slellen oermtttlungsgesctzes zu umgehen. Dupont-Berlin sZentralvcrein der Bildhauer Deutschlands): Es handelt sich hier um eine hoch
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