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Sonntag —- Rr. 144 22. Juni ISS« Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montag« täglich und wird Nachmittags 4 llhr au«- gegeben. Prei» für da« Vierteljahr I V, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Mgmcim Zeitung. «Wahrheit liud Recht, Fceiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Au«lande«, sowie durch die Grpedition in Leipzig (Querstruße Nr. 8).' JnsertionSgebnhr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Auch ein Beitrag zur Bundesreformfrage. — Leipzig, 21. Juni. Während dir beiden frankfurter Blätter sich in einer ganzen Reih« von Artikeln über die BundeSreformfrage streiten, in dem die Frankfurter Postzritung jeden Gedanken an eine bundesstaatliche Umgestaltung! Deutschlands und eine Berücksichtigung des volksthümlichen Elements durch eine Nationalversammlung mit Widerwillen und Verachtung al» eine: Chimäre zurückweist, das Frankfurter Journal dagegen die Noth wendigkeit einer mehr einheitlich«» und zugleich freiheitlichen Organisation deS Bunde- zu erweisen sucht, hat die Deutsche Allgemeine Zeitung in ih rer berliner Korrespondenz vom 15. Juni (Nr. 139) zwei Thatsachen mit- getheilt, welche besser als Worte und Beweisgründe die Dringlichkeit einer Wandlung der deutschen Verhältnisse und di« Unmöglichkeit) auf die Länge bei dem gegenwärtigen Zustandezu beharren, vor Augen legen. Die erste Mittheilung betrifft die bairischen Anträge auf gewisse gemeinnützige An- sialten, welche gegenwärtig der Berathung, deS Bundestags unttrliegen. Diese Anträge, obgleich sie nur materielle Interessen berühren und den eigentlichen Kernpunkt de- nationalen EinheitSbedürfnissrS nicht treffen, ha- de« dennoch iy weitern Kreisen — so b«scheid«n ist man bereits in seinen Wünschen und Erwartungen geworden! — eine ziemliche Befriedigung er weckt. Di« dadurch in Aussicht gestellte Einheit der Handels- und Hei- matSgesetzgebung, sowie der Anstalten für die national« Auswanderung, er- scheint als etwas- durchaus WünschenSwertheS, ja als. etwas so Wünschens- werthes, daß man eben darum bereits wieder der Befürchtung Raum gibt, es werde, da zu derartigen gemeinnützigen Einrichtungen nicht bsos Stim menmehrheit, sondern Einstimmigkeit erfoderlich ist, zu einem solchen Be schlusse in- der Wirklichkeit nicht kommen. Diese Befürchtung wird nun zwar in der gedachten Mittheilung. nicht bestätigt, eher entkräftet, aber frei lich nur durch eine Voraussetzung, deren Eintritt uns beinahe noch mehr Besorgniß einflößen würde, als das Nichtzustandekommen der in Frage ste henden Maßregeln selbst. Es wird nämlich angedeutct, man wolle die be antragten Beschlüsse entweder gleich von vornherein nur auf eine gewisse Zeit, fassen und deren Erneuerung, beziehentlich) Revision nach Ablauf die ser Frist Vorbehalten, oder aber den einzelnen Regierungen ein Kündigungs recht in Bezug, auf da» jetzt abzuschließrnde Verhältnis einräumen. Der berliner Korrespondent ist der, Meinung, daß ein«, solche Möglichkeit des Wiederzurücktritt» von, dem- einmal- Beschlossenen für die einzelnen Regie rungen nothwendig, sei, weil eS sich hier um Verwaltungsmaßregeln handle, in Betreff welcher die Gesetzgebung den wechselnden Verhältnissen und Bedürfnissen zu folgen habe, daher sich an mehr oder weniger stabile Be stimmungen nicht wohl binden könne. Wir möchten zunächst in Abrede stellen, daß eS sich bei den betrrffenden Anträgen überall um Verwaltungs- angelegenheiten handle;, höchsten» könnten wir dies von der AuSwanderungs- fragx zugeben, wogegen die Anträge auf eine gemeinsame Heimats- und Handelsgesetzgebpng offenbar, wie es schon der Wortlaut gibt, dem Be reich« der Gesetzgebung und des, Rechts angehören. Scheint nun somit jener Grund eines angeblich nothwendigen Vorbehalt» in der That nicht zu bestehen, so müßten wir andererseits di« Ausführung eines solchen Vorbe halt», d. h; die Wiederaufhebung der einmal eingeführten gemeinsamen Hei- matS- oder Hand«lSgesetze, für «in« fast noch, schlimmere Kalamität halten al»- da» gänzliche Nichtzustandekommen solcher und das Verbleiben bei dem g«genwärtig«n Zustande der, Gesondertheit und Verschiedenartigkeit der deut- schen Staatengefetzgebungew in dieser Beziehung. Man vergegenwärtige sich doch nur einmal die Folgen, welche es haben müßte, wenn jetzt ein ge- meinsames HeimatSgesetz und ein« für ganz Deutschland gültige Gesetzge bung und Procedur in Hand«lsang«legenheiten eingeführt würde, alle Ver- hältniff« sich darauf hm umgestalteten und. nun mit einem male nach Ist oder 20 Jahren dieser ganze Umgestaltungsproccß wieder rückgängig gemacht und dtp unter dem Einfluß der Gemeinsamkeit und Einheitlichkeit auf die sen beiden, so tief in da» Privat- und GewerbSleben der Volks eingreifen den. Gebieten erwachsen« Organismus von neuem in seine getrennten parti- «ularistischen Fasern gesondert und zerzupft werden sollte. Man könnte sich vielleicht mit dem Gedanken trösten, daß eben die Größe der von einem solch«» Wiederaufgeben der einmal gewonnenen Gemeinsamkeit »»zertrenn lichen Nachtheile Bürgschaft genug gegen das Eintreten dieser Befürchtung sei, und. man kqzmte sich auf das Beispiel des Zollvereins berufen, der, auch auf Kündigung abgeschkossen, nun schon fast ein Vierteljahryundert besttht und will es Gott, noch manches Jayrzehnv bestehen wird. Allein die Analogie ist nicht ganz zutreffend, die volköwirthschaftlichen Gefahren «ine» Bruchs des Zollvereins' hätten allein einen solchen vielleicht kaum ver hütet, als er vor wenigen Jahren wirklich zu drohen schien, hatten sich nicht die Regierungen sagen müssen, daß ihre Finanzen dadurch einen, nicht leicht wiedergutzumachenden Stoß erleiden würden. Bei alledem können wir wohl begreifen, wie bei der gegenwärtigen Bundesverfassung jede ein- zelne Regierung Bedenken trägt, ohne Vorbehalt zu einem Beschlusse mit zuwirken, der, einmal festgestellt, ebenso schwer wieder abzuändern wie vor her zustande zu bringe» ist—nämlich nur durch Stimmeneinhclligktit. Be stände statt einer in so erschwerenden Formen beschlußfassenden Versamm- lung von Bevollmächtigten, die streng nach Instructionen handeln, eine par lamentarisch berathende und nach einfachen Majoritäten beschließende Ver tretung' der Regierung«» und der Völker Deutschlands, wie dies die Reichsverfassung von 1848 und die Unionsverfassung von 1849 beabsich tigten, so würden Maßregeln im allgemeinen Interesse nicht nur viel leich ter, sondern auch viel unbedenklicher zustande gebracht werden können, weil eine Abänderung solcher Maßregeln je nach den veräNVetten Verhältnissen und Bedürfnissen dann ebenfalls viel weniger Schwierigkeiten hätte. Was den zweiten Theil jener berliner Korrespondenz betrifft, so erin nert derselbe auf noch' viel schmerzlichere Weise an die ungeheuer» Schwä chen de» bestehenden staatenbundlichen und an die dringende Nöthwendig keit eine»'bundesstaatlichen Systems für Deutschland) Die «Zeit«, das halbamtliche Organ Preußens, weist auf die Unthünlichkeit einer Bundes- execution gegen Dänemark hin; obschon eS nicht leugnen kann, daß Däne- mark' durch Mehr alS'eine Maßregel die bundesrechtlich garantirten Zustände Holsteins verletzt habt!. Daß und warum der Staatenbund Deutschland diese Rechte nicht zu wahre» im Stande ist, während der erste Anlauf zu einer bundesstaatlichen Einigung'mit einer Aktivität noch ganz anderer Art für Schleswig-Holstein verbunden war, einer Aktivität, die erst dann, aber dann sofort wieder erlahmte, als jener Anlauf ins Stocken getieth — brau chen wir wol nicht weiter auöjuführen. Genug, daß jedes neue Vörksmm- niß, sowol auf dem Felde der inner» als auf dem der äußern Verhält nisse Deutschlands, uns voch neuem und immer dringlicher als das ewige oetvrum «snsso die Mahnung, zuruft: Deutschland, wenn es bestehen und gedeihen will, werde ein Bundesstaat! Deutschland. Preußen. Berlin, 20. Juni. Es ist jetzt so weit gekommen, daß selbst auch der Kreuzzcitung das dänische Verfahren in Holstein zu arg wird und daß sie dringend wünscht, daß die Sack« bei der Bundes versammlung zur Sprache gebracht werden möchte. Was wird die Bun- desvrrsämmlurtg! thun? Im Jahre 1846 hieß es in dem Bericht der Re- clamationScommissivn über die damalige Beschwerde der holsteinischen Stände: „Sollte, was nicht zu> erwarten steht, die königlich dänische Regierung im Verlauf der Zeit von ihren, soeben gegebenen feierlichen Versicherungen ab weichen, sollten, mit oder ohne ihr Verschulden, aus den dermaligen Ver hältnissen Verwickelungen erwachsen, durch welche Rechte oder Interessen, die unter dem Schutz des Bundes stehen oder zu seinem Wesen gehören, gefährdet oder verletzt erscheinen; oder sonst zu, ordnen sein, so würde, je nach der Lage der Sache, die Kompetenz des Bundes zu begründe» sein"; und an einer andern Stelle desselben Berichts heißt es noch, daß die Bun desversammlung ihre eigene Stellung in Bezug auf die zum Deutschen Bunde gehörigen Länder Dänemarks zu wahren habe, „damit der Zukunft nichts vergeben und angedeutet werde, daß im Deutschen Bunde das Bun desrecht und nicht politische Convenienz entscheide'. Alles das damals Gesagte gilt auch heute noch vollkommen, und welche unglückliche Wendung die schles wig-holsteinische Sache auch genommen haben mag, so steht doch soviel jedenfalls fest, daß die Bundesversammlung nichts gethan hat, wodurch von den Rechten des Bundes in Bezug auf die Herzogthümer auch nur das Geringste vergeben worden wäre. Sind aber alle diese Rechte, wenn auch vorderhand nur durch eine reservirte Stellung, gewahrt, so kann auch über die vollbegründetc Kompetenz des Bundes gegenüber dem dänischen Verfahren in Holstein nicht der geringste Zweifel obwalten. Was wird nun di« Bundesversammlung thun? Freilich muß, ehe sie überhaupt etwas thun kann, die Sache selbst bei ihr zur Sprache gebracht werden, und hier liegt zunächst der Knoten. Soviel sich einzelnen äußerlichen Andeutungen entnehmen läßt, möchten die beiden deut schen Großmächte den Zeitpunkt zu einer Behandlung dieser Sache wol schwerlich für geeignet halten, und wenn dem so ist, so könnte es leicht sein, daß die übrigen Regierungen der Meinung wären, daß ein Vorgehen ihrer seits bei solcher Sachlage hinsichtlich des Erfolgs wol nur ein Schlag ins kalte Wasser sein möchte, und daß cs darum besser sein dürfte, vorderhand lieber gar nichts zu thun. Vielleicht arbeitet man, auS ähnlichen und verwandten „Rück sichten", auch einer direkten Beschwerdeführung durch die holsteinischen Släüde entgegen, damit die Bundesversämmlung auch von dieser Seite von der Sache nicht berührt und nicht nölens vvlens zu einer Behandlung derselben gewisser maßen gezwungen werde. Ob und was von dem Allen eintritt, können wir natürlich nicht wissen, auss höchste zu beklagen wäre es aber, wenn nur etwas davon einträte, wenn wir unser geschriebenes Recht in der Ta-