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Spaziergang. Auf der Rheinbrücke gegen Maximiliansau angelangt, übergab er seinem Begleiter plötzlich Uhr und Börse und stürzte sich in den Fluß. Er versank in den rauschenden Wellen und seine Leiche ist bisher nicht aufgefunden worden. Bei der Revision der ihm unter stellt gewesenen Hofkasse bemerkte man ein Manco von 105,000 M. Dieses, sowie unglückliche Familienverhältnisse, scheinen das Motiv des Selbstmordes zu sein. * Hamburg. Der bei der Hamburger Vereinsbank angestellt gewesene Kommis Harburger ist unter Mitnahme von 165,000 M. flüchtig geworden. * Hamburg. Ein wahrhafter Cartouchestreich ist dem Uhr macher Jarnicaud am Neuen Steinweg gespielt. Am Mittwoch Abend war Herr Jarnicaud hinter seinem Ladentisch, aus einem Stuhle sitzend, eingenickt und schlummerte ziemlich fest, denn er merkte gar nicht, daß ein Fremder eintrat und gewiß ein sehr frohes Gesicht gemacht hat, als er den Laven-Inhaber süß träumend fand. Der neue Cartouche benutzte diese Gelegenheit auf's Vortheilhafteste für sich und packte nicht weniger als 20 werthvolle Remontoiruhren ein. — Als diese vollständig in seinen weiten Taschen sich in Sicherheit befanden, konnte der Bursche sich obendrein den geheimen Schabernack nicht versagen, recht laut: „Guten Abend!" zu rufen und einige Mal derb zu niesen. Herr Jarnicaud, aus dem Schlaf erwachend, rief: „Prosit!" — Cartouche entgegnete „Danke!" und war dann mit einem Satz aus dem Laden und aus dem Bereich des so arg Bestohlenen. * Zwei Handelsleute hatten auf dem Viehinarkt zu Wittlich 43 Fohlen im Alter von I VZ bis 2 Jahren gekauft und dieselben gegen Abend in dem Zuge Wittlich-Chrang, resp. Saarbrücken in zwei Waggons eingestellt. Als dieser Güterzug in Ehrang zum Anhang der betreffenden Wagen in den Zug Ehrang-Saarbrücken eintraf, fiel den Beamten ein aus diesen Wagen hervorgehender Dampf und ein ungewöhnliches Gepolter in denselben auf. Die Wagen wurden geöffnet und boten einen schauderhaften Anblick dar. Dio Kadaver von 17 dieser Fohlen lagen unter den Füßen der noch lebenden. Die vom Departementsthierarzt Fachs vorgenommene Untersuchung soll ergeben haben, daß die hilflosen Thiere durch Er- stickung verendet sind. Und die Hauptursache der Erstickung wird der Ueberfüllung der Wagen zugeschrieben. Statt der vorgeschriebenen höchsten Anzahl von 12 Fohlen auf einen Wagen waren deren 22 bis 23 eingestellt. Ueberdies sollen auch die vorgeschriebenen Wärter in den Wagen gefehlt haben. Der Verlust, welchen die Eigenthümer in Folge dieses Vorfalls erlitten haben, wird auf 5000 Mark geschätzt. Der Geliebte der Todten. Roman. Frei nach dem Französischen von Julius Detmoll. (Fortsetzung.) Als er sich entfernt hatte, warf sich Bernhard auf einen Stuhl. — Wann werden meine Leiden enden! murmelte er . . . Allein! O, jetzt bin ich ganz allein! Sein ganzes Elend überfluthete ihn, all die Bitterkeit seines Daseins erwachte in seiner Seele. Er dachte an seine Mutter, in deren Schooß er schon verflucht gewesen ... an seinen Vater, der ihn kalt von sich gestoßen ... an Louise und seine Liebe und ihren Tod, und auch an die arme, unglückliche Philomene und ihre ver schmähte Neigung. Der ganzen Welt hätte er sein Elend entgelten lassen mögen. Herrn Desclaux's Rückkehr wurde lebhaft in seinem Hause er wartet. Jetzt erschien er. Blick und Haltung Philomenen's sprachen förmlich die Frage aus: — Willigt er ein? Traurig schüttelte er das Haupt. Schmerzlich durchzuckte es das Herz des armen Kindes; mit so todestraurigem, zu Thränen rührendem Ausdruck schüttelte sie das Haupt und preßte die Hand auf die bebende Brust. Liebevoll nahm Herr Desclaux sie bei der Hand und sagte zu ihr, mit innigem Mitleiden ihr in die treuen Augen schauend: — Ich komme von Herrn Bernhard und er hat mir erklärt, daß er niemals heirathen werde. Ein schwerer, tief schmerzlicher Seufzer hob ihre bedrückte Brust. Dann ging das arme Kind auf ihr Zimmer, ihren Kummer auszuweinen. 17. Capitel. Ei» Sonntag im Torfe. — An einem der nächsten Sonntage werde ich den Schuldigen ausfindig machen, hatte Herr d'Extreme gesagt. Und sein Plan war vollkommen überdacht, als er diese Worte sprach. Er gründete sich auf die Gewohnheit der Bauern, an diesem Tage sich möglichst vollzählig vor der Kirche zu versammeln und nach den Tagen der Arbeit sich ruhig auszuplaudern. Die jungen Mädchen und Burschen berathen sich über die Nach mittagsvergnügungen. Die Alten bilden Gruppen um den Bürger meister, den Arzt und den Notar, und erholen sich bei ihnen Rath. An dem Sonntag nun, der seiner Unterredung mit Peter und dem Abbe Morlet folgte, erschien Herr d'Extreme frühzeitig auf dem Platze vor der Kirche. Als Desclaux ihn erblickte, rief er ihm zu: — Wo habt Ihr denn den Hut anfgetrieben? Der sieht ja aus wie ein Lichtlöscher! In der That verschwand der Kopf des Notars fast vollständig unter einem breitkrämpigen schwarzen Filzhut, der halb dem Hut eines Geistlichen und halb einem Studentenhut glich. Der Hut erregte allgemeines Aufsehen. Jeder probirte ihn auf, was zu vielen Späßen Veranlassung gab. Man ging schließlich so weit, daß man Niemand mehr freiließ, der nicht den Hut auf dem Kopfe gehabt hatte. Alle Augenblicke ertönte der Ruf: — Diesem den Hut! Jenen: den Hut! So wanderte er von Kopf und Hopf. Jetzt kamen die Schulkinder an und drängten sich vor, um den merkwürdigen Hut zu sehen. Bernhard, der sie zusammenhalten wollte, kam dadurch in die Nähe jener Gruppe, die sich um den Notar gebildet hatte. Und plötzlich ertönte der Ruf: — Herrn Bernhard den Hut! Herrn Bernhard den Hut! Jetzt öffnete sich die Gruppe, und Bernhard erblickte den Hut in der Hand des Notars. Er stieß einen leisen Schrei aus. — Herrn Bernhard den Hut! riefen die Umstehenden von Neuem. — Der Hut gehört mir nicht! rief der Schullehrer. — Herrn Bernhard den Hut! — Ich sage, der Hut gehört mir nicht! Die Scene begann, die Ballern zu belustigen, und immer stärker schrieen sie: — Herrn Bernhard den Hut! Herrn Bernhard den Hut! Der Lehrer wollte zurückweichen und stieß dabei mehrere Per sonen, die ihn wieder stießen. In dem Gedränge flog ihm sein Hut vom Kopf, und während er sich umwandte, stülpte ihm der Notar den seinen auf. Rasend vor Wuth und Zorn schlug jetzt Cölestin aus Leibes kräften um sich. Den Notar, den Bürgermeister, Weiber, Kinder traf seine Faust. Eine Schlägerei schien sich entspinnen zu wollen . . . da benutzte Bernhard eine Lücke und entfloh, den unseligen Hut tief über die Stirn gezogen. Er stürmte immer gerade aus, rannte, da der Hut ihn am Sehen verhinderte, heftig gegen einen Baum und brach vor Erschöpf ung und von der Gewalt des Stoßes ohnmächtig zusammen. Die verfolgenden Bauern nahmen ihn auf und trugen ihn nach seiner Wohnung, wo der Arzt den ersten Verband anlegte. An seinenl Bette befanden sich Herr d'Extreme, Peter und der Pfarrer. Als der Arzt sich entfernt hatte, nahm der Notar das Wort. — Ich gab Ihnen ein Zeichen, mir hierher zu folgen! sagte er. Hier liegt der Schuldige vor uns ... ich habe mein Versprechen erfüllt. — Woher wissen Sie, daß er es ist? fragte Petek. — Hören Sie! Ungefähr zu der Zeit, welche Sie als die des Leichenraubes bezeichnen, fand ich einst auf dem Rückwege aus der Stadt im Thale einen Hut. Ich hob ihn auf, uin einem armen Manne ein Geschenk damit zu machen. Später hörte ich, daß in den benachbarten Gemeinden Diebstähle begangen worden seien. Da der Hut Aufsehen erwecken lind mir Unannehmlichkeiten bereiten konnte, verbarg ich ihn in einem alten Schranke. Peter's Verdacht erinnerte mich an ihn und gab mir den Gedanken ein, diese Maske rade zu veranstalten. Entweder gehörte der Hut dem Verbrecher, den Sie suchten, und dann war die Sache beendet, oder er gehörte einem Andern, und dann war dieser ein Dieb. Es kam nur darauf an, ihn allen aufzuprobiren. Sie missen, wie ich zu meinem Ziele gelangte. Der Hut gehört diesem jungen Manne. Er hat ihn als den seinigen anerkannt, sein Zorn beweist Das. Er ist kein Dieb, er ist also der Schuldige. Der Verwundete machte in diesem Augenblicke eine Bewegung und über seine blutlosen Lippen kamen die Worte: — Louise! . . . Mein Vater! . . , — Lasten Sie mich mit ihm allein! sagte der Pfarrer. Der Notar und Peter entfernten sich . . . — Endlich haben wir ihn! I» diese Worte brach Peter auf der Schwelle des Schulhauses aus und es klang fast wie Freude in dem Tone seiner Stimme. (Fortsetzung folgt.)