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Voiglländischcr Anzeiger. Amtsblatt für die Gerichtsämter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. 8iebenzigs1er Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diese» Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstag», Donnerstag» und Sonnabend». Jährlicher Abonnement-preis, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. tv Ngr. — Annoncen, die bi» Mittag» 12 Ubr eingeben, werden in die Tag» darauf erscheinende Rümmer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpu»-Zeile berechnet. 48 Sonnabend. 23. April 18SS. Plauen, 21. April. Die endgiltige Entscheidung der großen Tagesfrage, ob Krieg, ob Frieden, ist bis heute noch nicht gefallen. Die diplomatische Sachlage ist folgende: Oesterreich hatte vorgeschlagen, alle betheiligten Staaten (Oester reich, Frankreich, Sardinien) sollten vor dem Kongresse entwaffnen. Darauf sagte Frankreich, es habe nicht gewaffnet, könne also auch nicht entwaffnen, und machte dagegen einen neuen Vorschlag, eS wolle Sardinien zur Ent waffnung veranlassen, wenn dieses als gleichberechtigte Macht zum Con- gresse zugelaffen würde. Neuerlich bringt der Moniteur wieder einen Artikel, worin Frankreich der Entwaffnung vor dem Congreffe keinen Widerstand entgegensetzen will, wenn alle italiennchen Staaten zum Kon greß zugelassen werden. — So gehts von einem Tage zum andern. Vor schläge und Gegenvorschläge, die rin Theil annimmt, der andere verwirft, Winkelzüge, wälsche Kniffe und Partikken, neben welchen fortgesetzte un geheure Rüstungen hrrlaufen, aber weder jenseits des Rheins noch am Po ernsthafte FricdenSneigung. Solcher Winkelzuge wird endlich der Friedliebendste und Besonnenste müde. Der englische Ministerpräsident Derby hat gewiß den Nagel auf den Kopf getroffen, als er sagte, man scheine von gewisser Seite her nur sein Spiel mit dem Kongresse treiben zu wollen. Viele Zeitungen sprechen eS unverhohlen aus, der Franzosen- kaiser suche durch diese Vorschläge und Gegenvorschläge nur Zeit zu ge winnen, bis er vollständig gerüstet und eS vielleicht gelungen sei, ein für seine Absichten passenderes englisches Ministerium Palmerston-Russell ans Ruder zu bringen. Diese beiden Herren haben sich ohnlängst im Parla ment für die Zulassung der italienischen Staaten zum Kongreß, die jetzigen englischen Minister aber dagegen, also nicht im Sinne Frankreichs aus gesprochen. Oesterreich hat dieses Hin- und Herzerren wie mit Löffeln satt, und wenn eS wahr ist, wie einige Zeitungen melden, daß eS sich den geheimen französisch-sardinischen Vertrag verschafft hat, in welchem klar geschrieben stehen soll, daß Frankreich das lombardisch-venetianische Königreich in Italien (5 Mill. Einw.) den Sardiniern rm Guten oder Bösen verschaffen will, wofür dann Sardinien das arme, aber passend ge legene Savoyen an Frankreich abtreten würde, so ist's Oesterreich wahrlich nicht zu verargen, wenn eS heut lieber als morgen losschlagt. Die Oest. Ztg. sagt auch: „Die Tage des Zweifels sind gezählt; die Sonne des Ostermorgeifs wird entweder eine Welt deS Friedens bescheinen oder einer blutrothen Erde leuchten." ES mag nun kommen, wie eö will, Deutschland ist vorbereitet, einig, wie kaum jemals. Alle Berichte stimmen darin überein, daß der Erzherzog Albrecht von Oesterreich in Berlin günstige Erfolge erzielt hat, daß Oester reich und Preußen einig sind und mit diesen daS ganze übrige Deutsch land. Der Niederrhein ist bekanntlich durch die gewaltigen Festungen Mainz, Koblenz, Köln, Wesel, mehr gedeckt, als der Oberrhein, unsere schwächste und gefährlichste Seite, die nur Rastatt und die kleineren Festungen Landau und Germersheim schützen. Da wollen nun schon einige Zeitungen wissen, Preußen werde im Kriegsfälle zweimalhunderttausend Mann, Oester reich achtzigtausend Mann zur Deckung derRheingrenze aufstellen. Rechnet man nun hierzu noch die andern Bundestruppen, daS 7. BundeSarmee- corpS, (Baiern) — ein ArmeecorpS ist zwischen 30—40,000 M. stark — ^aS achte, (Würtcmberg, Baven, Hessen-Darmstadt) das neunte, (Sachsen, Kurhesseq^ Nassau, Luxemburg) daS zehnte, (Hannover, Braunschweig, Mecklenburg rc.) sowie die Rcservedivision der kleineren Bundesstaaten, so giebt dieß mindestens 400,000 Mann tüchtig geübte Truppen, die daS Gesammtvatcrland gewiß zu schützen im Stande sind. Neue Nachrichten wollen auch wissen, Oesterreich werde am Bunde den Antrag stellen, dem Prinz-Regenten von Preußen die Würde eines Oberbefehlshabers der ge summten Bundesarmee zu übertragen. So stehen heute die Sachen. Wie sie morgen, wie sie nach den Oster- fciertagen aussehen werden, müssen wir in Geduld erwarten. Sachsen. Plauen, 21. April. Sicherem Vernehmen nach wird die Kirchenvisitation in hiesiger Ephoralstadt Sonntag, den 24.Iuli d. I. und die folgenden Tage stattfinden. Die Visitatoren werden die Herren Kirchenrath vr Döhner auS Zwickau und Sup. Vr. Siebenhaar aus Penig sein. Preußen. Berlin, 18. April. Die „N.-Z." schreibt: Oesterreich hat bei Formulirung seiner letzten Bedingung die Absicht kundgegeben, in kürzester Frist den Krieg an Piemont zu erklären, wenn dieses die gleich zeitige Entwaffnung ablehne. I» Frankreich deuten zahlreiche Anzeichen, unter welche auch der Abgang der Oceanflotte nach Marseille gehört, darauf hin, daß man eiligst die letzten Vorkehrungen trifft, um dann Sar dinien den durch daS bekannte Bündniß verbürgten Beistand zu leisten. Es scheint also, daß die Diplomatie auf die letzten und äußersten Mittel angewiesen bleibt, wenn sie den nahen Ausbruch des Krieges noch verhü ten will. Frankreich und Piemont arbeiten darauf hin, ihn herbeizuführen, Rußland gönnt ihn, wie eS scheint, Oesterreich von Herzen, Oesterreich endlich sieht ihn seit lange als unvermeidlich an und hat zahlreiche gute Gründe, ihn dann lieber heute als morgen zu beginnen. Unter diesen Umständen muß man sich gestehen, daß die Bemühungen Englands und Preußens jeder sichern Grundlage entbehren; nur bis auf einen gewissen Punkt konnten sie mit Würde fortgesetzt werden. Soeben ging unS auS Dresden folgendes Telegramm zu: Dresden, 22. April, 2 Uhr 8 Min. Nachm. Oesterreich ist den neuesten Vorschlägen Englands, welche Frankreich, Rußland und Preußen acceptirt hatten, nicht beigetreten. Infolgedessen hat Kaiser Napoleon mehrere Armeedivisionen nach der Piemontefifchen Grenze beordert. Kirchliche Nachrichten. Am 1. Osterfeiertage predigt in der Stadtkirche früh halb 6 Uhr Herr Archidiacon. LI. Fiedler (MyliuS'sche Legatpredigt), Vormitt. Herr Supcrint. Beyer und Nachmitt. Herr Stadtdiacon. Martin. — Nach der Mettenpredigt sowohl, als nach der VormittagSpredigt allgem. Beichte mit Kommunion. Am 2. Osterfeicrtage predigt in der Stadtkirche Vormitt. Herr Sup. Beyer und Nachmitt. Herr Archidiacon. LI. Fiedler. — (Kollekte für die Zwecke der Sächs. Bibelgesellschaft.) In der GotteSackerkirche hält Vormitt. halb 11 Uhr Herr Stadtdiac. Martin die erste Herold'sche Legatpredigt.