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Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Weißcrih-Ieitung. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeile 8Pfg. Amts- und Anzeige-Matt der Königtichen Gerichts-Aemter und Itadträthe zu Dippoldiswalde und /rauenfleiu. Ncranimortlicher Nedacteur: Carl Lehne in Dippoldiswalde. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 30. August. Auf eine an unfern Turnverein ergangene freundliche Einladung des Turnvereins zu Mariaschein zur Theilnahme an seiner Fahnenweihe hatten sich Sonnabend, den 26. August, 10 Mitglieder unseres Vereins zu einer Turnfahrt nach dem böhmischen Festorte auf den Weg gemacht. Und nicht nur von hier, auch aus Geising, Königstein, Pirna, Schandau waren zahlreiche Deputationen erschienen, um den deutschen Brüdern jenseit des Gebirges zu zeigen, daß man ihre Bestre bungen, in der Turnerei deutscher Kraft und deutschem Sinne bei sich eine Stätte zu bereiten, auch bei unö mit Aufmerksamkeit und warmer Theil nahme verfolge. In dem Festorte Mariaschein, zu dem sonst nur Wallfahrtsprozessionen gekommen waren, um wunderthätige Marienbilder anzubeten, flatterten am Sonntage beim herrlichsten Sonnenglanze Turner-, Sänger- und Schützenfahnen, erschollen anstatt ein förmiger, sinnloser Litaneien die frischen, fröhlichen Klänge der „Wacht am Rhein" und anderer Vaterlands lieder, als sich gegen Mittag ein imposanter Zug, den man mit 11—l200 Theilnehmer wohl nicht zu hoch anschlägt, zur Fahnenweihe des jungen, erst 2 Jahre alten Mariascheiner Turnvereins nach dem Markte bewegte. Aus den böhmischen Nachbarorten Teplitz, Aussig, Brüx, Bilin, Graupen, Kommotau, Karbitz u. a. waren ganze Vereine mit Fahnen und Musik chören erschienen, aus Teplitz auch der wohl über 100 Personen zählende Fortbildungsverein mit Damen, aus Prag selbst war eine Deputation da. ' Obschon in den gehaltenen Ansprachen alles die Gegner des Deutsch- thums und der Turnerei Aufreizende ernstlich vermieden wurde, so war doch das ganze Fest mit seiner allge meinen Theilnahme eine nicht mißzuverstehende Demonstra- tion gegen die in Oesterreich immer mehr zu Tage tretenden czechischen und klerikalen Bestrebungen, und mußte in dem Klosterorte Mariaschein, in dem 35 Je suiten eifrig für den Ultramontanismus arbeiten, umso mehr auffallen, als eine erst kürzlich zu Ehren des Papstjubiläums veranstaltete katholische Vereinsver sammlung kläglich Fiasco gemacht hatte. (Bon aus wärtigen Theilnehmer«, deren man damals mindestens tausend erwartet hatte, waren Summa Summarum nur — 85 erschienen!) — Das am Nachmittag veran staltete Schauturnen unter Leitung des Turnlehrers Maßmann aus Teplitz (der alte Maßmann hatte der Einladung wegen Krankheit nicht folgen können, hatte aber beim Nageleinschlagen zu sprechende Verse gesandt) erfreute sich allgemeiner Theilnahme, und ein zum Schluß arrangirler Ball hielt noch eine Anzahl Fest- theilnehmer bis zum Morgen beisammen. Die meisten Festgenossen schieden indeß schon am Abend von den biedern Mariascheinern mit dem innigen Wunsche, daß auch durch ihre Bestrebungen der politischen und kirch lichen Unterdrückung ein fester Damm entgegengesetzt und der Freiheit eine Gasse gemacht werden möge. Darauf ihnen ein herzliches „Gut Heil!" Dippoldiswalde. Die am Dienstag, 29. August, von ca. 30 Mitgliedern unseres Gewerbevereins nebst mehreren Gästen unternommene Excursion ge hörte zu denen, welche des SehenSwerthen und Inter essanten sehr Vieles boten und die deshalb sämmtliche Theilnehmer gar sehr befriedigte und erfreute. Dies mal ward die Residenz Dresden besucht und die dortige Gew erbe-und Industrie-Ausstellung, auch das naturhistorische und historische Museum in den Vormittags- und Mittagsstunden besichtigt. DerDreSdner Gewerbeverein nahm in den Nachmittagsstunden vorerst die kgl. Silberhämmer und die Münze, sowie das kgl. Zeughaus, in Augenschein, und durch die außer ordentliche Zuvorkommenheit genannten Vereins war es uns gestattet, hieran Theil zu nehmen. Mit größtem Interesse nahm man durch den Augenschein und ein gehende Erklärungen Kenntniß von den Manipulationen zur Herstellung des Geldes (sächsischer Thalerstücke): das Strecken der Silberbarren zu langen Platten, auS denen die runden Stücken der späteren Thaler gepreßt wurden ; das Rändern und Einpressen der Randschrist; das Glühen zum Weichmachen behufs schärferer Prä gung; das Justiren (Wiegen) der einzelnen Stücke; das Reinigen und das Prägen selbst, sowie daS Verpacken der abgewogenen (nicht gezählten) Thalerstücke in Säcke zu je 1000 Stück. Zwei mit dem Prägen beschäftigte, durch Dampf getriebene Pressen liefern jede pro Tag 20,000 Stücke; die Stahlstempel sind bereits nach 4 Tagen, also nach ca. 80,000 Prägungen, nicht mehr brauchbar und müssen durch neue ersetzt werden. Auch das Prägen ver, von dem Dresdner Gewerbvereine an Aussteller zu vertheilenden silbernen Medaillen (5 Thlr. an Silberwerth), die Herstellung der Stahlstempel u. A. nahmen das Interesse in Anspruch. — Die Führung im kgl. Zeug Hause (durch Offiziere und Unteroffiziere) war um deswillen jetzt um so interessanter, als in den unteren Räumen außer den zahlreichen sächsischen Ge schützen, die sämmtlick, von den Spuren de« Krieges be freit, wie neu erschienen, auch diejenigen zwei französischen Marine-Geschütze von je 167 Ctr. Schwere mit aus gestellt waren, welche der deutsche Kaiser unserm Kron prinzen Albert zum Geschenk gemacht hat, sowie die