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VoiglliinWer Anzeiger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadträthe Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. 8iebenzigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Platt erscheint »öchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. Jährlicher Abonnrmentspreis, auch bei Veziehung durch dir Post, 1 Lhlr. 1V Ngr. — Annoncen, die bi- Vormittags N Ubr eingeben, «erden in die Lags darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später ein-e-ende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Lorpus-Zeile berechnet. LI 10. «« 18». Dienstag. Plauen, 8. Mai 1859. Wie die Aerzte aus Symptomen und äußeren Kennzeichen auf die Krankheit und ihre Ursachen schließen müssen, weil sie in daS Znnere deS menschlichen LeibeS nicht hineinschanen können, so gehtS auch jetzt den Zei tungsschreibern in Bezug auf Frankreich. Daß kein ZeitungS- und Wochen blättchen nach Frankreich hinein darf, wenn eS nicht die jetzige Wirtschaft daselbst in den Himmel erhebt, wissen unsere Leser längst; aber eS darf auch, wenn eS nur immer zu verhüten ist, keine Zeile, die nicht von Glückfeligkeitöempfindungen über daS Napolcon'sche Regiment strotzt, auS Frankreich heraus. 3m französischen Landtag ist die Opposition, d. h. die Gegnerschaft der Regierung, seit 1853 aus 5, schreibe fünf Mann ge stiegen; in den ersten Jahren deS neuen Kaisertums konnte und durfte gar kein Abgeordneter gewählt werden, der nicht zu Allem und Jedem unbedingt Za sagte, was die Regierung wollte. (Es giebt wohl auch in deutschen Kammern solche Nick-Pupven, aber dann sind die Wahlmänner daran schuld, daß sie keine Männer gewählt haben.) Da haben nun kürzlich von den fünf Linksgeschlagenen im französ. Landtag, bei Gelegenheit der 500 Millionen Franks, welche die Minister zur Linderung der italienischen Schmerzensschreie, d. h. für die KriegS- kosten in Italien forderten, zwei davon den Muth gehabt, der jetzigen franz. Regierung Wahrheiten zu sagen, die sie nicht an ihren Spiegel steckt, d. h. nicht in ihren amtlichen Moniteur zu setzen sich getrauete, sondern, weil nun einmal doch etwas davon mitgetheilt werden mußte, verhunzt und verstümmelt zu Markte fuhr. Ein Herr Pichon und Julius Favre halten den Muth, so derbe Wahrheiten zu äußern, daß ein eingefleischter Anhänger Napoleons sie Bomben nannte, die ihm und seines Gleichen auf den Kopf gefallen seien. Daraus, sowie aus dem sehr wühlhuberischen Ge- brülle, womit die auS Paris in den Krieg ziehenden Soldaten vom Volke begleitet wurden, mag man nicht ohne Grund schließen, daß die Liebhaberei an Napoleon und seiner Regierung gewiß keine allgemeine ist, wenn gleich den Franzosen zum Ruhme nachgesagt werden muß, daß sie, dem AuSlande gegenüber, ein Her; und eine Seele sind. Die D. A. Z. be richtet auS Paris, daß der Kaiser jetzt bereue, so weit gegangen zu sein, und nun mit Ehren nicht mehr zurück könne. DaS Heer ziehe nicht eben kriegslustig fort, die Osfiziere hätten kein Vertrauen aus den Oberbefehls haber (den Kaiser). Am Ende wird Paul LouiS Courier's prophetisches Wort vom ersten Napoleon, als dieser sich die Kaiserkrone aufsetzte, auch am dritten Napoleon wahr: „II uspire ü ckeZeenckro," d. h. etwa: er strebt auswärts seinem Falle zu. Zn England wendet man sich immer mehr von dem franz. Bunde ab. Die Engländer wollen, wie eS heißt, die Meerenge von Gibraltar sperren und keine russischen Kriegsschiffe ins Mittelmeer lassen. Der franz. Minister soll dieß als einen „Kriegsfall" bezeichnet haben. Selbst dem Lord Feuerbrand Palmerston scheint daS französisch-russische Bündniß in die Glieder gefahren zu sein, und seine NapoleonS-Liebhaberei etwas auS- getrieben zu haben. Wenigstens meinte er neulich bei einem Zweckessen, der Bund Frankreichs mit England sei ein Sinnbild deS Friedens mit Europa gewesen, der franz.-russ. Bund aber werde ein Angriffsbund gegen andere Mächte sein. (DaS wissen andere Leute auch.) Zndeß istS immer viel, daß dieser alte Gegner und Schimpfer Oesterreichs so weit ist. Biel leicht wird deS alten Metternichs Wort wahr, daß Napoleon bald ganz Europa (außer Rußland) sich gegenüber haben werde. Wenn nur Preußen und der deutsche Bund vorwärts machten! Da stehen nun die Contingente, in Preußen die ganze Armee, (die Landwehr noch nicht) Gewehr im Arm und möchten gerne „Druf!" wie der alte Wrangel sagt. Wie lange sollen denn die deutschen Staaten mit Preußen die Ungeheuern Kosten dieser kriegsbereiten Hunderttausende aushalten? „Schlagt ihn nieder, der den Frieden stört!" sagte der englische Minister präsident Lord Derby seiner Zeit, und wer ihn gestört hat, weiß jedes Kind. Auf die wälschen Flausen, die der Moniteur fortwährend bringt, giebt doch kein Verständiger daS Geringste, eben so wenig aber auch auf die Versicherungen, die LouiS Napoleon unserm Herrn Minister v. Beust in einer einstündigen Besprechung gegeben haben soll, daß nämlich der Krieg aus Ztalien sich beschränken werde. — Zndeß mag eS am Bundes tag, wie die Zeitungen melden, gegenwärtig sehr rührig hergehen und hoffentlich erklingt von dort her recht bald der Ruf zur Mobilisirung. Zeitungen. Sachsen. Zn Zwickau, Grünhatn und Auerbach sind am Dien stag (3. Mai) Abends in der neunten Stunde heftige Erderschütterungen mit donncrartigem Krachen verspürt worden. — Zn Plohn verließen viele Leute auS Angst die Häuser, da dieser letzte Stoß viel stärker war, als der vor 2 Zähren. Preußen. Berlin, 7. Mai. Der preußische Staat und die ganze wissenschaftliche Welt haben einen unersetzlichen Verlust zu beklagen: Alexander v. Humboldt ist gestern Nachmittags 3 Uhr im 90. Le bensjahre sanft entschlafen. Einem unvergleichlich wirkungsreichen und ausdauernden Leben, daS bis zum höchsten Greisenalter in unver- wclkter Geistesfrische strahlte, wurde nach rastloser Thätigkeit ein für die Nachbleibenden wie für die Wissenschaft immer noch zu frühes Ziel gesetzt. Der Hochgefeierte ist mit der freudigen Genugthnung dahingegangcn, noch in seinen letzten Lebensjahren daS größte ferner Werke, die naturwissen schaftliche Darstellung des Weltalls, als die Frucht der umfassendsten For schungen zur Vollendung gebracht zu haben. Seine Nichte, Frau Ministerin Freiin v. Bülow, geborne v. Humboldt, und sein, ihm seit 50 Zähren be freundeter Neffe, der General der Eavalerie v. Hedemann, waren an seinem Lager, als er seinen hohen Geist auSbauchte. Seine Neffen, zwei Herren v. Humboldt, waren auS Schlesien herbeigeeilt, um ihn in seinen letzten Tagen noch zu sehen. Bayern. München, 3. Mai. Gestern nach der kirchlichen Feier deS GeorgenritterordenSfesteS rief Se. Maj. der König mehrere Cavaliere zu sich, fragte diese über die herrschende Stimmung und ermächtige sie gleichzeitig, m allen Kreisen zu erklären, daß Bayern ln dem auSgebrochencn Kriege nicht neutral bleiben wird, daß die frühere Verzögerung der Rüstungen nur durch die Haltung eines andern deutschen StaateS ver anlaßt war, daß aber jetzt um so energischer gerüstet werde. Oesterreich. Wien, 6. Mai. Eines der größten GeldhandlungS- häuser Oesterreichs, daS HauS Arnstein und E-keleS, hat Bankerott